Ein Haus mit Vorbildcharakter

Für viele langjährige Börsianer war es eine Art Kulturschock, als die ehrwürdige Deutsche Börse am 5. Februar 2000 selbst an die Börse ging. Für sie war es einfach unvorstellbar. Eine Börse hatte ein Dienstleister für den Wertpapierhandel zu sein, eine Art "kostengünstiger" Versorger mit staatlicher Fürsorge und Aufsicht. Möglicherweise sogar ordentliche Gewinne machen, das passte nicht jedem der Granden der deutschen Börsenszene in den Kram. Dass sich die Modernisierer des Finanzplatzes durchsetzen konnten, war in der Rückschau betrachtet Glück für den deutschen Kapitalmarkt. Die Deutsche Börse - auch wenn die Börsenstruktur in Deutschland gerade mit Blick auf das Geschäft mit Privatkunden und wenig liquiden Werten noch restrukturierungsbedürftig ist (siehe auch Leitartikel Seite 160) - hat viel richtig gemacht. Mittlerweile ist sie eigentlich eine ganz normale Gesellschaft, die Ergebnisse liefern muss, um die Investoren bei Laune zu halten. Und das macht sie gut.

84 Prozent internationale Aktionäre

Der Börsengang fiel in die Zeit der Entflechtung der Deutschland AG, die früheren Eigentümer gaben ihre Beteiligungen ab und reichten die Deutsche Börse in die Hände performanceorientierter Investoren. Die Börse entwickelte sich seitdem zu einem extrem professionellen Börsenbetreiber, baute ein effizientes und profitables Abwicklungsgeschäft auf und wurde zum Daten- und IT-Dienstleister, ein Segment, in dem noch weiteres Potenzial zu vermuten ist. Sie hat es nachhaltig geschafft, ihr Geschäftsmodell massiv zu erweitern und die Erlösseite zu diversifizieren. Knapp 40 Prozent der Einnahmen werden mit der Terminbörse Eurex, 34 Prozent mit dem Abwickler Clearstream, 19 Prozent mit Marktdaten und Service und 8 Prozent mit dem Kassa-Handel erzielt. Nimmt man die Kursentwicklung als Maßstab für den geschäftlichen Erfolg, war dieser überzeugend. Hier dürften die Alteigner die vergleichsweise niedrigen Preise bedauern, zu denen sie ihre Beteiligungen abgegeben haben.

Dass die Story der Deutschen Börse an der Börse gezogen hat, zeigt sich an der Aktionärsstruktur. Der Anteil deutscher Eigentümer lag im Jahre 2000, dem Jahr des Börsenganges, noch bei 100 Prozent, mittlerweile gehören 84 Prozent der Anteile internationalen institutionellen Investoren. Das ist absoluter Rekord bei den Dax-Werten. Die meisten der Aktien liegen in den Portfolios von US-Anlegern, darunter ein nettes Paket bei Blackrock.

Zunehmende Regulierung als Impulsgeber

Eigentümerstrukturen hin oder her - entscheidend ist das Ergebnis, dass die Deutsche Börse erzielt. Dominierende Treiber für die Entwicklung der Gesellschaft sind traditionell die Kapitalmärkte. Aufgrund der hohen Abhängigkeit von sehr liquiden Terminmärkten achten institutionelle Anleger sehr stark auf die Aktienmarkt- und Zinsvolatilität. Ohne Volatilität keine Handelsumsätze, so die einfache Faustformel. Aber mittlerweile ist sogar die Volatilität volatil geworden ist. Von spürbarer Bedeutung sind auch die Entwicklung der Zinsen und die Emissionstätigkeit von Anleihen und Aktien. Gerade die niedrigen Renditen bei den festverzinslichen Wertpapieren könnten 2015 - über niedrigere Umsätze an der Terminbörse Eurex - einen dämpfenden Effekt haben. Von Investoren stärkt beäugt wird die Entwicklung der Kostenseite, die auch dem Management Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Nach Schätzungen der Deutschen Bank sind nur 20 Prozent vom Handelsvolumen abhängig, der größte Teil sind fixe Kosten. Folglich schlagen sich Einnahmerückgänge schnell spürbar im Ergebnis nieder. Hier gilt es, an der nötigen Stellschraube zu drehen.

Die Analysten der Deutschen Bank rechnen für 2015 und 2016 mit einem Ergebnis je Aktie von 3,86 und 4,73 Euro, was auf Basis der 2015er-Zahlen einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 17,9 entspricht. Die Bewertung liegt damit um rund 30 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre. Eine vielleicht nicht ganz faire Bewertung, da auch die niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnisse in den schwierigen Jahren 2010 und 2011 eingehen. Auf Basis der 2016er-Schätzungen liegt das Verhältnis bei rund 14,6.

In den aktuellen Kursen dürfte ein "gutes" Ergebnis im 4. Quartal 2014 bereits eingepreist sein. Neben den Marktthemen gibt es sich verändernde Rahmenbedingungen, die für die Deutsche Börse mittelfristig positive Effekte mit sich bringen könnten. Die in Europa eingeführten diversen Verpflichtungsregeln zum Clearing von OTC-Derivaten über einen zentralen Kontrahenten dürfte neue Kunden und Erträge bringen. Chancen auf der Kundenseite bietet wohl auch der Ausbau von dem Handel nachgelagerten Diensten wie dem Collateral Management sowie die Risiko- und Liquiditätssteuerung. In diesem Geschäftsfeld gehört die Börse zu den weltweit leistungsfähigsten Dienstleistern. Dies wäre der positive Aspekt der zunehmenden Regulierung. Negative regulatorische Folgen würden Beschränkungen beim Hochfrequenzhandel und die mögliche Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit sich bringen.

Geschäftsausweitung auf den asiatischen Markt

Ein Schlüsselfaktor für 2015 dürfte auch die Entwicklung der kurzfristigen Zinsen sein. Die Börse selbst kalkuliert, dass ein Anstieg der Zinsen um 100 Basispunkte sich beim Ergebnis mit 100 Millionen Euro niederschlagen würde. Früchte trägt auch die zunehmende Geschäftsausweitung in Asien. Hier sind die Dienste von Clearstream und Eurex beliebt. Generell zeigt sich die Deutsche Börse - jüngst in einer Präsentation bei einer Unicredit Kepler Cheuvreux Konferenz in Frankfurt - optimistisch, was die strukturellen, aus Veränderungen von Marktstrukturen ergebenden Geschäftschancen angeht.

Dem neuen CEO Carsten Kengeter, der am 1. Mai dieses Jahres die Nachfolge von Reto Francioni antritt, wird ein gut geführtes Haus übergeben - ein Haus im Angriffs modus, allerdings eher mit angezogener Handbremse. Ob Kengeter wohl mit weiteren kleinen Schritten und stetigem Wachstum zufrieden ist oder ob er eine große Idee im Kopf hat? Zumindest auf europäischer Ebene gäbe es noch viel zu tun, dazu gehört vor allem wieder mehr Geschäft von wenig regulierten Plattformen wieder an die Börsen zu bringen. Des Weiteren ist die Börsenlandschaft in Europa noch weit von einer Kapitalmarktunion entfernt.

Horst Bertram

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