Aufsätze

Sepa - Voraussetzungen für eine Erfolgsgeschichte

Die Sepa ist das größte Zahlungsverkehrsprojekt, das in Europa je unternommen wurde. Die notwendigen Voraussetzungen hierfür hat die europäische Kreditwirtschaft im European Payments Council (EPC) in Brüssel im Wege der Selbstregulierung und vor allem innerhalb der vorgegebenen Frist geschaffen, was als eine große Leistung zu bewerten ist. Es sollte nicht vergessen werden, dass gerade von der Politik lange bezweifelt worden war, ob das Kreditgewerbe diesen Kraftakt erfolgreich bewältigen würde.

Am 28. Januar 2008 ist dann das neue Sepa-Überweisungsverfahren mit mehr als 4 300 Kreditinstituten aus insgesamt 31 europäischen Ländern (27 EU, drei EFTA und der Schweiz) gestartet. Im zweiten Schritt wird am 2. November dieses Jahres, zeitgleich mit dem Inkrafttreten des neuen EU-weit einheitlichen Zahlungsverkehrsrechtes, auch der Start der beiden neuen Sepa-Lastschriftverfahren - für Privatkunden und für Firmenkunden - erfolgen (Abbildung 1).

Fundamentale Veränderungen

Die europäische Zahlungsverkehrslandschaft verändert sich dadurch fundamental, denn zum einen können die Bankkunden nun, unabhängig vom Sitz eines Kreditinstitutes, ihre Zahlungsaufträge stets mit den gleichen Datensatzstandards, Abwicklungsregeln und rechtlichen Rahmenbedingungen erteilen. Zum anderen dürfte der einheitliche EU-weite Zahlungsverkehrsraum - wie von der Politik durchaus intendiert - die wettbewerblichen Rahmenbedingungen nochmals erheblich intensivieren.

Leider lässt sich dies guten Gewissens noch nicht behaupten. Bislang erfolgen europaweit erst weniger als zwei Prozent des gesamten Zahlungsverkehrs als Sepa-Überweisungen. In Deutschland ist der Anteil der Sepa-Überweisungen sogar erheblich niedriger und bewegt sich noch im Promille-Bereich. Betrachtet man diese Zahlen etwas differenzierter, so lässt sich zusammenfassen, dass der innereuropäische Überweisungsverkehr bereits mehrheitlich, in der genossenschaftlichen Bankengruppe sogar zu nahezu 100 Prozent, auf Sepa umgestellt ist. Dagegen nutzen die Bankkunden für ihre innerdeutschen Zahlungen weiter fast ausschließlich die nationalen Zahlungsverfahren (Abbildung 2).

Damit ist bislang nur eine "Mini-Sepa" erreicht, was bei den vom Gesetzgeber gesetzten Rahmenbedingungen allerdings auch nicht wirklich erstaunlich ist. Vielmehr verhalten sich die Bankkunden durchaus rational. Das nationale DTA- Verfahren ist sehr effizient und kostengünstig und genießt entsprechend hohe Kundenzufriedenheit. Für die Kunden bestehen daher bislang nachvollziehbarerweise andere Prioritäten als die Umstellung der eigenen Zahlungsverkehrsverfahren. So gilt es sich auch nochmals in Erinnerung zu rufen, dass es in der Vergangenheit nicht die Bankkunden, sondern stets der europäische Gesetzgeber war, der von der Kreditwirtschaft ultimativ die Schaffung der Sepa gefordert hat.

Unbefriedigende Diskrepanz

Die sich hieraus entwickelnde Diskrepanz zwischen Umsetzungsaufwand und Kundenakzeptanz ist unbefriedigend. Die Mitgliedsbanken des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) stehen zum politisch gewollten Sepa-Prozess und haben entsprechend investiert. Der genossenschaftliche Finanzverbund, vertreten durch BVR und DZ Bank, hat sowohl im EPC selbst aktiv an der Definition der neuen Zahlungsverfahren mitgearbeitet als auch mit hohem Ressourcenaufwand die verbundinternen Abwicklungssysteme entsprechend angepasst.

An diesem umfassenden Sepa-Projekt waren seit 2006 alle relevanten Dienstleister im Finanzverbund beteiligt (Abbildung 3). Erforderlich war hierfür die Anpassung aller verbundinternen Zahlungsverkehrssysteme sowohl auf Interbanken- als auch auf Kundenebene. Dieses Großprojekt wurde zwischenzeitlich fristgerecht abgeschlossen. Die Volksbanken Raiffeisenbanken werden sich dementsprechend ab dem ersten möglichen Termin, dem 2. November 2009, an den beiden neuen Sepa-Lastschriftverfahren beteiligen.

Gleichzeitig bedeutet dies nun auch die Koexistenz der alten und neuen Zahlungsverfahren. Die Fortführung dieses Parallelbetriebs wäre auf Dauer jedoch die teuerste Lösung. Da klar sein dürfte, dass der politische Wunsch zur Schaffung der Sepa unumkehrbar ist, muss dies nun aber auch im praktischen Handeln der öffentlichen Hand deutlich werden. Denn um es klar zu sagen: Die Sepa-Umsetzung wird nur dann gelingen, wenn der Gesetzgeber nun endlich seine eigenen Hausaufgaben möglichst rasch erledigt.

Welche Kernherausforderungen müssen hierfür jetzt gelöst werden?

1. Die öffentliche Hand muss schnellstmöglich auf die neuen Sepa-Zahlungsverfahren migrieren.

Erhebliche Transaktionsvolumina werden von staatlichen Stellen im Zahlungsverkehr bewegt. Diese Stellen müssen nun in der Praxis selbst das tun, was sie politisch auch von jedem anderen Bankkunden erwarten, nämlich ihre eigenen Zahlungssysteme umstellen und konsequent die Sepa-Zahlungsinstrumente nutzen.

Es ist daher positiv, dass die deutsche Rentenversicherung angekündigt hat, ab Jahresende die Renten per Sepa-Überweisung auszuzahlen. Ein Anfang wäre damit gemacht. Aber dies alleine reicht bei Weitem noch nicht aus. Alle Kommunen, Länder und der Bund sowie die anderen Sozialversicherungen müssen nun rasch folgen.

2. Der deutsche Gesetzgeber muss eine pragmatische Mandatsmigration beim Lastschriftverfahren ermöglichen.

Im Weiteren muss der deutsche Gesetzgeber endlich seinen Widerstand gegen das vom ZKA gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank vorgeschlagene Verfahren zur gesetzlichen Umstellung der Lastschriftmandate aufgeben. Denn solange es kein rechtssicheres Verfahren zur Umdeutung der in der Vergangenheit rechtskräftig eingeholten schriftlichen Einzugsermächtigungen - gemeint sind hiermit also keine informellen Lastschriftermächtigungen, zum Beispiel per Telefon oder per Klick im Internet - auf das neue Sepa-Lastschriftmandat gibt, wird das Sepa-Lastschriftverfahren garantiert kein großer Erfolg werden. Quelle:

Welcher Anreiz sollte auch für große Firmenkunden mit hohem Lastschrifteinreichungsvolumen, wie Versicherungen, Versorgungsunternehmen und Spendenorganisationen, bestehen, jeden einzelnen ihrer Kunden anzuschreiben beziehungsweise eventuell sogar mehrmals schriftlich nachzuhaken, nur um sich das neue Sepa-Lastschriftermächtigungsmandat unterschreiben zu lassen? Den hohen hiermit verbundenen administrativen Aufwand wird sich kein Lastschrifteinreicher freiwillig antun wollen. Gerade auch wegen des bisherigen großen Erfolgs des Einzugsermächtigungsverfahrens in Deutschland ist daher dringend erforderlich, auch bei uns - genauso wie in allen anderen EU-Ländern bereits vorgesehen - eine pragmatische gesetzliche Lösung zur Umstellungserleichterung einzuführen.

3. Die Europäische Kommission darf den Zahlungsverkehrsanbietern nicht die wirtschaftliche Grundlage entziehen.

Die EU-Kommission schränkt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs immer weiter ein. So wird die aktuelle Entscheidung der EU-Kommission, dass es - voraussichtlich ab 2012 - keine Interbankenentgelte mehr bei den Sepa-Lastschriftverfahren geben darf, sicherlich nicht deren raschen europaweiten Erfolg befördern. Auch wenn die genossenschaftliche Bankengruppe eine Sepa-Zurückhaltung nicht als der Weisheit letzter Schluss ansieht, so muss doch klar sein, dass für Institute, die stärker die Privatkunden und damit die Zahlungspflichtigen beim Lastschriftverfahren betreuen, hierbei dauerhaft ein adäquater Business Case gegeben sein muss.

Dieser kann nur aus einem Interbankenentgelt oder - wie bislang in Deutschland praktiziert - aus einem Rücklastschriftentgelt bei fehlerhaften und uneinbringlichen Lastschriften kommen, da die wirtschaftlichen Vorteile beim Lastschriftverfahren ungleich verteilt sind und vor allem beim Lastschrifteinreicher liegen. Der Zahlungspflichtige wird daher nicht zu einer adäquaten Kostenkompensation gegenüber seinem kontoführenden Institut bereit sein. Wenn der Gesetzgeber diese Zusammenhänge weiter negiert, bedarf es keiner prophetischen Gabe, um vorherzusagen, dass dies in der Konsequenz dazu führen wird, dass die Sepa-Lastschriftverfahren in der Praxis nicht richtig zum Laufen kommen werden.

4. Der europäische Gesetzgeber muss einen Endetermin für die Sepa-Migration festlegen.

Last but not least: Sepa ist ein politisch gewolltes Projekt! Originäre Vorteile für die allermeisten Kunden ergeben sich hieraus - wie von der Kreditwirtschaft in der Vergangenheit auch immer betont - nicht, da zum einen die bestehenden nationalen Zahlungssysteme bereits sehr effizient sind und zweitens der Anteil des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs nach wie vor verschwindend gering ist. Und - dies wird sich auch in den nächsten Jahren nicht gravierend verändern. Allein mit Se-pa-Marketing ist die Migration somit nicht zu befördern.

Die Schlussfolgerung hieraus ist: Damit die Sepa-Zahlungsinstrumente trotzdem - wie von der Politik gewollt - genutzt werden, bedarf es nach der Regelung der genannten noch offenen Punkte durch den Gesetzgeber im Weiteren der Festlegung eines verbindlichen "Abschalttermins" für die bisherigen nationalen Verfahren. Diesen Endetermin kann, da vom Markt heraus kein zwingender Bedarf für Sepa besteht, ebenfalls nur der Gesetzgeber selbst bestimmen.

Denn: Jeder privatwirtschaftliche Zahlungsverkehrsanbieter würde sich, selbst wenn er dies wollte, mit einem "Vorpreschen" bei der Aufgabe der bisherigen Zahlungsverfahren nur selbst aus dem Markt herauskatapultieren. Insgesamt ist diese Situation durchaus mit der Euro-Bargeldeinführung vergleichbar. Wenn der Gesetzgeber keinen Endetermin für die Euro-Bargeldumstellung festgelegt hätte, würden die meisten Bundesbürger im Inland wohl auch heute noch (lieber) mit D-Mark bezahlen.

Sepa kann und sollte nach Auffassung der genossenschaftlichen Bankengruppe noch zum Erfolg werden. Voraussetzung hierfür ist nun jedoch rasches und konsequentes Handeln des Gesetzgebers. Die Politik ist am Zuge.

Dr. Andreas Martin , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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