Neue Leitlinien für Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder - Angriff auf das deutsche Sparkassenwesen!?

Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin

Quelle: Deutscher Städte- und Gemeindebund

Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Berlin - Eine angemessene Qualifikation der Kontrollorgane hält der Autor in der Wirtschaft generell für wichtig. Im Sparkassensektor mit seinen Strukturelementen des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors per se einen Interessenkonflikt zwischen öffentlichem Amt und der Mitgliedschaft im Aufsichtsorgan zu vermuten, kritisiert er als sachfremde Regelung und gleichzeitig massive Beschädigung der kommunalen Trägerschaft generell. Gerade durch die vielfältigen beruflichen Hintergründe in den Aufsichtsorganen der Sparkassen sieht er die gewünschte Diversität sichergestellt. Gepaart mit Lebenserfahrung, gesundem Menschenverstand und dem mit dem Amt verfolgten gleichlaufenden öffentlichen Interesse befürchtet er keinerlei Gefahr für eine Vernachlässigung der aufsichtsrechtlichen Pflichten. (Red.)

Die Qualifikation von Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmitgliedern von Kreditinstituten ist ein wichtiger Faktor für eine zukunftsgewandte Ausrichtung des jeweiligen Instituts und zur Vermeidung wirtschaftlicher Schieflagen. Mit Blick auf die Gefahr eines erneuten Ausbruchs einer Finanzkrise ist es daher nachvollziehbar, dass die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen der Corporate Governance die Anforderungen an Mitglieder in Aufsichtsorganen optimieren möchten. Um eines aber ganz deutlich zu sagen: Es waren gerade nicht die Sparkassen und auch nicht die Genossenschaftsbanken, die die internationale Finanz- und Bankenkrise ausgelöst haben. Ganz im Gegenteil.

Bewährtes Prinzip der kommunalen Trägerschaft

Die unabhängig voneinander Ende des vergangenen Jahres von EBA und EZB vorgelegten Entwürfe für Leitlinien zur Corporate Governance von Banken enthalten Anforderungen, die mit dem öffentlichen Bankenwesen in Deutschland nicht vereinbar und so auch nicht nötig sind. So wird per se ein Interessenkonflikt gesehen, wenn ein Mitglied im Aufsichtsorgan eine Position mit hohem politischem Einfluss innehat. Dieser Vorschlag verkennt die bewährten Strukturelemente der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute, insbesondere auch die kommunale Trägerschaft nach den Sparkassengesetzen, völlig. Die Entwürfe sahen darüber hinaus deutlich und über das Ziel hinausschießende erweiterte Mindestanforderungen an die Qualifikation von Mitgliedern in Verwaltungs- und Aufsichtsorganen vor.

Interessenkonflikt qua öffentlichem Amt? Der Entwurf der EBA-Leitlinien und insbesondere des bereits final angenommenen Leitfadens der EZB unterstellen per se einen generellen Interessenkonflikt bei Personen mit politischem Einfluss in Aufsichtsorganen. Explizit werden hier Bürgermeister und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes genannt.

Ein essenzielles Systemelement der öffentlich-rechtlichen Banken

Die sich daraus ableitende Unterstellung, dass politische Vertreter in Aufsichtsgremien von Sparkassen grundsätzlich einem Interessenkonflikt unterliegen, ist schlichtweg unverfroren. Die europäischen Regulierungsbehörden stellen hier das Dreisäulensystem der deutschen Kreditwirtschaft und somit auch die Existenz öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute grundsätzlich infrage.

Zur Erfüllung des öffentlichen Auftrages der kommunal getragenen Sparkassen sind kommunale Vertreter und Amtsträger in den jeweiligen Aufsichtsorganen unverzichtbar und essenzielles Systemelement im öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesen. Sie sind es, die ihr Wissen über die örtlichen Strukturen und die regionalen Wirtschaftskreisläufe in die Arbeit der Verwaltungsräte einbringen und so erheblich zur Risikobegrenzung in den Sparkassen beitragen. Auch gut zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise darf nicht vergessen werden, dass es die Sparkassen waren, die sich aufgrund ihrer engen regionalen Verankerung vor Ort als Stabilitätsanker im deutschen Bankenwesen erwiesen haben. Sie waren es auch, die durch die Kreditvergabe an ortsansässige kleine und mittlere Unternehmen maßgeblich zum anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung bei trugen.

Außer Frage steht wohl, dass eine wirtschaftlich prosperierende Stadt im Interesse des Bürgermeisters ist. Zudem kommt ihm mit der Sicherstellung des öffentlichen Auftrags der Sparkassen eine klare Funktion zu. Qua Amt kann daher überhaupt kein Interessenkonflikt gesehen werden. Schon von der Natur der Sache nach können kommunale Vertreter in Aufsichtsorganen von Sparkassen daher gar keinen "institutsfremden" Einfluss auf die Institute ausüben.

Gleich gerichtete Interessen

Vielmehr sind die Interessen im Gegenteil gleich gerichtet. Nicht ohne Grund heißt es vice versa: "Geht es der Sparkasse gut, geht es der Kommune gut." Die Gefahr, dass ein kommunaler Vertreter in einer Sparkasse sachfremde Interessen durchsetzt, kann daher überhaupt nicht größer als bei privaten Vertretern in privaten Banken sein. Für den Umgang mit in Einzelfällen etwaig bestehenden Interessenkonflikten gibt es in den Sparkassen zudem bereits heute ausreichend geeignete Inkompatibilitätsregelungen undverfahren.

An die europäischen Regulierungsbehörden sei daher nochmals eindringlich appelliert, endlich davon Abstand zu nehmen, dass Amtsträger generell einem Interessenkonflikt unterliegen. Den besonderen Strukturelementen der kommunal getragenen Sparkassen ist weiterhin insofern Rechnung zu tragen, als Trägervertreter analog zu den Anteilseignervertretern von der Unterstellung eines Interessenkonfliktes aufgrund politischen Einflusses prinzipiell auszunehmen sind.

Bewährte Praxis massiv bedroht

Praktische Folge einer strikten Anwendung dieser sachfremden Regelungen zum grundsätzlichen Interessenkonflikt bei Bekleidung eines öffentlichen Amtes und gleichzeitigem Sitz in einem Aufsichtsorgan wäre, dass Institut wie betreffendes Mitglied der Aufsichtsbehörde den politischen Einfluss direkt mitteilen müssten. Das Institut selbst nimmt sodann eine ausführliche Beurteilung des Risikos vor, welches aus dem angeblichen generellen "Interessenkonflikt" erwächst. Auf Basis der Risikobeurteilung sind "geeignete" Maßnahmen, wie zum Beispiel Monitoring durch das Institut, die Untersagung der Teilnahme an bestimmten Sitzungen oder die Achtung einer Karenzzeit, zu ergreifen. Bei unlösbar bestehendem Risiko kann das Mitglied als nicht geeignet angesehen werden. Das sich über Jahrzehnte bewährte Systemelement mit kommunalen Vertretern als geborene Mitglieder in Aufsichtsorganen der Sparkassen wäre in der Folge massiv bedroht.

Qualifikationsanforderungen: Die in den Leitlinienentwürfen der EBA und insbesondere der EZB vorgeschlagenen erhöhten Sachkundeanforderungen an Aufsichtsorganmitglieder lassen jegliche Proportionalitätsaspekte vollkommen unberücksichtigt. Es fällt dabei auch wieder auf, dass den europäischen Aufsichtsbehörden die besonderen Strukturelemente öffentlich- rechtlicher Kreditinstitute nicht bekannt oder schlimmer ein Dorn im Auge sind. Nach den ersten Vorschlägen sollten alle Mitglieder in Kontrollorganen über theoretische Erfahrung im Bankgeschäft verfügen, die über eine bankfachliche Ausbildung oder ein wirtschafts-, rechts- oder verwaltungswissenschaftliches Studium erworben wurden.

Gerade die vielfältigen beruflichen Hintergründe stellen aber die gewünschte Diversität in den Aufsichtsorganen sicher. Gepaart mit Lebenserfahrung, gesundem Menschenverstand und dem qua Amt verfolgten öffentlichen Interesse besteht daher keine Gefahr für eine Vernachlässigung der aufsichtsrechtlichen Pflichten. Grundsätzlich sollte zudem nicht auf das einzelne Mitglied, sondern auf die Erfahrung und bankfachliche Qualifikation des Gesamtorgans abzustellen sein. Davon abgesehen wird bereits heute über Fortbildungen sichergestellt, dass die Verwaltungsratsmitglieder den erforderlichen institutsspezifischen Sachverstand erwerben, sofern dieser nicht ohnehin schon bei der erstmaligen Bestellung vorliegt.

Die im Rahmen des Konsultationsverfahrens auch vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) eingebrachte Kritik hat erfreulicherweise immerhin hinsichtlich der Sachkundeanforderungen an Aufsichtsorganmitglieder durchaus Berücksichtigung in den verabschiedeten Leitlinien der EZB gefunden. Wie auch vom DStGB gefordert können die Anforderungen an Mitglieder des Vorstands und der Aufsichtsorgane unterschiedlich sein. Ferner sind auch weiterhin nachträgliche Schulungen zur Erlangung bankfachlicher theoretischer Kenntnisse ausreichend. Der DStGB erwartet, dass sich die EBA dieser Einschätzung anschließt und auch künftig keine bank-/wirtschafts- oder ähnlich spezifische Ausbildung vor Antritt einer Aufsichtsorganmitgliedschaft notwendig sein wird. Im Übrigen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Kreditinstitute mit einer rein wirtschaftsspezifischen Expertenaufsicht besser fahren würden.

Legitimatorische Grundlage und Bedeutung: Leitfäden von EBA und EZB

Die EBA zieht ihre Legitimation für "Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselfunktionen" aus Artikel 91 der Eigenkapitalrichtlinie. Mit dem Ende Oktober 2016 vorgelegten Entwurf sollen die gleichnamigen Leitlinien aus dem Jahr 2012 ersetzt werden. Nach Abschluss der Konsultationsphase wird die EBA wohl noch in diesem Sommer die Leitlinien annehmen und veröffentlichen. Voraussichtlich bis Ende des Jahres werden wiederum die nationalen Aufsichtsbehörden im Rahmen des sogenannten "Comply or Explain"-Verfahrens die Leitlinien annehmen, sodann ist deren Anwendung auch für die Institute verbindlich. Unter Anwendung des Proportionalitätsgrundsatzes gelten die EBA-Leitlinien dabei dann für alle Institute, also für bedeutende wie nicht bedeutende.

Der EZB-Leitfaden zur "Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit" wurde nach einer Konsultationsphase bereits Ende Mai 2017 verabschiedet und ist von allen unmittelbar von der EZB beaufsichtigten Instituten anzuwenden. Im Gegensatz zu den Leitlinien der EBA gelten die der EZB entsprechend nur für die bedeutenden Institute (Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro). Dass die nationalen Aufsichtsbehörden die in den EZB-Leitlinien niedergeschriebenen Anforderungen an Mitglieder in Verwaltungs- und Aufsichtsorganen aber auch bei weniger bedeutenden Instituten anwenden, ist gleichwohl nicht auszuschließen.

Aufgrund des sogenannten Lamfalussy-Verfahrens können EBA und EZB die Leitlinien im Übrigen ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates annehmen. Eine demokratische Legitimation der Leitlinien ist somit bestenfalls bedingt gegeben. Seit Jahren haben die Kommunen gemeinsam mit Bund und Ländern in diversen europäischen Legislativvorhaben erfolgreich die bewährten Strukturmerkmale des deutschen Sparkassenwesens, zu denen insbesondere und systemprägend die kommunale Trägerschaft gehört, erklärt und verteidigt.

Es kann nicht sein und ist auch den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar, dass nun auf einer sogar unterhalb eines Rechtsaktes stehenden Ebene von Verwaltungsanweisungen und -leitlinien das kommunale Sparkassenwesen tragende und prägende Element der kommunalen Trägerschaft funktional und im Grundsatz schwer beschädigt wird. Die europäischen Aufsichtsbehörden sind daher angehalten, das öffentliche Sparkassenwesen in Deutschland als solches mit seinen bestehenden und EU-rechtlich anerkannten Strukturen zu respektieren!

Dr. Gerd Landsberg , Hauptgeschäftsführer , Deutscher Städte- und Gemeindebund
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