Gespräch des Tages

Regulierungen - In der Höhle des Löwen

Der griechische Dichter Äsop gilt gemeinhin als Begründer der europäischen Fabeln. Aufgrund ihrer treffenden Charakterisierungen sind einige seiner Kurzerzählungen auch zur Grundlage vieler Wendungen im Deutschen geworden. So rechtfertigt etwa ein einzelnes Anzeichen noch keinen allgemeinen Schluss (eine Schwalbe macht noch keinen Sommer), und oftmals gibt es jemanden, der von einer Sache mehr bekommt, als ihm zusteht, nämlich den Löwenanteil. In der Fabel "Der alte Löwe und der Fuchs" kann der alte Löwe, der König der Tiere, nicht mehr so gut jagen. Er stellt sich deshalb krank und ruft alle ihm untergebenen Tiere zu sich an sein Krankenlager. Nur der schlaue Fuchs zögert, die Höhle zu betreten. Mit den Worten "unzählige Spuren im Sand führen in die Höhle hinein, aber keine einzige wieder heraus" verabschiedet sich der listige Fuchs und rettet damit seine Haut.

In die Höhle des Löwen wagte sich hingegen nach eigenen Worten der Vorstandssprecher der Hypovereinsbank Dr. Theodor Weimer. Gemeinsam mit Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen - Direktor des Center for Financial Studies (CFS) und Mitglied der Liikanen-Kommission - nahm er an einer Podiumsdiskussion im House of Finance an der Frankfurter Goethe-Universität teil und diskutierte über die Auswirkungen von Regulierung auf Bankverhalten und Wettbewerb. Dabei machte der HVB-Chef - ganz anders als der Fuchs in der Fabel durchaus kampfeslustig - seinem Unmut über die Trennbank-Vorschläge rund um den Liikanen-Report in deutlichen Worten Luft. Zahlreiche Entscheidungen mit Auswirkungen auf Kreditinstitute würden mittlerweile ohne die Banken fallen. Der Vorwurf, dass Banker ohnehin nur noch pro domo redeten, verwässere die Argumente und vernachlässige wertvolle Inputvariablen. Sicherlich hätten Banken in der jüngeren Vergangenheit etliche Fehler gemacht und sich von der Realwirtschaft entfernt. Aber sie hätten auf keinen Fall bewusst Moral Hazard in ihrer Strategie verfolgt. Deutschland - so Weimer in seinen Statements weiter - schieße sich momentan angesichts der hierzulande hohen Bedeutung von Bankfinanzierung selbst ins Knie. Kein gutes Haar ließ der HVB-Chef ferner an der überbordenden Regulierung: Viele kleine Banken würden aufgrund der aufsichtlichen Vorschriften und der IT-Anforderungen kaputt gehen.

Die zweite Person auf dem Podium erwies sich in der Diskussion allerdings nicht im Geringsten als gefräßiger Löwe. Ruhig und um vermittelnde Töne bemüht, stellte Krahnen noch einmal die Beweggründe der Expertengruppe dar. Keineswegs wolle man in die Geschäftsmodelle von Banken eingreifen, sondern habe vielmehr nach Strukturen gesucht, die die Abwicklungsfähigkeit einzelner Institute wieder herstelle, sodass bei einer Bankschieflage der Steuerzahler nicht zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Komplexität müsse derart reduziert werden, dass ein Abtrennen des besonders riskanten Investmentbanking-Geschäfts wieder möglich sei - gleichsam als "praktizierter Living Will". Darüber hinaus könne mit Hilfe von Bail-in-debt wieder ein funktionsfähiger Markt für Bankkapital hergestellt werden.

Während sich somit der Universitätsprofessor durchaus eng an den Inhalten des Liikanen-Berichts orientierte, teilte der Bankmanager noch weiter aus. So prangerte er an, dass bei der Fülle an regulatorischen Maßnahmen auch sekundäre Auswirkungen überprüft werden müssten. Aus Angst vor einem möglichen Kollaps traue sich keiner mehr, radikale Lösungen vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang deutete er auf die hohen Bestände an deutschen Bundesanleihen in den Büchern der deutschen Kredit- und Versicherungswirtschaft, die bei einer Zinswende eine Bombe darstellten. Auch über die Nullgewichtung von Staatsanleihen müsse man sich Gedanken machen, denn es gebe keinen risikolosen Zins mehr. Für europäische Banken malte er schließlich ein düsteres Zukunftsbild: So habe die HVB Kapitalkosten von etwa zwölf Prozent, verdiene aber diese zwölf Prozent nicht. Jedes Jahr, so Weimer, zerstöre er als ziemlich profitable Bank Shareholder Value in großem Maße. Das werde für sein Haus noch auf Jahre so sein. Und damit sei er nicht alleine.

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