Aufsätze

VR-Process Quality: Spielraum im Neugeschäft durch Effizienzgewinne im Prozessmanagement

Über alle Wertschöpfungsbereiche hinweg ist das Bankgeschäft durch zahlreiche komplexe Abläufe geprägt. Die intensive Regulierung der Finanzbranche trägt ihren Teil dazu bei. Banken und Finanzdienstleister sind zudem einem immer stärkeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Im Rahmen der Konsolidierung nach der Finanzmarktkrise ist es für alle Banken erforderlich, ihre geschäftspolitische Positionierung zu stärken und die Ergebnisentwicklung zu steigern. Vor dieser Herausforderungen stehen auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Qualität dem Kunden gegenüber, aber auch die Qualität interner Abläufe spielen eine immer wichtigere Rolle.

Konsequente Prozessoptimierung

Um unter dem aktuellen Wettbewerbsdruck bestehen zu können, müssen Retail-Banken insbesondere gegenüber den Direktbanken ihre Vorteile erkennen, um diese gezielt nutzen zu können. Den zunehmenden Vertrauensbeweis, den die Volksbanken und Raiffeisenbanken von den Bürgern im Zuge der Finanzmarktkrise erhalten haben - was sich in einem Anstieg der Marktanteile im Einlagen- wie im Kreditgeschäft bemerkbar macht - gilt es auch in Zukunft zu sichern. Der Qualitätsaspekt ist daher natürlich in der Beratung, aber eben auch in robusten und schlanken Prozessen für Genossenschaftsbanken von hoher Bedeutung.

Eine konsequente Prozessoptimierung in der Bank trägt zu einer stärkeren Aufstellung des Instituts im Wettbewerb bei, denn effiziente Prozesse erzeugen mehr Spielraum in der Kundenberatung und damit in der Generierung von Neugeschäft. Sie wirken sich also letztlich in einer Intensivierung des Vertriebs und damit in höheren Erträgen aus. Der BVR hat im Auftrag der genossenschaftlichen Bankengruppe hierzu das Projekt VR-Process realisiert und als weiteren Schritt um das Qualitätsmanagementsystem VR-Process Quality ergänzt, das die einmal geschaffenen leistungsfähigen Geschäftsprozesse in der Genossenschaftsbank langfristig hält und kontinuierlich verbessert.

Effiziente Verfahren

Das grundlegende Projekt VR-Process stellt seit Januar 2008 den Volksbanken und Raiffeisenbanken ein Umsetzungspaket zur Verfügung, wie sie ihre bankeigenen Prozesse verschlanken und optimieren können, mit dem Ziel, ihre Wettbewerbsfähigkeit vor Ort auszubauen und ihre Eigenproduktion zu stärken. Hierzu wurden kostenintensive Geschäftsprozesse identifiziert und ganzheitlich verbessert. Zehn Geschäftsprozesse aus dem Aktiv- und Passivbereich wurden bei 18 pilotierenden Ortsbanken im Zuge der Entwicklung von VR-Process unter die Lupe genommen, wobei die Ausrichtung an den Anforderungen des Marktes und der Kunden maßgeblich war. Daraus wurden Best-Practice-Lösungen ermittelt und noch weiter verfeinert, die nun als Soll-Prozesse auf alle Volksbanken und Raiffeisenbanken übertragbar sind.

Die ermittelten Einsparpotenziale sind immens: Im Rahmen des Projektes VR-Process wurden im Aktivbereich, der Prozesse vom privaten Anschaffungsdarlehen über das gewerbliche Darlehen bis hin zur privaten Überziehungsmöglichkeit beinhaltet, ein durchschnittliches Senkungspotenzial von 62 Prozent in den Bearbeitungszeiten identifiziert. Im Passivbereich, der Geschäftsprozesse wie zur Spareinlage, dem Bausparvertrag oder dem Zahlungsverkehr umfasste, zeigte sich ein durchschnittliches Senkungspotenzial von 34 Prozent in den Bearbeitungszeiten (Abbildung 1).

Das Erreichte halten

Aber mit der einmaligen Einführung von neuen Geschäftsprozessen in der Bank ist es allein nicht getan. "Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück." Dieses Sprichwort bringt eine weitere Herausforderung, nach erfolgter Prozessoptimierung in der Bank, auf den Punkt. Die erzielten Verbesserungen und Potenziale müssen nachhaltig und langfristig im Unternehmen gesichert bleiben. Erfahrungen haben gezeigt, dass Mitarbeiter im Zeitverlauf häufig in alte Verhaltensmuster und gewohnte Arbeitsabläufe zurückverfallen. Damit wäre der Erhalt der erreichten Fortschritte gefährdet. Durch ein praxisorientiertes und kurzfristig umsetzbares Qualitätsmanagementsystem kann dies vermieden werden. Kostensenkungen werden so langfristig gesichert. Somit hat der BVR gemeinsam mit fünf Pilotbanken, der Fiducia IT und der GAD sowie den genossenschaftlichen Verbänden für den Verbund als weiteren Schritt das Projekt VR-Process Quality realisiert.

Das Qualitätscontrollingsystem VR-Process Quality ermöglicht es den Mitgliedsbanken, ihre erschlossenen Kostensenkungspotenziale und eine kontinuierliche Prozessverbesserung langfristig sicherzustellen. Im Projekt VR-Process Quality wurde ein Qualitätsmanagementsystem erarbeitet, das die Leitlinien und Optimierungsansätze von VR-Process in den Banken verankert. Die Entwicklung des Qualitätsmanagementsystems basiert neben State-of-the-Art-Lösungen auf den Erkenntnissen, die sich bei der Umsetzung der zehn Referenzprozesse in den Volksbanken und Raiffeisenbanken ergeben haben. Insofern sind Prozessreorganisation mit Best-Practice-Prozessen und die Implementierung eines Qualitätsmanagementsystems integrale Bestandteile zur Verbesserung der Kundenorientierung und der Kostenposition der Banken.

Drei Gestaltungsfelder

Das erarbeitete Konzept zum Qualitätsmanagementsystem umfasst drei zentrale Gestaltungsfelder. Hierzu zählen ein QC-Messsystem, die QC-Organisation und QC-Steuerungsinstrumente (Abbildung 2) Im QC-Messsystem wird die Transparenz über die Prozessperformance geschaffen und hieraus notwendiger Handlungsbedarf abgeleitet. Um Handlungsbedarf in Maßnahmen umzusetzen und eine nachhaltige Verbesserung der Qualität in den Geschäftsprozessen zu erzielen, ist die Institutionalisierung des Qualitätsgedankens in der Organisation erforderlich. Dies ist der Inhalt des Gestaltungsfelds QC-Organisation. Neben der Beobachtung der Qualitätsentwicklung ist es besonders bedeutsam, Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Die QC-Steuerungsinstrumente beinhalten unterstützende State-of-the-Art-Instrumente und Methoden zur bankweiten Verbesserung des Qualitätsgedankens und der Qualitätsorientierung.

QC-Messsystem: Kennzahlen für Referenzprozesse

Im Gestaltungsfeld QC-Messsystem wurde ein Kennzahlen- und Messsystem für die zehn VR-Process-Referenzprozesse erarbeitet. Der Fokus lag hier auf einer pragmatischen und IT-gestützten Erhebung der Kennzahlenwerte, um die Anwenderfreundlichkeit sicherzustellen. Jeder Referenzprozess erhielt festgelegte Kennzahlen zu Mengen, Prozesszeiten und Fehlerhäufigkeiten. Im Ergebnis liegt ein Kennzahlenkatalog mit Größen zur Messung der Prozessperformance und ein Prototyp für ein IT-Tool zur Kennzahlenaufbereitung, dem "VR-Kennzahlen-Analyse-Tool", vor. Durch die Erhebung und Auswertung der definierten Kennzahlen kann eine Leistungsmessung der Prozesse in der Volksbank Raiffeisenbank durchgeführt werden.

Insbesondere die Beurteilung und Entwicklung der Fehlerquoten und der Prozesszeiten bilden die Grundlage für die langfristige Erschließung der Kostensenkungspotenziale und eine gesteigerte Kundenorientierung. Das "VR-Kennzahlen-Analyse-Tool" ermöglicht es, die Kennzahlen je Monat und im Zeitverlauf auszuwerten. Trends können erkannt und die Wirksamkeit von durchgeführten Qualitätsmaßnahmen ermittelt werden. Differenziert nach Empfängerkreis werden einzelne Berichte je Prozess generiert, die in das aktuelle Berichtswesen eingebunden werden können.

QC-Organisation: Verankerung von Prozessbewusstsein

Maßnahmen zur Verankerung des Qualitätsmanagements in die Bankorganisation sind Inhalt des zweiten Gestaltungsfeldes QC-Organisation. Die auf bewährten Konzepten der Industrie basierenden Maßnahmen wurden in den fünf Pilotbanken exemplarisch umgesetzt. Die definierten Methoden wurden bankindividuell ausgestaltet, wobei - und dies ist ein wesentlicher und akzeptanzfördernder Erfolgsfaktor - Mitarbeiter aus der Organisation und Entscheidungsträger aus dem Management einbezogen wurden. Das Gestaltungsfeld QC-Organisation beinhaltet die verschiedenen Bausteine: Prozessverantwortliche, QC-Zirkel, Qualitätsstunde, Qualitätsberichte und QC-Sitzungen.

Das Konzept des Prozessverantwortlichen verbindet die Linienverantwortung mit einer bereichsübergreifenden Prozessorientierung. Der Prozessverantwortliche ist ein nicht zu vernachlässigender Erfolgstreiber sowohl bei der Identifikation als auch bei der Umsetzung von Qualitätsmaßnahmen in der Bankorganisation. Daher ist es besonders relevant, einen fachlich erfahrenen Mitarbeiter, der eine hohe Akzeptanz unter seinen Kollegen genießt, auszuwählen. Der Prozessverantwortliche bietet Unterstützung und Beratung bei Veränderungen und Ausgestaltung von Prozessabläufen und ist für neue Ideen und Prozessverbesserungen aufgeschlossen. Wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Einführung sind die Einbindung des Prozessverantwortlichen in die bestehende Organisationsstruktur und die eindeutige Abgrenzung seiner Kompetenzen sowie die eindeutige Definition und Abgrenzung des Aufgabengebiets eines Prozessverantwortlichen.

Der Qualitätszirkel (QC-Zirkel) ist ein funktionsübergreifender Arbeitskreis, der in regelmäßigen Zeiträumen zusammenkommt. Qualitätsentwicklungen stehen unter Beobachtung, Einzelmaßnahmen und Projekte werden beauftragt, und es werden Präventionsmaßnahmen zur Qualitätsverbesserung initiiert. Die Durchführung von Prozesszirkeln sollte in einem Kernteam von vier bis sechs Mitarbeitern erfolgen. Ein erfolgreicher Einsatz eines Prozesszirkels erfordert dessen fachübergreifende Zusammensetzung. Die Durchführung von QC-Zirkeln in den Pilotbanken hat gezeigt, dass es für den Erfolg des Instruments notwendig ist, sicherzustellen, auf eine Unterstützung durch Vorstand, Filialen und Organisationsbereich bei der Lösung von Qualitätsproblemen zurückgreifen zu können.

Eine wesentliche Herausforderung ist die institutsorientierte, aber auch handlungsorientierte Vergabe von Kompetenzen. Dem Prozesszirkel sollte Gestaltungsfreiheit bei der Erarbeitung von Lösungsoptionen zu den zu bearbeitenden Qualitätsthemen sowie die Kompetenz eingeräumt werden, die identifizierten Einzelmaßnahmen zu Qualitätsproblemen im Institut umzusetzen.

Die Qualitätsstunde - eine regelmäßige Sitzung mit fest definiertem Ablauf - stellt ein Instrument dar, um schnell bearbeitbare Qualitätsprobleme zu lösen und Verbesserungsansätze kurzfristig zu erarbeiten. Auch dieses Instrument erfordert eine fachübergreifende Zusammensetzung der Mitarbeiter. Die betroffenen Fachbereiche und Mitarbeiter werden bei der Problemanalyse und -lösung einbezogen. Wesentliche Erfolgsfaktoren, die im Rahmen der Pilotierung identifiziert wurden, sind neben dem standardisierten Ablauf unter anderem die Anwendung von Maßnahmenplänen und die regelmäßige Prüfung der erreichten Ergebnisse.

Qualitätsberichte wenden sich an den Adressaten und selektieren zunächst verschiedene Kennzahlen. Abhängig von der Ausprägung der jeweiligen Kennzahl und dem gewünschten Soll-Wert erfolgt die Ableitung des konkreten Handlungsbedarfs. Durch das "VR-Kennzahlen-Analy-se-Tool" können abhängig von der Ebene verschiedene Berichte erzeugt werden. Qualitätsberichte sind in die bereits bestehende allgemeine Berichtssystematik der Institute integrierbar.

Um die nachhaltige Verbesserung der Prozessqualität zu beschleunigen, ist eine Erweiterung der Managementsitzungen um QC-Themen mit dem Baustein QC-Sitzungen zentraler Erfolgsfaktor. Dabei ist es sinnvoll, das Thema Qualität in bereits bestehende Sitzungen detailliert zu verankern. Die gezielte Einbindung des Themas Qualität in die Managementsitzungen betont die Bedeutung einer hohen Prozessqualität in der Bank und fördert die Verbreitung des ganzheitlichen Qualitätsgedankens in der Organisation.

QC-Steuerungsinstrumente: Anreize setzen

Inhalt des dritten Gestaltungsfeldes QC-Steuerungsinstrumente ist, einen Methodenbaukasten zur nachhaltigen Verankerung der Qualität in der Bankorganisation bereitzustellen. Die pragmatische Implementierung von Qualität in der Organisation auf Basis verschiedener Anreizprogramme ist das Ziel. Auch hier wurden industrie- und branchenweit bewährte Instrumente auf die Volksbanken und Raiffeisenbanken übertragen und bei den fünf Pilotbanken exemplarisch umgesetzt. Die QC-Steuerungsinstrumente setzen sich aus den Bausteinen Visualisierung, Ranking und Anreizprogramme zusammen.

Im Rahmen der Visualisierung geht es um die Darstellung von Qualitätsdaten. Es erfolgt eine gezielte interne Kommunikation. Ein (Filial-)Ranking stellt ausgewählte Per-formance-Indikatoren von Geschäftsprozessen zwischen einzelnen Bankbereichen dar und erfolgt regelmäßig. Das Qualitätsranking schafft durch seine Transparenz Anreize und eine selbst getriebene Motivation der Mitarbeiter im Institut, die Performance der Geschäftsprozesse im eigenen Bereich zu steigern. Das organisatorische Lernen und die kontinuierliche Entwicklung der Organisation durch ein stärkeres institutsweises Qualitätsbewusstsein sind wesentliche Zielsetzungen.

Anreizprogramme sind ein weiteres bewährtes Instrument. Sie fokussieren auf einzelne Qualitätsaspekte und sind zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dieses Instrument folgt dem Prinzip der Motivation durch Belohnung und Kommunikation des Erfolges. Ein Beispiel ist ein bankinterner Wettbewerb zur Ermittlung der qualitätsbewusstesten Filiale. Die Ermittlung der qualitätsbewusstesten Filiale hat sich bei einer Pilotbank als besonders erfolgreich erwiesen. Ziel ist das bankweite Erzeugen von Aufmerksamkeit bezogen auf Prozessqualität und das Schaffen von positiven Anreizen durch die Vergabe von Preisen an die drei qualitätsbewusstesten Filialen. Um ein solches Programm umzusetzen, ist eine bankindividuelle Konzeption erforderlich.

Lernende Organisation fördern

Die Entwicklung und die Erfahrungen mit VR-Process Quality zeigen: Ein Qualitätsmanagementsystem ist ein notwendiges und wirksames Element zur langfristigen und nachhaltigen Verbesserung der Kundenorientierung und Kostenposition. Dabei ist die ganzheitliche Betrachtung des entwickelten Konzepts unerlässlich. Neben der Messung der Prozessperformance müssen auch Maßnahmen abgeleitet werden, um Fehler zu reduzieren und die Leistungsfähigkeit der Prozesse zu steigern.

Das Thema Geschäftsprozessqualität wird durch die QC-Steuerungsinstrumente innerhalb von VR-Process Quality nachhaltig verankert. Über eine automatische Erhebung von Qualitätskennzahlen werden Service Level Agreements, Kompetenzregelungen und die Einhaltung von Managementvorgaben aufwandsgerecht überwacht. Das kontinuierliche Controlling fördert die Robustheit der Prozesse und deren Reproduzierbarkeit.

Durch die Kontrolle von Prozesszeiten und Prozessfehlern im Zeitverlauf sind frühzeitig Fehlentwicklungen erkennbar, sodass gezielte Präventionsmaßnahmen ergriffen werden können. Die Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Erfolg guter und transparenter Prozesse. Die lernende Organisation wird gefördert. Dies spüren Kunden unmittelbar in Form von kurzen Bearbeitungszeiten bei zugleich hoher Beratungsqualität. Langfristig trägt VR-Process Quality damit zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und Steigerung der Kundenbindung bei.

Uwe Fröhlich , Co-Vorsitzender des Vorstands , DZ BANK AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
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