Interview

Redaktionsgespräch mit Jürgen Fitschen / "Regulierung muss sich an den Risiken orientieren und nicht an der Rechtsform"

Welche Botschaften sind dem Präsidenten der privaten Banken anlässlich des 20. Deutschen Bankentages besonders wichtig - an die eigenen Mitglieder, an Politik, Regulatoren und die Öffentlichkeit?

Vom 20. Deutschen Bankentag sollte die Botschaft ausgehen, dass ein stabiler Finanzsektor und profitable Banken zusammengehören. Nur Kreditinstitute, die über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügen, können nachhaltig profitabel sein und damit die Stabilität des Finanzsektors sicherstellen. Heute sind Kreditinstitute mit deutlich mehr regulatorischen und bürokratischen Pflichten belastet. Die Fähigkeit Geld zu verdienen, wird dadurch nicht gestärkt. Wir privaten Banken befürworten nachdrücklich eine angemessene und effektive Regulierung, aber diese darf den Banken nicht die Luft zum Atmen nehmen.

Für die Stabilität des Finanzsektors in Europa ist die gerade entstehende Bankenunion von großer Wichtigkeit. Sie ergänzt die europäische Währungsunion und den gemeinsamen Binnenmarkt. Gleichzeitig befinden wir uns nach wie vor in einer Phase, in der das öffentliche Vertrauen in den Finanzsektor im Allgemeinen und die Banken im Speziellen als Folge der Krise beschädigt ist. Daher ist es mir ein Anliegen auf dem Bankentag aufzuzeigen, dass wir uns unserer Verantwortung stellen und mitten in einem grundlegenden Veränderungsprozess befinden. Wir sind hier auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel. Dieser Wandel braucht Zeit.

Sind Bankentage, Sparkassentage oder Große Verbandstage, wie sie die drei großen Bankengruppen in Deutschland turnusmäßig veranstalten, überhaupt noch zeitgemäß?

Der Bankentag bietet ein gutes Forum für den öffentlichen Austausch mit der Politik. Das ist gerade in heutiger Zeit, in der die Politik maßgeblichen Einfluss auf das Bankgeschäft nimmt und wir Banken gleichzeitig für neues Vertrauen werben, von großer Bedeutung. Für mich ist aber ein anderer Punkt ebenfalls sehr wichtig. Der Bankentag ist jedes Mal auch eine Art "Familientreffen" der privaten Banken in Deutschland, das abseits des Tagesgeschäftes dem internen Erfahrungsaustausch der Mitglieder dient.

Bedarf es in Zukunft europäischer Veranstaltungen von ähnlichem Zuschnitt oder läuft die Interessenbündelung gegenüber den europäischen Instanzen auf anderen Kanälen ab?

Derzeit finden die Meinungsbildung und die Bündelung von Interessen immer noch zuerst auf nationaler Ebene statt. Mittelfristig kann ich mir aber eine Branchenveranstaltung auch auf europäischer Ebene vorstellen, weil durch die europäische Harmonisierung des Bankgeschäftes zunehmend mehr Gemeinsamkeiten auf internationaler Ebene entstehen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der bilaterale Austausch auch über nationale Grenzen hinweg bis auf Weiteres das wohl wichtigste Instrument einer erfolgreichen Interessenvertretung bleiben wird.

Wie viel Gemeinsamkeiten gibt es überhaupt zwischen den ohnehin sehr heterogenen Banken in Deutschland und denen etwa in Frankreich, Italien, Spanien oder Großbritannien?

Die Marktstrukturen sind in Europa zweifellos sehr heterogen, und wir in Deutschland tragen mit den drei Säulen aus Sparkassen, Genossenschaften und Privatbanken kräftig dazu bei. Da aber die meisten Regulierungsvorhaben auf europäischer Ebene angestoßen und koordiniert werden, betrifft dies alle Kreditinstitute in der Eurozone beziehungsweise in der EU, und dementsprechend gibt es auch viele Punkte für Gemeinsamkeiten. Ich bin davon überzeugt, dass die Verwirklichung der Bankenunion - und hier vor allem die in diesem Jahr startende gemeinsame europäische Bankenaufsicht durch die EZB - dazu führen wird, dass sich gemeinsame Interessen auch über nationale Grenzen hinweg noch stärker als bisher herausbilden werden.

Wie erleben Sie seit Ihrem Amtsantritt als BdB-Präsident das Klima zwischen den Verbänden der Deutschen Kreditwirtschaft? Sind die Gemeinsamkeiten gewachsen?

Das Klima innerhalb der Deutschen Kreditwirtschaft erlebe ich als gut. Alle Institutsgruppen stehen gleichermaßen vor der großen Aufgabe, die umfangreichen Regulierungsmaßnahmen zu bewältigen. Das ist eine gemeinsame Herausforderung und führt vielfach zu gleichgerichteten Interessen. Allerdings müssen wir natürlich auch darauf achten, dass Regulierung für alle Kreditinstitute gleich umgesetzt wird. Regulierung muss sich nach Überzeugung der privaten Banken an den Risiken orientieren und nicht an der Rechtsform.

Im Prinzip befürworten alle großen Bankengruppen in Deutschland eine stärkere Bündelung der Interessen gegenüber der europäischen Politik. Registrieren Sie diesbezüglich Fortschritte?

Der gemeinsame Auftritt gegenüber den europäischen Institutionen ist und bleibt ein zentrales Thema. Das gilt nicht nur gegenüber der Politik in Brüssel und Straßburg, sondern auch gegenüber den europäischen Aufsichtsbehörden, weil diese über die Definitionshoheit der technischen Standards eine wichtige Rolle für die konkrete Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen einnehmen. Der gemeinsame Auftritt als Deutsche Kreditwirtschaft hat sich in den letzten Jahren sicher verbessert, aber wir sollten versuchen, gerade in Brüssel noch deutlicher mit einer Stimme zu sprechen.

Wie sieht das innerhalb des BdB aus? Wird die ohnehin schwierige Interessenbündelung der heterogenen privaten Banken durch die zunehmende europäische Dimension der regulatorischen Vorgaben schwieriger?

Die Interessen der Mitgliedsinstitute des Bankenverbandes sind vor dem Hintergrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle und Größenordnungen nicht immer identisch. Aber jedes Mitglied ist wichtig und gerade auch die Interessen der kleineren und mittelständischen Institute liegen mir sehr am Herzen. Nicht umsonst drängen wir in allen Regulierungsfragen darauf, dem Grundsatz der "doppelten Proportionalität" zu folgen. Dieser besagt, dass sowohl die Steuerungsinstrumentarien in einer Bank als auch die Intensität der Überwachung durch die Bankenaufsicht proportional zu den eingegangenen Risiken einer Bank sein sollen. In zahlreiche Regulierungsvorhaben ist dieser Gedanke der doppelten Proportionalität eingeflossen. Es wird also durchaus zwischen großen und kleinen Banken unterschieden. Wichtig ist, dass dieser in den Richtlinien angelegte Gedanke auch bei der konkreten Umsetzung seinen Niederschlag findet.

Wie weit sind die deutschen Banken auf ihrem Weg, das im Zuge der Finanzkrise verloren gegangene Vertrauen seitens der Politik und der Öffentlichkeit zurückzugewinnen? Kommen Ihrem Eindruck nach die privaten Banken in ihrem öffentlichen Ansehen schlechter weg als die beiden Verbundgruppen?

Es ist in den Banken viel mehr an Veränderung passiert, als weithin wahrgenommen wird. Dennoch haben wir noch einiges an Hausaufgaben zu erledigen.

Denn ohne Vertrauen ist erfolgreiches Wirtschaften auf Dauer undenkbar - gerade im Bankensektor. Die privaten Banken begreifen das Aufarbeiten der Fehler der Vergangenheit daher nicht als eine Pflichtübung, sondern als einen wesentlichen Beitrag, das Finanzsystem stabiler zu machen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und ihrer ureigenen Verantwortung gerecht zu werden - gegenüber den Kunden, gegenüber der Gesellschaft, gegenüber den Anteilseignern.

Was mich aber sehr hoffnungsvoll stimmt ist, dass verschiedene repräsentative Meinungsumfragen ein großes Vertrauen in die eigene Bank belegen. Während die breite Öffentlichkeit nach wie vor keine hohe Meinung von der Branche im Allgemeinen hat, ist das Vertrauen in die eigene Bank und deren Beratung heute bei den Menschen deutlich besser als noch vor wenigen Jahren. Ich habe den Eindruck, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, aber noch ein gutes Stück des Weges vor uns haben. Wir müssen einfach noch besser erklären, wozu Banken da sind und was sie leisten.

Sie haben jüngst eine Konsolidierung in Europa vorhergesagt, welchen Vorteil kann sich eine Bank von grenzüberschreitenden Zusammenschlüssen versprechen? Sind diese ob der unterschiedlichen Rechtssysteme nicht viel zu komplex?

Ohne Zweifel sind die nach wie vor heterogenen Marktstrukturen und unterschiedlichen Rechtssysteme eine große Herausforderung für grenzüberschreitendes Bankgeschäft. Aber die Bankenunion wird maßgeblich dazu beitragen, diese Komplexität ein Stück weit zu reduzieren und längerfristig dabei helfen, Skaleneffekte auch über nationale Grenzen hinweg zu realisieren.

Erwarten Sie bei einer Konsolidierung in Deutschland auf lange Sicht auch ein Aufweichen der drei Säulen, beispielsweise das Zusammengehen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken oder von privaten Banken und Sparkassen?

Der Wettbewerb im Bankgeschäft ist hart, und die Mindestanforderungen an die Institute sind heute deutlich höher als früher. Alle Kreditinstitute sind daher gefordert, ihre Geschäftsmodelle und Prozesse kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Regulatorische Anforderungen, gerade auch was das Berichtswesen und aufsichtsrechtliche Meldepflichten anbelangt sowie die immensen Investitionen in IT und Digitalisierung erhöhen die kritische Größe, die man für den kostendeckenden Bankbetrieb benötigt. Im Back-Office-Bereich gibt es daher schon erste säulenübergreifende Kooperationen. Diese Entwicklung wird sich ohne Zweifel fortsetzen. Allerdings beschränken die bestehenden Strukturen, zum Beispiel die öffentliche Rechtsform mancher Institute, die Möglichkeiten für weitergehende Kooperationen oder Zusammenschlüsse.

Was erwarten die privaten Banken von der deutschen Politik? An welcher Stelle wünschen Sie sich eine Veränderung der Rahmenbedingungen?

Ich habe großen Respekt davor, was die Politik in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Krisenbewältigung und der Finanzmarktregulierung geleistet hat. Aber man darf nicht aus den Augen verlieren, dass es nicht um die Quantität, sondern die Effektivität der Regulierung geht, wenn wir optimale Rahmenbedingungen für einen stabilen und leistungsfähigen Finanzplatz schaffen wollen. Die Regulierung darf die Kreditinstitute bei der Erfüllung ihrer volkswirtschaftlichen Aufgaben und hier vor allem bei der Finanzierung der kreditnehmenden Wirtschaft nicht beeinträchtigen. Daher war es aus unserer Sicht auch ein wichtiges Signal, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag die Absicht niedergeschrieben hat, die Regulierung auf Angemessenheit zu überprüfen.

Die Suche nach den vermeintlich "Schuldigen" für die Finanzkrise ist in vollem Gange, die Haftung von Bankvorständen wird stetig verschärft, und es läuft eine Klagewelle über das Kreditgewerbe hinweg: Würden Sie einem jungen Kollegen noch raten, Bankvorstand werden zu wollen?

Ja, absolut. Für mich ist das Bankgeschäft immer noch eine vielseitige, spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit. Mir macht meine Arbeit immer noch großen Spaß. Insoweit würde ich niemandem, der die entsprechenden Fähigkeiten hat, davon abraten. Eines ist aber klar und ohne Zweifel: Zwar müssen Gesetzesverstöße aufgeklärt und bestraft werden - ganz unabhängig davon, ob es sich um Bankmitarbeiter oder Bankvorstände handelt. Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen: Unternehmerische Entscheidungen sind immer mit dem Risiko des Scheiterns verbunden; das heißt, längst nicht jede unternehmerische Entscheidung, die nicht das gewünschte Ergebnis liefert, kann strafrechtlich relevant sein.

Findet der BdB eine geschlossene Positionierung zur europäischen Bankenaufsicht einschließlich Bankenprüfung und Stresstest? Welche Anliegen sind Ihnen diesbezüglich wichtig?

Die einheitliche europäische Bankenaufsicht hat der Bankenverband schon lange gefordert, weil nur auf diesem Weg gleiche Wettbewerbsbedingungen im Sinne von "Gleiche Regeln für gleiches Geschäft" innerhalb der EU erreicht werden können. Wichtig ist, dass auch im neuen Aufsichtssystem Kontinuität und Effektivität der Aufsicht sichergestellt sein müssen. Gerade in der Aufbauphase der Behörden sind Aufsichtslücken unbedingt zu vermeiden. Des Weiteren ist eine harte und ehrliche Bilanzüberprüfung auch unter Stress-Szenarien wichtig, um das Vertrauen in den Bankensektor zu stärken. Die Anforderungen der EZB an die Banken in Bezug auf die Tests sind enorm und setzen die Häuser erheblich unter Druck.

Wie sehr werden die Veränderungen auch die Prüfungspraxis in Deutschland verändern, die EZB kann auch die Aufsicht über kleinere Banken an sich ziehen. Wird hier der Grundsatz der doppelten Proportionalität gewahrt bleiben?

Inwieweit es zu Veränderungen in der Prüfpraxis kommen wird, ist heute schwer abzuschätzen. Für die kleinen Banken, die nicht direkt von der EZB überwacht werden, wird sich zunächst nicht viel und bei den aufsichtsrechtlichen Prüfungen eher gar nichts ändern, da diese nach wie vor von der BaFin durchgeführt werden. In meinen Augen ist aber richtig und konsequent, dass die EZB die direkte Aufsicht über jedes Kreditinstitut an sich ziehen kann. Da der EZB die Verantwortung obliegt, muss sie nicht nur bellen, sondern auch beißen können. Der Grundsatz der doppelten Proportionalität bleibt aber wichtig und muss gelten, weil sonst bestehende Unterschiede der Banken nicht angemessen berücksichtigt werden können. Ich gehe davon aus, dass die EZB dies auch beachten wird.

Welche Auswirkungen erwarten Sie von der beschlossenen Verschärfung der Kapitalvorschriften für ausländische Banken in den USA? Halten Sie Gegenmaßnahmen der europäischen Seite oder aus Asien für sinnvoll?

Im Februar hat die Federal Reserve die in den USA aktiven ausländischen Banken mit neuen regulatorischen Anforderungen konfrontiert. Diese sind in mehrfacher Hinsicht problematisch. So wird zum einen gefordert, dass die Auslandsbanken nach einer gewissen Umsetzungsfrist eine Zwischenkonsolidierung mit lokalen Kapital- und Liquiditätsanforderungen sowie weiteren Auflagen gemäß dem US-Aufsichtsregime durchführen müssen. Eine derartige Regulierung unterhalb der Gruppenebene durch ein Gastland findet sich in diesem Umfang in anderen Ländern nicht.

In den USA entstehen den betroffenen Instituten dadurch erhebliche Mehrkosten aus der Errichtung und Regulierung einer solchen Intermediate Holding Company - Kosten, die ihre US-Konkurrenten in diesem Umfang weder in den USA noch sonst wo tragen müssen. Eine Nachahmung dieses restriktiven Regulierungskonzeptes für ausländische Banken durch andere Länder wäre für die dortigen Finanzmärkte sicher nicht förderlich und würde das internationale Bankgeschäft noch weiter einschränken. Insofern halte ich auch nichts von einer Einführung gleicher Maßnahmen der EU gegenüber US-Banken.

Meine Hoffnung richtet sich vielmehr darauf, dass die Federal Reserve zumindest mittelfristig die Qualität der EU-Regulierung - etwa zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten - wieder so hoch einschätzt, dass sie ihr "ringfencing" von Kapital und Liquidität für große europäische Häuser in den USA aufgibt und zu ihrer früheren Haltung einer weitergehenden Anerkennung von deren Heimatregulierung zurückkehrt. Die EU verfolgt die Zielsetzung einer konsistenteren transatlantischen Finanzmarktregulierung ja auch im Rahmen ihrer Verhandlungen mit den USA über ein "Transatlantic Trade and Investment Partnership"-Abkommen; dort muss dieses Problem thematisiert werden.

Die Komplexität im Bankgewerbe nimmt immer nur zu: Welche Konsequenzen hat das für die Gremienarbeit des BdB, den Aufwand, den Vorstandsmitglieder und das Präsidium betreiben müssen, und den turnusgemäßen Wechsel im Präsidentenamt, ist das noch durchzuhalten?

Die ohnehin hohe zeitliche Belastung hat in den letzten Jahren für alle deutlich zugenommen, aber das ist angesichts der Regulierungswelle auch keine Überraschung. Das Engagement unserer Mitglieder im Verband ist und bleibt von zentraler Bedeutung für die gemeinsame Meinungsbildung und Interessenvertretung. Der Verband kann die Interessen der privaten Banken auf jeden Fall effektiver vertreten als jedes Institut allein für sich dazu in der Lage wäre. Angesichts der Vielzahl und der weitreichenden Konsequenzen von Regulierungsmaßnahmen ist das Sprechen mit einer Stimme entscheidend. Einzelmeinungen haben immer weniger Chancen, Gehör zu finden - in Berlin nicht und in Brüssel schon gar nicht.

Der turnusmäßige Wechsel im Präsidentenamt ist in meinen Augen eine gute Regelung - auch dass ein aktiver Banker dem Verband vorsteht, empfinde ich als sehr positiv. Das schafft Glaubwürdigkeit. Ich erfahre im Übrigen bei meiner Arbeit als Präsident breite Unterstützung durch die Geschäftsführung und unsere Mitglieder. Dafür bin ich sehr dankbar.

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