Aufsätze

Reparaturbetrieb, Pfandhaus oder Gegenspieler - eine spieltheoretische Analyse der Appeasement-Politik der Notenbanken

Warum versagt die Politik des "billigen Geldes" in der Subprime-Krise? Um die Wirkungen einer Strategie am Finanzmarkt abzuschätzen, muss man wissen, dass jede Entscheidung von Opportunitäten, Präferenzen und Einschätzungen abhängt. Bei der Strategie des "billigen Geldes" schätzen die Notenbanken die Konsequenzen in herkömmlicher Weise ein: Wird der Finanzmarkt geflutet, gibt es keinen Grund, dass die Banken ihre Liquidität weiter horten. Die Subprime-Krise zeigt: Diese Hypothese ist falsch. In der Statistik spricht man von einem "Fehler 2. Art".

Was lief schief im Finanzsystem?

Auslöser der Finanzmarktkrise waren hohe Ausfallquoten bei Krediten mit schwachen Bonitäten (Subprimes) am US-Immobilienmarkt. Dort waren die Bedingungen bis Anfang 2006 sehr günstig: Deshalb war die Wette der Banken: Die Preise für Immobilien steigen weiter, die Zinsen bleiben konstant niedrig und die Risiken der Kreditvergabe können durch Verbriefungen (Asset Securitisation) nach dem Geschäftsmodell Originate to Distribute (OTD) im anonymen Kapitalmarkt ausplatziert werden. Es lassen sich mehrere Gründe nennen, warum durch eine verlorene Wette auf einen Aufwärtstrend in einem kleinen US-Marktsegment die Gefahr eines Flächenbrandes, dem mit großen Instituten das Finanzsystem zum Opfer fallen kann, realistische Züge angenommen hat.

(I) Delegation: Banken hielten verbriefte Kredite nicht in den Büchern. Sie wurden gebündelt, nach Risikoklassen sortiert und dann in Scheiben als strukturierte Produkte (Collateralized Debt Obligations, CDO) gehandelt. Käufer waren Finanzinvestoren und Banken.

(II) Falsche Anreize: Da Käufer und nicht originäre Kreditgeber das Risiko trugen, waren die Anreize gering, konservative Standards bei der Auswahl der Deckungsmasse einzuhalten. Als Strukturierer hatten Banken keinen Anreiz, die Qualität des Pools nach Kreditvergabe zu überwachen. So wurden zu viele risikoreiche Kredite vergeben und verbrieft. Ein Übriges tat die an kurzfristigen Performancezielen (hohen Renditen) orientierte Vergütung des Bankmanagements und dass Investmentbanken an Masse für ABS-Emissionen interessiert waren.

(III) Interessenkonflikte: Ohne auf die Grundgeschäfte der strukturierten Produkte durch Zuschauen und mangels Expertise in der Bewertung der Kreditrisiken, haben Käufer der CDOs die Wahrscheinlichkeit der Kreditausfälle unterschätzt. Sie verließen sich zu sehr auf die Urteile der Rating Agencies, die als Bewerter den Produkten stets Bestnoten gaben. An der Nahtstelle von Emittenten und Investoren haben die professionellen Bonitätsbewerter, deren Geschäftsmodell es ist, Informationsasymmetrie abzubauen, versagt.

(IV) Intransparenz: Dem Markt oft nicht bekannte Bewertungsmodelle basierten auf unrealistischen Annahmen, weil es für CDO als Neuprodukte keine zuverlässigen Zeitreihen zum Schätzen der Ausfallwahrscheinlichkeiten gibt. Auch sind Kreditpools, die bei CDOs Tausende von Forderungen enthalten, deren Risiken nach Art und Umfang oft nicht erkennbar sind, per se kaum analysierbar.

(V) Käuferstreik: CDOs können derzeit nicht liquidiert werden. Die fehlende Käuferseite (Liquidität) behinderte die Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt.

Misstrauen überall

(VI) Aufsichtsarbitrage: CDO wurden durch in Regulierungsoasen (Off Shore) ansässige Zweckgesellschaften (Conduits/SIV) aufgelegt. Unreguliert und außerhalb der Bilanz geführt, aber mit Liquiditäts-/ Beistandszusagen der Banken (Eigentümer) ausgestattet, waren diese "Töchter" der Lagerplatz für risikoreiche Investitionen, für die die Banken kein Eigenkapital vorhalten mussten. Es kam zu hohen Abschreibungen, als die Banken die Aktiva der "Töchter" mit entsprechenden Verlusten auf ihre Bilanzen nehmen mussten und ihren Liquiditätszusagen nicht mehr nachkommen konnten.

(VII) Misstrauen: Das Wissen um den Liquiditätsbedarf einer Bank verschlechtert sofort die Finanzierungsmöglichkeiten. Bis heute zögern Banken, am Geldmarkt einander Geld zu leihen. Da keine weiß, welche Risiken sie durch CDOs in den Bilanzen hat, werden "Kriegskassen" angelegt.

In summa haben durch von "Moral Hazard" getriebene Off-Balance-Sheet-Risiken das Maß überstiegen, was die Risikomanagementsysteme der Banken noch meistern können. Dabei wurden die Conduits/SIV zum Problem der Banken, wenn sie nicht als Mutual Fonds geführt wurden, die ihre Risiken bei CDO vollständig auf die Tranchen verteilten, sondern selbst Fristentransformation betrieben. Im letzten Fall wurden langfristige Investitionen in CDO durch kurzfristige Geldmarktpapiere (Commercial Papers) finanziert, die, sollten keine Anleger oder Anschlussfinanzierungen gefunden werden, aufgrund der Liquiditätszusagen die Banken (Eigentümer) zu erwerben haben.

Überlastetes Risikomanagement

So hatten nach dem Kollaps des US-Immobilienmarktes die Banken für ihre Conduits Liquidität einzusetzen, wofür sie im Gegenzug Papiere erhielten, für die es keinen Markt gab. Bei dieser Konstellation heißt es: Raus aus diesem Risiko. Durch Herding (kollektive Fehleinschätzung) kam es zum "Race to the Bottom". Ein ehemals boomendes Segment verharrt als Folge im "Bad Equilibrium". Die Spieltheorie erklärt Herding durch das Gefangenen-Dilemma: Wenn die Kurse der Papiere fallen und niemand weiß, wann das endet, ist es für Banken rational, keine weiteren Risiken einzugehen. Dies führt im Kollektiv dazu, dass die Kurse weiter fallen. Handeln gegen den Trend ist unmöglich. Banken kommen in Geldnot. Der Finanzmarkt droht zu kollabieren. Hier ist das Dilemma: Alle Banken könnten sich verbessern, wenn sie ihre gehortete Liquidität (Kriegskassen) einsetzen.

Das Bad Equilibrium im Subprime-Segment bringt die Notenbanken ins Spiel. Als Kreditgeber der letzten Instanz sind die Zentralbanker der Last Exit, wenn die Opfer in der Finanzindustrie zu hoch werden. Beispiele hierfür sind Bear Stearns, IKB, Sachsen-LB und Northern Rock. Ist aufgrund der Verästelungen im Finanzsystem aus der lokalen Krise auf dem US-Immobilienmarkt durch die Ausweitung zu einer Liquiditäts- und Vertrauenskrise erst einmal die weltweite Finanzmarkt-Krise geworden, droht in der Tat Marktversagen. Hier springen die Notenbanken notwendigerweise in die Bresche. Erst nachdem die Fed Bear Stearns ein Darlehen von 30 Milliarden Dollar eingeräumt hatte, das durch derzeit fast unverkäufliche forderungsbesicherte Wertpapiere unterlegt ist, erklärte sich die Investmentbank JP Morgan Chase bereit, Bear Stearns zu übernehmen.

Auch die Bank of England (BoE) nahm Northern Rock verbriefte Hypothekenkredite ab und gab dafür solide Staatsanleihen. Um das System der integrierten Finanzmärkte mit dem Schutz vor einem tiefen Eindringen des Subprime-Bakteriums vor einer systemischen Krise zu schützen, wird von den Notenbanken auf breiter Front das Liquiditätsvakuum gefüllt. Auch in der Subprime-Krise erscheint es so, dass die Notenbanken für Finanzmärkte in Krisen eine Art Versicherer gegen Krisen sind.

Da Bankenkrisen in ihrem Ausgang unsichere Prozesse von begrenzter Beeinflussbarkeit und Dauer sind, ist der Glaube, dass der Finanzmarkt durch Manipulationen der Notenbanken, die sich auf ein reines "Bail Out" beschränken, geeignet zu steuern ist, ein Irrglaube. Das Modell des reaktiven Verhaltens ist so fatalistisch wie gefährlich. Eine asymmetrische Geldpolitik, die in der Krise massiv gegensteuert, impliziert, dass die Subprime-Krise auch ein Ausfluss der Tatsache ist, dass die Fed im Sommer 2006 den Leitzins zu stark erhöhte, um die Überbewertung des US-Immobilienmarktes effektiv zu bremsen.

Dass der Finanzmarkt auch heute wieder anders reagiert als es von Notenbanken erwartet wird, hat einen einfachen Grund: Die Signale der Notenbanken werden durch Spekulationen, Nervosität und Pleitegerüchte absorbiert oder aus strategischem Kalkül (Fremdbewältigung kostet die Banken nichts) ignoriert. Was die Notenbanken nicht richtig einschätzen, ist die Tatsache, dass die Banken die Wirkung der Strategie des "billigen Geldes" anders einschätzen als es die Notenbanker tun. Dass Notenbanken nicht erkennen, dass ohne geeignete Verhaltenshypothesen über die Gegenseite jede Strategie versagen muss, führt auf das Feld der Spieltheorie. Sie ist eine multipersonelle Entscheidungstheorie. Sie analysiert Handlungsstrategien für Systeme mit vorgegebenen Regeln. Sie untersucht das vorhergesagte und tatsächliche Verhalten der Akteure und entwickelt optimale Strategien. In einem Szenario, das profan als Spiel bezeichnet wird, ist der Finanzmarkt keine regulatorische Blackbox.

Dass sich die Subprime-Loan-Risiken partout nicht an die Bewertungsmodelle der Banken und Rating Agencies anpassen wollen, und dass in der Vergangenheit das Eingreifen des Lenders of Last Resort wohl starke Wirkungen in Krisen, aber kaum nachhaltige Wirkungen nach dem Ende einer Krise hatte, wirft einmal mehr grundsätzliche Fragen zur Finanzarchitektur auf. Legt man als Messlatte für die Wirksamkeit der Zentralbankpolitik an, was Ökonomen als "Moral Hazard" bezeichnen (Änderung des Verhaltens von Akteuren, wenn sie davon ausgehen können, dass ihr Risiko entfällt) ist zu fragen: Was sind die Verhaltensmuster des Bankensektors? Zur Beantwortung werden vier einfache Szenarien (Spiele) analysiert. Durch eine Hypothese bildet jedes Szenario das mögliche Verhalten des Finanzmarktes auf mögliche Aktionen der Notenbank nach. Aufgrund des Handicaps durch das gesetzliche Mandat ist die Verhaltenshypothese der Notenbank in den Szenarien I bis III identisch.

Zwei mögliche Aktionen

Zu jedem Szenario gehört eine Tabelle (Matrix). Sie bildet die Situation spieltheoretisch ab. In den beiden Zeilen der Matrix sind zwei mögliche Aktionen der Notenbank notiert: Zum einen kann die Notenbank der Politik des "billigen Geldes" folgen. Hier werden die Pferde schnell zur Tränke geführt (Strategie A). Zum anderen kann die Notenbank der Politik des "nein zum billigen Geld per Automatismus" folgen. Hier werden die Pferde langsamer zur Tränke geführt (Strategie B). In den beiden Spalten der Matrix sind zwei für die Banken mögliche Aktionen festgelegt. Zum einen können die Banken die Politik des "billigen Geldes" in Dynamik transformieren (Strategie C). Zum anderen können die Banken die Politik des "billigen Geldes" konterkarieren (Strategie D). Nur bei der Strategie (C) hat die Notenbank ihr Ziel erreicht. Dies heißt zum Beispiel in der Subprime-Krise: Banken sind an der Wiederherstellung eines nachhaltigen Gleichgewichts vom bilanziellen und außerbilanziellem Geschäft interessiert (das OTD-Modell überlagert etwa nicht die Grundregel des traditionellen Bankgeschäfts "Holding Loans to Maturity"), weil sie nicht mehr fest damit rechnen können, dass die Notenbanken durch die Strategie "regulatorischer Nachsicht" sofort als Retter einspringen.

In jedem Szenario ist die Notenbank der Zeilenspieler; die Geschäftsbanken sind der Spaltenspieler. Die Notenbank muss sich für die Strategie A oder die Strategie B entscheiden. Als Konglomerat der Geschäftsbanken muss sich der Finanzmarkt für die Strategie C oder D entscheiden. Nachdem beide Spieler ihren Zug gemacht haben, das heißt eine Zeile und eine Spalte ist ausgewählt, wird in jedem Szenario ein Element der Matrix als Ergebnis realisiert. Dies ist die Spiellösung. Hier steht die erste Zahl für das Ergebnis von Spieler 1 (Notenbank); die zweite Zahl steht für das Ergebnis von Spieler 2 (Finanzmarkt).

Die Zahlen in einer Matrix spiegeln die Vorlieben (Präferenzen) der Spieler beim Einsatz ihrer Strategien und bei der Bewertung der Ergebnisse wider. Die Präferenzen von Notenbank und Finanzmarkt sind vom besten Ergebnis (1) hin zum schlechtesten Ergebnis (4) geordnet. Für die Notenbank wird in den Szenarien (I bis III) das Präferenzmuster unterstellt: (B/C) bestes Ergebnis, (A/C), (B/D), (A/D) schlechtestes Ergebnis. Dass die Notenbank die Präferenzen der Banken richtig oder falsch einschätzen kann, spaltet den Finanzmarkt in vier Szenarien auf. Jedes Szenario ist durch eine andere Präferenzordnung des Finanzmarktes charakterisiert.

Die dunkle Seite

Die Notenbanken ignorieren das durch das Horten ihrer Liquidität demonstrierte Verhalten der Banken. Sie gehen davon aus, dass die Banken die Politik des "billigen Geldes" in Dynamik transformieren, wenn das Volumen der Intervention nur groß genug ist. Für dieses Szenario I spricht, dass die Fed derzeit über 200 Milliarden Dollar in den Markt pumpt, den Leitzins für Tagesgeld senkt und die Qualitätskriterien für Bonds aufweicht, die bei der Fed zur Refinanzierung eingereicht werden können. Auch können die Notenbanken annehmen, dass der Finanzmarkt durch einen begrenzten Abbau der gehorteten Liquidität den Status quo einer schmerzhaften Veränderung der Regeln vorzieht. Diese Einschätzungen führen zu den Präferenzen des Finanzmarktes: (A/C) bestes Ergebnis, (B/C), (A/D), (B/D) schlechtestes Ergebnis. Die Matrix I verknüpft die Präferenzen der Notenbanken mit den Präferenzen eines bedingt-kooperativen Finanzmarktes.

Unterstellt man dagegen für den Finanzmarkt die "Too Big Too Fail"-Logik, nach der Banken den Finanzmarkt seinem Schicksal überlassen, weil sie aufgrund ihrer Größe fest damit rechnen können, dass die Notenbanken auch in der Subprime-Krise das Bankensystem stützen werden, oder unterstellt man die Too Interconnected To Fail-Logik, nach der das "Rauskaufen" (Bail Out) durch Notenbanken für sehr wahrscheinlich zu halten ist, weil Banken wie etwa Bear Stearns wegen der großen Engagements in Derivaten im weltweiten Finanznetz zu verwoben sind, führt diese Verhaltenshypothese zu den Präferenzen des Finanzmarktes: (A/D) bestes Ergebnis, (B/D), (A/C), (B/C) schlechtestes Ergebnis. Die Matrix II verknüpft die Präferenzen der Notenbanken mit den Präferenzen eines nicht-kooperativen Finanzmarktes.

Im Szenario I ist (B/C) und im Szenario II ist (B/D) die Lösung. Diese Strategiekombinationen sind Gleichgewichte, weil kein Akteur einen Anreiz hat, von der gewählten Strategie abzuweichen. Eine Lösung, die das Verhalten der Akteure bestmöglich dadurch koordiniert, dass kein Akteur durch Revision seiner Entscheidung seine Situation verbessern kann, wird nach dem Mathematiker John Nash als Nash-Gleichgewicht bezeichnet. Das Auffinden des Nash-Gleichgewichts ist einfach, wenn mögliche Anreize zum Strategiewechsel durch Pfeile dargestellt werden. Wo sich die Pfeilspitzen treffen, sind die Erwartungen der Akteure wechselseitig erfüllt: Jeder Akteur behält seine Strategie bei, wenn es der andere auch tut.

Im Szenario I ist die beste Strategie der Notenbank, die Pferde langsam zur Tränke zu führen. Die beste Strategie des Finanzmarktes ist, Liquiditätsreserven abzubauen. Der Finanzmarkt wird sich anpassen. Es kommt Bewegung in den Markt, weil die Banken das zweitbeste und nicht das schlechteste Ergebnis realisieren wollen. Im Szenario II ist die Situation eine andere. Hier ist die beste Strategie der Notenbank ebenfalls, die Pferde langsam zur Tränke zu führen. Aber: Hier baut der Finanzmarkt keine Liquiditätsreserven ab. Seine beste Strategie ist das Horten von Liquidität. Aufgrund der Vertrauenskrise halten die Banken ihre Liquidität zurück, weil sie nicht wissen, wie sich die anderen Banken verhalten werden. Sie setzen darauf, dass durch politischen Druck die Notenbank wieder zur Strategie des "billigen Geldes" zurückkehren muss, damit aus der Liquiditätskrise auf breiter Front keine Bonitätskrise mit anschließendem Credit Crunch wird. Im Szenario II erreicht die Notenbank ihr drittbestes Ergebnis; der Finanzmarkt erreicht das zweitbeste Resultat.

Ruf nach Neuordnung der Finanzmärkte

Im Szenario III ist die Sicht der Aufsicht differenzierter. Folgende Verhaltenshypothese wird für die Finanzmärkte unterstellt: Ist die Geldpolitik nicht gestrafft, sehen sich die Banken nicht als direkt betroffen; wird die Geldpolitik gestrafft, sehen sich die Banken als direkt betroffen. Hier geht es für die Banken um mehr als den Kuchen, der heute auf dem Tisch steht. Ein momentaner Kompromiss ist auf lange Sicht die beste Strategie. Für Szenario III spricht, dass in Washington die Rufe nach einer Neuordnung der Finanzmärkte lauter werden. Für die Banken ist die Büchse der

Pandora geöffnet, wenn die Konsequenzen durch strengere Kontrolle von Hypothekenbanken, Hypothekenmaklern, Investmentbanken und Rating Agencies nicht absehbar sind. Hier sind die Präferenzen des Finanzmarktes: (A/D) bestes Ergebnis, (A/C), (B/C), (B/D) schlechtestes Ergebnis. Die Matrix III verknüpft die Präferenzen der Notenbanken mit den Präferenzen eines bluffenden Finanzmarktes.

Der wahre Grund

Hier zeigt das Pfeilschema, dass die Strategiekombination (B/C) die Lösung ist. Eine Notenbank, die als Veto-Spieler eingreifen kann, kann durch Veränderung der Regeln den Finanzmarkt disziplinieren. Die Notenbank erzielt ihr bestes Ergebnis; die Finanzmärkte realisieren nicht ihr schlechtestes Ergebnis. Der Blick auf die Präferenzen des Finanzmarktes lässt natürlich Übles erahnen. Die Notenbank droht das Opfer des Fehlers 2. Art zu werden. Die Banken werden versuchen, die Aufsicht durch Trippelschritte (zum Beispiel Absichtserklärungen) zu beschwichtigen. Bei einem Spieler mit eingeschränktem Mandat und beschränktem Instrumentarium sind Drohungen oft leer. Das Zeitinkonsistenzproblem der Notenbankpolitik ist bekannt. Die Praxis zeigt, dass die Banken durchaus bereit sind, sich eine Zeit lang zurückzunehmen, um den Boden nur neu zu beackern. Irgendwann werden die Bewertungsmodelle schon wieder etwas besser zur Realität passen. Irgendwann kommt ein Stimmungswandel, der alles nivelliert. Die Banken spielen auf Zeit. Sie "bluffen" die Notenbank durch Versprechen oder Ankündigungen, die später nicht eingehalten werden.

Zieht man Bilanz, zeigt sich, dass die Politik des "billigen Geldes" in keinem der Szenarien die optimale Strategie ist. Dies bestätigt auch die Realität bei einer Rückschau auf die Krisen der Vergangenheit. Banken nehmen Notenbanken nicht ernst. Nur in einer ernsten Krise dürfen die Notenbanken mitspielen. Die Rettung des Gros der Banken ist entscheidend. Läuft es in der Bankwirtschaft wieder rund, sind die Probleme dann schnell wieder vergessen. Notenbanken sind lästig. Regulatorische Eingriffe sind verpönt. Notenbanken neigen zu Überreaktionen. "Soft Coercion" ist gewünscht. Das Publikum will positive Signale.

Dass das kollektive Gedächtnis der Finanzwelt mit Blick auf Turbulenzen, ihre Ursachen und die Schlussfolgerungen eine erschreckend geringe Halbwertzeit hat, wurde bisher außer Acht gelassen. Wer erinnert sich noch an die wirklichen Gründe für das LTCM-Desaster. Mit der "Logik des Vergessens" hat der Finanzmarkt eine dritte Option: Banken können sich zunächst bedingt kooperativ zeigen, um nur später zu ihren Egoismen zurückzukehren. Diese Option der Banken ist in Matrix IV eingearbeitet. Bei dieser Option sind, im Gegensatz zum "Bluff", Regelverletzungen nicht auszuschließen. Etwa dadurch, dass durch Schönwetterzahlen eine Informationsasymmetrie zulasten der Notenbanken nicht abgebaut wird.

Viele Banken und ihre Vorstände lieferten hierzu in jüngster Vergangenheit Beispiele für das "Markov Syndrom" (Gedächtnislosigkeit). Mit dieser Option, sie wird als Strategie der Täuschung (E) bezeichnet, erzielt der Finanzmarkt in jedem Fall ein besseres Ergebnis als in den anderen Szenarien. Wird der Täuschung der Rang einer Strategie zugewiesen, wird der Finanzmarkt die Strategie (E) den Strategien (C), (D) vorziehen. Hier ist das beste Ergebnis des Finanzmarktes die Strategiekombination (A/E), das zweitbeste Ergebnis (B/E).

Täuschender Finanzmarkt

Im Szenario IV ist ein Finanzmarkt, der sich zuerst bedingt kooperativ zeigt und die Notenbanken aber dennoch täuscht im Kern nicht-kooperativ. Die Matrix II entspricht bis auf die letzte Spalte den obigen Präferenzen des Finanzmarktes. Da die besten Werte für den Finanzmarkt durch die neue Strategie (E) eingestellt werden, liefert eine entsprechende Anpassung der Zellen in der Matrix II die möglichen Resultate. Hinter der Matrix IV stehen die Präferenzen des Finanzmarktes: (A/E) bestes Ergebnis, (B/E), (A/D), (B/D), (A/C), (B/C) schlechtestes Ergebnis.

Die Aufsicht muss Szenario IV erschrecken. Die Strategiekombination (A/E) ist der Worst Case. Die Politik des "billigen Geldes" liefert für die Notenbanken das schlechteste Ergebnis. Die Präferenzen der Notenbanken sind bei einem täuschenden Finanzmarkt: (B/C) bestes Ergebnis, (A/C), (B/D), (A/D), (B/E), (A/E) schlechtestes Ergebnis. Die Matrix IV verknüpft die Präferenzen der Notenbanken mit den Präferenzen eines täuschenden Finanzmarktes.

Hier zeigt das Pfeilschema das Dilemma der Notenbanken. Sie sind zwischen (A/E) und (B/E) indifferent. In beiden Fällen wird das schlechteste Ergebnis realisiert. Hier werden die Notenbanken zum Pfandhaus der Nation. Der Finanzmarkt realisiert sein bestes oder zweitbestes Ergebnis. (A/E) entspricht der Realität. Daher müssen die Notenbanken die Geldpolitik straffen. Die Strategie (B) ist zu wählen. Die Banken werden beim Ziehen der Option "Täuschung" vorsichtiger, wenn "billiges Geld" kein Automatismus in der Krise ist. Wird der Weg zur Tränke länger, steigt das Risiko, dass sich Good Banks und Bad trennen.

Damit dies passiert, müssen Notenbanken "nein" sagen, wenn die Politik wie in den USA und Großbritannien fordert, Schrott-Hypothekenpapiere als Sicherheit zu akzeptieren. "Billiges Geld" darf bei den Banken nicht zu Umgehungskonstruktionen führen. Ein Beispiel sind die Wahlrechte in der Bilanzierung, die Lücken bei US-Rechnungsregeln (US-GAAP) und internationalen Rechnungsregeln (IFRS) nutzen, um völlig legal Risiken ins Vor- und Außerbilanzielle zu verschieben. Ein eher nervöses Hin-und-Her-Steuern der Notenbanken darf den Banken aber auch nicht die Nischen liefern, um Fahrlässigkeiten bei der Vergabe von Krediten nicht als Bankversagen deklarieren zu müssen. Dies gilt auch für die Rating Agencies, die bei Bestnoten für verbriefte Ramsch-Hypotheken ihre Delegated-Moni-tor-Funktion nicht erfüllen.

Der Fehler der Notenbanken

Sieht man, dass Banken bei einer Politik des "billigen Geldes", die ein Automatismus in der Krise ist, sich nicht wirklich um die Ursachen der Krise kümmern müssen, kann man an ein Auto denken. Auf dessen Komponenten können wir uns verlassen, wenn wir es richtig unterhalten. In der Subprime-Krise ist die Analogie zum Auto umso bestechender, weil sie auch noch zeigt, wie sich Verhalten und Technik (Finanzmathematik) beeinflussen: Im Straßenverkehr wird bei minimalen Kosten ein Optimum an Sicherheit für alle erst erreicht, wenn bei einer ausgereiften Technik alle Verkehrsteilnehmer auch die Verkehrsregeln beachten. Da jeder die Verkehrsregeln kennt, kann sich die Industrie ganz auf Verbesserungen der Technik konzentrieren.

Dies gilt auch für Banken. Durch die Vorhersagbarkeit des Verhaltens der Notenbanken sind die Regeln bekannt. Also wird die Finanzmathematik vorangetrieben. In der Subprime-Krise soweit, dass Banken oft nicht wissen, welche Risiken wirklich in den Büchern stehen. Bei Produkten ohne Markt (CDO) stehen Bewertungsmodelle für Zauberei statt ernsthafter Analyse, weil es ohne Marktpreisbildung keine echten Ausfallwahrscheinlichkeiten gibt. Es ist auch ein Zeichen für Finanzalchemie, wenn das Wesen einer Investition (CDO) dadurch im Dunkeln bleiben kann, dass im Schutz des mathematischen Idioms nach "Schema F" nur solange bestimmte Arten von Krediten in ein CDO hineingesteckt werden, bis sich mathematisch ein "Triple A" ergibt. Dass statistisch gute Rechenergebnisse von gestern heute Abschreibungen in Milliardenhöhe erfordern, zeigt, dass entweder aufgrund der Technik und/oder durch Missachtung der Regeln das Finanzsystem durchaus ernsthaft gefährdet werden könnte.

Dass die Notenbanken nicht erkennen ("dürfen"), dass bei einer Änderung der Regeln und einer Limitierung der Technik der "Verkehr" immer noch fließt, begründet den derzeit beobachtbaren Fehler. Der Fehler 2. Art heißt Moral Hazard. Können Banken auch zukünftig Maßnahmen nach dem Versicherungsprinzip erwarten, wird weiteren Krisen Vorschub geleistet. Auch werden Anreize für ein zukünftig noch riskanteres Verhalten geschaffen. Dass im Subprime-Segment ein Schattenbankensystem entstehen konnte, zeigt, dass die fehlende Anreizverträglichkeit der Maßnahmen der Notenbanken ein ernster systemischer Fehler der Finanzarchitektur ist. Dass Banken immer wieder dieselben Fehler machen können, was die Muster von Bankenkrisen zeigen, hat im Ignorieren der "Behavioral Risks" seine Ursachen. Die Notenbanken "verstehen" es nicht, das beste Ergebnis für den Finanzmarkt und das schlechteste Ergebnis für sich selbst zu antizipieren. Wenn der Finanzmarkt die Notenbanken täuscht und seine Ziele zum Beispiel durch das Akzeptieren von Schrott-Hypotheken erreicht hat, kann das wahre Gesicht gezeigt werden: Liquidität wird gehortet. Die "Appeasement Politik" der Notenbanken hat versagt.

Mehr Qualität muss die Lehre sein

Dass Banken ihre wahren Absichten im Finanzmarkt gegenüber Notenbanken immer wieder verschleiern können, ist eine Erkenntnis auch aus der Subprime-Krise. Obwohl die Notenbanken natürlich mehr erkennen als sie als Spieler mit gesetzlichem Handicap zur effektiven Wahrnehmung ihrer Aufgaben umsetzen dürfen und die hier nur grob skizzierten Szenarien das Verhalten der Banken vielleicht auch überzeichnen, wird für die Notenbanken das Antizipieren der wahren Absichten der Banken an Bedeutung gewinnen. Dafür spricht, dass der ungebremste Handel mit minderwertigen Anleihen durch Verhaltensrisiken getrieben wurde, auf die traditionelle (stochastische) Bewertungsmodelle nicht zugreifen können. Es sind zu nennen Vergütungsstrukturen, systemische Fehler der OTD-Modelle, Berater/Bewerter-Dilemma der Rating Agencies und die "Too-Big-To-Fail"-Logik. Erst durch ein Verhalten wider vieler bewährter Grundregeln des traditionellen Bankgeschäfts (wie zum Beispiel der "goldenen Bilanzregel") wurde doch gerade das Spiel "Wie viel schlechte Kredite lassen sich für ein 'Triple A' in ein CDO stecken" dilettantisch gespielt.

Damit die Notenbanken rechtzeitig erkennen, ob die Pferde schnell (Strategie A) oder langsam (Strategie B) zur Tränke zu führen sind, müssen die Banken, schneller als es nach Basel II (Säule II) vielleicht zu erwarten ist, qualitative Modelle einsetzen. Erprobte Modelle speziell bei Moral Hazard liefert die Klasse der Principal Agent Games. Verhaltensmodelle (qualitative Stresstests) schützen Banken auch vor sich selbst. Durch Verhaltensmodelle erkennen Banken erst, dass der, der Schaden zufügt, selbst darunter leiden wird. Dies bremst im Boom; dies lässt im Abschwung noch Spielräume. Es ist entscheidend, dass die Finanzindustrie erkennt, dass es ohne vernünftige (Verhaltens-)Regeln keine Gewinner gibt. Aus der Subprime-Krise folgen einfache Regeln wie: sorgfältige Bonitätsprüfungen, angemessene Beleihungsrelationen, vorsichtige Bewertungen von Immobilien und bessere Transparenz und Anreizstrukturen für die Verbriefungsmärkte. Auch die Erwartung, dass Notenbanken aufgrund von Effizienz getriebenen Maßnahmen (Anreizstrukturen) keine Art von Versicherung gegen Krisen sind, muss zu einer Regel werden.

Off-Balance-Sheet-Risiken werden im Financial Stability Forum (FSF) diskutiert. Die Banken warnen, verständlicherweise, vor einem Regulierungsschub (neuen Spielregeln). Hier zeigt das Gefangenen-Dilemma aus der Spieltheorie: Trippelschritte wie zum Beispiel das Versprechen zur Entwicklung von Kodizes zur kollektiven Selbstverpflichtungen sind zu wenig.

Literatur

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Rieck, C (2007): Spieltheorie, Gabler, Wiesbaden

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