Investitionsförderung in Europa - ein Ausblick auf den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen

Peter Altmaier, Foto: Bundesregierung_Kugler

Wenn Investitionen ihre volle gesamtwirtschaftliche Wirkung entfalten sollen, bedarf es aus Sicht des Autors eines guten Zusammenspiels von Strukturreformen, der Schaffung investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen und einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung. Bei aller Bedeutung öffentlicher Investitionen verweist er vor diesem Hintergrund auf den hohen volkswirtschaftlichen Stellenwert privater Investitionen, die er durch ein wachstumsfreundliches Klima, den Abbau von Investitionshemmnissen und wo nötig durch eine gezielte Investitionsförderung sowie die Korrektur von Marktversagen gefördert wissen will. In dem zentralen wirtschaftspolitischen Ziel, die private wie die öffentliche Investitionstätigkeit zu stärken, weiß er die Bundesregierung und die EU einig. Als wichtige Betätigungsfelder nennt er Forschung und Entwicklung, Innovation, Bildung, Digitalisierung, eine sichere und nachhaltige Energieversorgung und eine zukunftsfähige Infrastruktur. Zu den bedeutenden Instrumenten auf europäischer Ebene zählt er nicht zuletzt den Investitionsgarantiefonds "Invest-EU". (Red.)

Intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum - aus diesem Dreiklang besteht das wirtschaftspolitische Credo der Europäischen Union (EU) und damit ihr Wohlstandsversprechen gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern. Grundlegende Voraussetzung dafür ist ein hohes Niveau privater wie öffentlicher Investitionen. Die EU unterstützt diese mit einer Reihe von Instrumenten, die auch für Deutschland von großer Bedeutung sind.

Auf das Engste verflochten

Für den wirtschaftlichen Erfolg sowie für ein hohes und steigendes Wohlstandsniveau in Deutschland und in allen EU-Mitgliedsstaaten bildet die europäische Integration eine wesentliche Voraussetzung. Die deutsche Wirtschaft ist auf das Engste mit den anderen europäischen Volkswirtschaften verflochten - sie floriert daher nur, wenn es Europa gut geht. Zwar ist die Wirtschafts- und Finanzkrise und ihre Folgewirkungen überwunden, alle EU-Länder weisen wieder positive Wachstumsraten auf. Gleichwohl bestehen strukturelle Herausforderungen fort, vielerorts auch mit Blick auf eine hohe Arbeitslosigkeit und einen Mangel an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Es ist daher erforderlich, das Wachstumspotenzial der Mitgliedsstaaten der EU nachhaltig zu stärken. Hierfür bedarf es des Dreiklangs aus ehrgeizigen Strukturreformen, wachstumsfreundlicher Konsolidierung und nicht zuletzt beschleunigten Investitionen.

Investitionen - sei es in Forschung und Entwicklung, Innovation, Bildung, Digitalisierung, eine sichere und nachhaltige Energieversorgung oder eine zukunftsfähige Infrastruktur - sind wesentlich für Wachstum und Beschäftigung. Es ist daher ein zentrales wirtschaftspolitisches Ziel der Bundesregierung und der EU, die private wie die öffentliche Investitionstätigkeit zu stärken. Wichtig sind öffentliche Investitionen. Aber der weitaus überwiegende Teil der gesamtwirtschaftlichen Investitionen wird privat erbracht, in Deutschland nahezu 90 Prozent. Diese gilt es zu fördern - durch wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen, Vermeidung unnötiger Bürokratie und Begrenzung der Steuer- und Abgabenbelastung, aber auch - wo nötig - durch eine gezielte Investitionsförderung und die Korrektur von Marktversagen.

Die Bundesregierung begrüßt daher den Fokus auf Investitionen und Innovationen im Vorschlag der Europäischen Kommission für den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU für die Jahre 2021 bis 2027. Denn: Gerade wissensintensive Technologien werden zum entscheidenden Faktor des Strukturwandels und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Ob es sich nun um künstliche Intelligenz, Bio- und Quantentechnologie, Batteriezellen oder Technologien für automatisiertes und vernetztes Fahren handelt - derartige "Game-Changer-Technologien" wirken über Sektorgrenzen hinweg in die gesamte Wirtschaft hinein.

Es ist ein zentrales wirtschaftspolitisches Ziel, in diesen Bereichen international wettbewerbsfähig zu sein und Standards mitzugestalten. Kurz gesagt geht es um technologische Exzellenz - sie zu erhalten oder zu erreichen, ist forschungsintensiv und erfordert hohe Investitionen. Dies hat der Europäische Rat im März 2019 bekräftigt und entsprechend zu mehr Investitionen in Forschung und Innovation aufgerufen, um bei Schlüsseltechnologien und strategischen Wertschöpfungsketten global wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ebenso wie die Bundesregierung fördert die EU Investitionen auf vielfältige Weise, zuvorderst durch die Kohäsionspolitik. Dass sie auch künftig das zentrale Instrument der europäischen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik bildet, ist nachdrücklich zu begrüßen - trotz spürbarer finanzieller Einschnitte, gerade auch für Deutschland. Sie wird weiter auf zentrale Politikziele wie den innovativen und intelligenten wirtschaftlichen Wandel, insbesondere mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sowie den Klima- und Umweltschutz und Investitionen in Bildung und Weiterbildung ausgerichtet sein. Darüber hinaus sollten die Strukturfonds künftig enger mit relevanten länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters verknüpft werden, um zusätzliche Anreize für die Umsetzung von Strukturreformen zu schaffen und diese finanziell zu unterstützen.

Weiterentwicklung der Finanzierungsinstrumente

Einen deutlichen Aufwuchs sollen im künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen die Programme für Forschung sowie Digitalisierung erfahren. Dies ist wirtschaftspolitisch ausdrücklich zu begrüßen. Das neue Forschungsrahmenprogramm "Horizont Europa" soll die Innovationsund Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken, durch eine exzellenzorientierte Forschung wie auch durch die Unterstützung marktschaffender und hochrisikoreicher Innovationen sowie ihres schnellen Transfers in marktfähige Produkte.

Um Investitionslücken zu begegnen und zugleich die knappen Haushaltsmittel so effizient wie möglich einzusetzen, schlägt die Europäische Kommission zudem eine Weiterentwicklung der Finanzierungsinstrumente der EU vor. Der neue Investitionsgarantiefonds "Invest-EU" soll den 2015 im Lichte der Wirtschafts- und Finanzkrise eingerichteten "Europäischen Fonds für strategische Investitionen" (EFSI) fortführen und die 14 bisherigen EU-internen Finanzierungsinstrumente unter einem Dach vereinen. Invest-EU soll dabei noch stärker auf die politischen Prioritäten der Union ausgerichtet werden, der Fokus auf den vier Investitionsfenstern nachhaltige Infrastruktur, Forschung, Innovation und Digitalisierung, kleine und mittlere Unternehmen sowie soziale Investitionen und Kompetenzen liegen.

Öffnung für weitere Finanzpartner

Wie bereits beim EFSI bildet eine Garantie den Kern des Invest-EU-Programms, die größtenteils aus dem EU-Haushalt stammt. Mit dieser Absicherung sollen öffentliche und private Mittel in Form von Darlehen, Garantien, Eigenkapitalinstrumenten oder sonstigen marktbasierten Instrumenten für zusätzliche risikoreiche und wirtschaftlich tragfähige Investitionen mobilisiert werden. Dabei ist die sogenannte Additionalität der Investitionen von entscheidender Bedeutung. Über Invest-EU sollten nur Projekte gefördert werden, für die der Markt beziehungsweise andere Förderprogramme nicht oder nicht im erforderlichen Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, etwa wegen hoher Projektrisiken oder besonders langer Projektlaufzeiten.

Die Europäische Kommission erwartet, dass über Invest-EU bis 2027 ein zusätzliches Investitionsvolumen von 650 Milliarden Euro mobilisiert werden kann. Anders als beim EFSI sollen künftig neben der Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem Europäischen Investitionsfonds (EIF), dem gerade bei der Risikokapitalfinanzierung eine entscheidende Rolle zukommt, auch andere Finanzpartner, etwa nationale Förderbanken wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), auf Invest-EU-Garantien zugreifen können. Die Bundesregierung begrüßt diesen Vorschlag und die grundsätzliche strategische Ausrichtung des Invest- EU-Programms, ebenso wie die Öffnung für weitere Finanzpartner. Wichtig bleibt dabei, die Additionalität der Investitionen sicherzustellen, was auch der Europäische Rechnungshof in seinem Sonderbericht zum EFSI vom Januar 2019 bekräftigt hat. In den Verhandlungen zu Invest-EU hat sich die Bundesregierung erfolgreich für eine Stärkung der Additionalität eingesetzt.

Die Verhandlungen zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen sind in vollem Gange. Die Bundesregierung ist nachdrücklich an einem schnellen Abschluss dieser Verhandlungen interessiert, da andernfalls das rechtzeitige Anlaufen gerade der Förderprogramme der EU gefährdet ist - mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in den Mitgliedsstaaten der EU.

Förderung genzüberschreitender Projekte

Über eine Vielzahl von Instrumenten - nicht nur den hier genannten - unterstützt die EU seit jeher private wie öffentliche Investitionen in ihren Mitgliedsstaaten. Auch Deutschland profitiert hiervon in einem erheblichen Maße. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die EU auch grenzüberschreitende Projekte fördert. Gerade in forschungsintensiven Bereichen ist dies von erheblicher Bedeutung, lassen sich Projekte doch oft nur ab einer bestimmten Größe wirtschaftlich realisieren.

Auf diese Weise stärkt die EU nicht nur Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in allen Mitgliedsstaaten, sondern trägt wesentlich auch zum politischen und sozialen Zusammenhalt der Union bei. Dass der EU-Haushalt vorrangig ein Investitionshaushalt ist, ist somit auch von übergreifender europapolitischer Bedeutung. Doch darf sich Wirtschaftspolitik nicht in Investitionsförderung erschöpfen. Erst im Zusammenspiel mit ehrgeizigen Strukturreformen, der Schaffung investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen und wachstumsfreundlicher Konsolidierung können Investitionen ihre volle gesamtwirtschaftliche Wirkung entfalten.

Peter Altmaier Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Berlin
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Peter Altmaier , Bundesminister für Wirtschaft und Energie
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