Aufsätze

Target-2:Internetzugangskanal als Schritt in die Zukunft

Seit 2008 bildet das vom Eurosystem betriebene Target-2-System das Rückgrat der Finanzinfrastruktur im Euroraum. Derzeit werden im arbeitstäglichen Durchschnitt rund 370000 Transaktionen im Gegenwert von rund 2,3 Billionen Euro abgewickelt; das entspricht dem im 1. Quartal 2010 erwirtschafteten Bruttoinlandsprodukt des Euroraums.

- Target-2 hat sich als führendes Zahlungssystem für eilbedürftige Euro-Überweisungen etabliert. In puncto Schnelligkeit, Sicherheit und Verarbeitungseffizienz setzt es weltweit Maßstäbe.

- Mehr als 1000 Kreditinstitute in Europa sind direkt in Target-2 erreichbar; zudem nehmen mehr als 4000 indirekt teil. Neben den 16 Ländern des Euroraums sind sechs weitere EU-Länder angebunden.

- Rund 70 Nebensysteme (Wertpapier- und Zahlungssysteme sowie Zentrale Kontrahenten) nutzen Target-2 für die Abwicklung der geldlichen Verrechnung. Aufgrund dieser systemischen Bedeutung leistet das Zahlungssystem einen wichtigen Beitrag für die Finanzstabilität in Europa. Seine Leistungsfähigkeit hat es auch in der Finanzkrise unter Beweis gestellt.

Gemeinschaftsplattform

Für Deutschland spielt Target-2 eine besonders wichtige Rolle. Fast 50 Prozent aller Zahlungen und gut ein Drittel des Umsatzes werden über in Deutschland ansässige Teilnehmer generiert. Zudem betreibt die Bundesbank mit der Banca d'Italia und der Banque de France die Target-2-Gemeinschaftsplattform im Auftrag des Eurosystems. Die Bundesbank wickelt heute noch eine Reihe von Transaktionen außerhalb von Target-2 in eigenen Verfahren ab. Gemäß EZB-Ratsbeschluss müssen mittelfristig aber

- alle Euro-Individualzahlungen zwischen Kreditinstituten im Europäischen Wirtschaftsraum,

- Euro-Zahlungen zwischen Kreditinstituten und Nebensystemen sowie

- Zahlungen im Rahmen von Offenmarktgeschäften des Eurosystems

über Konten auf der Target-2-Gemeinschaftsplattform verrechnet werden. Die Bundesbank verlagert die betroffenen Geschäfte in drei Stufen.

Stufe I: In Deutschland werden Euro-Individualzahlungen zwischen Kreditinstituten schon fast vollständig über Target-2 verrechnet. Eine Ausnahme bildet die Abwicklung dieser Zahlungen von rund 130 Kreditinstituten, die indirekt über das Hausbankverfahren der Bundesbank an das Zahlungssystem angebunden sind. Diese Möglichkeit entfällt zum 3. Januar 2011. Die betroffenen Institute müssen sich entsprechend neu positionieren. Um weiterhin Individualzahlungsverkehr über Target-2 abwickeln zu können, bestehen zwei Handlungsalternativen: entweder die direkte Teilnahme an Target-2 oder eine indirekte Teilnahme über eine Korrespondenzbank.

Stufe II: Voraussichtlich im November 2011 wird die Bundesbank die Umstellung der Verrechnung ihres EMZ (Elektronischer Massenzahlungsverkehr) und des Sepa- Clearers auf Target-2-Konten durchführen.1) Alle Teilnehmer am EMZ beziehungsweise Sepa-Clearer, die bisher noch kein Konto auf der Target-2-Gemeinschaftsplattform unterhalten, sind von dieser Verlagerung betroffen. EMZ-Teilnehmern wird jedoch bis zum Abschluss der Stufe III die Möglichkeit gewährt, die Verrechnung unverändert über ihr Heimatkonto bei der Bundesbank durchzuführen. Alle Teilnehmer am Sepa-Clearer müssen aber bereits ab dem Umstellungszeitpunkt ein Konto auf der Target-Gemeinschaftsplattform benennen, über das die Verrechnung erfolgen soll.

Stufe III: Abschließend wird die Kontoführung für Banken technisch auf die Target-2-Gemeinschaftsplattform verlagert. Dann erfolgen auch die Verrechnung von Offenmarktgeschäften des Eurosystems, die Gewährung von Innertageskredit, die Inanspruchnahme von Ständigen Fazilitäten sowie die Mindestreservehaltung in der Gemeinschaftsplattform. Von dieser Änderung sind alle ungefähr 2000 Banken betroffen, die ein Heimatkonto bei der Bundesbank führen. Für Kreditinstitute, die bereits ein Konto auf der Gemeinschaftsplattform unterhalten, wird dieses um die oben genannten Services erweitert. Banken, die ihren Zahlungsverkehr nicht eigenständig in Tar-get-2 abwickeln wollen und auch nicht an Offenmarktgeschäften teilnehmen, erhalten künftig ein Heimatkonto im sogenannten Home Accounting Modul. Die Verlagerung soll zeitgleich mit der Bereitstellung von CCMB22)im Eurosystem erfolgen.

Angebot eines Internetzugangskanals

Ab 22. November 2010 bietet das Eurosystem den Zugang zur Target-2-Gemeinschaftsplattform über einen modernen, einfachen und sicheren Internetzugang an. Derzeit ist der Zugang ausschließlich über Swift möglich. Der Internetzugang bietet ein Leistungsangebot, das sowohl für die Konto- und Liquiditätsdisposition als auch die Abwicklung einer geringen Anzahl von Individualzahlungen geeignet ist.

Damit unterstützt die Bundesbank zunächst solche Institute, die sich künftig durch den Wegfall der indirekten Teilnahme über die Bundesbank neu positionieren müssen. Die größere Flexibilität im Bereich der Zugangswege kann die Entscheidung für eine eigenständige Teilnahme in Tar-get-2 erleichtern.

Target-2-Internetteilnehmer erhalten einen Zugang zum Informations- und Steuerungsmodul ICM (Information and Control Module). Über das ICM können Informationen, zum Beispiel. Umsätze, Kontostände oder Kontoauszüge abgerufen und Zahlungen abgewickelt werden. Für einen Target-2-Internetteilnehmer eingehende Kunden- und Interbankzahlungen von anderen Teilnehmern mit Swift- oder Internetzugang werden im ICM angezeigt. Die Initiierung von Kunden- und Interbankzahlungen geschieht über Erfassungsmasken im ICM, in die der Nutzer Zahlungsinformationen eingeben kann. Kontoauszüge werden zum Download zur Verfügung gestellt, auf Wunsch in einem für die automatisierte Weiterverarbeitung geeigneten Format und zur elektronischen Abholung (siehe Abbildung).

"Public-Key-Zertifizierung"

Die Vertraulichkeit und Integrität der über den Internetzugang ausgetauschten Nachrichten werden mit Hilfe einer "Public-Key-Zertifizierung" sichergestellt. Auch die sogenannte "Nichtleugbarkeit" ist gewährleistet. Die Authentifizierung der Nutzer basiert auf elektronischen Zertifikaten, für deren physische Handhabung zunächst Smartcards und später USB-Sticks verwendet werden. Bei kritischen Aktivitäten im ICM kann das Vieraugenprinzip angewendet werden; im Falle der Initiierung von Zahlungen ist dies obligatorisch.

Für die internetbasierte Verbindung wird dem Teilnehmer ein monatliches Fixentgelt in Höhe von 70 Euro in Rechnung gestellt. Darin sind bereits die Kosten für die Zertifikate (maximal fünf Zertifikate pro Konto) enthalten. Teilnehmer mit Internetzugang und Teilnehmer mit Swift-Zugang können ohne Einschränkungen gegenseitig Zahlungen einreichen. Alle Target-2-Internetteilnehmer werden - wie alle anderen Teilnehmer auch - im Target-2-Directory (Verzeichnis aller über Target-2 erreichbaren Kreditinstitute) aufgeführt. Auf Wunsch kann auf eine Veröffentlichung verzichtet werden.

Ab Stufe II erhalten deutsche Internetteilnehmer über das ICM und den Kontoauszug auch Sicht auf ihre Target-2- Buchungen im Zusammenhang mit der EMZ- und Sepa-Clearer Verrechnung. Größere Bedeutung wird der Internetzugang auch bei Verlagerung der Heimatkontoführung in die Target-2-Gemeinschaftsplattform erlangen. Er ist insbesondere für kleinere und mittelgroße Institute konzipiert, die ein Konto bei der Bundesbank nur für die eigenständige Verrechnung von Offenmarktgeschäften oder zur Unterhaltung der Mindestreserve benötigen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Internetzugang auch für weitere Eurosys-tem-Dienste, wie zum Beispiel CCBM2, genutzt werden kann.

XML-Fähigkeit als Option

Trotz seiner Positionierung als Individual beziehungsweise Großbetragszahlungssystem entfallen fast 60 Prozent aller Transaktionen in Target-2 auf Kundenzahlungen. Fast 70 Prozent aller Target-2-Zahlungen weisen einen Betrag von weniger als 50000 Euro auf. Mit den Plänen der EU-Kommission, die Migration von nationalen Überweisungs- und Lastschriftverfahren auf Sepa-Standards verbindlich vorzugeben (Regulierung eines Enddatums), wird sich die Abwicklung von Kundenzahlungen im Euroraum technisch verändern. Deshalb untersucht das Eurosystem derzeit, ob künftig auch die Abwicklung von Überweisungen im XML(Sepa-)Format in Target-2 angeboten werden soll.

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Regulierung hätte dies den Vorteil, dass Zahlungsverkehrsnutzer künftig für die Abwicklung ihres Massen- und eilbedürftigen Zahlungsverkehrs die gleichen Standards nutzen können. Target-2 wird dabei seinen Charakter nicht verändern. Es würde nach wie vor die Abwicklung von einzelnen Überweisungen in Echtzeit - dann aber auch im XML-Format - ermöglichen, sich aber nicht für den Massenzahlungsverkehr öffnen. Möglicher Einsatztermin für diese Neuerung wäre November 2012.

Reibungsloses Management der Zentralbankliquidität

Darüber hinaus macht auch die Inbetriebnahme von T2S (Target-2-Securities) im September 2014 Anpassungen in Target-2 erforderlich. T2S ermöglicht die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen nach dem Prinzip "Lieferung-gegen-Zahlung" in sicherem Zentralbankgeld. Target-2 wird hier insbesondere die Aufgabe zufallen, für ein reibungsloses und übergreifendes Management der in Target-2 und T2S gehaltenen Zentralbankliquidität zu sorgen.

Der Text gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

Fußnoten

1) Die Systeme von Clearstream Banking Frankfurt und Eurex verrechnen bereits über Target-2.

2) Collateral Central Bank Management (Gemeinschaftsplattform des Eurosystems zur Verwaltung des Sicherheitenbestandes).

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