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Senior Loans - stabile Erträge, Diversifikationsvorteile und Schutz vor Zinserhöhungen

Das Augenmerk institutioneller Investoren richtet sich auch in Deutschland zunehmend auf die Anlageklasse der Senior Loans. Bei diesen, oft auch als Leveraged Loans bezeichneten Darlehen, handelt es sich um Großkredite im Volumen zwischen zehn und 50 Milliarden US-Dollar, die von Banken und anderen Finanzgesellschaften an Unternehmen aus dem Non-Investment-Grade-Bereich vergeben, dann verbrieft und am Sekundärmarkt verkauft werden.

Starkes Marktwachstum in den USA

Gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld machen Renditen von über sechs Prozent und eine variable Verzinsung die Großkredite interessant. Kaum eine Anlageklasse ist über den kompletten Konjunkturzyklus hinweg so attraktiv wie Senior Loans, denn sie bieten stabile Erträge sowohl bei steigenden Zinsen als auch in einem Umfeld lang anhaltender Niedrigzinsen.

In den USA sind Senior Loans schon ähnlich beliebt wie Hochzinsanleihen, in Europa dagegen ist die Anlageklasse einer breiten Öffentlichkeit noch relativ unbekannt. Dies liegt auch daran, dass Senior Loans erst seit etwa 20 Jahren für Anleger verfügbar sind. Zuvor hielten Geschäftsbanken ausgereichte Unternehmenskredite meist in ihren Büchern, erst Ende der achtziger Jahre etablierte sich in den USA ein Verbriefungsmarkt, der den teilweisen Verkauf dieser Kredite an institutionelle Investoren ermöglichte. Seitdem ist der Senior-Loans-Markt rapide gewachsen, nach Angaben im S & P/LSTA Leveraged Loan Index beträgt das Volumen derzeit rund 850 Billionen US-Dollar. Wertmäßig haben die Senior Loans damit den Hochzinsanleihenmarkt eingeholt, und auch der Sekundärmarkt für die Loans ist inzwischen gut etabliert, vor allem in den USA. Senior Loans werden oft mit Hochzinsanleihen verglichen, denn mit beiden nehmen Firmen Fremdkapital auf, und bereits vier von fünf Unternehmen nutzen diese Instrumente parallel. Es gibt aber viele signifikante Unterschiede, die Anleger beachten müssen.

Vorrang für Sicherheit und Gläubigerschutz

Weil Senior Loans in der Regel an Kreditnehmer mit Non-Investment-Grade-Rating ausgereicht werden, ist das Ausfallrisiko in Bezug auf die Zins- und Tilgungszahlungen theoretisch größer als bei Investment-Grade-Schuldnern. Allerdings haben viele Unternehmen nur aufgrund ihrer Größe kein Investment-Grade-Rating, über ihre Bonität muss dies nichts aussagen. Im laufenden Jahr etwa wird bei Senior Loans eine Ausfallrate von nur zwei bis maximal drei Prozent erwartet, was unter dem historischen Schnitt liegt und ein beherrschbares Risiko darstellt.

Die Zins- und Tilgungszahlungen sind bei Senior Loans eine vertragliche Verpflichtung des Emittenten, die Vorrang vor der Zahlung von Dividenden, der Rückzahlung von Eigenkapital an die Anteilseigner und der Zinsausschüttung an Anleiheinhaber hat. Deshalb sind Senior Loans in der Regel mit weniger Risiken verbunden als unbesicherte, nachrangige Verbindlichkeiten oder Eigenkapitalinstrumente des gleichen Emittenten.

Auch im Konkursfall werden Senior Loans typischerweise bevorzugt zurückgezahlt, und meistens sind sie durch Teile oder das ganze Vermögen des Schuldners besichert. Damit weisen sie in der Kapitalstruktur eines Unternehmens gegenüber High-Yield- und Investment-Grade-Anleihen ein wesentlich höheres Absicherungsniveau auf (Abbildung).

Wenn der Wert des Sicherungsgutes im Konkursfall nicht mehr dem Erwerbswert der Senior Loans entspricht, kann die Liquidation unter Umständen keine ausreichende Erlöse mehr bringen, um die Forderungen des Investors zu befriedigen. Dieser Fall ist aber selten, was sich auch daran ablesen lässt, dass die Rückgewinnungsquote (Recovery Rate) bei Senior Loans zwischen 1995 und September 2013 im Durchschnitt 80 Prozent betrug, während Halter von Hochzinsanleihen im Konkursfall nur 30 bis 50 Prozent ihres investierten Geldes zurückerhielten.

Dem Gläubigerschutz dient auch, dass Senior Loans per Kreditvertrag abgeschlossen werden. Dieser kann den Geschäftsbetrieb des Schuldners starken Restriktionen unterwerfen, um seine Kapitaldienstfähigkeit abzusichern. So können Verschuldungsobergrenzen festgelegt werden, möglich sind auch Beschränkungen beim Kauf anderer Gesellschaften oder beim Verkauf von Betriebsteilen. Die Auflagen sehen zudem beim Eintritt bestimmter Ereignisse, etwa der Ausgabe neuer Aktien oder dem Verkauf wichtiger Vermögenswerte, automatische Tilgungsverpflichtungen vor. Verstößt der Kreditnehmer gegen Auflagen, hat der Kreditgeber zudem oft die Möglichkeit, den Zinsaufschlag zu erhöhen oder das Darlehen vorzeitig fällig zu stellen.

Variable Verzinsung - ein Schutz vor Zinserhöhungen

Senior Loans bieten eine attraktive Verzinsung. Das Marktbarometer S & P/LSTA Leveraged Loan Index verzeichnete seit seiner Auflegung fast durchgängig positive Jahreserträge, lediglich auf dem Höhepunkt der Kreditkrise im Jahr 2008 brachen die Kurse ein. Die Verluste wurden aber schon im folgenden Jahr wieder wettgemacht, als der Index eine Rekordrendite von 51 Prozent erreichte. Inzwischen liegen die Renditen durchschnittlich wieder bei jährlich über sechs Prozent seit Indexeinführung. Die Volatilität ist mit aktuell weniger als einem Prozent auf Zwölfmonatssicht zudem äußerst niedrig.

Anders als bei festverzinslichen Rentenanlagen erhalten Investoren bei Senior Loans eine variable Verzinsung, die sich aus einem Basiszinssatz - meist Libor/Euribor - und einem Risikoaufschlag zusammensetzt. Dieser liegt aktuell bei 432 Basispunkten (Stand Juni 2014). Solange sich an der Bonität des Schuldners nichts ändert, bleibt der Risikoaufschlag in der Regel stabil, jede Änderung des Geldmarktzinses schlägt sich jedoch in der Gesamtverzinsung nieder.

Für Anleger hat die variable Verzinsung den Vorteil, dass das Kursrisiko aufgrund schwankender Zinsen gering ist - anders als beispielsweise bei Anleihen, deren Kurse bei Zinserhöhungen in der Regel nach unten tendieren. Außerdem beinhalten die meisten Senior Loans einen Mindestwert, unter den die variable Grundverzinsung nicht sinken kann, gängig ist ein Satz von einem Prozent.

Ganz ausgeschlossen sind Zinsrisiken allerdings auch bei Senior Loans nicht. Steigen beispielsweise die Zinsaufschläge, etwa infolge einer Verschlechterung der Wirtschaftslage oder eines Überangebots an neuen Loans, kann ihr Wert sinken. Fallen die Zinsaufschläge, würde der Wert der Loans zwar tendenziell eher steigen, die Kreditnehmer aber könnten niedrigere Zinsen auf ihre bestehenden Schulden aushandeln oder sie durch Refinanzierung zu einem niedrigeren Zinssatz tilgen. Gläubiger müssten in diesem Fall entweder niedrigere Zinssätze akzeptieren oder die Tilgungserlöse zu niedrigeren Marktsätzen anderswo anlegen. Markante Steigerungen der Marktzinsen können überdies einen Anstieg der Ausfallraten nach sich ziehen, weil Kreditnehmer dem Schuldendienst nicht mehr nachkommen können.

Diversifikationsmöglichkeiten locken

Wegen ihrer niedrigen oder sogar negativen Korrelationen zu traditionellen Anlageklassen können Senior Loans die Volatilität eines Anlageportfolios deutlich senken helfen. Im Zeitraum von 1992 bis Dezember 2012 etwa lag die Korrelation des Credit Suisse Leveraged Loan Index zur US-Aktienbenchmark S & P-500-Index bei nur 0,37, zur Benchmark für US-Unternehmensanleihen, dem Merrill Lynch US Corporate Bonds Index, bestand ebenfalls eine mit 0,31 sehr niedrige Korrelation. Etwas höher fiel naturgemäß mit 0,76 der Gleichlauf zum Hochzinsanleihen-Barometer Credit Suisse High Yield Index aus, dafür lag die Korrelation zu fünf- bis siebenjährigen US-Staatsanleihen mit minus 0,32 sogar im negativen Bereich. Gegenüber dem Goldpreis besteht übrigens nahezu gar kein Gleichlauf, der Korrelationswert liegt nahe Null.

Anleger sollten einige Besonderheiten im Auge behalten. Trotz steigendem Volumen und Liquidität im Senior-Loans-Handel ist der Markt noch immer relativ illiquide, vor allem im Vergleich zu den Anleihe- und Aktienmärkten. Es kann daher unter Umständen zu Schwierigkeiten beim Kauf oder Verkauf von Senior Loans kommen, die ungünstig auf die Kurse einwirken. Weil die meisten Transaktionen von Broker-Dealern vermittelt werden, die für große Geschäfts- oder Investmentbanken tätig sind, dauert das Settlement von Senior-Loans-Transaktionen zudem meistens länger als bei vergleichbaren Geschäften an den Anleihe- oder Aktienmärkten. Außerdem besteht ein potenziell höheres Kontrahentenrisiko, da Senior-Loans-Transaktionen direkt zwischen den Investoren abgeschlossen werden.

Wer in Senior Loans investieren will, sollte zudem bedenken, dass viele Non-Investment-Grade-Schuldner nicht börsennotierte Firmen sind, die keine von großen Rating agenturen wie Standard & Poor's oder Moody's geratete Schuldinstrumente ausgegeben haben. Investoren sind deshalb oft von den Kreditanalysen ihres Portfoliomanagers abhängig, und solche Analysen können schwierig sein. Informationen zu Senior-Loans-Schuldnern sind nämlich nicht allgemein zugänglich, wenn die Firmen keinen aufsichtsrechtlichen Berichtspflichten unterliegen. Gute Portfoliomanager können aber auch ohne öffentliche Informa tionen genug über die Senior-Loans-Schuldner erfahren, denn Kreditnehmer müssen ihren Kreditgebern regelmäßig Finanzinformationen zur Verfügung stellen, die ausführlicher als öffentliche Mitteilungen sind. Außerdem sind Informationen zu Schuldnern auch von anderen Investoren, kreditgebenden Stellen oder Managern erhältlich.

In den USA können Investoren schon seit Jahren über Publikumsfonds in Senior Loans investieren. In Europa ist die Anlageklasse noch eine Domäne institutioneller Anleger, vor allem aus regulatorischen Gründen. Nach der UCITS-Richtlinie regulierte Publikumsfonds etwa dürfen keine Loans ins Portfolio nehmen, anders als bestimmte Fonds nach Luxemburgischen Recht. ING Investment Management beispielsweise bietet europäischen Investoren Senior Loans in einer Euro-Anteilsklasse und einer währungsgesicherten US-Anteilsklasse an. Ab einem Volumen von 100 Millionen US-Dollar oder 70 Millionen Euro können auch Spezialfondsmandate umgesetzt werden.

Grundsätzlich ist der Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Anlageprodukten bei Senior Loans sehr wichtig. Offene Fonds müssen ihre Anteile jederzeit zurücknehmen können, weshalb sie große Teile ihres Vermögens in Barmittel oder andere Vermögenswerten investieren, die weniger illiquide als Senior Loans sind. Dies kann die Verzinsung und das Korrelationsprofil gegenüber "reineren" Senior-Loans-Anlagen verändern.

Geschlossene Fonds können Senior Loans dagegen höher gewichten, weil sie wegen ihrer Rücknahmebeschränkungen Barmittel oder liquide Anlagen nicht im gleichen Umfang vorhalten müssen wie offene Fonds. Sie unterliegen deshalb auch in geringerem Umfang dem Risiko, bei Rücknahmeforderungen einen beträchtlichen Teil des Fonds zu möglicherweise ungünstigen Preisen liquidieren zu müssen.

Auch über den Einsatz von Fremdkapital zur Hebelung (Leverage) müssen sich Anleger informieren. Bei stabilen oder steigenden Märkten kann Leverage durchaus sinnvoll sein, um die Fondserträge zu steigern. Bei fallenden Märkten dagegen potenziert Leverage in der Regel die Verluste. Wichtig ist auf jeden Fall, die vielen Besonderheiten des Senior-Loans-Marktes zu kennen. Ein Portfoliomanager muss die Kreditverträge von Senior Loans genau prüfen, denn mitunter können bestimmte Klauseln den Gläubigerschutz aufweichen.

Extrem wichtig sind auch gute Beziehungen, denn wenn neue Loans auf den Markt gebracht werden, sind die potenziellen Investoren auf Einladungen der Banken, Unternehmen oder Sponsoren angewiesen. Nur Asset Managern, die sich über Jahre als zuverlässige Partner der Emittenten erwiesen haben, haben Zugang zu allen interessanten Transaktionen.

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