Geldpolitik

Thank you very much, Professor Friedman

Ansgar Belke, Kai Geisslreither und Thorsten Polleit* schreiben der Redaktion: "Am 16. November 2006 starb Milton Friedman, ehemals Schüler und später Professor an der University of Chicago und Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1976, im Alter von 94 Jahren. Friedman stand für den ,Monetarismus', den revolutionären und provokativen Umsturz der bis dato vorherrschenden keynesianischen Ökonomik in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Empfehlungen, die Friedman aus seinen Arbeiten ableitete, sind mittlerweile zum Establishment der Wirtschaftstheorie geworden. Insbesondere seine monetaristischen Basishypothesen - im Kern eng angelehnt an das (neo-) klassische Forschungsprogramm - haben die moderne Makroökonomik wie wohl keine andere Denkschule geprägt.

,Inflation ist stets und überall ein monetäres Phänomen', so lautet Friedmans berühmtes Diktum aus dem Jahre 1963. Es ist die wohl am besten belegte These in der Ökonomik geworden. Inflation, so Friedman, folgt, wenn die Geldmenge dauerhaft schneller wächst als das Güterangebot. Und folglich sind es nicht Ölpreise, Wechselkurse und Steuern, die für Inflation verantwortlich sind, sondern es sind hauptsächlich die Notenbanken.

Friedman hatte Sorge vor Machtmissbrauch der Regierungen. Er befürchtete, dass sie die Geldmenge ausweiten, um kurzfristig Produktions- und Beschäftigungsgewinne zu erzielen, die jedoch nachfolgend mit hohen Kosten der Inflation zu bezahlen wären. Als Lösung schlug er vor, die Notenbanken in die politische Unabhängigkeit zu entlassen. Diese Empfehlung ist quasi zum Grundpfeiler der modernen Papiergeldordnungen geworden. Für die Monetaristen werden die Schwankungen des nominalen Volkseinkommens vor allem durch Schwankungen der Geldmenge hervorgerufen. Da sich aber Veränderungen der Geldmenge mit langen und meist unbekannten Zeitverzögerungen in Preisen und Mengen bemerkbar machen (,time lag problem'), sollte die Geldpolitik, so Friedman, erst gar nicht versuchen, konjunkturelle Stabilisierungsversuche zu unternehmen. Sie würde nur unerwünschte Störungen verursachen. Friedman empfahl den Notenbanken vielmehr, die Geldmenge mit einer konstanten Rate pro Jahr auszuweiten. Dies fußt auf der Annahme, dass die Geldnachfrage - der Zusammenhang zwischen Geldmenge, Preisniveau, Zinsen und Einkommen - langfristig stabil ist. Mit eben dieser Empfehlung will Friedman politischen Machtmissbrauch und Politikfehler - und mit ihnen schwere volkswirtschaftliche Schäden - abwenden. Dafür war er bereit, Kosten in Kauf zu nehmen: die Kosten eines Verzichts auf die kurzfristig vielleicht vorteilhaften Ergebnisse einer ,Ad-hoc'-Geldpolitik, um durch Regelbindung die noch höheren Kosten in Form von geldpolitisch verursachten (Wirt-schafts-)Krisen zu vermeiden.

Die Ratio der Regelbindung wurde durch die Arbeiten von Finn E. Kydland und Edward C. Prescott in den Siebzigerjahren unterstrichen. Anhand des "Zeitinkonsistenzproblems" zeigten sie, dass, wenn die Marktakteure rationale Erwartungen haben, eine regelgebundene Geldpolitik vergleichsweise bessere Ergebnisse erzielt als eine, die diskretionär agiert. Kydland und Prescott erhielten für ihre Arbeiten im Jahre 2004 den Wirtschaftsnobelpreis. Zusammen mit Edmund S. Phelps, dem Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 2006, zeigte Friedman, dass es langfristig keinen "Trade-off" zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit gibt. Damit zerschlugen sie den Grundpfeiler der keynesianischen Geldpolitik. Sie zeigten, dass die Geldpolitik die Philips-Kurve nicht systematisch ausbeuten kann. "Überraschungsinflation" führt allein zur Entwertung des Geldes, dauerhafte Outputgewinne werden nicht erzielt. Im Jahre 1972 verschärfte Robert E. Lucas diese These. Er zeigt, dass die Geldpolitik überhaupt keine Outputeffekte erzielen kann, wenn die Marktakteure rationale Erwartungen haben.

Wie lautet die geldpolitische Bilanz des Monetarismus nach mehr als 50 Jahren? Heute bezweifelt kaum noch ein Ökonom, dass stabiles Geld förderlich ist für Wachstum und Beschäftigung und auch nicht, dass die Geldpolitik politisch unabhängig sein sollte, damit das Ziel stabilen Geldes erreicht wird. Das Ausspielen von kurzfristigen Konjunkturimpulsen gegen Inflation wird kritisch gesehen - wenngleich in der Praxis nicht immer befolgt. Die praktische Geldpolitik allerdings richtet sich derzeit kaum noch an Expansionsraten der Geldmengen aus. Die Folge ist - wenig erstaunlich für Monetaristen - Inflation. Allerdings kommt der Geldwertschwund in den vergangenen Jahren vor allem in einem neuen Gewand daher: Die Inflation zeigt sich derzeit (noch) nicht in den Konsumentenpreisen, sondern vor allem in den Vermögenspreisen (,Asset-Price-Inflation'). Die Forschung dürfte wohl bald zum Ergebnis kommen, dass die Vermeidung von (Vermö-genspreis-)Inflation - und der mit ihr verbundenen Kosten wie Umverteilung sowie Konjunktur- und Finanzkrisen - das geldpolitische Ausrichten an der Geldmenge unverzichtbar macht.

Doch auch über das Feld der Geldpolitik hinaus stellen Friedmans Arbeiten wichtige Handlungsempfehlungen für das Gestalten und Erhalten einer freien Gesellschaftsordnung bereit. Denn nicht zuletzt steht Friedman gleichermaßen für einen konsequenten Wirtschaftsliberalismus, also die Grundposition, dass die Freiheit des Individuums zu wahren ist, und dass der Marktmechanismus viel besser geeignet ist, die allgemein erwünschten Ziele zu erreichen als staatliches Handeln. Durch seine konfrontative Art und seine provokanten Vorschläge - ob etwa das Erlauben freier Märkte für Drogen, das Einführen von Bildungsgutscheinen oder das Geißeln staatlicher Konjunkturpolitik - löste er häufig ernste Kritik und kontroverse Diskussionen aus. Doch die Erfahrungsberichte vieler Länder in den letzten Dekaden geben seiner Grundlinie recht: Länder mit stabilem Geld, freien Märkten und marktfreundlichen Wirtschaftspolitiken konnten deutlich höhere Wohlstandsgewinne verbuchen als solche, die sich im staatsinterventionistischen Dickicht verzettelten. Wie wohl neben ihm nur John Maynard Keynes hat Friedman die wirtschaftspolitische Debatte des 20. Jahrhunderts geprägt. Seinem Wirken gebührt Hochachtung und Dank."

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