COVInsAG - Auswirkungen für Banken

Dr. Alexandra Schluck-Amend, Foto: CMS Deutschland

Das Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COV-InsAG) ist als Teil des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht am 27. März 2020 in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist laut den Autorinnen, die Fortführung von Unternehmen, die infolge der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind oder sogar insolvenzreif wurden, zu ermöglichen. Neben der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sieht das Gesetz demnach auch Haftungserleichterungen für Organe sowie einen Insolvenzanfechtungsschutz für bestimmte Rechtshandlungen vor. Dies soll im Wesentlichen dazu dienen, dass im Aussetzungszeitraum die Insolvenzreife beseitigt und Sanierungskonzepte erarbeitet werden können. Auch die Banken werden in diesem Zusammenhang als Kreditgeber stark gefordert werden. In dem Beitrag von Schluck-Amend/Schwarzer werden die neuen Spielregeln des COVInsAG aus Sicht der Banken erläutert. (Red.)

Der Ausbreitung des Virus folgte die politische Entscheidung das öffentliche Leben herunterzufahren. In der Folge zeigten sich rasch verheerende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Viele Unternehmen haben mit sehr starken Umsatzeinbußen zu kämpfen. Es fehlt an ausreichenden Liquiditätsreserven, um die Kosten des Stillstands abzudecken. Auch fehlt es an ausreichender Planungssicherheit für die Einschätzung des Bestehens positiver Fortbestehensprognosen.

Um einen sprunghaften Anstieg von Insolvenzverfahren zu vermeiden, setzt der Gesetzgeber nicht nur die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 30. September 2020 aus, sondern schnürt mit den weiteren Regelungen des § 2 COVInsAG zugleich ein Regelungspaket, das es den betroffenen Unternehmen ermöglichen soll, sich möglichst rasch wieder zu erholen. Damit dies gelingen kann, müssen die entstandenen und die sich abzeichnenden Löcher in den Liquiditätsplanungen der Unternehmen wieder gestopft werden.

Aus Sicht der Banken ist allerdings die Gewährung neuer Kredite an Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, nicht nur wirtschaftlich betrachtet, sondern auch aufgrund erhöhter rechtlicher Anforderungen an die Kreditgewährung ein Risikogeschäft. Aufgrund folgender Regelungen des COV InsAG soll die Gewährung neuer Kredite, die im Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 ("Aussetzungszeitraum") gewährt werden, erleichtert werden. Für die Gewährung neuer Bankkredite spielen besonders die folgenden Regelungen des COVInsAG eine Rolle:

- Keine Insolvenzanfechtungsrisiken für Rückzahlungen von im Aussetzungszeitraum gewährten Krediten, sofern die Rückzahlung bis zum 30. September 2023 erfolgt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG).

- Keine Insolvenzanfechtungsrisiken für die Bestellung von Sicherheiten, die im Aussetzungszeitraum für neue Kreditgewährungen von Nicht-Gesellschaftern bestellt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG).

- Keine Anfechtungsrisiken bei einem Austausch von Sicherheiten von bestehenden Krediten im Aussetzungszeitraum (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 c) COVInsAG).

- Kein Haftungsrisiko wegen sittenwidriger Beihilfe zur Insolvenzverschleppung nach § 826 BGB durch die Gewährung und Besicherung eines neuen Kredits im Aussetzungszeitrum aufgrund der Klarstellung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG.

- Weitergehende Privilegierung von KfW-Kre diten und staatlichen Hilfen anlässlich der Covid-19-Pandemie sieht § 2 Abs. 3 COVInsAG vor, insoweit als für diese die vorstehend genannten Privilegierungen auch dann gelten, wenn diese erst nach Ende des Aussetzungszeitraums gewährt oder besichert werden sowie unbefristet für deren Rückgewähr.

Ausnahmen von der Aussetzung in zwei Fällen

Diese Regelungen stellen zweifelsohne wesentliche Erleichterungen im Hinblick auf die rechtliche sowie auf die wirtschaftliche Risikobewertung für die Gewährung von neuen Krediten an Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten dar. Dennoch ist nach dem Gesetz nicht jede Kreditgewährung im Aussetzungszeitraum privilegiert. Das Folgende sollte aus Sicht einer Bank im Zusammenhang mit Kreditgewährungen aufgrund der Regelungen des COVInsAG beachtet werden.

Da ist zum einen die Wechselwirkung zwischen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und den Privilegierungen nach § 2 COVInsAG für Kreditgewährungen. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 2 COVInsAG greift der Anfechtungsschutz nur dann, wenn das Unternehmen (ii) die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG erfüllt oder (ii) keiner gesetzlichen Insolvenzantragspflicht unterliegt oder (iii) weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist. Der Kreditgeber muss also vor der Gewährung prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Das kreditnehmende Unternehmen muss daher dem Kreditgeber nachweisen, dass es entweder nicht insolvenzreif oder insolvenzantragspflichtig ist oder aber die Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen.

Die allermeisten Unternehmen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie einen Kredit benötigen, werden wohl zumindest überschuldet1) sein, da diese ohne Gewährung zusätzlicher Liquidität keine Fortbestehensprognose mehr haben dürfen. Dies bedeutet, dass überprüft werden muss, ob die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG vorliegen. Das Gesetz sieht in zwei Fällen Ausnahmen von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor.

Dies ist der Fall, wenn entweder (1) die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht oder (2) keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Dass kein solcher Ausnahmefall vorliegt, wird nach § 1 S. 3 COVInsAG vermutet, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war. In der Gesetzesbegründung wird zudem auch klargestellt, dass im Zweifelsfall den Insolvenzverwalter die Nachweispflicht für das Vorliegen eines Ausnahmefalls treffen soll.2)

Für die Praxis der Banken bedeutet dies, dass der Kreditnehmer nachweisen sollte, dass er nur aufgrund der Covid-19-Pandemie in Schieflage geraten ist und es begründete Aussichten auf die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit gibt. Dies stellt die Banken vor die Frage, mit welchen Unterlagen diese Voraussetzungen in der Praxis zufriedenstellend nachgewiesen werden können.

Nicht bei aussichtslosen Fällen

Nach dem Wortlaut des § 1 COVInsAG wird die Insolvenzantragspflicht nur dann nicht ausgesetzt, wenn keine Aussichten darauf bestehen, dass eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann. Der Wortlaut des Gesetzes stellt keine Anforderungen an die Qualität der Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit.3) Es wird nur gefordert, dass es überhaupt Aussichten auf eine Beseitigung gibt und diese nicht offensichtlich ausgeschlossen sind.

Zusätzlich wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass die Widerlegung der Vermutung nur infrage kommt, wenn keine Zweifel daran bestehen, dass die Covid-19-Pandemie nicht ursächlich für die Insolvenzreife war und dass die Beseitigung einer Insolvenzantragspflicht nicht gelingen konnte. 4) Bestehende Unsicherheiten und Schwierigkeiten hinsichtlich der Nachweisbarkeit der Kausalität und der Prognostizierbarkeit der weiteren Entwicklungen sollen nicht zulasten des Antragspflichtigen gehen.5) Insoweit kann auch für die Gläubiger keine höhere Nachweispflicht gelten.

Mehrere Nachweise für höhere Sicherheit

Zudem ist es sicherlich in der derzeitigen Situation auch nicht praktikabel, aufwendige Gutachten erstellen zu lassen. Die Erstellung solcher Gutachten ist relativ zeit- und kostenaufwendig. Dies dürfte der Zielsetzung des Gesetzgebers, Anreize für eine schnelle und unbürokratische Gewährung neuer Kredite zu schaffen, kaum entsprechen.

Um als Kreditgeber eine möglichst hohe Sicherheit zu erreichen, dass ein potenzieller Kreditnehmer unter die Aussetzung der Antragspflicht i.S.d. § 1 COVInsAG fällt und man als Kreditgeber von den Anfechtungsprivilegien des § 2 Abs. 2 COVInsAG profitiert, sollten die Banken folgende Nachweise einholen:

1. Ein Beleg dafür, dass der potenzielle Kreditnehmer am 31. Dezember 2019 alle seine fälligen Verbindlichkeiten begleichen konnte und mithin nicht zahlungsunfähig war.

2. Ein Nachweis des Umsatzrückgangs und dessen Beruhens auf der Covid-19-Pandemie. Der Nachweis der Kausalität der Krise sollte der jeweiligen Branche des potenziellen Kreditnehmers angepasst werden. Denkbar sind beispielsweise Gegenüberstellungen von Plan- oder Vorjahresumsätzen mit aktuellen Umsätzen. Das Vorliegen behördlicher Schließungen oder konkrete Auftragsabsagen von Kunden.

3. Die Aussicht darauf eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, könnte dem Kreditgeber gegenüber dadurch nachgewiesen werden, dass die im Zeitraum der Krise fällig werdenden Verbindlichkeiten den liquiden Mitteln unter Berücksichtigung der gewährten und in Aussicht stehenden Hilfen, gegenübergestellt werden. Hieran sollten keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da es einem späteren Insolvenzverwalter obliegt die aus 1. resultierende Vermutung zu widerlegen und keine Zweifel bestehen bleiben dürfen.

Mehr als ein plausibler Nachweis der voranstehenden Punkte kann nicht verlangt werden. Damit ist den Anforderungen des Gesetzes jedenfalls Genüge getan. Die Forderung eines Gutachtens würde allein wegen der dadurch bedingten zeitlichen Verzögerung und den entstehenden zusätzlichen Kosten dem Zweck des Gesetzes einer erleichterten und unbürokratischen Kreditgewährung zuwider laufen. Für eine Kreditgewährung, ohne die Gefahr, eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung zu begehen, ist ein Gutachten schon nach dem Wortlaut des Gesetzes obsolet (siehe hierzu nachfolgend "Kreditgewährung ist kein sittenwidriger Sanierungskredit").

Um in den Genuss der Privilegierung zu gelangen, muss allein sichergestellt sein, dass ein Insolvenzverwalter der Bank später nicht nachweisen kann, dass die Sanierung des Unternehmens nicht von vornherein aussichtlos war. Insoweit ist darzulegen, dass die nun bereitgestellte Finanzierung jedenfalls kurzfristig hilft, um dem Unternehmen die notwendige Zeit zur Sanierung zu verschaffen. Dafür dürften die üblichen Durchfinanzierungsbescheinigungen helfen.

Anfechtungsschutz für Kreditgewährung

Die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 COV-InsAG privilegiert denjenigen, der einem Unternehmen in der aktuellen Lage einen neuen Kredit gewährt.

Anfechtungsschutz für Kreditgewährungen. Hiernach ist die Rückzahlung eines neu gewährten Kredits bis zum 30. September 2023 nicht gläubigerbenachteiligend. Dies bedeutet, dass eine Anfechtung der Rückzahlung durch einen Insolvenzverwalter zu einem späteren Zeitpunkt nicht möglich ist. Nach den Regelungen der Insolvenzordnung ist eine Gläubigerbenachteiligung nämlich Grundvoraussetzung für alle Anfechtungstatbestände.6)

Mit einer Anfechtung der zurückgeführten Beträge ist in der Regel dann zu rechnen, wenn der Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass der Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Rückführung (i) bereits (drohend) zahlungsunfähig war und (ii) der Kreditgeber diesen Umstand kannte.7) Dieses Anfechtungsrisiko kann unter normalen Umständen nur dadurch ausgeräumt werden, dass nachgewiesen werden kann, dass es zum Zeitpunkt der Rückzahlung ein plausibles Sanierungskonzept gab, welches darstellt, dass alle Gläubigerforderungen fristgerecht bedient werden können.8)

Daher nehmen Banken vor der Kreditvergabe die Bonität des Kreditnehmers genau unter die Lupe. An Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden Kredite normalerweise nur nach Vorlage eines Sanierungsgutachtens sowie unter der Auflage strenger Reporting-Pflichten im Hinblick auf die Einhaltung der im Gutachten getroffenen Sanierungsmaßnahmen und Planzahlen gewährt.

Der durch das COVInsAG eingeräumte Anfechtungsschutz für die Gewährung neuer Kredite bedeutet, dass Tilgungszahlungen, die bis zum 30. September 2023 an die Banken geleistet werden, nicht in einem späteren Insolvenzverfahren anfechtbar sind, sofern die Antragspflicht im Zeitpunkt der Gewährung des Kredits ausgesetzt war. Um die Anfechtbarkeit der Tilgungszahlungen auszuschließen, bedarf es nicht mehr der Vorlage eines plausiblen Sanierungskonzepts und eines engmaschigen Reportings, sondern allein der Prüfung, ob die Antragspflicht bei Gewährung des Kredits gemäß § 1 COVInsAG ausgesetzt ist oder keine Antragspflicht vorliegt (siehe hierzu oben Wechselwirkung zwischen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und den Privilegierungen).

Zeitliche Beschränkung auf Kreditgewährungen im Aussetzungszeitraum. Die Regelung bezieht sich nur auf im Aussetzungszeitraum neu gewährte Kredite. Dies bedeutet, dass der Kredit nach dem Inkrafttreten des COVInsAG am 1. März 2020 und vor dem Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gewährt wird. Bisher ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 vorgesehen. Es besteht allerdings nach § 3 COVInsAG die Möglichkeit, dass das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung den Aussetzungszeitraum bis zum 31. März 2021 verlängert.

Zeitliche Beschränkung im Hinblick auf die Rückführung der Kredite. Die Rückzahlung muss bis zum 30. September 2023 erfolgen. Der Gesetzgeber schreibt in der Gesetzesbegründung dazu, dass auf diese Weise kurz- und mittelfristige Unterstützungsmaßnahmen geschützt werden sollen.9) Er geht offensichtlich davon aus, dass die auf der Covid-19-Pandemie beruhenden Nachteile, bis dahin wieder ausgeglichen werden können. Aus Sicht der Banken stellt sich die Frage, welche Laufzeit die Kreditverträge vorsehen sollten. Es macht diesbezüglich Sinn, die Laufzeit so zu bemessen, dass das Unternehmen die schwierige Phase des Stillstands überbrücken kann und eine tatsächliche Chance hat, sich zu erholen und die Mittel für die Rückführung aufzubringen.

Die Laufzeit sollte so bemessen sein, dass das Unternehmen eine Fortbestehensprognose hat. Wie lange dieser Zeitraum sein muss, muss im konkreten Einzelfall bestimmt werden. Wird ein zu früher Zeitpunkt gewählt, so besteht das Risiko, dass der Kreditnehmer eine Anschlussfinanzierung in Anspruch nehmen muss. Die Gewährung eines neuen Kredits würde nicht mehr unter das COVInsAG fallen. Sinnvoll erscheint es jedoch aus Sicht der Banken, im Hinblick auf die Endfälligkeit einen Zeitpunkt rechtzeitig vor dem 30. September 2023 zu bestimmen.

Sachliche Beschränkung auf neue Kredite. Sinn und Zweck der Privilegierungen von Kreditgewährungen im Aussetzungszeitraum ist, dass den Krisenunternehmen zusätzliche Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Novationen oder Prolongation sowie wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte, die etwa auf ein Hin- und Herzahlen hinauslaufen, sind nicht geeignet, um die Tatbestandsvoraussetzung einer Neugewährung zu erfüllen.10) Es muss also tatsächlich ein neuer Kredit gewährt werden.

Anfechtungsschutz für Bestellung von Sicherheiten. Für die Bestellung von Sicherheiten für die Kredite, die im Aussetzungszeitraum gewährt werden, wird ebenfalls bestimmt, dass diese nicht gläubigerbenachteiligend sind. Voraussetzung ist allerdings, dass die Sicherheit tatsächlich bis zum 30. September 2020 wirksam bestellt wird. Dies bedeutet, dass das Risiko einer Bank, einen Kredit zu gewähren auch in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Bestellung von Sicherheiten erheblich reduziert werden kann. Durch eine solch anfechtungsfest bestellte Sicherheit kann das Ausfallrisiko des Kreditgebers auch noch für die Zeit nach dem 30. September 2023 erheblich reduziert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das Unternehmen ausreichend werthaltiges Vermögen besitzt, welches als Sicherheit genutzt werden kann. Dies gilt es genau zu prüfen.

Besonderheiten für Kreditgewährungen im Rahmen von staatlichen Hilfsprogrammen. Noch weiterreichende Privilegierungen gelten für Finanzierungen, die im Rahmen der staatlichen Hilfsprogramme gewährt werden. Nach § 2 Abs. 3 COVIns-AG gelten die zeitlichen Einschränkungen für diese Finanzierungen nicht. Auch nach dem Auslaufen des Aussetzungszeitraums gelten die Privilegierungen der § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 für solche Kreditgewährungen. Der Anfechtungsschutz besteht im Rahmen solcher Kreditgewährungen auch für Rückzahlungen, die nach dem 30. September 2023 erfolgen. Ebenfalls ist eine anfechtungsfeste (auch nachträgliche) Besicherung solcher Kreditgewährungen zeitlich unbefristet möglich. Die Gesetzesbegründung weist daraufhin, dass diese weitere Privilegierung der Kreditgewährungen im Rahmen staatlicher Hilfsmaßnahmen, durch die im Rahmen der Vergabekontrolle bestehenden Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten gerechtfertigt ist.11)

Kreditgewährung kein sittenwidriger Sanierungskredit

Nicht nur zur Vermeidung potenzieller Insolvenzanfechtungsrisiken, sondern auch zur Vermeidung von Haftungsrisiken aufgrund einer sittenwidrigen Beihilfe zu einer Insolvenzverschleppung ist eine Bank angehalten, die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens vor der Kreditvergabe zu prüfen. Die Haftung besteht nach der bisherigen Rechtsprechung nur unter sehr strengen Voraussetzungen. Ein sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung liegt nämlich danach erst vor, wenn (i) die Bank nicht mehr ernsthaft auf eine Sanierungsfähigkeit des Unternehmens vertrauen kann und (ii) die Kreditgewährung dazu geeignet ist, die Insolvenzantragstellung zu verzögern.

In subjektiver Hinsicht ist zusätzlich Voraussetzung, dass der Kreditgeber den Willen hat, die eigene Position durch die Kreditgewährung zulasten der anderen Gläubiger in eigensüchtiger Weise zu verbessern.12) Eine solch eigennützige Kreditgewährung sowie dessen Besicherung birgt zudem die Gefahr, dass dies ein sittenwidriges Rechtsgeschäft darstellt und damit gemäß § 138 BGB nichtig ist.13)

Für Kreditgewährungen während dem Zeitraum, in dem die Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG ausgesetzt ist, ist nun durch § 2 Abs. 1 Nr. 3 CovInsAG klargestellt, dass weder die Kreditgewährung noch deren Besicherung einen sittenwidrigen Beitrag zur Insolvenzverschleppung darstellt. Das Gesetz ist an dieser Stelle so formuliert, dass es nicht die Möglichkeit gibt, nachzuweisen, dass die einzelne Kreditgewährung beziehungsweise -besicherung doch sittenwidrig ist. Somit ist es aus Sicht einer Bank als Kreditgeber nach diesen Regelungen nicht mehr erforderlich, sich von der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens zu überzeugen und dafür entsprechende Nachweise zu fordern, um eigenen Haftungsrisiken vorzubeugen.

Prüfung, ob Voraussetzungen Anwendung finden

Allerdings gilt auch hier, dass die Privilegierung nur dann greift, wenn das Unternehmen (i) die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG erfüllt oder (ii) keiner gesetzlichen Insolvenzantragspflicht unterliegt oder (iii) weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist. Es muss daher zumindest geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der privilegierenden Regelungen nach § 2 COVInsAG Anwendung finden.

Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass die unwiderlegliche Klarstellung im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit nicht nur für die Gewährung neuer Darlehen im Aussetzungszeitraum gelten solle, sondern auch für Novationen oder Prolongationen, die im Aussetzungszeitraum vereinbart werden.14)

Anfechtungsschutz für kongruente Rechtshandlungen

Auch kongruente Deckungshandlungen, welche im Aussetzungszeitraum der Insolvenzantragspflicht vorgenommen werden, sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG unter den Anfechtungsschutz gestellt. Dies bedeutet, dass erlangte Befriedigungen oder gewährte Sicherungen, auf die ein entsprechender Anspruch in der Art und zu der Zeit bestand, von einem Insolvenzverwalter in einem möglichen späteren Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht angefochten werden können. Das Gesetz ist so formuliert ("nicht anfechtbar"), dass alle Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung suspendiert sind.

Kein Erfordernis, sich von Bemühungen zu überzeugen

Eine Ausnahme gilt jedoch für den Fall, dass der Anfechtungsgegner in dem Zeitpunkt, indem dieser die Befriedigung oder die Sicherung erlangt hat, wusste, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet sind. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich diesbezüglich entnehmen, dass es nicht erforderlich ist, sich davon zu überzeugen, dass Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen entfaltet werden. Nur sofern der Insolvenzverwalter nachweisen kann, dass der Anfechtungsgegner positiv wusste, dass keine oder nur offensichtlich ungeeignete Sanierungs- oder Finanzierungsbemühungen unternommen werden, soll der Anfechtungsanspruch begründet sein.15)

Dies bedeutet, dass die Banken nicht angehalten sind, die Bonität aller Bestandskunden nochmal neu zu überprüfen und sich von diesen entsprechende Sanierungskonzepte vorlegen lassen müssen. Sofern diese ihren Verpflichtungen wie vereinbart weiterhin nachkommen, kann der Bank später nicht vorgehalten werden, dass diese aufgrund der allgemein bekannten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie wissen mussten, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt der Leistungserbringung bereits zahlungsunfähig war.

Anfechtungsschutz für bestimmte inkongruente Deckungshandlungen

Die gesetzliche Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG sieht des Weiteren vor, dass auch bestimmte inkongruente Deckungshandlungen für den Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht generell vor eine Insolvenzanfechtung geschützt sind, sofern keine positive Kenntnis von fehlenden oder unzureichenden Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen besteht.

So gilt der Anfechtungsschutz auch für Leistungen an Erfüllungsstatt oder erfüllungshalber, Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, Gewährung von Zahlungserleichterungen und die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist.

Bewertung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben sehr viele Unternehmen unvorhergesehen und unverschuldet in gravierende wirtschaftliche Schwierigkeiten bis hin zur Zahlungsunfähigkeit gebracht. Unter den erschwerten Bedingungen des Stillstands des öffentlichen Lebens und vieler Teile der Wirtschaft, wäre diesen Unternehmen ohne das COVInsAG nur der Gang zum Insolvenzgericht übriggeblieben. Mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 wird den Unternehmen nicht nur die notwendige Zeit verschafft, sich auf die geänderte Situation einzustellen und Sanierungskonzepte zu entwickeln.

Es wird zusätzlich ein Rahmen geschaffen, welcher gewährleisten soll, dass nach dem Ende des Shutdowns das wirtschaftliche Leben wieder unbefangen hochgefahren werden kann. Die Regelungen im Hinblick auf die Privilegierungen der Kreditgewährung und Besicherungen im Aussetzungszeitraum sind dafür besonders wichtig. Die Wiederaufnahme eines Betriebs kann nur funktionieren, wenn liquide Mittel - die während des Shutdowns aufgezerrt wurde - zur Verfügung stehen. Das COVInsAG schafft für einen Kreditgeber eine gute Grundlage für die Vergabe von Sanierungskrediten. Es wird nur die Aufgabe der Kreditgeber sein, die aussichtlosen Fälle unter den Kreditnehmern herauszufiltern. Wie dies praktisch umgesetzt werden kann, dazu trifft das COVInsAG keine Aussagen. Klar ist aber, dass ein umfassendes IDW S6 Gutachten für eine Kreditvergabe im Aussetzungszeitraum nicht mehr erforderlich ist.

Fußnoten

1) Nach § 19 InsO liegt eine Überschuldung dann vor, wenn die Bewertung der Aktiva im Liquidationsfall die Summe der bestehenden Verbindlichkeiten unterschreitet und die Fortführung des Unternehmens nicht überwiegend wahrscheinlich ist, § 19 Abs. 2 InsO. Da die Aktiva nur mit Liquidationswerten berücksichtigt werden, erfüllt der Großteil aller Unternehmen die erste Voraussetzung. Umso entscheidender ist das Merkmal der Fortbestehensprognose.

2) BT-Drucksache 19/18110, S. 22

3) Vgl. hierzu Schluck-Amend, NZI 2020, 289 (290f.)

4) BT-Drucksache 19/18110, S. 22

5) BT-Drucksache 19/18110, S. 22; hierzu ausführlicher Schluck-Amend in NZI, 2020, 289 (291)

6) Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl. 2019, § 129 InsO Rn. 159; Rogge/Leptien, in: Hamburger Kommentar, 7. Aufl. 1029, § 129 InsO Rn. 42

7) de Bra, in: Braun, 8. Aufl. 2020, § 133 InsO Rn. 20, 26; Leithaus, in: Andres/Leithaus, 4. Aufl. 2018, § 133 Rn. 5 f.

8) BGH, Urt. v. 12. Mai 2016 - IX ZR 65/14, ZInsO 2016, 1251-1256, 1253; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, 15. Aufl. 2019, § 129 InsO Rn. 131 f.;

9) BT-Drucksache 19/18110, S. 23

10) BT-Drucksache 19/18110, S. 23

11) BT-Drucksache 19/18110, S. 23

12) BGH, NJW 1970, 657

13) Huber, in: NZI, 2015, 447; BGH, NJW 1953, 1665

14) BT-Drucksache 19/18110, S. 23

15) BT-Drucksache 19/18110, S. 24

Dr. Alexandra Schluck-Amend Partnerin, CMS Deutschland, Stuttgart
Anna Schwarzer Counsel, CMS Deutschland, Stuttgart
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