Die Europäische Kapitalmarktunion - eine Chance für Verbriefungen "made in Germany"

Dr. Martin Kaiser, LL.M., und Sandra Wittinghofer, beide Partner, Baker & McKenzie, Frankfurt am Main - Die politische Grundstimmung für eine Revitalisierung des europäischen Verbriefungsmarktes wird von den Autoren als gut eingeschätzt. Gleichwohl registrieren sie in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern Regelungslücken, rechtliche Unsicherheiten und eine steuerliche Benachteiligung, die aus ihrer Sicht vergleichsweise leicht zu schließen wären. In diesem Sinne appellieren sie an den deutschen Gesetzgeber für die hiesigen Unternehmen und Banken im Hinblick auf das nationale Zivil- und Steuerrecht Bedingungen zu schaffen, die mit den Nachbarländern vergleichbar sind. Allein auf die Umsetzung der zu erwartenden Vorgaben aus Brüssel zu bauen, halten sie für eine zu defensive Ausrichtung. (Red.)

Die Europäische Kommission will mit der Kapitalmarktunion den europäischen Kapitalmarkt stärken und weist Verbriefungen zu diesem Zweck eine herausgehobene Stellung zu. Ziel des Grünbuchs Building a Capital Markets Union, das Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, ist, einen echten Binnenmarkt für den Kapitalverkehr der europäischen Mitgliedsstaaten zu schaffen. Hindernisse, die den Zugang zum Kapitalmarkt erschweren, sollen beseitigt werden. Insbesondere soll ein diversifizierteres Finanzsystem entwickelt werden, das die Bankenfinanzierung durch hochentwickelte Kapitalmärkte ergänzt.

Teil der Lösung

Nach langen Jahren, in denen Verbriefungen zu Unrecht als Teil des Problems angesehen wurden, werden sie nun zu Recht auf prominente Art und Weise als Teil der Lösung wiederentdeckt. Die Europäische Kommission weist Verbriefungen im Projekt Kapitalmarktunion eine herausgehobene Rolle zu und nennt als einen der allerersten Schritte das Ziel, Vorschläge zu erarbeiten, um hochwertige Verbriefungen zu fördern. Getreu diesem Vorsatz begann sie umgehend eine Konsultation, um Kriterien für Qualitätsverbriefungen zu entwickeln (A European Framework for Simple, Transparent and Standard Securitisations, Februar 2015).

Das (richtige) Konzept einer Qualitätskategorisierung von Verbriefungen ist nicht neu. Die Konsultation steht in engem zeitlichen Zusammenhang mit mehreren Papieren (nicht nur) europäischer Aufsichtsbehörden, die im vergangenen Jahr die Idee einheitlicher Kriterien für hochwertige Verbriefungen diskutierten.1) Dem bereits vorausgegangen waren die delegierten Rechtsakte zu LCR und Solvency II, in deren Konsultationsprozess der Ansatz bestimmter für Liquidität und Qualität stehender Kriterien, Assets und Strukturen entwickelt wurde.

Warum aber weist die EU-Kommission dem Instrument der Verbriefung eine so prominente Rolle für die Kapitalmarktunion zu? Es geht um die Entlastung von Bankbilanzen, sodass die Kreditvergabe erleichtert wird. Aber nicht nur die Kreditvergabekapazität von Banken wird damit gesteigert. Über Verbriefungsprogramme können insbesondere auch mittelständische Unternehmen ihre Handels- und Leasingforderungen verbriefen und damit ihre Finanzierung breiter aufstellen. Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Fondskassen wiederum können mit Anleihen oder Geldmarktpapieren aus Verbriefungen ihre Anlagen je nach Risikoneigung diversifizieren.

Das klare Bekenntnis der Europäischen Kommission mag erstaunen, wurden Verbriefungen doch über die letzten Jahre regelmäßig in Tagespresse und öffentlicher Meinung gebrandmarkt, die globale Finanzkrise ausgelöst zu haben. Richtig ist, dass US-Subprime-Verbriefungen von Immobiliendarlehen mit Schuldnern fragwürdiger Bonität hohe Verluste erlitten, die einer großen Zahl von Marktteilnehmern schweren Schaden zufügten und zur Liquiditätskrise führten. Ebenso richtig ist aber, dass Verbriefungen in Europa nicht annähernd so riskante "underlyings" aufwiesen wie die genannten amerikanischen und dass der überwiegende Teil europäischer Verbriefungen sich auch während der Finanzkrise als solide erwies.2) Insbesondere deutsche Verbriefungen hatten während der Finanzkrise kaum Ausfälle; Neuemissionen waren und sind regelmäßig überzeichnet.

Mehr Förderung erhöht den Nutzen für die Realwirtschaft

Der Auftrieb, den das Kapitalmarktprojekt nun verheißt, wird voraussichtlich zu einer Revitalisierung des europäischen Verbriefungsmarkts führen. Es sollte ein Anliegen der deutschen Politik sein, den deutschen Verbriefungsmarkt und den Finanzmarkt Deutschland ihrerseits zu fördern und nicht lediglich die bald zu erwartenden Kommissionsvorschläge für "Qualifying Securitisations"3) in deutsches Recht umzusetzen, denn in Verbriefungen liegt ein ganz greifbarer Nutzen für die deutsche Realwirtschaft.

Es gibt zwei elementar bedeutsame Formen von Verbriefungen, die der deutschen Realwirtschaft, dem deutschen Fiskus und dem deutschen Bürger ganz konkret nützen. Zum einen werden in Deutschland viele Autodarlehen verbrieft. Damit refinanzieren deutsche Automobilhersteller die Darlehen, welche sie über ihre Finanzierungsarme Autokäufern gewähren. Weil die Refinanzierung risikoarm ist, ist sie billig. Und weil die Autobanken sich billig refinanzieren, zahlen die Käufer deutscher Automarken niedrigere Zinsen für ihr Auto als die Käufer eines Autos ausländischer Hersteller. Daher verkaufen deutsche Hersteller mehr Autos, was Arbeitsplätze schafft und erhält, gerade auch in der Zulieferindustrie. Gleiches gilt, da wirtschaftlich ähnlich, für Auto-Leasing, sei es privat oder gewerblich. Dies war ein nicht unwesentlicher Faktor, warum Deutschland die Krise mit Kurzarbeit und Abwrackprämie (vergleichsweise) überragend gut überstanden hat.

Zum anderen verbriefen viele deutsche Mittelständler ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen unter ABCP-Conduit-Programmen. Auf diese Art erhalten mittelständische Unternehmen Zugang zur Kapitalmarktrefinanzierung. Das hat mindestens zwei Vorteile, nämlich weniger Abhängigkeit von der Hausbank und günstige Refinanzierungskonditionen. Die Unternehmensbonitäten sind typischerweise unterhalb der Investmentgrade-Qualität, das heißt BBB, angesiedelt, was einen "normalen" oder direkten Kapitalmarktzugang behindert.

Den Aufwind für Verbriefungen nutzbar machen

Die Bonität der im Rahmen von ABCP-Programmen verbrieften Portfolios hingegen ist besser als die der verkaufenden Unternehmen. Sogar beim Eintritt einer Insolvenz des Forderungsverkäufers mussten Investoren und beteiligte Banken aufgrund der funktionierenden Sicherungsmechanismen zu keinem Zeitpunkt einen Verlust hinnehmen. Dies ergab eine empirische Untersuchung der deutschen Verbriefungsplattform True Sale International (TSI) gemeinsam mit der Bayerischen Landesbank, Commerzbank, DZ Bank, Landesbank Hessen-Thüringen, Landesbank Baden-Württemberg und Unicredit Bank AG als namhafte deutsche Sponsoren4) derartiger ABCP-Transaktionen. Für den gehobenen deutschen Mittelstand spielt die Verbriefung von Forderungen, insbesondere die Verbriefung von Handels- und Leasingforderungen, eine immer größere Rolle. Die Nutzung lag im September 2014 in Deutschland insgesamt bei einem verbrieften Forderungsvolumen von etwa 12 Milliarden Euro.

5) Es sollte bewusst sein, dass sich in Deutschland durch die Dynamik der Kapitalmarktunion gerade eine große Chance bietet, die genutzt werden kann: Deutschland kann abwarten, welche Vorgaben Brüssels Mühlen für "Qualifying Securitisations" auswerfen, und sich darauf beschränken, diese lediglich umzusetzen. Oder Deutschland kann die Gelegenheit energisch am Schopfe packen und das Thema Qualitätsverbriefungen made in Germany umfassend regeln und auch global im Bereich Verbriefungen neue Maßstäbe an Qualität und Sicherheit setzen und dadurch insbesondere die deutsche Realwirtschaft fördern.

Verbriefungsstandort Deutschland - Bestandsaufnahme

Damit Verbriefungen in Deutschland vollumfänglich möglich und mit maximaler Rechtssicherheit machbar sind, ist noch viel zu tun. Verbriefungen werden in Deutschland rechtlich und steuerlich äußerst stiefmütterlich behandelt.

Steuern/Gewerbesteuer: Größtes Hindernis für Verbriefungen am Standort Deutschland ist, nicht überraschend, das Steuerrecht. Verkauft eine Leasinggesellschaft ihre Leasingforderungen an eine Zweck gesellschaft in Deutschland, so erfolgt auf der Ebene der Zweckgesellschaft eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Finanzierungsaufwendungen nach § 8 Nr. 1 Gewerbesteuergesetz. Dies bedeutet, dass die Zweckgesellschaft zusätzlich zu den Zinsen auf die von ihr emittierten Wertpapiere nochmal 25 Prozent des gezahlten Zinsbetrages ans Finanzamt bezahlen muss; gleiches gilt bei Verbriefungen von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Dies ist der Grund, warum Zweckgesellschaften nicht in Deutschland aufgesetzt werden, obwohl alles dafür spräche.

Ein positives Beispiel in Deutschland lässt aufmerken: Im Jahr 2003 wurde durch das Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmern und zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung6) der § 19 Abs. 3 der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung (GewStDVO) geändert. Dies führte dazu, dass keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung erfolgt, wenn die Zweckgesellschaften Refinanzierungen zum Zweck aufnimmt, Bankdarlehensforderungen zu verbriefen. Deshalb können Zweckgesellschaften für Darlehensverbriefungen auch in Deutschland aufgesetzt werden.

Positive Effekte am Markt

Als Folge des neuen § 19 Abs. 3 GewStDVO startete die Volkswagen Bank damals mit deutschen Zweckgesellschaften die Serie der "Driver"-Transaktionen, die den deutschen Verbriefungsmarkt geprägt haben und bis heute maßgeblich mitbestimmen. Die Leasingtransaktionen ihrer "VCL"-Serie hingegen gingen nach Luxemburg. Es wäre wünschenswert, wenn § 19 Abs. 3 GewStDVO auf Verbriefungen aller Art ausgedehnt würde.

Deutsche Verbriefungsvehikel: Wäre die Besteuerung gelöst, bliebe das gesellschaftsrechtliche Umfeld. Die Rechtssicherheit im deutschen Gesellschaftsrecht ist hoch. Die deutsche GmbH kann als Unternehmergesellschaft schnell und kosteneffizient mit einem Stammkapital von einem Euro gegründet werden. Dies bietet eine denkbar günstige Ausgangslage, um Zweckgesellschaften in Deutschland zu errichten. Aber auch diese Ausgangslage ließe sich noch verbessern: Andere europäische Länder haben schon vor Jahren besondere Gesellschaftsformen maßgeschneidert für Verbriefungen eingeführt.

Besonders erfolgreich war dabei Luxemburg, das 2004 ein Verbriefungsgesetz7) verabschiedet hat, das seitdem Maßstäbe setzt. In Luxemburg kann bei der Gründung einer Gesellschaft optiert werden, dass die Gesellschaft eine Verbriefungsgesellschaft sein soll. Dies wird in der Satzung festgelegt und führt dann automatisch dazu, dass diese Gesellschaft einem speziellen Regime unterliegt, das zu besonders hoher Rechtssicherheit führt.

Compartment-Lösung

Bei einer Verbriefungsgesellschaft sind beispielsweise Zahlung nach "Wasserfall" und "Non petition, limited recourse" per Gesetz wirksam und insolvenzfest (siehe Art. 64 Abs. 1 des Luxemburger Verbriefungsgesetzes). In Deutschland müssen diese für Verbriefungen unabdingbaren Klauseln vertraglich vereinbart werden; zwar sind sich die Rechtsberater sehr sicher, dass diese Klauseln im Krisenfall vor Gericht Bestand haben, die Luxemburger Lösung ist aber natürlich überlegen. Neben einem steuerfreundlichen Umfeld ist der allergrößte Vorteil der Luxemburger Verbriefungsgesellschaft aber, dass die Gesellschaft mehrere Compartments gründen kann. Diese haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern gelten als separierte Teilvermögen. Eine Verbriefungsgesellschaft kann einzelne Compartments unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Verbriefungen widmen; und Compartments können getrennt voneinander insolvent und liquidiert werden, ohne dass die Insolvenz eines Compartments die anderen Compartments oder die Gesellschaft an sich beeinträchtigt.

Durch die Compartment-Lösung ist es möglich, nur einmal den Aufwand für das Errichten einer Gesellschaft zu erbringen und danach zu minimalen Kosten theoretisch unendlich viele Verbriefungen mit einer Gesellschaft durchzuführen. Seit der Verabschiedung des Verbriefungsgesetzes 2004 hat Luxemburg mit über 800 Zweckgesellschaften eine dominante Position gewonnen. Vor allem deutsche Verbriefungen wählen bislang in signifikanter Anzahl Luxemburg und andere Jurisdiktionen als Vehikelstandort: So wurden bislang von 86 deutschen Transaktionen für 42 Transaktionen Verbriefungsgesellschaften in Luxemburg, den Niederlanden und in Frankreich eingesetzt.8) Zählt man noch die über Geldmarktpapiere refinanzierten Programme mit deutschen Leasing- und Handelsforderungen hinzu, steigt die Anzahl um etwa 150 Zweckgesellschaften, die alle nicht in Deutschland residieren.

Spezifische Gesetze mit klaren Regelungen

Es gibt keinen Grund, warum Deutschland dieses Geschäft ins Ausland verschenkt und warum dies so bleiben müsste - der deutsche Gesetzgeber könnte, so wie 2008 bei der Unternehmergesellschaft, im GmbH-Gesetz eine deutsche Verbriefungs-GmbH einführen und ein ähnliches Institut schaffen. Dabei könnte man die Luxemburger noch überflügeln und erlauben, was in Luxemburg (zurzeit jedenfalls noch) nicht möglich ist - beispielsweise, dass die Verbriefungs-GmbH ausschließlich durch Darlehen refinanziert werden kann (und nicht zwingend nur durch die Emission von Wertpapieren wie in Luxemburg). Auch andere Länder können Anregungen durch ihre Verbriefungsregimes bieten, so Spanien mit dem fondo de titulización de activos,9) Frankreich mit dem fonds commun de titrisation (FCT)10) und Italien mit dem "Gesetz 130" vom 30. April 1999.11)

Rechtliche Unsicherheiten - True Sale: Im Vergleich zu den oben genannten Kodifikationen gibt es in Deutschland auch sonst keine spezifischen gesetzlichen Regelungen zu Verbriefungen. Alle rechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit Verbriefungen auftreten, löst der Markt durch Anwendung des BGB, der Insolvenzordnung (InsO) und anderer allgemeiner Gesetze. Beispielsweise wird aus der Rechtsprechung des BGH zu echtem Factoring aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ein wesentlicher Baustein hergeleitet, nämlich wann ein True Sale vorliegt. Die vom Markt und den Rechtsberatern gefundenen Lösungen sind fundiert und robust. Aber es ginge noch besser.

In anderen Ländern existieren spezifische Gesetze, die klipp und klar anordnen, dass ein Forderungsverkauf im Rahmen des jeweiligen Verbriefungsregimes ein True Sale ist und der Forderungskäufer in der Insolvenz des Forderungsverkäufers Aussonderung verlangen kann. In Spanien beispielsweise wird auch mit einem Federstrich des Gesetzgebers jede Unklarheit bezüglich der Insolvenzanfechtung von Rechtshandlungen eines insolventen Originators beseitigt: Per Gesetz kann der Forderungsverkauf oder die Auskehr von Geldern nur angefochten werden, wenn Betrug vorliegt.12)

Die aktuellen EBA-Vorschläge für ein Regelwerk für "Qualifying Securitisations"13) wären in Deutschland ohne zusätzliche, mindestens klarstellende Regelungen zur Insolvenzanfechtung schwer zu erfüllen. Criterion 3 der EBA-Vorschläge sieht vor, dass der True Sale keinen strengen (severe) Anfechtungsrisiken unterliegen darf. Unter "severe clawback provisions" versteht die EBA auch Regelungen, wonach der Verkauf lediglich deswegen angefochten werden kann, weil er innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor der Verkäuferinsolvenz erfolgte oder wo eine solche Anfechtung nur verhindert werden kann, wenn der Käufer nachweisen kann, dass er die Insolvenz der Verkäufers nicht kannte.

Gleichbehandlung erwünscht

Nun stellen die deutschen Insolvenzanfechtungsregeln für entsprechende Zeiträume vor Insolvenz des Verkäufers auf Leistungskongruenz, Kenntnis des Käufers und Gläubigerbenachteiligungsabsicht ab. Unter Umständen ließen sich mit wenigen, lediglich klarstellenden Regelungen bei der zukünftigen Umsetzung der Kommissionsvorschläge (insoweit sie hier den EBA-Vorschlägen folgten) dieses Kriterium auch auf nationaler Ebene erfüllen. Aber warum es dabei belassen, wenn der deutsche Gesetzgeber bei Verbriefungen ähnliche Erleichterungen wie die Gesetzgeber der europäischen Nachbarn schaffen könnte?

Ersatzaussonderung und "Vermischungsrisiko": Ein echtes Problem und nicht nur eine Unsicherheit bereitet die sogenannte Ersatzaussonderung, deren Fehlen den beteiligten Transaktionsparteien regelmäßig beträchtliche Kopfschmerzen bereitet: Hat eine Zweckgesellschaft eine Forderung im Wege des True Sale erworben, kann sie im Fall der Insolvenz des Originators verlangen, dass die Forderung aus der Insolvenzmasse ausgesondert wird. Zahlt aber der Schuldner der Forderung, erlischt die Forderung gemäß § 362 Abs. 1 BGB (es sei denn, der Schuldner war rechtzeitig vor der Insolvenz über die Abtretung benachrichtigt worden). Statt einer Forderung bei der Zweckgesellschaft haben wir nun Geld beim Originator. Dieses Geld kann die Zweckgesellschaft anders als die Forderung nicht ohne Weiteres herausverlangen. Die Zweckgesellschaft muss nachweisen, dass die Anforderungen des § 48 InsO erfüllt sind.

Dazu gehört insbesondere, dass das ganz konkret gezahlte Geld noch auf dem Konto des Originators ist. Ist der Saldo auf dem Konto gesunken, dann nützt es auch nichts, dass zwischenzeitlich wieder (anderes Geld) auf dem Konto eingegangen ist. Die Zweckgesellschaft, die eben noch ein Aussonderungsrecht an einer Forderung hatte, steht nun mit leeren Händen da (sogenanntes Vermischungsrisiko). Helfen würde juristisch nur die rechtzeitige Schuldnerbenachrichtigung vor Insolvenz; die damit verbundenen praktischen Risiken sind nicht kalkulierbar.

Der Markt hat große Kreativität entfalten müssen, um das Vermischungsrisiko beherrschbar zu machen. Oft werden Reserven einkalkuliert; das macht die Transaktionen teurer und für den Mittelstand unerreichbarer. Aber beispielsweise auch die Verpfändung von Zahlungseingangskonten (oft ohnehin durch sogenannte negative "pledge"-Klauseln in Darlehensverträgen und Anleihebedingungen verboten), ist kein Allheilmittel, wenn die den Forderungen zugrunde liegenden Verträge Abtretungsverbote enthalten. Denn dann kann der Schulder gemäß § 354 a Abs. 1 HGB trotz voller Kenntnis von der Verbriefung mit befreiender Wirkung an den Originator zahlen.

Ergänzung erforderlich

Hier wäre es wünschenswert, wenn auch das deutsche Recht die Ersatzaussonderung von Collections bei einem True Sale unzweideutig anordnete. Der Originator hat von der Zweckgesellschaft bereits einen Kaufpreis für die Forderung bekommen und es gibt keinen legitimen Grund, warum der Originator doppelt Geld erhalten soll, während die Zweckgesellschaft und damit die Investoren der Verbriefungstransaktion ausfallen. Bezüglich des genannten § 354 a HGB wäre aus genau diesem Grund darüber hinaus die Ergänzung erforderlich, dass Abtretungsverbote grundsätzlich keine Wirkung entfalten, wenn die Abtretung im Rahmen einer Verbriefung erfolgt, ohne dass der Schuldner weiter an den Originator schuldbefreiend leisten kann.

Beenden von Dauerschuldverhältnissen: Bei Dauerschuldverhältnissen kann der Insolvenzverwalter im Fall der Insolvenz des Originators den Vertrag beenden, wenn beide Seiten ihre jeweilige Leistung noch nicht vollständig erbracht haben. Praktisch relevant wird dies beim Leasing. Hier kann der Insolvenzverwalter einer insolventen Leasinggesellschaft die Leasingverträge beenden. Dann müssen die Leasingnehmer keine Leasingraten mehr zahlen. Hat eine Zweckgesellschaft die Leasingraten gekauft, wird dieser Zahlungsfluss abgeschnitten und die Zweckgesellschaft kann die Wertpapiere nicht mehr bedienen. Hier behilft man sich mit § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO, der eine Ausnahme zu § 103 InsO gewährt.

Leider sind die Voraussetzungen des § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO schwierig und unklar. Vor allem verlangt § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO, dass die Leasinggegenstände zur Sicherheit an einen Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, übertragen werden. Neben zahlreichen juristischtechnischen Fragen ist in der Praxis nicht klar, was "Anschaffung finanzieren" genau bedeuten soll. Da es bei Verbriefungen um sehr sichere Refinanzierungen geht, legt der Markt, allen voran die Ratingagenturen, den allerstrengsten Maßstab an und ist nur mit der konservativsten Auslegung zufrieden. Diese verlangt, dass der Leasinggeber die Leasinggegenstände entweder direkt bei Anschaffung oder kurz danach fremdfinanziert und sicherungsübereignet hat. Mangels Anhaltspunkten, wie lange der Zeitraum zwischen Anschaffung und Refinanzierung sein darf, geht der Markt (konservativ) überwiegend von maximal drei bis sechs Monaten aus.

Geboren aus reiner Rechtsunsicherheit

Dieser konservative Ansatz, geboren aus reiner Rechtsunsicherheit, hat schon so manche Transaktion verhindert und so manches Leasingportfolio auf unrentable Größe zusammenschrumpfen lassen. Dass dennoch zahlreiche großvolumige Leasingverbriefungstransaktionen durch deutsche Leasinggesellschaften und Autobanken durchgeführt werden, liegt daran, dass die großen Marktteilnehmer gelernt haben, sich auf § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO einzurichten und de facto die Einsteuerung von Leasingfahrzeugen in ihre Flotten um § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO herum organisieren. Die Reibungsverluste allerorten sind nicht zu beschreiben.

So wie in den §§ 104 ff. InsO verschiedene Ausnahmen zu § 103 vorgesehen sind, könnte problemlos eine Regelung in die InsO aufgenommen werden, wonach bei Verbriefungen Dauerschuldverhältnisse nicht gekündigt werden können und weiterlaufen. Auch hier gilt: Der Originator hat den Kaufpreis im Wege des True Sale erhalten. Die Zweckgesellschaft hat den Kaufpreis bezahlt und übernimmt das Bonitätsrisiko der Leasingnehmer. Es ist nur fair, der Zweckgesellschaft den Zahlungsstrom zu erhalten. Hat der Insolvenzverwalter des Originators kein Interesse an der Fortführung der Verträge, so kann die Fortführung an einen Ersatzservicer übertragen werden. Das sehen die allermeisten Verbriefungstransaktionen ohnehin vor.

Eine umfassende Ausnahme von § 103 InsO bei Verbriefungen würde darüber hinaus nicht nur Leasingforderungen helfen, sondern die Verbriefung anderer Forderungsklassen überhaupt erst möglich machen, zum Beispiel Zahlungen aus Lizenzverträgen. Hier wurde schon 2007 und dann wieder 2012 die Einführung eines § 108a InsO diskutiert, jedes Mal aber wieder aufgegeben.14) In der Realwirtschaft stellen Lizenzzahlungen einen gigantischen Markt, man denke nur an Lizenzen für die Nutzung von Patenten aus dem Bereich der mobilen Endgeräte oder der Automobilindustrie.

Sicherheiten - Datenschutz und AGB-Recht

Sicherheiten: Zusammen mit den Forderungen überträgt der Originator auch Sicherheiten, die er gegen den Schuldner oder Dritte hat. Bei der Übertragung von Sicherheiten ist die Rechtslage in Deutschland sehr unterschiedlich. Manche Sicherheiten gehen akzessorisch über (so vor allem die Bürgschaft), andere müssen ausdrücklich mit übertragen werden. Bei einigen sind die rechtlichen Anforderungen für die Mitübertragung komplex (zum Beispiel Übertragung von Besitzverhältnissen beim Sicherungseigentum), bei wieder anderen de facto nicht einzuhalten, zum Beispiel bei Grundpfandrechten.

Für letztere hat der Gesetzgeber 2005 in den §§ 22a ff. Kreditwesengesetz erfolgreich das Refinanzierungsregister eingeführt. Zwar können auch andere Sicherheiten in ein solches Register eingetragen werden, für Mittelstandsverbriefungen ist es aber nicht geeignet. Auch hier lohnt der Blick ins Ausland. In anderen Ländern ist es üblich, dass bei Verbriefungen Sicherheiten, die die übertragenen Forderungen betreffen, ohne Weiteres mit übergehen. Eine solche Regelung wäre in Deutschland äußerst wünschenswert.

Datenschutz: Das deutsche Datenschutzrecht erlaubt nicht ohne Weiteres, dass persönliche Daten erhoben, verarbeitet und weitergegeben werden - völlig zu Recht. Tritt aber ein Unternehmen seine Forderungen ab, muss der Erwerber der Forderungen zwangsläufig wissen, wie seine Schuldner heißen, wo sie wohnen und wie viel Geld sie aus welchem Vertrag schulden. Dieses Dilemma löste vor Jahren das BaKred-Schreiben 4/9715) und führte den Datentreuhänder als "neutrale Stelle" ein, welche die Daten verwaltet. Diese neutrale Stelle wird Partei der Verbriefungstransaktion und muss bezahlt werden. Diese weitere Komplexität und zusätzliche Kosten können vermieden werden, wenn bei Verbriefungen einfach das gleiche gälte wie beim Pfandbrief. Nach § 5 Abs. 1 b Pfandbriefgesetz ist die Übermittlung von Daten im Rahmen einer Pfandbrieftransaktion per Gesetz zulässig - Punkt.

AGB-Recht: In Deutschland ist das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) besonders scharf. Ursprünglich sollte das AGB-Recht Verbraucher davor schützen, dass ein Unternehmen durch das "Kleingedruckte" klammheimlich unfaire Vertragsbedingungen in einen Vertrag hineinmogelt. §§ 305 ff. BGB werden aber von den deutschen Gerichten so üppig ausgelegt, dass jede Verbriefungstransaktion in den Schutzbereich des AGB-Rechts fallen kann, auch wenn auf allen Seiten Fachleute handeln und es um Milliardenbeträge geht. Das Landgericht Frankfurt hat in anderem Zusammenhang einmal zutreffend bemerkt, dass dies "realitätsfremd" sei;16) mit dieser Position ist das LG Frankfurt aber, soweit ersichtlich, allein geblieben. Ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit für deutsche Verbriefungen wäre genommen, wenn der Gesetzgeber einen Weg fände, die AGB-Kontrolle bei Verbriefungen auszuschließen.

Offensiver Antritt

Die Liste der hier aufgezeigten rechtlichen und steuerlichen Probleme, die Verbriefungen in Deutschland im Unterschied zu anderen Ländern überwinden müssen, ist bei Weitem nicht abschließend. Kein einziges der oben beschriebenen Probleme ist unüberwindbar, aber in der Summe werden Transaktionen in Deutschland unnötigerweise aufwendiger und teurer als in den europäischen Nachbarländern. Wäre es so, dass dem Mehraufwand auch ein Nutzen gegenüberstünde, dann wäre dies diskutabel, denn Qualität hat nun mal ihren Preis. Der Mehraufwand ist aber nicht höheren Standards geschuldet, sondern Regelungslücken, rechtlichen Unsicherheiten und steuerlicher Benachteiligung.

Betrachtet man Verbriefungen nun im Rahmen der Kapitalmarktunion, so sollte der deutsche Gesetzgeber den deutschen Unternehmen und Banken Waffengleichheit im Hinblick auf nationales Zivil- und Steuerrecht mit den Nachbarländern schaffen, um auf Augenhöhe mit französischen FCTs, spanischen "fondos" und nicht zuletzt Luxemburger Verbriefungsgesellschaften zu kommen. Für alle geforderten Änderungen gibt es Beispiele aus anderen europäischen Ländern und teilweise sogar aus dem deutschen Recht, sodass erprobte Methoden zur Verfügung stehen. Dabei kann vergleichsweise spätes Handeln auch vorteilhaft sein, denn es bietet sich die Chance, aus den Erfahrungen anderer Länder zu lernen und insbesondere Überregulierung und ein zu starres Korsett zu vermeiden.

Ein deutsches Verbriefungsregime, das Transaktionen am Finanzstandort Deutschland ermöglichte, würde im Übrigen Transaktionsstrukturen vereinfachen und standardisieren und damit die Einhaltung der Kommissionsvorschläge zu "Qualifying Securitisations" befördern - ganz im Sinne der Kaitalmarktunion.

Fußnoten

1) F1 Diskussionspapier der Bank of England/European Central Bank: "The case for a better functioning securitization market in the European Union" (Mai 2014), EBAs Diskussionspapier: "Simple, Standard and Transparent Securitisations" (Oktober 2014), Konsultationspapier des BCBS/IOSCO "Criteria for Identifying Simple, Transparent and Comparable Securitisations" (Dezember 2014).

2) So sind beispielsweise bis Ende 2013 in Europa nur 0,4 Prozent der von Standard & Poor's bewerteten KMU-Verbriefungen ausgefallen, die vor der Finanzkrise (das heißt vor Mitte 2007) platziert wurden.

3) Mit EBAs Report on Qualifying Securitisation (Juli 2015) und Opinion haben die Aufsichtsbehörden das label einer "high quality" Verbriefung fallen gelassen und verfolgen nun das Konzept einer "qualifying securitisation", um eine automatische Einordnung in "high-quality" und entsprechend "lowquality" zu verhindern. Sogenannte qualifizierende Verbriefungen sollen vielmehr solche Verbriefungen sein, die einen bestimmten Kriterienkatalog erfüllen.

4) Insgesamt gibt es sieben deutsche Sponsoren von ABCP Conduits: Commerzbank Aktiengesellschaft mit Silver Tower, Landesbank Baden-Württemberg mit Weinberg Capital, Unicredit Bank AG mit Arabella, Landesbank Hessen-Thüringen mit Opusalpha Funding, Bayerische Landesbank mit Corelux, DZ Bank AG mit Coral und Deutsche Bank AG mit Rhein-Main Securitisation.

5) Alle Daten aus: "Verbriefung von realwirtschaftlichen Forderungen gewinnt weiter an Bedeutung - Volumenentwicklung und Performance überzeugen"; Untersuchung der TSI von September 2014, www.true-sale.international.com.

6) Kleinunternehmerförderungsgesetz vom 31. Juli 2003, BGBl. I S. 1550ff.

7) Gesetz vom 22. März 2004, in der jeweils geltenden, geänderten Fassung.

8) Quelle: TSI.

9) Ursprünglich Real Decreto 926/1998, stark reformiert durch das Gesetz Ley 5/2015 vom 27. April 2015. Spanien hat das bestehende Regime unlängst nochmal massiv liberalisiert und beispielsweise die Idee der Compartments von Luxemburg übernommen und die Möglichkeit eingeführt, synthetische Transaktionen durchzuführen. Auch kann das Portfolio aktiv gemanagt werden. Es zeichnet sich ab, dass Spanien damit die Weichen gestellt hat, damit Bank CLOs und pfandbriefartige Transaktionen leicht und flexibel durchgeführt werden können.

10) Im Wesentlichen geregelt in den Artikeln L. 214-168 bis 214-186 des Code monétaire et financier.

11) Ebenfalls vor Kurzem durch Dekret 145 vom 23. Dezember 2013 erheblich schlagkräftiger gemacht.

12) Siehe zum Beispiel beim spanischen "fondo de titulización de activos" in Artikel 16.4 des Gesetzes 5/2015.

13) EBA Report on Qualifying Securitisation (Juli 2015) und Opinion.

14) Siehe Darstellung der Vorschläge und historische Entwicklung bei Jacoby, in: Henckel/ Gerhardt, Großkommentar Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, vor §§ 103-119, Rn. 144ff.

15) Rundschreiben 4/1997- "Veräußerung von Kundenforderungen im Rahmen von Asset-Backed Securities-Transaktionen durch deutsche Kreditinstitute", Geschäftszeichen I 3 - 21 - 3/95.

16) LG Frankfurt am Main, Urteil vom 20. März 2003, Az. 3/10 O 179/02.

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