Konnektivität in den Finanzmärkten: Ist der Hype um die Geschwindigkeit vorüber?

Michael Cooper, Chief Technology Officer, Global Banking and Financial Markets, BT, London

Quelle: privat

Michael Cooper, Chief Technology Officer, Global Banking and Financial Markets, BT, London. - Der Erfolg des Hochfrequenzhandels (HFH) von Aktien oder Futures ist eng mit dem technischen Fortschritt verbunden In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Dauer der Ausführung eines Geschäftes von mehreren Sekunden auf den Bereich von Mikrosekunden verringert. Im Zuge der Aufarbeitung und Bewältigung der jüngsten Finanzkrise geriet auch der Hochfrequenzhandel in den Blick von Politik und Regulierern. Auch aus diesem Grund sieht der Autor den Hype um die Geschwindigkeit langsam abnehmend. Seiner Meinung nach bleibt die Geschwindigkeit zwar wichtig, es geht trotzdem mittlerweile mehr darum sicherzustellen, die hohen Leistungen konsistent und verlässlich zu erbringen und Kontinuität zu gewährleisten. Die Zukunft des HFH sieht er in der Entwicklung von datenbasierten Algorithmen, mit denen die Geschehnisse am Markt eingeschätzt und vorhergesagt werden können. (Red.)

Rund um die Welt handeln automatisierte Systeme in Sekundenbruchteilen mit Aktien, Futures, Währungen und Kontrakten. Dieser Hochfrequenzhandel (HFH beziehungsweise HFT, vom englischen "High Frequency Trading"), gleichermaßen bewundert wie gefürchtet, ist ein fester Bestandteil der Finanzmärkte. Auch wenn sein Anteil seit der Finanzkrise von 2009 rückläufig ist, werden in den USA noch immer etwa die Hälfte1) und in Europa 35 Prozent2) des gesamten Wertpapiervolumens über den HFH abgewickelt. Schon eine Verzögerung um einen Sekundenbruchteil kann über Gewinn und Verlust entscheiden. Der Hochfrequenzhandel ist daher von extrem schnellen Verbindungen und geringen Latenzzeiten abhängig.

Verbesserte Technologie

Das Bestreben der Techniker ging lange Zeit dahin, die Technologie kontinuierlich zu optimieren und die Verzögerung beim Versand oder Empfang von Informationen zwischen den Datenquellen, Handelssystemen und Handelsplätzen zu reduzieren. Dadurch ist die Zeitspanne, die für die Ausführung eines Hochfrequenzgeschäfts benötigt wird, erheblich kleiner geworden. Zu Beginn dieses Jahrtausends dauerte die Ausführung noch mehrere Sekunden, heute bewegen wir uns im Bereich von Mikrosekunden - weniger als ein Wimpernschlag.

Die Latenzzeiten konnten durch technologische Neuerungen und Optimierungen immer wieder verbessert werden. Eine Untersuchung der Stanford University3) in Kalifornien hat dargelegt, wie die Geschwindigkeit des Datenaustauschs zwischen Chicago und New York verkürzt wurde, indem man Richtfunkverbindungen anstelle von Glasfaserkabeln eingesetzt hat. Die Mikrowellensignale, die beim Richtfunk genutzt werden, können fast 50 Prozent schneller durch die Luft übertragen werden, als Licht für den Weg durch ein optisches Glasfaserkabel benötigt.

Die Geschwindigkeit ist und bleibt wichtig. Doch ihre Bedeutung schwankt zwischen den verschiedenen Standorten und Assetklassen. Die Unternehmen sind weiterhin bestrebt, eine geringere Latenz und höhere Geschwindigkeiten bei der Abwicklung bestimmter Geschäfte zu erreichen. In Westeuropa, Nordamerika, Japan und zunehmend auch in China - also in Regionen, in denen es eine Vielzahl von Märkten gibt - wird noch immer Geld dafür ausgegeben. Ein prominentes Beispiel dafür sind zwei gigantische Richtfunkmasten, die drei Handelsunternehmen aus den USA an Standorten im britischen Kent, in der Nähe des Ärmelkanals, geplant hatten. Durch die Höhe der Antennen wollten sie den Auswirkungen der Erdkrümmung entgegenwirken und den Handel um einige Millisekunden beschleunigen. Das Ziel war eine geringere Latenzzeit zwischen London und Frankfurt - gegenwärtig dauert die Übertragung eines Datenpakets per Richtfunk zwischen London und Frankfurt etwa sechs Millisekunden.4) Die örtlichen Behörden lehnten eine Baugenehmigung für die 300 Meter hohen Masten jedoch ab.

Wettlauf um Geschwindigkeit - Sorgen um Stabilität

In vielerlei Hinsicht ist die Geschwindigkeit im Finanzhandel heutzutage nicht mehr als ein Hygienefaktor unter vielen. Sie ist der Preis, der für den Eintritt in den Markt zu zahlen ist. Mittlerweile ist weithin bekannt, wie die Infrastruktur zu gestalten ist, damit sie hochleistungsfähige Handelssysteme unterstützt. Man weiß, wie man die Latenz so nahe wie möglich an das theoretische Minimum - sprich möglichst nahe an den Wert Null - heranbringen kann. Der Wettlauf um die Geschwindigkeit ist damit gewissermaßen vorüber. Für den CIO wird es nun darum gehen, eine Latenz nahe Null kontinuierlich zu gewährleisten; nicht nur montagnachmittags um drei, sondern rund um die Uhr und mit höchster Zuverlässigkeit. Anstatt unseren gesamten Innovationsgeist und unsere Experimentierfreudigkeit darauf zu richten, die Latenz zu reduzieren, geht es nun darum, Wege zu finden, wie die hohen Leistungen konsistent und verlässlich erbracht werden können.

Regulierungsbehörden sind misstrauisch, wenn sie das Wort Hochgeschwindigkeitshandel hören: Sie sorgen sich um die Stabilität und Integrität des Marktes. Einige Behörden wollten den HFH am liebsten ganz verbannen. Sowohl Frankreich als auch Italien haben eine Steuer auf den Hochfrequenzhandel eingeführt. In Deutschland müssen sich im HFH tätige Unternehmen lizenzieren lassen. Das Problem dabei: Der Geist ist bereits aus der Flasche entwischt. Die Highspeed-Konnektivität hat die Finanzmärkte längst verändert. Telekommunikation und andere Technologien werden sich immer weiterentwickeln. Die Technik wird immer ausgefeilter und es macht keinen Sinn, regulatorisch gegen neue Technologien vorzugehen. Der Aufwand für Regulierung schluckt bereits erhebliche menschliche Kapazitäten, die besser für Innovationen eingesetzt werden könnten. Die Regulierungsbehörden sollten die Ereignisse verfolgen, aber sich nicht ihnen gegenüber verschließen. Gegen Geschwindigkeit ist nichts einzuwenden.

Bis etwa zum Jahr 2012 war der Hochfrequenzhandel ein enorm profitables Modell. Das heißt allerdings nicht, dass das heute noch der Fall ist. Wir befinden uns in einer Konsolidierungsphase, und Fusionen sind gang und gäbe. Wir haben es dabei mit einer ganz natürlichen Entwicklung zu tun. Für die Pioniere war der neue Hochfrequenzhandel noch profitabel. Nun, da viele andere auf diesen Zug aufgesprungen sind, gibt es nur noch wenige gute Geschäftsmöglichkeiten. Führende Händler suchen konsequent nach anderen Methoden als der Geschwindigkeit, um sich zu differenzieren und einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Eine solche Methode besteht darin, Informationen und Erkenntnisse aus ihren Daten zu sammeln und diese als Handelsvorteil zu nutzen.

Die Zukunft des HFH

Die Zukunft liegt in der Entwicklung von datenbasierten Algorithmen, mit denen die Geschehnisse am Markt eingeschätzt und vorhergesagt werden können. Um dies zu erreichen, benötigen die Händler eine umfassende Konnektivität, sprich den Zugriff auf alte wie neue Datensätze, von etablierten Providern ebenso wie von Innovatoren mit neuen Algorithmen und Anwendungen.

Durch den steigenden Bedarf an Daten und Analysen wird es eine neue Nachfrage nach einer anderen Art von Konnektivität geben, um Zugang zum Wissen der Financial Community zu bekommen. An dieser Stelle kommen dynamische Cloud-Ökosysteme ins Spiel, so wie die BT Radianz Cloud, das größte Netzwerk, das die Finanzbranche sicher verbindet. Solche Umgebungen bieten eine Lösung für die steigenden und sich verändernden Anforderungen an die Konnektivität des Marktes.

Der Wettbewerb um die Latenz ist vorüber. Doch nun hat das Rennen um die nächste technologische Herausforderung begonnen: Die Generierung von präzisen Marktinformationen aus riesigen Datensätzen und deren Analyse, mit dem Ziel, schnell umsetzbare Erkenntnisse zu gewinnen. Das quantitative Vorgehen im Handel wird eine Renaissance erleben. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen werden bei der Interpretation von Ereignissen und der Reaktion darauf behilflich sein. Die Aufgabe von Finanzunternehmen besteht nun darin, Analysemethoden und -techniken zu erforschen und zu nutzen, mit deren Hilfe sie Gelegenheiten erkennen, antizipieren und darauf reagieren können.

Fußnoten

1) www.ft.com

2) High-frequency trading - Reaching the limits (Die Grenzen des Hochfrequenzhandels) Deutsche Bank Research Mai 2016

3) www.papers.ssrn.com

4) www.ft.com/

Hochfrequenzhandel: Bedeutung in Deutschland Die Bedeutung von algorithmischen Handelsstrategien hat in den letzten zehn Jahren an den internationalen Börsenplätzen, nicht zuletzt in Europa, erheblich zugenommen. Entsprechend wächst auch das Interesse von Notenbanken und Regulierern an möglichen Auswirkungen des Hochfrequenzhandels (High Frequency Trading: HFT) auf Marktstabilität und Marktintegrität. Insbesondere aufgrund geringer Datenverfügbarkeit liegen belastbare Befunde zu Marktwirkungen von HFT bislang jedoch kaum vor. Um die Basis für einen fundierten Diskurs zu stärken, hat die Deutsche Bundesbank im Monatsbericht Oktober 2016 in dem Beitrag "Bedeutung und Wirkung des Hochfrequenzhandels am deutschen Kapitalmarkt" erste umfassende empirische Untersuchungen zum HFT am deutschen Kapitalmarkt vorgestellt. (Red.)
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