Aufsätze

Voll oder synthetisch? - zur Frage der Abbildung von ETFs

Thomas Meyer zu Drewer, Leiter ETF- Geschäft in Deutschland und Österreich, Lyxor Asset Management, Frankfurt am Main / Dass ETFs in den vergangenen Jahren auch bei institutionellen Anlegern einen enormen Zuspruch erfahren haben, weist die Fondsstatistik eindeutig aus. Als Argument in der Vermarktung wird in der ETF-Branche freilich zuweilen die Konstruktionsart dieser Fonds bemüht. Soll die Investitionsentscheidung in einen ETF für die traditionelle volle Replikationsmethode oder für das Swap-basierte Verfahren fallen? Bei seiner Erläuterung der Unterschiede sieht der Autor die synthetische Variante bei den Kosten sowie der Breite der Einsatzmöglichkeiten im Vorteil, räumt aber ein wenn auch gesetzlich beschränktes Kontrahentenrisiko ein. Sein Fazit: "Wer bei ETFs Wert darauf legt - sei es aus regulatorischen, steuerlichen oder, nicht zu unterschätzen, auch emotionalen Gründen - bei seiner Investition genau die Indexbestandteile seines Index im ETF-Portfolio zu haben, der sollte vollständig replizierende ETFs wählen. Wer aber in erster Linie das Ziel verfolgt, , seinen' Index so exakt wie möglich nachgebildet zu bekommen, für den bieten sich Swap-basierte ETFs an." (Red.)Die Vorteile von Exchange Traded Funds (ETFs) sind einfach zu beschreiben: Sie kombinieren die Vorzüge von Fonds (Sondervermögen) und Aktien (Handelbarkeit) miteinander, sparen die jeweiligen Nachteile jedoch aus. Bei ETFs handelt es sich um börsengehandelte Investmentfonds. Es gibt ETFs heute auf nahezu alle Indexbereiche wie nationale oder regionale Aktienindizes, Renten-, Sektor-, Strategie- und Rohstoffindizes sowie Immobilienindizes. Die grundsätzliche Funktionsweise von ETFs ist dabei immer die gleiche: Sie bilden ihren jeweiligen Referenzindex nahezu eins zu eins ab. Volle Abbildung oder synthetische Replikation? Wer sich für ein Investment in ETFs entscheidet, muss sich dabei aber nicht nur für eine bestimmten Anlageklasse und einen Index entscheiden, sondern auch dafür, wie der ETF den Index abbilden soll. Der Unterschied steckt hier im Detail: Im Wesentlichen wird zwischen der sogenannten vollen Replikation oder Full Replication und der synthetischen Replikation unterschieden. Bei der Full Replication führt die jeweilige Fondsgesellschaft eine Investition in alle im Index enthaltenen Wertpapiere durch und gewichtet diese entsprechend der Gewichtung im jeweiligen Index. Diese Variante kann jedoch höhere Transaktionskosten verursachen, da auf jede Veränderung des Index der Wertpapierkorb des ETFs angepasst werden muss. Zum anderen können Verluste durch den Zeitpunkt des Dividendenerhalts und deren Reinvestition entstehen. Letztlich birgt die volle Replikation die Gefahr eines vergleichsweise höheren Tracking Errors, also einer größeren Abweichung zum jeweiligen Referenzindex. In der Vergangenheit konnte sich die Full Replication nur bei sehr liquiden und nach der Marktkapitalisierung gewichteten Indizes mit leicht zugänglichen Wertpapieren beweisen. Bei breit gestreuten Indizes stößt diese Konstruktionsart jedoch leicht an ihre Grenzen. Bei Rohstoff- oder Geldmarktindizes ist sie überhaupt nicht anwendbar. Die hohen Anforderungen insbesondere institutioneller Anleger nach einer großen Auswahl an ETFs auf unterschiedlichste Referenzindizes hat mit der Zeit dazu geführt, dass die Full-Replication-Methode mehr und mehr von der synthetischen Variante abgelöst wird. Sie ist kostengünstiger und effizienter in der Abbildung des Referenzindex. Um sie zu verstehen, sollten Anleger aber die Mechanik der eingesetzten Replikationstechnik kennen. ETFs 2.0 - eine neue Art der Index-Replikation So werden für einen Swap-ETF nicht notwendigerweise die Originalwerte des zugrunde liegenden Index gekauft, sondern es wird ein Aktien- beziehungsweise Rentenkorb erworben und mit einem Total Return Swap kombiniert. Unter einem Swap versteht man eine Vereinbarung zwischen zwei Vertragsparteien, in der Zukunft Zahlungsströme auszutauschen. Bei einem Swap-ETF wird die Performance der im Fonds enthaltenen Wertpapiere, also des jeweiligen Wertpapierkorbes, gegen die Wertentwicklung des jeweiligen Referenzindex getauscht. Dabei verpflichtet sich der Swap-Kontrahent - in der Regel die Muttergesellschaft des ETF-Anbieters - die Performance des Index auf täglicher Basis bereitzustellen. Der Swap kann grundsätzlich zwei Folgen haben: Entweder schuldet der ETF dem Swap-Partner eine Zahlung in Höhe des Wertzuwachses von dessen Wertpapierportfolio, sofern dieses positiv ist. Oder der ETF hat einen Zahlungsanspruch, falls eine Wertminderung des Portfolios vorliegt. In beiden Fällen erhält der Investor die Performance des Referenzindex unabhängig von der Entwicklung des tatsächlich im ETF gehaltenen Aktienkorbes. Hierzu ein Beispiel: Via synthetischer Replikation soll ein ETF auf den Dax umgesetzt werden. Angenommen dieser Indexfonds hätte ein Volumen von einer Milliarde Euro. Dazu wird vom ETF zunächst ein entsprechender Aktienkorb bestehend aus Aktien von großen europäischen Unternehmen erworben. Die konkrete Zusammensetzung wird unter der Maßgabe möglichst geringer Kosten und Steuern sowie unter Einhaltung der UCITS-III-Anforderungen zur Risikostreuung vorgenommen. Zusätzlich enthält das Portfolio einen Total Return Swap, der eine mögliche Differenz zwischen der Wertentwicklung des Wertpapierportfolios und der Wertentwicklung der Benchmark ausgleicht. Entwickelt sich in der Folge das Portfolio der europäischen Standardaktien besser als der Dax - liegt also zum Beispiel eine Wertsteigerung des Portfolios von zehn Prozent gegenüber Kurszuwächsen von fünf Prozent des Dax vor -, ist der Wert des Fonds um 50 Millionen Euro höher, als wenn dieser in Dax-Aktien investiert hätte. Gleichzeitig hat der ETF eine Verbindlichkeit in Höhe von 50 Millionen Euro gegenüber dem Swap-Kontrahenten, sodass das Fondsvermögen unter dem Strich genau um die fünf Prozent der Dax-Performance angewachsen ist. Geringere Transaktionskosten bei Swap-ETFs Der Ausgleich zwischen den Zahlungsansprüchen aus der Swap-Vereinbarung wird nach Absprache zwischen dem ETF-Anbieter und dem Swap-Partner durchgeführt. Das Investmentgesetz sieht dabei vor, dass der Swap maximal einen Wert von zehn Prozent des Fondsvermögens erreichen darf. In der Praxis findet jedoch in der Regel bereits bei einem geringeren Swap-Wert der sogenannte Reset statt, das heißt der Total Return Swap wird aufgelöst und ein neuer Swap abgeschlossen. Für Investoren bietet die swap-basierte Konstruktion von ETFs eine Vielzahl von Vorteilen. So ist es möglich, Steueroptimierungen bei Quellensteuerabzügen von Dividendenzahlungen ausländischer Aktien vorzunehmen. Zudem können ausländische Dividenden ohne Zeitverzug in den ETF eingerechnet werden - bei voll replizierenden ETFs kann es unter Umständen einige Wochen dauern bis sich die Dividenden im ETF wiederfinden. Der Swap hat aber darüber hinaus den Vorteil, dass weniger Transaktionskosten anfallen als bei vollständig replizierenden ETFs, bei denen jede Veränderung im Referenzindex mit hohem Aufwand und Kosten verbunden ist. Mittels der synthetischen Replikationsmethode ist es zudem überhaupt erst möglich geworden, exotische Märkte wie Indien oder spezielle Strategie-Indizes abzubilden. Auch Indizes, die eine hohe Zahl an Werten enthalten, sind effektiv nur über Swaps nachzubilden - zum Beispiel der breit gefasste japanische Topix mit mehr als 1500 Einzelwerten. Ein Swap kann seine Funktion der synthetischen Indexnachbildung jedoch nur dann erfüllen, wenn der Swap-Kontrahent seiner Verpflichtung aus dem Swap-Vertrag nachkommt. Dieses sogenannte Kontrahentenrisiko betrifft jedoch immer nur einen kleinen Teil des Fondsvermögens; per Gesetz ist es auf maximal zehn Prozent begrenzt. Dieses Risiko gehen Anleger bei der synthetischen Replikation ein. Allerdings sollten Anleger bedenken, dass Aktieninvestitionen ohnehin mit Risiken verbunden sind. Das gilt für Swap-ETFs genauso wie für herkömmliche Aktienfonds oder für ETFs, die volle Replikation betreiben. Denn selbst wenn nicht der Swap-Partner, aber ein anderes Unternehmen im Referenzindex ausfällt, können schnell zehn Prozent des angelegten Vermögens verloren gehen. Insofern stellt der Ausfall einzelner Unternehmen in jedem Fall eine Gefahr bei einem Engagement an der Börse - nicht nur bei ETFs mit Swap-Replikation. Aktives Management mit passiven ETFs Wichtiger als die Frage nach der Replikations- oder Nachbildungsmethode sind die unbestreitbaren Vorteile von ETFs: Der Einsatz von ETFs bietet Investoren grundsätzlich die Möglichkeit, ihren Anlageschwerpunkt flexibel und schnell zu wählen und mit nur einer einzigen Transaktion auf einen breit gestreuten Index zu setzen. Dabei profitieren sie von den geringen Gebühren der ETFs und der flexiblen Handelbarkeit: Kauf und Verkauf sind während der üblichen Börsenhandelszeiten jederzeit möglich. ETFs eröffnen dem Anleger aber noch eine weitere, grundsätzliche Erweiterung seiner Möglichkeiten: Aktives Management mit passiven ETFs. Der Vorteil liegt auch hier auf der Hand: Der Anlagemanager kann sich auf seine eigenen Stärken konzentrieren. Dadurch, dass der Investor sich auf seine Kernexpertise stützt, schafft er einen Mehrwert für seine Kunden, sei es durch sehr aktive Anlageentscheidungen oder durch eine effizientere Ausnutzung gegebener Risikobudgets. Doch zurück zur Eingangsfrage mit einer eindeutigen Antwort: Wer bei ETFs Wert darauf legt - sei es aus regulatorischen, steuerlichen oder, nicht zu unterschätzen, auch emotionalen Gründen - bei seiner Investition genau die Indexbestandteile seines Index im ETF-Portfolio zu haben, der sollte vollständig replizierende ETFs wählen. Wer aber in erster Linie das Ziel verfolgt, "seinen" Index so exakt wie möglich nachgebildet zu bekommen, für den bieten sich Swap-basierte ETFs an.

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