Kreditgenossenschaften: Handlungsbedarf beim Vermögensaufbau

Mit Blick auf den weiter anhaltenden Einlagenstrom von plus 1,9 Prozent beziehungsweise rund 1,1 Milliarden Euro auf 56,4 Milliarden Euro in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres weist der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen einmal mehr auf die Auswirkungen der EZB-Zinspolitik auf die Sparer hin. Getragen wird der Zuwachs den neusten Zahlen der drei ersten Quartale nach gleichermaßen vom Wachstum der klassischen Spareinlagen und der täglich fälligen Gelder. Damit fließen auch im dritten Jahr negativer Realzinsen die Ersparnisse in unverzinsliche risikofreie Einlagen. „Es droht eine schleichende Enteignung der Sparer durch die EZB-Zinspolitik“, so kommentiert der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Ralf W. Barkey diese Bestandsaufnahme. Seine Botschaft: In Zeiten negativer Zinsen und realer Inflation gibt es keine Rendite ohne Risiko. Ausschließlich auf Sicherheit zu setzen, ist selbst zum Risiko geworden, denn Sicherheit kostet die Sparer Geld. Sicherheit müsse folglich beim Sparen und Anlegen im Niedrigzinsumfeld völlig neu bewertet werden.

In seiner Analyse des aktuellen Umfeldes verweist Barkey auf Ergebnisse einer von seinem Verband beim Meinungsforschungsinstituts YouGov in Auftrag gegebenen aktuellen Umfrage aus dem April 2019. Dass gerade die beliebtesten Sparformen, trotz einer seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau von über 10 Prozent keinen Beitrag zum Vermögensaufbau leisten dokumentiert er an den Umfrageergebnissen zum Thema Altersvorsorge: Rund 46 Prozent der Hessen rechnen demnach mit einem sinkenden Lebensstandard – fast genau der gleiche Prozentsatz würde gerne mehr zur Sicherung des Lebensstandards unternehmen. 23 Prozent der Hessen legen überhaupt kein Geld an – damit liegt das Bundesland deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 32 Prozent. Dabei ist die Altersvorsorge in Hessen mit knapp 51 Prozent Nennungen noch deutlicher als im Bund mit 48 Prozent dominierendes Sparmotiv. Nur 14 Prozent der Hessen halten Sparbücher und Tagesgeld für am besten geeignet zur Altersvorsorge (Bund: 18 Prozent), demgegenüber kommen Anlagen in Wertpapiere wie Aktienfonds in Hessen auf insgesamt 54 Prozent Nennungen (Bund: 48 Prozent) – trotzdem werden die praktisch zinslosen Einlagen in der Realität wesentlich stärker genutzt. 

Für Barkey ist dieses widersprüchliche Verhalten ein klares Zeichen für die Verunsicherung und die Ambivalenz der Anleger. Sie parken ihr Geld, obwohl sie zumindest ahnen, dass sie für den Vermögenserhalt und Aufbau  in andere Anlagearten gehen müssten. Der richtige Anlage-Mix ist der Studie zufolge aber auch vom Geschlecht abhängig. So wird Sicherheit als wichtigstes Kriterium für eine Geldanlage von 46 Prozent bei den Frauen gegenüber 38 Prozent bei den Männern genannt, umgekehrt sieht es bei Ertrag/Verzinsung aus mit 18 Prozent gegenüber 29 Prozent. Dementsprechend favorisieren Männer stärker Wertpapiere bei der Frage nach der Eignung von Anlage-Möglichkeiten für die Vorsorge. Deutlich ausgeprägt ist auch die unterschiedliche Selbsteinschätzung der Geschlechter hinsichtlich des verfügbaren Geldes im Alter: 55 Prozent der Männer glauben, dies beurteilen zu können, dagegen nur 46 Prozent der Frauen.  

Ganz uneigennützig sind all diese Hinweise natürlich nicht. Der Präsident nutzt sie für einen Hinweise auf das VR-Altersvorsorge-Cockpit, das Sparern und Anleger einen Überblick über ihre bestehenden Verträge und ihre aktuelle Versorgungssituation geben soll. Mit der Altersvorsorge-App steht es als kostenlose Anwendung für das Smartphone zur Verfügung. Der Nutzer erfährt, mit welcher Rente er rechnen kann, was er für seinen Lebensunterhalt im Alter benötigt und ob beziehungsweise in welcher Höhe eine Versorgungslücke besteht. Und natürlich darf auch der Hinweis nicht fehlen, dass direkt aus der App heraus der Kontakt mit der eigenen Genossenschaftsbank beziehungsweise dem Berater per Mail oder telefonisch gesucht und ein Beratungstermin ausgemacht werden kann. Die Infrastruktur für eine fundierte Überprüfung und gegebenenfalls eine Änderung des Anlageverhaltens breiter Bevölkerungsschichten ist also durchaus gegeben. Deren Nutzung durch die Kunden anzuregen bleibt die Kunst der Kreditwirtschaft insgesamt – nicht nur der Genossenschaftsbanken. 

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