Payment als Commodity - Wie Banken nun agieren sollten

Ulrich Binnebößel, Foto: Hoffotografen

Der Payment-Markt in Deutschland lag lange Zeit träge darnieder. Neben der in Deutschland traditionell verbreiteten Liebe zur Barzahlung macht Binnebößel dafür vor allem die viel zu hohen Kosten für Payment-Transaktionen verantwortlich. Vor allem beim Handel gab es daher bis vor Kurzem wenig Enthusiasmus beim Einführen modernerer Payment-Methoden. Doch der Eingriff der Regulierung habe zu faireren Preisen und damit zu einem Umdenken geführt. In der Folge habe sich eine mobilfähige Infrastruktur etabliert. Allerdings weist der Autor daraufhin, dass dadurch auch das Interesse der Global Player wie Google oder Apple geweckt wurde. Da diese jedoch Payment nicht als Profit-Center verstehen, sondern als Da - ten quelle, wird der Preisdruck immer größer. Binnebößel sieht eine Lösung in einem Bündnis von Handel und Banken, die allerdings zunächst noch eine effiziente und europaweit einsetzbare Infrastruktur auf Selbstkostenpreisbasis schaffen müssten. Erträge könnten dann über Mehrwertdienstleistungen erzielt werden. (Red.)

Bis vor wenigen Jahren war der Zahlungsprozess ein überschaubarer Prozess. Lange Zeit herrschte Stillstand auf dem Zahlungskartenmarkt. Innovationen waren Mangelware, Verbraucher und Handel waren wenig interessiert am unbaren Bezahlen. Kartenzahlung war eher die Ausnahme als die Regel, die Auswahl der Zahlungssysteme eher überschaubar: bar oder Karte hieß es. Wenn es die Karte sein sollte, musste eine EC-Karte oder Kreditkarte in einen Kartenschacht im Terminal gesteckt und mit PIN oder Unterschrift autorisiert werden. So weit, so gut. Die Kartenherausgeber konnten sich auf gesicherte Autorisierungs- und Interbankenentgelte freuen, Netzbetreiber konnten Standardgeräte mit Standardverträgen an den Händler bringen.

Doch seit einigen Jahren kommt Bewegung in den Markt. Neue Technologien etablieren sich, neue Player treten auf den Markt. Ursache dafür ist zum einen die berechtigte Regulierung der Entgelte für Kartenzahlungen auf nationaler und europäischer Ebene mit dem Ziel, Wettbewerb zu fördern und damit auch Innovationen voranzutreiben. Ein weiterer Grund für die extrem dynamische Entwicklung im Payment Bereich ist aber der Eintritt globaler Internetkonzerne in den Payment-Markt.

Hemmnis hohe Kosten

Was tatsächlich passiert ist, lässt sich aus Handelssicht einfach beschreiben. Waren Händler bis zur sogenannten Interbankenentgelt-Regulierung unzufrieden mit der unfairen Entgeltpolitik der Systeme und damit wenig motiviert, Neues zu versuchen, so hat sich seit Einführung der Deckelung der Interbankenentgelte Ende 2015 eine wahrnehmbare Entschärfung der Problematik ergeben, die zusätzlich durch Maßnahmen des Bundeskartellamtes bei der Girocard unterstützt wurde (sogenannte Konzentratoren-Lösung). In der Folge und in der Aussicht auf sinkende Kartenkosten haben sich viele Unternehmen intensiv mit der unbaren Zahlung befasst, die Zahl der Akzeptanzstellen ist deutlich gestiegen. Ende 2019 gab es mehr als 871 000 Zahlungsterminals, die die Girocard akzeptierten, eine Steigerung von 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Inzwischen rüsten auch handelsnahe Branchen wie Bäckereien auf und bieten zunehmend Kartenzahlung an.

Der Handel macht also seine Hausaufgaben und schafft beziehungsweise vollendet die notwendige Infrastruktur für das unbare Bezahlen. Dabei liegt insbesondere das kontaktlose Bezahlen im Trend. Inzwischen sind auch die Terminal-Altbestände gegen NFC-Geräte ausgetauscht und bieten die Grundlage für das mobile Bezahlen und damit auch die Voraussetzung für die Nutzung von Smartphones und anderen Devices. Es ist also durchaus auch der staatlichen Regulierung und den ausgehenden Signalen für kostengünstigere Abwicklung zu verdanken, dass die unbare Zahlung im Einzelhandel an Fahrt aufgenommen hat und Widerstände auf Akzeptanzseite abgebaut werden.

Als Hinweis für Verfechter einer gesetzlichen Akzeptanzpflicht am Point of Sale sei an dieser Stelle gesagt, dass eine erzwungene Maßnahme nie das gleiche Ergebnis hätte wie eine Senkung der Eintrittsbarrieren, zum Beispiel durch die erfolgte Kostensenkung. Denn eine Zwangsakzeptanz kann nie zu Ende reguliert werden, es würden sich immer "kreative Maßnahmen" zur Aussetzung der Akzeptanz ergeben. Daher wäre eine weitere Senkung entstehender Kosten die praktikablere und erfolgreichere Variante. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und behält die Entwicklung der Kosten weiter im Blick. Leider hat dies aber bislang nicht dazu geführt, dass weitere Kostenbestandteile wie die sogenannten Scheme Fees in die Regulierung einbezogen werden. Diese werden aus Handelssicht ungerechtfertigt und unter Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung erhoben und sind in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut worden. Die Systemgebühren der großen Kartenorganisationen haben inzwischen in vielen Fällen die erreichte Kostensenkung durch Deckelung der Interbankenentgelte kompensiert. Filialisierte Lebensmittelhändler, die bereits vor der Regulierung niedrigere Disagien hatten, spüren dies besonders.

Es bleibt festzuhalten, dass die Akzeptanzseite mit sinkenden Kosten ein steigendes Interesse an der Abwicklung unbarer Zahlungen gezeigt hat. Der Regulator war es, der diese einfache Wirkungskette in Gang bringen musste. Es liegt nahe, dass hier weitere Schritte folgen können und müssen, um das volle Potenzial des digitalen Zahlungsverkehrs endgültig zu heben. Gerade auch die Forderungen nach einem europäischen Zahlungssystem zeigen den politischen Willen Infrastrukturen zu schaffen, die eine Effizienzsteigerung zugunsten der Nutzer mit sich bringt. Zudem werden Stimmen lauter, die eine Echtzeitzahlung zum "New Normal" erklären. Vor diesem Hintergrund ist zu hinterfragen, inwiefern ein Geschäftsmodell langfristig Erfolg haben kann, das allein auf eine Maximierung der Entgelte aus Zahlungstransaktionen abzielt und damit dem Ziel einer möglichst effizienten Zahlungsabwicklung entgegensteht.

Das Jahrzehnt des digitalen Bezahlens

Ein weiterer Aspekt für die künftige Entwicklung des Payments ist die Schaffung einer "mobilfähigen Infrastruktur". Mit der Einführung der kontaktlosen Schnittstelle NFC (Near Field Communication) wurden die Grundlagen für mobiles Bezahlen gelegt. Damit wurde allerdings zugleich das Interesse der globalen Player geweckt, die das eigentliche Potenzial des Zahlungsverkehrs erkennen. Asiatische Player wie Alipay zeigen, dass rund um das Bezahlen ganze Ökosysteme entstehen können, die dem Kunden wichtigen Zusatznutzen bieten. Google und Apple nutzen ihre Smartphone-Verbreitung und bieten Wallets an, in die klassische Kartenzahlverfahren integriert werden. Die reichweitenstarken internationalen Kreditkartensysteme wiederum investieren in Start-ups oder entwickeln Systeme, die die neuen Möglichkeiten nutzen sollen.

Das Engagement der großen Spieler im Bereich Bezahlen hat seine Gründe: Zum einen werten Bezahlprozesse das eigene Produkt auf und integrieren es noch tiefer in den Alltag der Nutzer. Besonders aber dürften es die Unternehmen auf die Datensätze abgesehen haben, die mit jeder Transaktion einhergehen. Die Bezahlung eines Einkaufs oder einer Dienstleistung ist ein wichtiger Datenpunkt im täglichen Leben eines Verbrauchers. Bereits wenige Informationen aus diesem Vorgang wie Einkaufsort, -zeit, und Betragshöhe können in der Kombination und mit entsprechender Häufigkeit ein umfassendes Bild des Alltages eines Menschen nachzeichnen. Gelingt es dann noch, Informationen über die erworbenen Produkte zu erhalten, ist das Bild vollständig. Grund genug also, in das Thema Bezahlen zu investieren. Es gehört zur DNA der großen Bigtechs, den Kunden einen besonderen Nutzen zu bieten. Sie gehen in Vorleistung, setzen immer neue Services und Angebote auf bestehenden Grundlagen auf und nutzen ihre Reichweite, um schnell neue Märkte zu entwickeln. Speziell für Services an der Schnittstelle Kunde-Handel ist das Potenzial noch groß.

Im Handel wiederum besteht ein Interesse daran, diese neuen Kundenservices anzubieten. Starker Wettbewerb und besonders der im Lebensmittelhandel ausgeprägte Wunsch zur Differenzierung führen dazu, dass neue Dienstleistungen gerne pilotiert und, sobald eine kritische Nachfrage in Aussicht steht, ausgerollt werden. Beste Voraussetzungen also für ein globales Netzwerkunternehmen, den zweiseitigen Markt zu bedienen. Mehrwerte auf der Nachfrageseite, kostengünstige oder gar kostenlose Integration auf der Anbieterseite.

Stärkung des Ökosystems als Motivation

Es bleibt also an dieser Stelle festzuhalten, dass Bigtechs intensiv in den Markt drängen und mit teilweise kostenlosen Services Kunden und Akzeptanzstellen gewinnen. Direkte Erträge spielen hier keine Rolle, vielmehr soll das eigene Ökosystem gestärkt werden. Die Transaktion selbst verläuft dabei meist noch in Kooperation mit Zahlungsdienstleistern, der Nutzen zahlt allerdings auf das "eigene Konto" ein. Die Avancen von Google und Apple zur Herausgabe eigener Karten und wohl bald eigener Kontomodelle zeigen, dass hier zusätzliche Bankpartner bald verzichtbar sein könnten.

Es sind also die Politik und die großen Tech-Unternehmen, die derzeit die Entwicklung im Zahlungsverkehr dominieren. Erklärter Wille der Politik ist es, den Abschluss eines Geschäftes möglichst effizient zu gestalten. Dabei steht der Zahlungsprozess seit jeher im Fokus. Geschäftsmodelle müssen sich daher stets an diesen Vorgaben messen lassen. Im Massenzahlungsverkehr gegen den politischen Willen langfristig als Profit-Center bestehen zu können, stellt ein Risiko dar.

Bigtechs dagegen sehen in Payment-Prozessen primär eine Möglichkeit, Kunden mit Mehrwerten zu begeistern und sie an ihre Ökosysteme zu binden. Nicht das Geschäftsmodell im Sinne eines Profit-Centers steht dabei im Fokus. Vielmehr soll eine Transaktion Erkenntnisse über Kunden bringen und den Konzern insgesamt voranbringen. Payment ist hier eher als Hygienefaktor zu sehen, der zwar einen Kostenfaktor darstellt, nicht aber in gleicher Weise einzahlt. Klassische Banken werden in dieser Betrachtung schnell als verzichtbar eingeschätzt.

Gemeinschaftliche Strategie ist zwingend

Was sind nun die Schlüsse, die die Kreditwirtschaft daraus ziehen sollte? Forderungen nach effizienten und europaweit einsetzbaren Systemen und starke Intermediäre bringen die Branche in Zugzwang. Die Kreditwirtschaft selbst ist eher kleinteilig aufgestellt und war bislang nicht in der Lage, in konzertierten Aktionen Stärke zu zeigen. Projekte wie Paydirekt und die Integration der Girocard in die Apple-Wallet zeigen, dass allenfalls Reaktionen auf Marktentwicklungen erfolgen. Daher muss in einem ersten Schritt die Erkenntnis reifen, dass nur eine gemeinschaftliche und von allen gestützte Strategie weiterführt. Ein gemeinsames Produkt ist die Voraussetzung, um gegen globale Netzwerke ankommen zu können.

Es scheint, dass die Deutsche Kreditwirtschaft auf der richtigen Spur ist. Wie zu hören war, gehen Projekte wie #DK in diese Richtung: ein Produkt von allen Banken für alle Akteure. Doch das Vorgehen zeigt auch, dass man auch hier lediglich reagiert, um auf Augenhöhe mit den längst etablierten Systemen zu kommen. Um wieder die Führung zu übernehmen, ist mehr nötig.

Warum eigentlich nicht Verbündete suchen? Auch im Handel bestehen Bedenken gegen die Macht der Plattformen, die eine universelle Empfehlungsmacht entwickeln und den Zugang zum Kunden auch für den Handel regulieren können. Der Handel ist auf der Suche nach Möglichkeiten, sich hiervon unabhängig zu machen. Zudem müsste auch ein vertikal entwickeltes und betriebenes System den politischen Segen erhalten. Wettbewerbsrechtlichen Bedenken könnte man mit einer entsprechenden Abgrenzung des Marktes sowie Effizienzvorteilen auf allen Stufen begegnen.

Eine unabhängige Zahlungsinfrastruktur, die ein gewisses Maß an Selbstbestimmung und Mitbestimmung zulässt, wäre geeignet, den zunehmend dominierenden Systemen etwas entgegenzusetzen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass nicht die Maximierung des Gewinns durch Transaktionen im Vordergrund steht. Schließlich will der Handel kein System groß machen, dass sich im Anschluss verselbstständigt. Vielmehr müssen beide Seiten ein Interesse an einer einfachen unkomplizierten und auf Selbstkosten basierenden Zahlungsinfrastruktur entwickeln und anhand dieser Kriterien ein Zahlungssystem aufbauen. Selbstverständlich gilt hier nicht das Kostenlos-Prinzip. Kosten und Erlöse müssen aber auf einer nachhaltigen, gemeinschaftlich entwickelten Basis vereinbart werden.

Abwicklung über SEPA-Standard

Als technische Basis kann das neue Echtzeitüberweisungsverfahren dienen. Eine Abwicklung über einen SEPA-Standard, hinter dem eine unabhängige, von der Politik gestützte Entwicklungsorganisation steht, kann die notwendige Neutralität bieten. Akzeptable Transaktionskosten könnten neutral ermittelt und festgeschrieben werden. Damit wäre ein Basiszahlverfahren geschaffen, dass den Grundanforderungen des Handels entspricht und die etablierte Kreditwirtschaft bei jeder Transaktion einbezieht. Die Schaffung einer Echtzeitzahlungsinfrastruktur auf Selbstkostenbasis wäre also ein Ansatzpunkt zur beiderseitigen Zufriedenheit.

Kostenneutrale Basisinfrastruktur für Payment schaffen

Payment ist notwendig, aber bei weitem nicht hinreichend für ein modernes Payment-Produkt. Hier setzen die Überlegungen für monetarisierbare Mehrwerte an, die letztlich auch notwendig sind, um den Bigtechs gegenüberzutreten. Ist erst einmal die Basisinfrastruktur geschaffen, bietet sich das Potenzial, um hierauf stabile Geschäftsmodelle zu etablieren, mit denen dann die einzelnen Institute und Bankengruppen in den Wettbewerb um Kunden treten. Es gibt durchaus auch aus Handelssicht Services, für die der Handel bereit ist, einen Beitrag zu zahlen. Kundenansprache und Kundenbindung, Datenaustausch mit Kunden in einer vertrauenswürdigen Umgebung und Identifikationsverfahren auf unterschiedlichstem Vertrauensniveau sowie KI-basierte Auswertungen sind Beispiele für werthaltige Services, die auch auf das (Image-)Konto des Händlers einzahlen.

Entscheidend ist es, dass die Einsicht für ein gemeinsames Vorgehen innerhalb der Branche und darüber hinaus mit der Akzeptanzseite besteht, eine kostenneutrale Basiszahlungsinfrastruktur zu schaffen, die das klassische Girokontomodell der Kreditwirtschaft umfasst. Damit wird die Grundlage geschaffen um mit weitergehenden Services den wachsenden Anforderungen der Kunden sowie dem starken Wettbewerb der Bigtechs entgegentreten zu können. Am Ende steht die Absicherung des Girokontomodells als stabiles Geschäftsmodell und die Möglichkeit, die Zukunft mitgestalten zu können.

Ulrich Binnebößel Abteilung Zahlungsverkehr, Handelsverband Deutschland - HDE e.V., Berlin
Ulrich Binnebößel , Referent , Handelsverband Deutschland - HDE e. V., Berlin
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