Aufsätze

Der US-Dollar: Kollaps oder Revival

Keine Währung steht so im Fokus der internationalen Finanzmärkte wie der USamerikanische Dollar. Die Meinungsvielfalt über zukünftige Entwicklungen, vor allem des Euro-Dollar-Wechselkurses, steht jener über Aktienindizes in nichts nach. Seit Einführung der flexiblen Wechselkurse war und ist der US-Dollar Welt-, Leit- und Reservewährung. Diese Tatsache bewahrte den US-Dollar jedoch nicht vor zyklischen Schwankungen in beträchtlichem Umfang (Abbildung 1).

Als Leitwährung abgelöst?

Lange Zeit gab es kaum eine Alternative zum US-Dollar. So wurden und werden alle wichtigen Rohstoffe in US-Dollar fakturiert und die Investoren bevorzugten die hohe Liquidität und Innovationskraft des amerikanischen Finanzplatzes. Die jüngsten Entwicklungen stellen genau diese Eigenschaften infrage. Mittlerweile bieten sich durchaus Alternativen. Vor allem der Euro scheint nach gewissen Startschwierigkeiten dem US-Dollar Konkurrenz zu machen. Ist dies aber nur eine "Modeerscheinung", das heißt, hat sich der US-Dollar lediglich in seiner zyklischen Abwärtsbewegung befunden, aus der er sich jetzt schon wieder herausbewegt? Oder wird der US-Dollar als Leitwährung abgelöst werden, weil sich strukturelle Veränderungen ergeben haben, die das Vertrauen in die Flexibilität und Innovationskraft der amerikanischen Wirtschaft und des Finanzmarktes in Frage stellen?

Aus Sicht von Euro-Investoren ist es hilfreich, zunächst einen Blick auf die Entwicklungen in der Vergangenheit zu werfen. Was waren die Gründe für die US-Dollar/Euro-Bewegung nach 1998, und haben sich die Einflussfaktoren geändert? Daraus könnten Erkenntnisse gewonnen werden, die für die Beantwortung der Frage nach dem Untergang oder Aufschwung des US-Dollar hilfreich sein sollten.

Die ersten Jahre nach der Einführung des Euro als Buchgeld im Januar 1999 bis Ende 2001 waren durch eine US-Dollar-Aufwertung geprägt. Die neu geschaffene Währung Euro wurde zunächst mit großer Skepsis betrachtet. So herrschte Unsicherheit, ob der Euro überhaupt Bestand haben würde, vor allem die heterogene Struktur des europäischen Wirtschaftsraumes sorgte für Bedenken. Darüber hinaus war das Vertrauen in die neue Europäische Zentralbank (EZB) noch nicht vorhanden und musste erst noch aufgebaut werden. Neben diesen Zweifeln trugen weitere Faktoren zu einer relativ höheren US-Dollar-Nachfrage bei. Zum einen war dies die positive Entwicklung im Technologiesektor, die ihren Ursprung in den USA hatte und mit der Börse Nasdaq auch die größte Plattform bot. Es war die Bestätigung der US-Wirtschaft als die Innovationskraft in der Welt. Zum anderen sprachen die Zinsdifferenzen für den US-Dollar. Das heißt, Anlagen in den USA waren so attraktiv, dass der Anstieg des Leistungsbilanzdefizits über Kapitalzuflüsse in die USA leicht finanziert werden konnte (Abbildung 2). Sogar nach dem Platzen der Technologieblase blieb der US-Dollar zunächst unterstützt. Die westlichen Industriestaaten hatten mit rezessiven Tendenzen zu kämpfen. Der US-Dollar profitierte von diesem Umfeld, da viele Anleger dem US-Dollar die Funktion eines sicheren Hafens zuschrieben beziehungsweise Kapital-Repatriierungen vorgenommen wurden. Zusätzlich zeigte die amerikanische Zentralbank (Fed) Flexibilität und reagierte rasch mit Zinssenkungen.

Steigendes Vertrauen in die europäische Währung

Noch in der Phase fallender Aktienmärkte begann dann aber die lange und stabile Phase der Euro-Aufwertung. Der Euro hatte sich als solide erwiesen, und die Reputation der EZB stieg nach anfänglichen Schwierigkeiten. Das Krisenmanagement der EZB beim Platzen der Technologieblase wurde zunächst vom Markt als zu zaghaft angesehen. Genau dieser Unterschied in der Geldpolitik legte jedoch den Grundstein für den langsamen Anstieg der Reputation der EZB und das steigende Vertrauen in die europäische Währung.

Die aggressive Zinssenkungspolitik der Fed führte dazu, dass sich die Zins- und Anlage-Argumente gegen den US-Dollar wandten.

So lag das Tief der Differenz in den Zentralbanksätzen bei minus zwei Prozentpunkten und bei minus 0,7 Prozentpunkten zwischen zehnjährigen Staatsanleihen (Abbildungen 3 und 4). Somit war eine Anlage in den USA unter Zinsaspekten wenig attraktiv. Die lang anhaltende Niedrigzinspolitik der Fed machte den US-Dollar nicht nur gegen den Euro uninteressant, sondern verwandelte den US-Dollar auch gleichzeitig in eine beliebte Finanzierungs-Währung für Anlagen in andere höher verzinste Währungen. Die Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits wurde schwieriger und der US-Dollar geriet unter Abwertungsdruck. Die entsprechende Euro-Aufwertung wurde durch positive Entwicklungen in der Eurozone verstärkt. Reformen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, steigerten die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraumes und ließen Aktien- und Direktinvestitionen attraktiver werden.

Selbst während der ersten Phase der jüngsten Finanzkrise war der Euro-Wirtschaftsraum noch durch relativ starkes Wachstum geprägt, wodurch - im Gegensatz zu den USA - keine Zinssenkungen vorgenommen wurden. Diese Divergenz führte zu einer Aufwertung des Euro bis zum Höchststand von zirka 1,60 US-Dollar per Euro. Somit hatte sich der Euro gegenüber dem US-Dollar im Laufe von sieben Jahren fast verdoppelt.

Das alte Muster

Mittlerweile haben die Auswirkungen der Finanzkrise auch die reale Wirtschaft erreicht und zwingen neben anderen Zentralbanken auch die EZB zu Zinssenkungen. Von daher kommt nun die Funktion der USA als sicherer Hafen während einer globalen wirtschaftlichen Schwäche erneut zum Tragen. Das alte Muster, in dem der US-Dollar in rezessiven Phasen deutlich profitiert, ist wieder zu erkennen. Soweit sind dies immer noch die klassischen, zyklischen Einflussfaktoren, die das Verhalten des US-Dollar erklären (Abbildung 5).

Beim genaueren Hinsehen lassen sich aber einige Unterschiede zu früheren Zyklen ausmachen: Die Folgen der langen Niedrigzinspolitik der Fed waren weitreichend und führten zu explodierenden Häuserpreisen, zu freizügiger Kreditvergabe an nicht kreditwürdige Schuldner und zu einem viel zu stark "gehebelten" Bankensektor. Dies wiederum verursachte einen Vertrauensverlust in den US-Dollar und schadete der Glaubwürdigkeit der US-Geldpolitik, Ungleichgewichte wie zum Beispiel Inflation zu bekämpfen.

Dies lässt sich unter anderem an der Entwicklung des Goldpreises ablesen (Abbildung 6). Gold wurde in den letzten Jahren neben Euro-Anlagen eine echte Alternative zu US-Dollar-Investments. Die Goldnachfrage zeigte sich diesmal ausgeprägter als in vorangegangenen Zyklen. Ein Teil dieses Preisanstieges lässt sich sicherlich durch den gestiegenen Wohlstand in den aufstrebenden Schwellenländern erklären. Zum anderen haben verschiedene Zentralbanken, vor allem in Asien und im mittleren Osten, in

den letzten Jahren bereits begonnen, ihre Fremdwährungsreserven stärker zu diversifizieren. Von der Skepsis gegenüber dem US-Dollar hat der Euro profitiert und stieg zur zweiten, liquiden Reservewährung auf.

Goldpreis als Indikator

Inzwischen ist ein Punkt erreicht, an dem gefragt werden muss, ob der Vertrauensverlust in den US-Dollar eine strukturelle Veränderung im Verhalten der Investoren hervorrufen könnte. Zyklisch spricht die kurzfristige Zinsdifferenz für eine Stabilisierung des US-Dollar. So sollten die Zinsen in den übrigen Ländern stärker fallen als in den USA, da hier die Zentralbankzinsen entweder nicht oder nur noch wenig fallen können. Allerdings dürfte das doppelte Defizit, also das Budget- und Leistungsbilanzdefizit, sich nicht rasch verbessern. Im Gegenteil könnten die massiven fiskalpolitischen Maßnahmen das Budgetdefizit auf ein Niveau ansteigen lassen, das es seit den achtziger Jahren nicht mehr gab. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich relativ zum Bruttoinlandsprodukt über die letzten Jahre leicht verbessert, in der derzeitigen weltweiten Wirtschaftsschwäche wird eine weitere Verbesserung geringer ausfallen. Speziell das rasant steigende Budgetdefizit und die Natur der Krise, welche die amerikanische Wirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert, haben ein gewisses Sprengpotenzial und könnten stark negativ auf dem US-Dollar lasten.

Gelingt es den Amerikanern durch die Geld- und Fiskalpolitik allerdings, die aktuelle Krise zu meistern und die US-Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zurückzubringen, so sollte das Budgetdefizit nicht nachhaltig exorbitant hoch bleiben. Zudem muss die amerikanische Politik in der Vorreiterrolle Maßnahmen vorstellen, die eine solche Krise in Zukunft vermeiden, ohne jedoch die Innovationskraft der Wirtschaft und der Banken zu stark einzuschränken. In einem solchen Fall sind die Voraussetzungen gegeben, dass der US-Dollar auch weiterhin seinen Status als Leitwährung behält und einen erneuten Aufschwung erlebt.

Die Frage über "Kollaps oder Revival" des US-Dollar lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht endgültig beantworten. Der Investor sollte die erläuterten Dynamiken im Auge behalten und den Goldpreis als Sentimentindikator beobachten, um

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