Beteiligungskapital - Garant für Stabilität und Wachstum im Wandel

Frank Hüther, Foto: Abacus alpha

Man braucht es nicht wiederholen: Die Herausforderungen dieser Zeit sind groß und bedürfen großer finanzieller Anstrengungen und Ressourcen. Doch nicht nur Banken sind dabei gefragt. Der Autor bricht im vorliegenden Beitrag dabei auch eine Lanze für Beteiligungskapital, sei es als Venture Capital (VC) oder im Bereich Private Equity (PE). Diese Branche sei jedoch nicht nur für die Kapitalversorgung wichtig, sondern bringt seiner Ansicht nach die Unternehmen auch durch Networking und Know-how weiter. In Relation zum BIP liegt Deutschland demnach im europäischen PE-Markt nur im Mittelfeld. Hüther verweist auf eine Studie des BVK, dass PE auch für den in Deutschland so wichtigen Mittelstand eine positive Wirkung habe. Aber auch im VC-Markt sieht er das Land vor allem im Later-Stage-Bereich im Hintertreffen. Er fordert die Politik daher auf, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, damit das Potenzial des Beteiligungskapitals voll genutzt werden kann. (Red.)

Deutschland hat gewählt und zum Redaktionsschluss befindet sich das Land mitten in den Koalitionsgesprächen. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP schicken sich an, die erste Ampelkoalition in der Geschichte der Bundesrepublik zu bilden. Nach Jahren einer großen Koalition sind Aufbruchstimmung und ein großer Gestaltungswille bei allen Beteiligten zu spüren. Die überwiegend harmonischen Sondierungsgespräche geben Anlass zur Hoffnung, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten und Anfang Dezember eine neue Regierung vereidigt werden könnte. Dies ist umso wichtiger, da drängende Zukunftsfragen auf Antworten warten.

Wirtschaftszweige vor Transformationsprozess

Nach einem beispiellosen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 im Zuge der Corona-Pandemie standen die Zeichen in der Wirtschaft zu Beginn des Jahres 2021 wieder klar auf Erholung und Wachstum. Doch Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten bremsen die Konjunktur und lassen die Unternehmer wieder skeptischer in die Zukunft blicken. Dies bildet sich auch beim ifo Geschäftsklimaindex ab, der im Oktober zum vierten Mal in Folge gefallen ist. Zwar sind die Auftragsbücher in der Industrie noch immer gut gefüllt, aber die Neubestellungen flachen ab. Das alleine lässt bereits erahnen, wie fragil der Aufschwung ist.

Neben den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie müssen Unternehmen jetzt auch die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen. Die Herausforderungen sind vielfältig: Ein sich im Zuge der Globalisierung verschärfender Wettbewerb, voranschreitende Digitalisierung, Investitionen in den Umweltschutz, eine nachhaltige Wertschöpfungskette, Sicherung der Unternehmensnachfolge sowie Fachkräftemangel und Erschließung neuer Wachstumspotenziale gilt es zu meistern. Um in diesem Umfeld erfolgreich bestehen zu können, bedarf es kluger Investitionen, Innovationskraft sowie verlässlicher und strategischer Finanzierungspartner.

Der deutsche Beteiligungsmarkt

Die große Frage, die auch die politische Diskussion bestimmt, ist: Wie kann es gelingen, den Transformationsprozess der Wirtschaft erfolgreich zu gestalten und zu finanzieren, ohne die im internationalen Vergleich soliden Staatsfinanzen zu riskieren? Beteiligungskapital kann hier ein Garant für Wachstum und Stabilität sein. Denn betroffene Branchen und Unternehmen brauchen bei der Bewältigung dieser Prozesse auch eine adäquate Ausstattung mit Eigenkapital, und ohne eine solide Finanzierung wird es schwer werden, die ambitionierten Ziele zu erreichen.

Abbildung 1: Private-Equity-Investitionen in Deutschland Quelle: BVK

Beteiligungskapital in seinen wichtigsten Ausprägungen Venture Capital, mittelständische Minderheitsbeteiligungen und Wachstumsfinanzierungen sowie Buy-Outs bildet eine wichtige Brücke zwischen den großen Kapitalsammelstellen und der Realwirtschaft. Es macht Kapital volkswirtschaftlich nutzbar und löst nicht nur auf Ebene der finanzierten Unternehmen substanzielle Wohlstandszuwächse aus. Dies zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen aus den USA oder Großbritannien, wo vor allem große öffentliche Pensionsfonds und Unternehmen, Versicherungen, aber auch Stiftungen zu den aktivsten Kapitalgebern der Branche gehören. Die beiden Volkswirtschaften zeichnen den Weg vor: Private Equity kann zur individuellen Altersvorsorge und zum Vermögenswachstum vieler Bürger beitragen.

Abbildung 2: Umsatzgröße der im Jahr 2020 finanzierten Unternehmen (Anteil in Prozent) Quelle: BVK

Instrument der Gründungs- und Mittelstandsfinanzierung

Im Jahr 2020 haben Beteiligungsgesellschaften in Deutschland insgesamt 14,8 Milliarden Euro investiert. Das ist vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ein sehr robuster Wert. Der positive Trend der vergangenen Jahre konnte fortgeschrieben werden. So konnten im Jahresverlauf mehr als 1 000 Unternehmen mit Beteiligungskapital finanziert werden. Beteiligungsgesellschaften erwiesen sich in der Krise als Stabilitäts anker und halfen vielen Portfoliounternehmen bei der Überwindung der Pandemiefolgen. Gleichzeitig erweisen sie sich durch Investitionen in zukunftsfähige Technologien als Wachstums- und Innovationstreiber für die deutsche Volkswirtschaft. Ein sehr prominentes Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit für diese Zukunftsinvestitionen ist Biontech. Ohne den Einsatz von Wagniskapital wäre diese Erfolgsgeschichte schwer möglich gewesen.

Beim Blick auf die Branchenschwerpunkte zeigt sich, dass 2020 die ITK-Branche mit einem Anteil von 39 Prozent der Investitionen mit deutlichem Abstand an der Spitze lag. Dahinter folgen fast gleichauf die Branchen Unternehmensprodukte/-dienstleistungen und Biotechnologie/Gesundheitswesen sowie Konsumgüter/-services mit einem Anteil von jeweils circa 15 Prozent.

Beteiligungskapital ist mit Blick auf die wichtigsten Zielunternehmen primär ein Instrument der Gründungs- und Mittelstandsfinanzierung. 93 Prozent der im Jahresverlauf 2020 finanzierten Unternehmen mit bekannter Beschäftigtenzahl beschäftigten weniger als 500 Mitarbeiter, 78 Prozent weniger als 100 Mitarbeiter. Zwei Drittel der Unternehmen setzten weniger als 10 Millionen Euro um und nur gut jedes Zehnte mehr als 100 Millionen Euro.

Deutschland im internationalen Vergleich

Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, Private Equity allein aus dem Blickwinkel Kapital zu betrachten und darauf zu verengen. Beteiligungsgesellschaften sind vielmehr langfristig orientierte strategische Partner. Durchschnittlich werden die Beteiligungen länger als fünf Jahre gehalten. Die Unternehmen genießen somit Planungssicherheit für ihre mittel- bis langfristige Zukunft.

Darüber hinaus besitzen Private-Equity-Gesellschaften oft ein einzigartiges Knowhow hinsichtlich der Prozesse sowie der erfolgreichen strategischen Ausrichtung eines Unternehmens. Dieses Know-how bringen sie ebenfalls ein, sie werden zu "aktiven Gesellschaftern" und schaffen dadurch einen zusätzlichen Mehrwert für das Unternehmen über die reine Kapitalzuführung hinaus. Die Anteilseigner wirken als Sparringspartner für das Management bei strategischen und operativen Themen. Sie können das Management durch ihre Industriekontakte und ein oft weltweites Netzwerk bei der Internationalisierung ihres Geschäftsbetriebs unterstützen.

Neben der Verbesserung der Liquiditätssituation hat Private Equity somit eine Netzwerk- und strategische Funktion und hilft auf vielfältiger Weise bei der Optimierung der Unternehmensprozesse. Zurecht spricht man daher vom sogenannten "Smart Money".

Abbildung 3: PE-Investitionen (2020) im Verhältnis zum BIP in Prozent in ausgewählten europäischen Ländern Quelle: BVK

Betrachtet man die absoluten Zahlen, so liegt Deutschland bei den Private-Equity-Investitionen im europäischen Vergleich in der Spitzengruppe. Großbritannien als ältester und am weitesten entwickelter Private-Equity-Markt führt traditionell die Spitzengruppe an. Frankreich belegt bei den absoluten Investitionen den zweiten Platz, gefolgt von Deutschland auf Platz drei. Dieses Bild relativiert sich allerdings, wenn man die Investitionen in Relation zur Wirtschaftskraft (BIP) setzt.

Hier erreicht Deutschland nur einen Mittelfeldplatz und fällt damit hinter den europäischen Durchschnittswert zurück. Trotz der erfreulichen Entwicklung der vergangenen Jahre zeigen die Zahlen, dass Deutschland noch über ein erhebliches ungenutztes Wachstumspotenzial verfügt. Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf, um den Unternehmen ausreichend privates Kapital zur Verfügung stellen zu können. Hier wäre es wünschenswert, wenn eine neue Regierung steuerliche und regulatorische Rahmenbedingungen weiter verbessert, damit sich die positiven Aspekte von Beteiligungskapital voll entfalten können.

Im Bereich Venture Capital, der Wagniskapitalfinanzierung von jungen innovativen Unternehmen, stellt die Einführung des Zukunftsfonds einen Meilenstein für das Ökosystem dar. Mithilfe des Auf- und Ausbaus von zehn Modulen sollen bis 2030 insgesamt 10 Milliarden Euro an staatlichen Mitteln zur Verfügung gestellt werden.

Aufbruch in eine neue Gründerzeit

Durch die verschiedenen Maßnahmen sollen nach Einschätzung der Bundesregierung bis zu 30 Milliarden Euro an frischem privatem Kapital von institutionellen Investoren, wie Versicherungen, Family Offices oder Versorgungswerken, mobilisiert werden.

Mithilfe der Maßnahmen wird vor allem die Finanzierungslücke in der Later-Stage-Phase adressiert. In dieser Phase steht den jungen Unternehmen in Deutschland im internationalen Vergleich seit Jahren zu wenig Wachstumskapital zur Verfügung, um ihr Geschäftsmodell großflächig ausrollen zu können. Eine marktkonforme Ausgestaltung der einzelnen Module ist hier entscheidend, damit im Ergebnis genügend frisches privates Kapital für die Markteilnehmer zur Verfügung steht. Ein Mangel an Vermögen, das geeignet wäre in Venture Capital zu fließen, gilt es in Europa sicherlich nicht zu beklagen. Die 1 000 größten Pensionskassen und Versorgungswerke Europas verwalteten im Jahr 2017 einen Kapitalstock von gut 7 Billionen Euro.

Mittelstand - Rückgrat der deutschen Wirtschaft

Ein weiterer wichtiger Motor für das deutsche Start-up-Ökosystem ist, ein attraktiver Standort für hochqualifizierte Talente zu sein. Ein wettbewerbsfähiges Modell zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung ist hier wichtig, um im Kampf um hochqualifizierte Nachwuchskräfte international wettbewerbsfähig zu bestehen. Hier besteht hinsichtlich der aktuellen Regularien noch Nachbesserungspotenzial.

Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland sind bei kleinen und mittleren Unternehmen tätig, die zumeist eigentümergeführt sind. Der deutsche Mittelstand genießt weltweit großes Ansehen für seine Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Das positive Wirken von Beteiligungskapital auf mittelständische Unternehmen wurde zuletzt in der Studie "Beteiligungskapital im Mittelstand - Analyse der Entwicklung beteiligungsfinanzierter Unternehmen nachgewiesen" des BVK gemeinsam mit dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn nachgewiesen. So verzeichnen mit Beteiligungskapital finanzierte mittelständische Unternehmen ein deutliches stärkeres Wachstum des Umsatzes und der Anzahl der Beschäftigten.

Folglich ist es wichtig, dass mögliche Substanzsteuern - wie beispielsweise eine Vermögensteuer - verhindert werden. Eine solche Besteuerung würde die mittelständischen Unternehmen ins Mark treffen und das Betriebskapital für notwendige Investitionen vermindern. Der gewünschte Steuereinnahmeneffekt stünde dazu in keinem gesunden Verhältnis. Darüber hinaus muss auch weiterhin die auskömmliche Förderung von Forschung und Entwicklung gewährleistet sein. Hier kommt nicht zuletzt dem stark wachsenden Bereich der Corporate Venture Capital Gesellschaften eine große Bedeutung zu. Dabei handelt es sich um spezielle Investmentgesellschaften von zumeist großen Unternehmen, die strategische Investments in Start-ups tätigen, meist in Anlehnung an das Kerngeschäft. Um hier gezielt Investitionen in junge innovative Unternehmen zu fördern, wäre die Anrechenbarkeit von Venture Capital Investitionen auf die Forschungs- und Entwicklungskosten wünschenswert.

Privates Kapital als Hilfe im Transformationsprozess

Beteiligungskapital hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland äußerst positiv entwickelt. Sowohl im Venture-Capital-Bereich als auch im Bereich der Zukunftsfinanzierung etablierter Unternehmen ist es eine akzeptierte und gesuchte Finanzierungsalternative. Mithilfe des privaten Kapitals können Innovationen, Wachstum und Wertsteigerung ermöglicht und der Transformationsprozess der Wirtschaft erfolgreich gestaltet werden. Betrachtet man jedoch die Investitionen in Relation zur Wirtschaftskraft hat Deutschland noch starkes Wachstumspotenzial. Deshalb ist es enorm wichtig, für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen zu sorgen, um Vorteile von Beteiligungskapital als Wachstumsmotor und Innovationstreiber voll ausschöpfen zu können.

Frank Hüther , Sprecher des Vorstandes, Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e. V. (BVK), Berlin

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