Aufsätze

Refinanzierung existierender CMBS durch neue CMBS - Strukturierungsfragen nach der Umsetzung von CRD II

Die weltweite CMBS-Emissionstätigkeit hat in den Jahren vor der Finanzkrise einen nie gekannten Umfang erreicht. Grundlage war die viel beschriebene Wechselwirkung zwischen niedrigen Zinsen, einer steigenden Nachfrage nach Immobilienkrediten sowie Banken, die diese Nachfrage bereitwillig bedienten, da sie das eingegangene Risiko alsbald im Wege der Verbriefung an die Kapitalmärkte abgeben konnten. In Deutschland hat die Möglichkeit der Verbriefung von Immobilienkrediten nicht nur die Finanzierung klassischer Gewerbeimmobilien wie Einkaufscenter, Gewerbeparks und Büroimmobilien stimuliert, sondern auch die Privatisierung vormals durch die öffentliche Hand gehaltener Mietwohnungsbestände. Beispiele sind etwa die Verbriefung der Finanzierung für deutsche Eisenbahnerwohnungen der Deutsche Annington1) oder für Sozialwohnungen der ehemals in öffentlichem Eigentum stehenden Gagfah GmbH.2)

Die "Wall of Debt" im CMBS-Markt

Nach Berechnungen von Fitch wurden in den letzten zwölf Monaten CMBS-Verbriefungen mit deutschen Mietwohnungen im Volumen von rund 1,5 Milliarden Euro zurückgezahlt.3) Von weiteren 12,5 Milliarden Euro wird erwartet, dass sie in den Jahren 2013 und 2014 fällig werden. Insbesondere werden die in den Spitzenjahren 2005 bis 2007 originierten Finanzierungen mit einer fünfjährigen Laufzeit sowie diejenigen Finanzierungen, die während der Finanzkrise nur kurzfristig verlängert wurden, in den nächsten beiden Jahren fällig werden.4) Diese beiden Effekte sind Teil der viel zitierten "Wall of Debt".5)

In welchem Umfang Banken zur Refinanzierung der Wall of Debt zur Verfügung stehen, ist angesichts der durch die Finanzkrise und durch strengere Eigenkapitalanforderungen geschrumpften Finanzierungsspielräume fraglich.6) Jedenfalls bei Engagements mit gesunden Fundamentaldaten käme prinzipiell auch die Emission neuer CMBS (zur Refinanzierung existierender CMBS) in Betracht. Der CMBS-Markt war zwar während den Jahren der Finanzkrise fast vollständig zum Erliegen gekommen. Er zeigt jedoch jüngst Zeichen einer Wiederbelebung.

Welche Rolle der CMBS-Markt bei der Refinanzierung der "Wall of Debt" spielen kann, wird neben der Marktsituation und -entwicklung auch davon abhängen, ob ökonomisch tragfähige Refinanzierungsstrukturen gefunden werden können, die mit den neuen für Verbriefungen geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen in Einklang gebracht werden können. Neben einer Vielzahl von neuen Vorschriften, die seit dem Ausbruch der Finanzkrise zur Regulierung des Verbriefungsmarktes erlassen wurden7), ist Art. 122 a der am 7. Dezember 2009 in Kraft getretenen Änderungsrichtlinie zur Bankenrichtlinie (CRD II)8) von besonderer Bedeutung.

Umsetzung der CRD II in Deutschland

Art. 122a CRD II, der in Deutschland in Gestalt der §§18a und 18b KWG mit Wirkung zum 1. Januar 2011 umgesetzt worden ist, bestimmt, dass Institute nur noch dann in Verbriefungen (das heißt auch in CMBS) investieren dürfen, wenn der Originator beziehungsweise ursprüngliche Kreditgeber9) dem Institut ausdrücklich offengelegt hat, dass er kontinuierlich einen sogenannten "materiellen Nettoanteil" hält. Dieser materielle Nettoanteil muss in Form eines Selbstbehalts in Höhe von fünf Prozent10) des Nominalbetrages der verbrieften (beziehungsweise zur Verbriefung vorgesehenen) Forderungen oder fünf Prozent des Nominalbetrages einzelner Verbriefungstranchen gehalten werden (wie im Einzelnen in §18a Abs.1, Satz 2, Nr. 1-4 KWG vorgesehen).

Der Beitrag beschäftigt sich zunächst mit der Frage, wie §18a Abs.1 KWG auf eine einfache Struktur zur Refinanzierung einer CMBS-Transaktion anzuwenden wäre. Dabei wird deutlich, dass diese Vorschrift zugeschnitten ist auf Verbriefungen, bei denen ein Risikotransfer stattfindet. Findet kein Risikotransfer statt, wie das etwa der Fall ist, wenn die Vermögensgegenstände (Mietforderungen und Restwerte) beim Darlehensnehmer verbleiben und lediglich neu finanziert werden, wirft die Anwendung des §18a Abs.1 KWG Fragen auf, die im Anschluss diskutiert werden sollen.

Verbriefungen ohne Risikotransfer

Problem der Anwendbarkeit des § 18a Abs.1 KWG/Art. 122a CRD II bei Verbriefungen ohne Risikotransfer: Wie die Refinanzierung einer existierenden CMBS-Transaktion durch eine neue CMBS-Transaktion etwa aussehen, zeigt Abbildung 1:11)

Ausgangspunkt ist eine existierende CMBS-A-Transaktion, in deren Rahmen die Verbriefungszweckgesellschaft SPV-A die CMBS-A-Bonds emittiert hat. SPV-A hat die entsprechenden Netto-Emissionserlöse unter dem Darlehen A an die Immobiliengesellschaft ImmoG weitergereicht, die damit den Erwerb von Immobilien finanziert hat, die sie nun an gewerbliche Mieter vermietet. Sowohl das Darlehen A als auch die CMBS-A-Bonds werden demnächst zur Rückzahlung fällig.

Rechtzeitig vor dem Fälligkeitszeitpunkt wird die folgende Struktur implementiert:

1) Es wird die Verbriefungszweckgesellschaft SPV-B gegründet, die (in marktüblicher Weise) die CMBS-B-Bonds in mehreren Tranchen emittiert.

2) Der Netto-Emissionserlös der CMBS-B-Bonds wird als Darlehen B an die ImmoG ausgereicht.

3) Die ImmoG verwendet diesen Betrag, um das Darlehen A (ganz oder teilweise) zurückzuzahlen.

4) CMBS-A-SPV verwendet den so erhaltenen Rückzahlungsbetrag, um die CMBS-A-Bonds zurückzuzahlen.

Risikotransfer als konstitutives Element der Anwendbarkeit des Art. 122 a CRD/§18 a Abs.1 KWG: a) Die vorstehende Struktur unterscheidet sich von traditionellen "true sale"-Verbriefungen, wie sie etwa im Autofinanzierungsbereich vielfach anzutreffen sind, insbesondere dadurch, dass keine Vermögensgegenstände übertragen werden. ImmoG ist Inhaber der Mietforderungen und Restwerte im Hinblick auf die von ihr gehaltenen Immobilien. Ein Gläubigerwechsel im Hinblick auf diese Vermögensgegenstände findet nicht statt.

Gleiches gilt für das Darlehen B, dessen Gläubiger SPV-B ist: Dieses Darlehen wird von SPV-B genuin generiert und wurde nicht etwa von einer anderen Partei erworben. Obwohl damit ein Risikotransfer nicht in Rede steht, handelt es sich bei der Emission der CMBS-B-Bonds gleichwohl um eine Verbriefungstransaktion (die den Anwendungsbereich des §18a Abs.1 KWG prinzipiell eröffnet), da die (marktüblich) strukturierte Emission von CMBS alle Definitionsmerkmale einer Verbriefungstransaktion im Sinne des §1b Abs.1 KWG erfüllt. Wie sich nachfolgend zeigen wird, entspricht die Konstellation einer Verbriefungstransaktion, bei der kein Risikotransfer im Hinblick auf die verbrieften Vermögensgegenstände stattfindet, nicht der Konstellation, die der Gesetzgeber beim Erlass des §18a KWG (beziehungsweise des Art 122a CRD II) im Auge hatte.

Fehlende Interessenkongruenz zwischen Originatoren und Investoren

b) Nach Einschätzung des Gesetzgebers des Art. 122a CRD II bestand eine der Ursachen der Finanzkrise in der fehlenden Interessenkongruenz derjenigen, die Kreditrisiken generieren (den Originatoren) und denjenigen, die in diese Risiken investieren.12) Wenn es möglich ist, dass die Originatoren sich der von ihnen generierten Risiken durch Übertragung an den Kapitalmarkt vollständig entledigen können, werden sie keinen ausreichenden Anreiz haben, bei der Auswahl dieser Risiken mit der gebotenen Sorgfalt vorzugehen. Die nicht sorgfältige Auswahl von Vermögensgegenständen, insbesondere im Immobilienfinanzierungssektor in den USA, wird vielfach als eine der wesentlichen Ursachen der Finanzkrise angesehen.13)

Es ist dieses Problem, das der Gesetzgeber mit dem Erlass des Art. 122a CRD II zu lösen versuchte. Dementsprechend sieht Art. 122a CRD II vor, dass Originatoren sich der von ihnen generierten Risiken nicht vollständig entledigen dürfen, sondern einen Rest dieser Risiken in Form eines Selbstbehalts zurückbehalten müssen. Durch diesen Selbstbehalt soll sichergestellt werden, dass die Originatoren in Bezug auf den nicht übertragenen Teil demselben Risiko ausgesetzt bleiben wie die Übertragungsempfänger und damit - einem häufig verwendeten Schlagwort entsprechend "skin in the game" haben.

Der geschilderte Sinn und Zweck der Regelung des Art. 122a CRD II ist nur einschlägig bei Transaktionsstrukturen, bei denen Risiken übertragen werden. Nur dann kann das Problem entstehen, das die gesetzliche Regelung lösen möchte, nämlich die Möglichkeit, dass sämtliche Risiken übertragen werden und der Originator sich damit dieser Risiken vollständig entledigt. Dieses Problem löst Art. 122a CRD II dadurch, dass er die vollständige Entledigung des Originators von den von ihm generierten Risiken sanktioniert und bestimmt, dass er ein Teil der Risiken zurückbehalten muss. Im Ergebnis wird damit bewirkt, dass der Originator jedenfalls teilweise (in Höhe des zurückbehaltenen Teils) den gleichen Risiken ausgesetzt bleibt, wie diejenigen (die Investoren), auf die diese Risiken übertragen wurden. Die damit angestrebte Folge ist, dass die Interessen von Übertragendem und den Übertragungsempfängern gleichgerichtet sind (alignment of interest).

c) Dass der Gesetzgeber in Art. 122a CRD II/ §18a KWG nur Verbriefungen regeln wollte, bei denen Kreditrisiken übertragen werden, ergibt sich auch aus den in diesen Normen verwendeten Begriffen des "Originator" einerseits und des "ursprünglichen Kreditgebers" andererseits. Sowohl dem Begriff des Originators als auch dem Begriff des ursprünglichen Kreditgebers ist das Vorliegen eines Übertragungsvorgangs immanent. Dies ergibt sich im Hinblick auf den Originator aus der Definition dieses Begriffs in Art. 4 Abs. 41 der Bankenrichtlinie,14) die durch die Formulierung "[...] Unternehmen [...], deren Forderungen nun Gegenstand der Verbriefung sind [...] deutlich macht, dass es sich um Forderungen handeln muss, die zunächst Forderungen der Unternehmen waren (die diese Forderungen generiert haben) und die nun Gegenstand der Verbriefung sind.

Nur durch einen Übertragungsvorgang können aus Forderungen, die zunächst solche der genannten Unternehmen sind, Forderungen werden, die ("nun"), Gegenstand der Verbriefung sind. Der Begriff "ursprünglicher Kreditgeber" geht in die gleiche Richtung. Das Adjektiv "ursprünglich" macht nur vor dem Hintergrund der Notwendigkeit Sinn, den ursprünglichen vom jetzigen Kreditgeber abzugrenzen, zu dem dieser durch einen Übertragungsvorgang geworden ist.

In dem oben beschriebenen Strukturbeispiel 1 hat kein Übertragungsvorgang in Bezug auf Risikoaktiva stattgefunden. ImmoG ist und bleibt auch nach der Refinanzierung Gläubiger in Bezug auf die Mietforderungen und die Restwerte der Immobilien. Auch das Darlehen B ist nicht auf CMBS-B-SPV übertragen, sondern von dieser Gesellschaft als Kreditgeber genuin begründet worden. Folgt man der oben dargelegten Auffassung, dass die Begriffe "Originator" und "ursprünglicher Kreditgeber" einen Übertragungsvorgang voraussetzen, gibt es in Strukturbeispiel 1 keinen Originator beziehungsweise ursprünglichen Kreditgeber im Sinne des §18a KWG/ Art.122a CRD II.

Nicht anwendbar

d) Selbst wenn man - entgegen dem vorstehend dargestellten Ergebnis - annähme, ImmoG sei tauglicher Originator im Sinne des §18a Abs.1 KWG, wäre zweifelhaft, wie der von §18a Abs.1 KWG verlangte Selbstbehalt sinnvoll dargestellt werden könnte. Gemäß §18a Abs.1 KWG kann der Selbstbehalt nur in einer der vier in §18a Abs.1 Satz 2 Nr. 1-4 KWG genannten Formen dargestellt werden. Während Nr. 1 und 4 des §18a Abs.1 Satz 2 KWG an die Passivseite des Verbriefungsvehikels anknüpfen und verlangen, dass der Originator entweder einen Teil des Nominalwertes einer jeden Verbriefungstranche (sogenanntes vertical slicing) oder einen Teil der Erstverlusttranche (sogenanntes horizontal slicing) hält, knüpfen Nr. 2 und 3 des §18a Abs.1 Satz 2 KWG an die Aktivseite des Verbriefungsvehikels an und sehen vor, dass der Originator einen Teil der verbrieften beziehungsweise zur Verbriefung vorgesehenen Forderungen hält.

Würde man zur Darstellung des Selbstbehalts verlangen, dass (entsprechend Nr. 1 beziehungsweise 4 des §18a Abs.1 Satz 2 KWG) ImmoG Gläubiger von CMBS-B-SPV wird, indem es entweder Teile einer jeden Verbriefungstranche oder die Erstverlusttranche ganz oder teilweise übernimmt, so würde dadurch das Ziel des Selbstbehalts, nämlich die Gewährleistung der Gleichgerichtetheit der Interessen zwischen Verbriefungsinvestoren einerseits und Originator andererseits nicht erreicht werden können. Denn ImmoG würde dann ja wirtschaftlich (neben den sonstigen Inhabern der CMBS-B-Bonds) Gläubiger von SPV B und damit mittelbar Gläubiger des von SPV B gehaltenen Darlehens B werden, dessen Schuldner sie gleichzeitig ist. Gläubiger und Schuldner des gleichen Darlehens haben offenkundig nicht die Interessengleichgerichtetheit, die, wie dargestellt, Motiv der gesetzlichen Regelung des Art.122a CRD II war.

Besonders deutlich wird die Nichtanwendbarkeit des §18a Abs.1 KWG auf Strukturbeispiel 1, wenn man versuchte, den Selbstbehalt über §18a Abs.1, Satz 2, Nr. 3 KWG15) darzustellen, das heißt durch Erwerb eines Teils der für die Verbriefung vorgesehenen Forderungen. Da als zur Verbriefung vorgesehene Forderung lediglich das Darlehen B in Betracht kommt, würde ImmoG eine gegen sich selbst gerichtete Forderung erwerben müssen. Auch diese Konstellation ist erkennbar nicht geeignet, die vom Gesetzgeber intendierte Interessengleichgerichtetheit herbeizuführen.

e) Die vorstehenden Überlegungen beruhen auf der Prämisse, dass die Forderung aus dem Darlehen B als verbriefte Forderung anzusehen ist. Aus wirtschaftlicher Sicht sind jedoch für die Werthaltigkeit der Ansprüche der Inhaber der CMBS-B-Bonds letztlich die von ImmoG gehaltenen Mietforderungen beziehungsweise Restwerte maßgeblich. Denn nur wenn die Mieter planmäßig leisten und sich die Restwerte am Ende der Laufzeit des CMBS-B-Darlehens plangemäß realisieren beziehungsweise refinanzieren lassen, ist die Rückzahlung des Darlehens und damit die Bedienung der CMBS-B-Bonds gesichert.

Würde man (unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise) die Mietforderungen und Restwerte als die verbrieften Forderungen und ImmoG als Originator für die Zwecke des §18a Abs.1 KWG ansehen, würde die Regelung des §18a Abs.1 KWG ebenfalls ins Leere gehen. Denn ImmoG ist - und bleibt auch nach Durchführung der Verbriefung - vollständiger Inhaber dieser Forderungen. Für einen Selbstbehalt in der Form des §18a Abs.1, Satz 2, Nr. 1-4 KWG ist damit kein Raum.

Das Konzept der "Automatic Retention" in Ziffer 22 der CEBS-Guidelines: Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass der in §18a Abs.1 KWG angeordnete Selbstbehalt auf solche Verbriefungen nicht sinnvoll anwendbar ist, bei denen es - wie etwa in Strukturbeispiel 1 - nicht zu einem Risikotransfer kommt, der zu einer Entlastung des Transferierenden führt.16) Hintergrund ist, dass der vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig angesehene Sachverhalt, nämlich dass derjenige, der Risikoaktiva generiert, sich dieser Risikoaktiva nicht vollständig durch Übertragung an den Kapitalmarkt soll entledigen können, nicht vorliegt, wenn eine solche Übertragung nicht in Rede steht. Wo keine Risiken übertragen werden, sondern vollständig dort verbleiben, wo sie generiert wurden, beträgt der Selbstbehalt 100 Prozent.17)

Kein Raum für einen zusätzlichen Selbstbehalt

Die Richtigkeit dieser Betrachtungsweise wird durch Rz. 22 der "Guidelines to Article 122a of the Capital Requirements Directive" der CEBS vom 31. Dezember 2010 (CEBS-Guidelines) bestätigt. Dort findet sich zunächst der ausdrückliche Hinweis auf das dargestellte Thema, dass Art. 122a CRD II zwar an den Begriff der Verbriefungstransaktion anknüpft, dieser Begriff jedoch keinen Risikotransfer voraussetzt, der ein wesentliches Begründungselement für die Regelung des Art. 122a CRD II war: "This definition captures the tranching of credit risk, rather than specifying the need for the transfer of credit risk vis-à-vis third parties."18)

Vor diesem Hintergrund weisen die CEBS-Guidelines darauf hin, dass ein materieller Nettoanteil dann nicht notwendig ist, wenn (obwohl definitionsgemäß eine Verbriefungstransaktion vorliegt), kein Risikotransfer stattgefunden hat und deshalb die Interessen der Verbriefungsinvestoren mit denen der Inhaber der Risikoaktiva von vornherein gleichgerichtet sind - und bleiben. "[...] when the tranching of credit risk is made on the liabilities issued by an originator [...], and such liabilities do not transfer the credit risk of third parties, because the credit risk clearly remains with the originator (the originator is the final debtor to the investor), it is clear that economic interests are already aligned and thus the requirement for retention under Paragraph 1 may be deemed to be fulfilled automatically."19)

Als ein Beispiel für die Situation, die Rz. 22 der CEBS Guidelines im Auge hat, wird die Pfandbriefbank genannt, die auf der Passivseite tranchierte Verbindlichkeiten emittiert, während sie im Deckungsstock auf der Aktivseite Darlehen generiert hat, die sie ohne Hinzutreten eines Risikotransfers auch weiterhin hält.20) In dem Szenario, das Rz. 22 der CEBS-Guidelines offenbar vor Augen hat, findet eine "automatic retention" dadurch statt, dass derjenige der die relevanten Risikoaktiva generiert, diese behält und damit dem gleichen Risiko ausgesetzt bleibt, dem die Verbriefungsinvestoren ausgesetzt sind. Da der Originator damit letztlich das relevante Kreditrisiko zu 100 Prozent "einbehält", ist für einen zusätzlichen Selbstbehalt kein Raum.

Das Problem der "Kapitalmarktkommunikation"

Aus den bisherigen Überlegungen folgt, dass bei einer an Sinn und Zweck orientierten Betrachtungsweise die Anforderungen des §18a Abs.1 KWG in Strukturbeispiel 1 als erfüllt gelten müssen, obwohl ein Selbstbehalt in der von §18a Abs.1 Satz 2 Nr. 1-4 vorgeschriebenen Form nicht vorliegt. Da Beispiel 1 damit zwar dem Sinn und Zweck des §18a Abs.1 KWG entspricht, nicht aber dessen Wortlaut, stellt sich die Frage, wie Investoren (sofern sie Institute im Sinne des KWG sind) überzeugt werden können, dass sie gleichwohl die CMBS-B-Bonds erwerben können (ohne die Konsequenzen des §18b Abs. 6 KWG fürchten zu müssen). Die Darlegungslast liegt insoweit beim Originator. Gemäß §18a Abs.1 und §18b Abs. 5 Satz 1 KWG muss er den Investoren offenlegen, dass er kontinuierlich den in §18a Abs.1 KWG näher definierten materiellen Nettoanteil hält.

Obwohl der Originator auf die Figur der "automatic retention" der CEBS-Guidelines verweisen könnte, liegt es auf der Hand, dass angesichts der fehlenden Wortlautkonformität des Strukturbeispiels 1 mit §18a Abs.1 KWG die in dieser Norm geforderte Darlegung auf Schwierigkeiten stoßen kann. Dies dürfte jedenfalls solange gelten, solange keine verbindlichen Auslegungen zu dieser Frage seitens der Bankaufsichtsbehörden (oder der Gerichte) vorliegen. Bis dahin ist damit zu rechnen, dass bei Verbriefungstransaktionen ohne Risikotransfer, bei denen ein Selbstbehalt im Sinne der automatic retention vorhanden ist, der aber nicht im Einklang mit dem Wortlaut des §18a Abs.1 KWG steht, die Vermarktung erschwert sein wird.

Vor diesem Hintergrund sei im Folgenden eine Transaktionsstruktur (Strukturbeispiel 2) zur Refinanzierung existierender CMBS dargestellt, die versucht, die ökonomische Substanz von Beispiel 1 in den Kategorien des §18a Abs.1 KWG darzustellen. In Strukturbeispiel 2 wird ein "Originator-SPV"21) gegründet, das durch die Gewährung eines Darlehens22) einen Vermögensgegenstand generiert, der auf das CMBS-Emissionsvehikel transferiert wird und hinsichtlich dessen ein Selbstbehalt entsprechend den Vorgaben und dem Wortlaut des §18a Abs.1 Satz 2 Nr. 4 KWG vorgesehen werden kann.

Einschaltung einer Bank

Diese Struktur macht allerdings die Einschaltung einer Bank notwendig, deren Rolle jedoch auf die eines Facilitator (entsprechend der Situation bei einer agency securitisation) beschränkt ist und die keine eigene Risikoposition behält. Die Einschaltung einer Bank wird jedoch bei einer CMBS-Transaktionen ohnehin regelmäßig (etwa zum Zwecke der Platzierung der CMBS-Bonds, Strukturierung der Transaktion) erforderlich sein.

Darüber hinaus wird eine direkte Darlehensgewährung des CMBS-Vehikels an den Darlehensnehmer (wie in Strukturbeispiel 1 vereinfachend vorgesehen) in vielen Fällen aufgrund der Beschränkungen des §1 Abs.1, Satz 2, Nr. 2 KWG allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen.23) Jedenfalls wenn ein SPV mehrere Darlehen an deutsche Darlehensnehmer vergibt (wie das bei den meisten der existierenden CMBS-Transaktionen der Fall ist) wird man um die Einschaltung eines Kreditinstituts nicht umhin kommen (Abbildung 2).

Ausgangspunkt ist - wie in Strukturbeispiel 1 - eine existierende CMBS-A-Transaktion, in deren Rahmen die Verbriefungszweckgesellschaft SPV-A die CMBS-A-Bonds emittiert hat. SPV-A hat die entsprechenden Netto-Emissionserlöse unter dem Darlehen A an die Immobiliengesellschaft ImmoG weitergereicht, die damit den Erwerb von Immobilien finanziert hat, die sie nun an gewerbliche Mieter vermietet. Sowohl das Darlehen A als auch die CMBS-A-Bonds werden demnächst zur Rückzahlung fällig.

Strukturierung nach Vorgaben des KWG Rechtzeitig vor dem Fälligkeitszeitpunkt wird die folgende Struktur implementiert:

1) ImmoG gründet die Tochtergesellschaft Originator SPV in der Form einer Einzweckgesellschaft.

2) Diese Tochtergesellschaft nimmt das Darlehen B von einer Bank auf.

3) Die vereinnahmten Darlehensbeträge werden als Darlehen C an ImmoG weitergereicht.

4) Es wird die Verbriefungszweckgesellschaft SPV-B gegründet, die (in marktüblicher Weise) CMBS-B-Bonds in mehreren Tranchen emittiert.

5) SPV-B verwendet die Emissionserlöse, um von Originator SPV das Darlehen C zu erwerben. Der Forderungskaufvertrag sieht die Zahlung eines initial purchase price und eines deferred purchase price (DPP). Der initial purchase price wird sofort bezahlt. Der DPP beträgt entsprechend §18a Abs.1 Satz 2 Nr. 4 KWG fünf Prozent des Nominalwertes der verbrieften Forderungen. Der DPP repräsentiert die Erstverlusttranche der Passivseite von SPV B und ist erst zu zahlen, nachdem die Inhaber der CMBS-B-Bonds befriedigt sind.

6) ImmoG macht eine Gesellschaftereinlage bei Originator SPV in Höhe des DPP.

7) Unter Verwendung erstens des für das Darlehen C von SPV-B erhaltenen initial purchase price und zweitens der Gesellschaftereinlage (in Höhe des DPP) zahlt Originator SPV das Darlehen B vollständig zurück.

8) ImmoG verwendet die ihm aus dem Darlehen C (nach Abzug der Gesellschaftereinlage in Originator SPV) verbleibenden Mittel zur Rückzahlung von Darlehen A.

Im Hinblick auf die vorliegende Struktur lässt sich ohne Weiteres zeigen und Kapitalmarktinvestoren entsprechend darlegen, dass sie den Vorgaben des § 18a Abs.1 KWG entspricht. Die verbriefte Forderung ist die Forderung aus dem Darlehen C, die von Originator-SPV generiert wurde. Originator-SPV erfüllt alle Merkmale der Definition des Originators der Blianiek.enricht 25) Der von Originator-SPV gehaltene materielle Nettoanteil entspricht den Vorgaben des §18a Abs.1, Satz 2, Nr. 4 KWG.

Nachdem das Strukturbeispiel 2 damit dem Wortlaut des §18a Abs.1 KWG entspricht, kann auch nicht eingewendet werden, die Struktur sei eine Umgehung des gesetzgeberischen Sinn und Zwecks, der der Norm zugrunde liegt. In der wesentlichen rechtlichen und ökonomischen Substanz ist Strukturbeispiel 2 nicht anders zu bewerten als Strukturbeispiel 1: Es handelt sich um eine Verbriefung, bei der die ökonomisch relevanten Vermögensgegenstände (Mietforderungen und Restwerte) bei ImmoG verbleiben und deshalb - aus den dargestellten Gründen - lediglich ein Selbstbehalt in Form der "automatic retention" nicht jedoch in den Formen des §18a Abs.1 Satz 2 Nr. 1-4 KWG erforderlich ist. Die "Strukturierung" in Strukturbeispiel 2 dient lediglich dazu, die ökonomische Substanz der in Strukturbeispiel 1 dargestellten Transaktion in den Kategorien des §18a Abs.1 KWG abzubilden.

Fußnoten

1) Über die Zweckgesellschaft Grand plc wurden im Jahre 2006 zunächst CMBS in Höhe von 5,549 Milliarden Euro sowie danach weitere CMBS in Höhe von 399 Millionen Euro emittiert.

2) Über die Zweckgesellschaft GRF plc im Jahre 2006.

3) Immobilien-Zeitung vom 29. Juni 2011 - "Fitch: CMBS für 1,5 Milliarden Euro wurden refinanziert".

4) RREEF Global Real Estate Investment Outlook & Market Perspective 2011, April 2011, Seite 9.

5) Auch als "Wall of Maturities" bezeichnet, s. RREEF Global Real Estate Investment Outlook & Market Perspective 2011, April 2011, Seite 9.

6) Siehe zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Refinanzierung von CMBS jüngst, Deutsche Bank Research vom 9. September 2011 "CMBS: Restrukturierungsrisiken sind nicht kleiner geworden". Viele der Finanzierungen in der Hochpreisphase wurden mit sehr hohem Fremdkapitalanteil getätigt und erfordern zudem ein "de-leveraging". Helaba Volkswirtschaft/Research, Immobilienreport vom 27. Juni 2011, Seite 2.

7) Überblick bei Prüm/Thomas, Die neuen Rahmenbedingungen für Verbriefungen, BKR 2011, Seite 133.

8) Richtlinie 2009/111/EG zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG.

9) §18a Abs. 1 KWG nennt ebenfalls den "Sponsor", der potenziell den materiellen Nettoanteil halten kann. Der Sponsor spielt jedoch lediglich bei ABCP-Programmen (vergleiche §1b Abs. 8 KWG) eine Rolle und bleibt deshalb für die nachfolgende Darstellung außer Betracht.

10) §18a Abs. 1 KWG bestimmt zwar einen Selbstbehalt von zehn Prozent, dieser soll aber entsprechend der Übergangsregelung in §64m Abs. 4, Seite 2 KWG bis zum 31. Dezember 2014 nicht gelten (siehe dazu auch Erklärung des Staatsministers Michael Boddenberg (Hessen), Plenarprotokoll 876 Seite 425).

11) Darstellung ohne die bei CMBS-Transaktionen übliche Sicherheitenstellung.

12) Erwägungsgrund (24) der Richtlinie 2009/111/EG.

13) Siehe dazu näher Seite 8 des TSI Positionspapiers "Die Krise auf den Kreditmärkten - Ursache, Wirkung und Folgerungen".

14 )Richtlinie 2006/48/EG vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung). Hervorhebung vom Verfasser. Das KWG enthält keine eigenständige Definition des Begriffs des Originator, sondern beschreibt in §1b Abs.7 KWG lediglich die Voraussetzungen, unter denen Institute als Originator gelten, siehe Fußnote 22.

15) §18a Abs.1, Satz 2, Nr. 2 KWG ist in Strukturbeispiel 1 nicht anwendbar, da er seinem Wortlaut entsprechend auf "revolvierende Adressenausfallrisikopositionen" zugeschnitten ist. Dementsprechend bleibt diese Norm im Folgenden außer Betracht.

16) Der insoweit eine Voraussetzung der Anwendbarkeit des §18a KWG bildende Risikotransfer muss selbstverständlich nicht notwendigerweise in einem Wechsel der rechtlichen Gläubigerstellung des verbrieften Vermögensgegenstandes bestehen. Auch synthetische Formen des Risikotransfers (etwa durch einen credit default swap) sind mögliche Formen des Risikotransfers, sofern mit der Übertragung auch eine Entlastung des Übertragenden verbunden ist.

17) So liegt der Fall in Strukturbeispiel 1: Die von ImmoG generierten Risikoaktiva, das heißt die Mietforderungen und Immobilienrestwerte verbleiben vollständig bei ImmoG.

18) Rz. 22 der CEBS-Guidelines.

19) Rz. 22 der CEBS-Guidelines.

20) Rz. 22 der CEBS-Guidelines.

21) Dem Gesetz lässt sich keine Einschränkung im Hinblick auf die Qualität des Originators entnehmen. Insbesondere ist §1b Abs. 7 KWG nicht in dem Sinne zu verstehen, dass "Originator" nur ein Kreditinstitut sein kann. §1b Abs. 7 KWG enthält nach richtiger Auffassung lediglich eine Beschreibung der Voraussetzungen, unter denen ein Institut als Originator gilt (so auch Kreppel/Baierlein, Des Kaisers neue Kleider: Der Risikoselbstbehalt bei Verbriefungen nach Artikel 122a CRD beziehungsweise §§18a, 18b KWG, BKR 2011, Seite 228ff. ). Dass auch ein SPV Originator sein kann, wird von den CEBS-Guidelines, aaO, (Rz. 26) anerkannt.

22) Dieses Darlehen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG als lediglich konzerninternes Darlehen nicht erlaubnispflichtig.

23) Wer im Inland gewerbsmäßig beziehungsweise in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Gelddarlehen gewährt, bedarf der schriftlichen Erlaubnis der BaFin (§32 Abs.1 S. 1 KWG). Das Merkmal "im Inland" ist auch dann verwirklicht, wenn sich ein Unternehmen mit Sitz im Ausland ohne physische Präsenz im Inland zielgerichtet vom Ausland aus an den inländischen Markt wendet, um Bankgeschäfte zu betreiben (so etwa das BaFin Merkblatt vom 1. April 2005 zum grenzüberschreitenden Geschäft).

24) Vereinfachte Darstellung. Die einzelnen Transaktionsschritte sind lediglich als gedankliche, nicht jedoch notwendigerweise als zeitliche Abfolge zu verstehen.

25) Definition siehe oben, Abschnitt 2.(a)(cc).

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