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Auf der Suche nach der Benchmark: die neue Generation von Rohstoffindizes

In den letzten zehn Jahren wurden Rohstoffe vermehrt als strategischer Portfoliobestandteil betrachtet und in Form von passiven Anlageprodukten erschlossen. In dieser Zeit ist das indexangelehnte Investitionsvolumen in Rohstoffe von unter fünf-Milliarden US-Dollar in 1998 auf etwa 150 Milliarden US-Dollar Ende 2008 angestiegen.1)

Rohstoffindizes auf Rohstofffutures basierend

Ähnlich stark wie die Investitionsvolumen ist auch das Angebot der Rohstoffindizes angestiegen, von vier in 1998 (CRB, S&P GSCI, DJ AIG und RICI) auf über 20 Rohstoffindizes derzeit. Diese Vielfalt erschwert die Wahl der passenden Benchmark für den Investor. Denn obwohl alle dieser Rohstoffindizes dasselbe Anlageuniversum von zirka 30 Rohstoffen abdecken, weisen sie sehr unterschiedliche Performanceeigenschaften auf.

Die Unterschiede resultieren zum einen aus der Gewichtung der Rohstoffe und zum anderen aus Restlaufzeiten- und Rolleffekten, die mit der Selektion unterschiedlicher Laufzeiten der den Indizes zugrunde liegenden Rohstofffutures verbunden sind.

Physische Rohstoffe eigenen sich nicht als Anlageinstrument, da sie verderblich und schwierig zu lagern sind und ihr Gebrauchswert von Lieferort und Lieferzeit abhängt. Ein Fonds oder Index, der beispielsweise direkt in Mais investieren wollte, müsste sich um den Einkauf von Farmen kümmern, eine adäquate Lagerhaltung und den Weitertransport an den Verbraucher. Zudem würden das Maislager, und damit die Portfolioexposure, von einer Ernte bis zur nächsten Ernte konstant abnehmen.

Aus diesem Grund basieren Rohstoffindizes, die als Benchmark dienen und eine replizierbare Anlagestrategie abbilden, auf Rohstofffutures. Dies sind börsengehandelte standardisierte Finanzkontrakte, die den Käufer verpflichten, einen Rohstoff zu einem heute festgelegten Preis zu einem heute festgelegten Liefertermin in der Zukunft zu kaufen. Anstatt physisch in Mais zu investieren kauft der Index eine Mais-Future, zum Beispiel mit Liefertermin im Juli 2009 oder Dezember 2009. Um die Lieferung des physischen Rohstoffs zu vermeiden, muss der Future kurz vor seiner Lieferperiode wieder verkauft und ein neuer Future mit einer weiter in der Zukunft liegenden Lieferung gekauft werden. Dieser Vorgang wird als "Rollen" der Position bezeichnet. Auf diese Weise kann ein Fonds oder Rohstoffindex kontinuierlich eine Position in Mais halten, ohne dass Mais physisch gelagert werden muss.

Gewichtungs-, Restlaufzeiten- und Rolleffekte

Die Tatsache, dass Rohstoffindizes auf Rohstofffutures basieren, hat zur Folge, dass nicht alle weltweit wichtigen Rohstoffe abgebildet werden können, sondern nur solche, für die liquide Futureskontrakte gehandelt werden. Zurzeit sind das etwa 30 Rohstoffe weltweit. Zudem gibt es keine objektive, passive Gewichtung, wie beispielsweise bei Aktienindizes, da Rohstoffe und Rohstofffutures keine klassischen Vermögenswerte darstellen und keine Marktkapitalisierung haben: Folglich leiten Rohstoffindizes ihre Gewichtung von anderen, teilweise sehr unterschiedlichen Referenzgrößen ab, beispielsweise von der weltweiten Produktionsmenge (S&P GSCI), dem Konsumverhalten (RICI), einer Gleichgewichtung der Rohstoffgruppen (DJ AIG), der Liquidität et cetera. Die daraus resultierende Performance ist entsprechend vielfältig.

Einen ebenfalls bedeutenden Einfluss auf die Indexperformance hat die Wahl der Futureslaufzeit. Mit zirka 30 weltweit aktiv gehandelten Rohstofffutures ist das potenzielle Anlageuniversum von Rohstoffindizes im Vergleich zu Aktienindizes sehr eingeschränkt. Allerdings stehen pro Rohstoff bis zu zehn liquide Futureslaufzeiten zur Verfügung, die zwar untereinander korreliert sind, aber eine sehr unterschiedliche Performance aufweisen können.

Abbildung 1 illustriert diesen Effekt für Rohölfutures im Vergleich zu Goldfutures. Goldfutures verhalten sich wie Finanzfutures, da Gold leicht zu lagern ist, nur in geringen Mengen verarbeitet wird. Die Preise für Goldfutures mit verschiedenen Lieferterminen stehen in einem festen Verhältnis zueinander, das durch die Zinsen und Lagerhaltungskosten (Cost-of-Carry) bestimmt ist. Auch die Rendite von Goldfutures fällt für alle Laufzeiten sehr ähnlich aus (vergleiche die Renditen des April 09 und Dezember 09 Futures und die Futuresperformance für verschiedene Rollstrategien in der Abbildung 1).

Unterschiedliche Renditen der verschiedenen Laufzeiten

Für Rohstoffe wie Rohöl, die schwer lagerbar sind und deren Konsumnutzen von zukünftigen Produktionsmengen und Knappheiten abhängt, stehen die Preise für verschiedene Laufzeiten in keinem festen Verhältnis zueinander. Vor einem Jahr befand sich die Rohölkurve in einer Backwardation, das heißt die langen Futureslaufzeiten waren günstiger als die kurzen, aktuell befindet sie sich in Contango mit ansteigenden Preisen.

Die Renditen der verschiedenen Futureslaufzeiten fallen entsprechend unterschiedlich aus: Die Spotpreise sind seit März letzten Jahres um minus 51 Prozent gesunken. Der Mai 2009 Rohölfuture hat im letzten Jahr eine Rendite von minus 39 Prozent erzielt, der Mai 2009 Future eine Rendite von minus 49 Prozent. Eine Strategie, die immer in den kürzest möglichen Futures investiert und diesen monatlich gerollt hat (Mai 08 in den Juni 08, Juni 08 in Juli 08 und so weiter) hat eine Rendite von minus 67 Prozent erzielt (vergleiche blaue Linie der unteren Grafik).

Die unterschiedlichen Renditen der verschiedenen Laufzeiten und "Roll-Strategien" resultieren aus der Form der Futureskurve und der sogenannten "Rollrendite". Ist die Rohstofffutureskurve in einer Con-tango-Struktur, wird für den zu verkaufenden Future ein geringerer Preis erzielt als für den zu kaufenden Future mit der nächst längeren Restlaufzeit gezahlt werden muss. Die Rollrendite ist in diesem Fall negativ und führt zu Verlusten, wenn der Spotpreis nicht stärker ansteigt als es die Futureskurve impliziert. Bei Backwardation ist die Rollrendite hingegen positiv und reflektiert die Erwartung sinkender Spotpreise. Sinken die Spotpreise nicht stärker als durch die Futurespreise impliziert, wird eine positive Futuresrendite erwirtschaftet.

Die besonders schlechte Performance der gerollten Rohölstrategie in der kürzesten Laufzeit (minus 67 Prozent) entstand aus der Drehung der Rohölkurve in Contango seit Herbst letzten Jahres. Die damit verbundenen negativen Rollrenditen haben im Vergleich zum Spotpreis (minus 51 Prozent) zu einer Underperformance von minus 16 Prozent geführt. Das Rohölbeispiel zeigt

1. Rohstofffuturesrenditen unterscheiden sich von Spotpreisveränderungen.

2. Rohstofffuturesrenditen unterscheiden sich für verschiedene Restlaufzeiten: je kürzer die Futureslaufzeit, desto höher ist die Sensitivität gegenüber den Spotpreisen.

3. Die Form der Futureskurve und Rollrenditen beeinflussen die Renditen einer gerollten Futures-Strategie.

Klassifizierung der Indizes

Neben ihrer unterschiedlichen Rohstoffgewichtung unterscheiden sich Rohstoffindizes durch die Auswahl der Restlaufzeit und das "Rollen" der Futurespositionen.

Klassische Rohstoffindizes wie der Reuters CRB, der S&P GSCI, der DJ AIG und der RICI Index investieren in kurze Laufzeiten und rollen sie erst kurz vor der Lieferung in den nächsten Kontrakt. Da die kürzeste Futureslaufzeit die höchste Spotpreissensitivität aufweist, bilden diese Indizes die Spotpreisentwicklung am besten ab. Allerdings kann das Rollen der Futurespositionen zu negativen Renditen führen, wenn die Futureskurve eine ausgeprägte Contan-go-Form aufweist, die mit negativen Rollrenditen verbunden ist.

Rohstoffindizes der nächsten Generation, sogenannte Enhanced Indizes, reduzieren die negativen Rolleffekte in Contango-Märkten dadurch, dass sie in längere Laufzeiten investieren, bei denen die (negativen) Rollrenditen schwächer ausgeprägt sind. Zudem investieren sie in Futureslaufzeiten, von denen aufgrund von Saisonalitäten höhere Renditen erwartet werden, beispielsweise Verfallsmonate nach der Ernte bei Getreide oder Winterverfallsmonate bei Erdgas. Der Fokus der Enhanced Indizes liegt auf einer Optimierung des Rendite-Risiko-Verhältnisses. Allerdings wird dies zulasten der Spotpreissensibilität erkauft - längere Futureslaufzeiten sind weniger volatil und reagieren weniger stark auf Veränderungen der Spotpreise. Die meisten klassischen Rohstoffindizes gibt es in Form einer "enhanced" Version, beispielsweise den S&P GSCI Enhanced, den DJ AIG Enhanced oder den RICI Enhanced Index. Auch die UBS Bloomberg CMCI Indizes gehören in diese Kategorie.

Aktiv konditionierte Rohstoffindizes wie der DBLCI Optimum Yield Index oder der CYD Long-Only Index gehen noch einen Schritt weiter in der Optimierung des Risi-ko-Rendite-Verhältnisses. Diese Indizes konditionieren aktiv auf die Futureskurve, das heißt positive Rolleffekte in Backwardation Märkten werden ausgenutzt und negative Rolleffekte in Contango-Märkten werden vermieden. Die Auswahl und der Futureslaufzeiten (teilweise auch der Rohstoffe) erfolgt dynamisch nach einem festen Regelwerk. Die Sensitivität zum Spotpreis steht nicht im Vordergrund und kann stark variieren.

Auswahl der Rohstoffbenchmark

Die Auswahl des passenden Index als Benchmark sollte sich nach den Bedürfnissen des Investors richten. Hierbei stehen in der Regel im Vordergrund: eine Absicherung gegen unerwartete Inflationsschocks,2) Erzielung eines zusätzlichen Renditebeitrages und eine Erhöhung der Diversifikation im Portfolio. Diese Ziele stehen teilweise in einem Konflikt zueinander.

Ist es das Ziel, Rohstoffe als Hedge gegen unerwartete Inflationsschocks in das Portfolio zu integrieren, dann sollte die Auswahl der Benchmark auf die klassischen Rohstoffindizes fallen (Abbildung 2). Diese haben die größte Sensitivität zum Spotpreis. Allerdings sind die Rendite-Risiko-Eigenschaften dieser Indizes aufgrund der Rolleffekte nicht immer optimal. Solange die Rohstofffutureskurven in ihrer aktuell stark ausgeprägten Contango-Struktur bleiben (vergleiche die Rohölkurve vom 31. März 2009 in Abbildung 1), werden diese Indizes durch das Rollen der Futurespositionen einen negativen Renditebeitrag in Form der Rollrendite erzielen.

Möchte der Investor gegenüber den klassischen Rohstoffindizes das Rendite- Risiko-Profil verbessern, dann sollte eine "Enhanced" Version der klassischen Rohstoffindizes als Benchmark Anwendung finden. Aufgrund der meist längeren Restlaufzeiten der Terminkontrakte ist der Hedge gegen kurzfristige unerwartete Inflationsschocks schwächer, hingegen bleibt eine Absicherung gegen eine Veränderung der langfristig erwarteten Preise. Die Diversifikationseigenschaften sind ähnlich wie bei den klassischen Indizes.

Ist der Fokus des Investors noch stärker auf Optimierung der Rendite-Risiko-Eigenschaften ausgelegt als auf Schutz gegen unerwartete Inflation, sollte die Auswahl der Benchmark aus der Rubrik aktiv konditionierter Indizes erfolgen. Aufgrund der aktiven Konditionierung ist die Spotpreissensitivität dynamisch und kann stärker reduziert werden als bei Enhanced Indizes. Hierbei kommt es entscheidend auf die Konstruktion des Index und die jeweilige Marktverfassung an. So hat der CYD Long-Only-Index etwa eine hohe Spotpreissensitivität, wenn die Futureskurven mehrheitlich in Backwardation sind. Dies tritt typischerweise in einem makroökonomisch positivem Umfeld auf, das heißt, Nachfrageüberhänge bei Rohstoffen können zu unerwarteten Preissteigerungen führen. Sind umgekehrt die Futureskurven mehrheitlich in Contango, wird die Spotpreissensitivität reduziert. Contango tritt typischerweise bei Angebotsüberhängen auf, und diese reduzieren die Gefahr von Inflation.

Fußnoten

1) Vgl. R. Bahr, Commodities Now, März 2006, S. Wallece, Bloomberg, 27. Januar 2009.

2) Ein Hedge gegen erwartete Preissteigerungen ist mit Rohstofffutures nicht möglich, da die erwartete Preissteigerung im Futurespreis enthalten ist. Vgl: Z. Adams, R. Füss, D. Kaiser, "The Pricing and Economics of Commodity Futures, " The Handbook of Commodity Investing, 2008, Seite 95.

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