Strategische Schwerpunkte im Zahlungsverkehr setzen - welche Initiativen sind sinnvoll?

Werner Steinmüller, Head of Global Transaction Banking, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main - Als weltweit größter Abwickler von Euro-Transaktionen und fünftgrößter Abwickler von Dollar-Zahlungen betont der Autor für die Deutsche Bank als strategische Prioritäten seines Hauses im Zahlungsverkehr nicht nur Innovationen, Service und Wachstum, sondern auch Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme. Die viel diskutierte Digitalisierung der Bankenbranche sieht er in zwei Bereiche gegliedert. Einerseits die notwendigen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um digital arbeiten zu können. Hier bezeichnet er die Bankindustrie bereits als gut positioniert. Im zweiten Schritt, dem analytischeren Umgang mit dem digitalen Datenschatz, den die Kreditinstitute besitzen, macht er offenbar noch Potenziale aus. Die Beziehung zwischen Banken, Fintechs und Start-ups beschreibt er als konstruktiv und auf gegenseitigen Nutzen ausgelegt. (Red.)

Der Zeitpunkt ist sehr gut gewählt, um diese Ausgabe der Veranstaltungsreihe dem Zahlungsverkehr zu widmen, denn das Umfeld ist äußerst dynamisch und verschiedene Entwicklungen stehen an, die das Marktumfeld nachhaltig verändern werden. Mit der Einführung von Target-2-Securities am 22. Juni steht das größte Ereignis unmittelbar bevor. Wir sind zuversichtlich, dass die Europäische Zentralbank diese äußerst komplexe, aber für die Integration Europas so wichtige Initiative, an der die Deutsche Bundesbank maßgeblich beteiligt ist, zu einem erfolgreichen Start führen wird.

Ich habe Target-2-Securities von Anfang an - also seit 2006 - begleitet, mitgestaltet, habe die Höhen und Tiefen des Projekts miterlebt und noch sehr gut in Erinnerung. Daher wünsche ich den unmittelbar Verantwortlichen persönlich und auch im Namen und Interesse der Deutschen Bank - für die T2S eine Wachstumsperspektive im Wertpapierbereich ist - dass sich die letzten offenen Fragen, die sich auf der Zielgerade üblicherweise ergeben, im besten Einklang mit allen Beteiligten lösen lassen.

Systemische Verantwortung der Deutschen Bank

Mein Thema heute sind die strategischen Schwerpunkte im Zahlungsverkehr und welche Initiativen sinnvoll sind. Die Deutsche Bank sieht in dem von mir geführten Geschäftsbereich ein Wachstumsfeld und hat daher beschlossen hat, die Investitionen bis 2020 auf eine Milliarde Euro zu erhöhen, um dieses Geschäftsfeld in noch größerem Umfang auszubauen als bislang geplant. Zu dem Bereich gehören die Handelsfinanzierung, Dienstleistungen im Wertpapierbereich, das kurzfristige Kreditgeschäft, gemeinsam mit Kollegen aus dem Privatkundenbereich die Verantwortung für das Mittelstandgeschäft der Deutschen Bank und als Teil von Cash Management der Zahlungsverkehr. Wir beschäftigen uns also derzeit umso intensiver mit der Frage, welche Weichenstellung wir unter anderem im Zahlungsverkehr vornehmen müssen, um unseren Kunden und dem Gesamtmarkt in Zukunft noch besser zu dienen.

Die Deutsche Bank möchte dabei auch ihrer systemischen Verantwortung gerecht werden, die sie als weltweit größter Abwickler von Euro-Transaktionen und fünftgrößter Abwickler von US-Dollar-Zahlungen hat. Daher geht es bei meinen Ausführungen zu den strategischen Prioritäten im Zahlungsverkehr nicht nur um Innovation, Service und Wachstum, sondern auch um die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Systemen und Prozessen.

Verbesserung von IT-Plattformen

Investitionen sind darüber hinaus auch notwendig, um mit einem immer komplexeren regulatorischen Umfeld und steigenden Anforderungen an Transparenz Schritt halten zu können. Damit ist nicht nur die Finanzmarktregulierung gemeint, sondern auch Compliance im weitesten Sinne, also Maßnahmen zur Prävention krimineller Energie oder deren Bekämpfung, wie das Einhalten von Sanktionen oder die Vermeidung von Geldwäsche. Bei all diesen Themen geht es letztlich auch um die Verbesserung von bereits sehr leistungsfähigen IT-Plattformen, die erweiterte und neue Anforderungen erfüllen müssen. Daher ist die kontinuierliche Verbesserung der IT durch Investitionen ein wichtiger Schwerpunkt im Zahlungsverkehr, den man nicht aus den Augen verlieren darf.

Kurzum, Investitionen sind im Zahlungsverkehr zwingend erforderlich, um zukunftsfähig zu bleiben, auch wenn das niedrige Zinsniveau, die Bankenabgaben und die sinkenden Preisvorstellungen der Kunden aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs die Margen weiterhin unter Druck setzen. Die Budgets sind also begrenzt; strategische Weichenstellungen müssen wohlüberlegt sein; wer im Wettbewerb nicht zurückfallen möchte, hat keine Zeit für Experimente im Kernbereich des Geschäfts - schon gar nicht bei einem Thema wie dem Zahlungsverkehr, das volkswirtschaftlich so wichtig ist.

Firmenkunden begrenzt zu Anpassungen bereit

Infrastrukturanbieter wie die Deutsche Bank müssen und werden in den Zahlungsverkehr investieren, weil auf ihnen die Erwartung liegt, dass sie Transaktionen nicht nur zuverlässig und sicher abwickeln, sondern auch neusten Standards entsprechen und den Zahlungsverkehr der Zukunft mit definieren. Viele Firmenkunden sind in diesem Bereich übrigens ausreichend gut aufgestellt. Ihre Bereitschaft zu weiteren Anpassungen ist daher überschaubar. Sie müssen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und werden ihre Infrastruktur nur in einem gewissen Rahmen weiter modernisieren, der dadurch bestimmt wird, dass ihnen ausreichende Investitionsmöglichkeiten für Ertragswachstum bleibt. Daher ist es wichtig und im Interesse der Gesamtwirtschaft, dass sich etablierte Institutionen wie die Deutsche Bank weiterhin zur Modernisierung und Verbesserungen im Zahlungsverkehr bekennen.

Was sind also strategische Schwerpunkte und sinnvolle Initiativen im Zahlungsverkehr? Aus meiner Sicht lassen sie sich in drei übergeordnete Bereiche einteilen, die zugleich die Spannungsfelder sind, in denen sich Investitionen bewegen werden:

1. Innovation und Wachstum;

2. Regulatorische Konformität;

3. Infrastruktur und deren Ausbau.

Zu Punkt 3, dem Ausbau der IT-Infrastruktur, habe ich bereits einiges gesagt. Bei den beiden anderen Punkten möchte ich zwei Themen hervorheben: die Digitalisierung von Produkten und Prozessen und das anspruchsvolle regulatorische Umfeld.

Digitalisierung: Die Deutsche Bank hat Ende April verkündet, bis 2020 bis zu eine Milliarde Euro in dieses Feld über alle Geschäftsbereiche hinweg zu investieren. Unter "Digitalisierung" verstehen aber nicht alle das Gleiche. Ich teile sie in zwei Schritte ein: die "Digital Basics", also die notwendigen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um digital arbeiten zu können; und die "Digital Assets", also den digitalen Mehrwert und das digitale Vermögen von Banken, die auf diesem Fundament entstehen können.

Zu den Voraussetzungen, den "Basics", gehört, analoge Fähigkeiten in eine digitale Umgebung übertragen zu haben oder Prozesse, die offline waren, nun online abbilden zu können. Im Zahlungsverkehr geht es um die Automatisierung von Dienstleistungen und die durchgehende Verarbeitung von Transaktionen, also das "Straight Through Processing". Daran sehen Sie, dass unsere Industrie das Fundament für die Digitalisierung gelegt und in konkreten Fällen wie Sepa äußerst erfolgreich umgesetzt hat. Banken haben hier also bereits sehr viel erreicht - denken Sie zum Beispiel auch an die weitreichende Digitalisierung des Zahlungsverkehrs zwischen Kunden und ihren Banken oder zwischen Banken untereinander.

Digitales Vermögen heben

Nun geht es im Zahlungsverkehr um die "Digital Assets", also das digitale Vermögen von Banken. Das sind zum Beispiel Daten aus der Verarbeitung von Transaktionen, intelligente Algorithmen zur Freigabe von Individualzahlungen, den Erhalt neuer Informationen. Es geht auch um den Grad der Vernetzung einzelner Produkte. Um dieses digitale Vermögen zu heben, müssen Banken in Produkte, Prozesse und Technologien investieren, während die Kostenbasis weiterhin schlank gehalten und sogar weiter optimiert werden muss. Das ist kein Widerspruch, sondern durchaus machbar, wenn Synergien gehoben werden: Es gibt Überschneidungen im nationalen und internationalen Zahlungsverkehr, bei Anforderungen wie globale Limite, dem Risikomanagement und bei den hinterlegten Sicherheiten, dem Collateral. Echtzeitdaten erfüllen gleichsam regulatorische Berichtsanforderungen, Kundenanforderungen und sie machen das Risikomanagement effektiver.

Es ist also nicht nur im Sinne der Kunden, sondern auch im Sinne der Sicherheit der Märkte, wenn Banken mit dem digitalen Datenschatz, über den sie verfügen, im Rahmen dessen, was ihnen erlaubt ist, analytischer umgehen. Durch die Analyse digitaler Informationen entsteht der Mehrwert, der letztlich auch den Geschäftserfolg einer Bank maximieren wird. Die digitale Strategie ist damit im Zahlungsverkehr wie in anderen Geschäftsbereichen die betriebswirtschaftliche Antwort auf die Frage, wie wir unsere Geschäftsstrategie aufgrund dieser neuen Möglichkeiten und Technologien verändern können, sollen oder gar müssen.

Banken haben längst erkannt, dass sie im Bereich der Digitalisierung mit Blick auf ihre Kunden einiges mehr und einiges besser machen können. Ein Beispiel ist das Bezahlsystem "Pay Direkt", das die Banken gemeinsam Ende dieses Jahres auf den Markt bringen werden, um das Wachstumsfeld der Online-Bezahlungen nicht alleine den aufstrebenden Kräften zu überlassen und ihnen sogar Marktanteile streitig zu machen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung ist die Beziehung von Banken, Fintechs und Start-ups ansonsten allerdings viel weniger von Wettbewerb, als von gegenseitigem Interesse und dem Willen zur Kooperation geprägt. Viele Banken suchen die Partnerschaft mit Fintechs und Start-ups, mit denen ja nicht nur die Deutsche Bank enger zusammenarbeiten will und wird. Für jene wiederum gilt, dass sie von den Stärken einer Bank profitieren können: von der internationalen Reichweite, einer etablierten Kundenbasis, den Investitionsmöglichkeiten.

Ich werte es positiv, dass wir im Bereich des Zahlungsverkehrs nun sehr viele neue Akteure sehen: Es zeigt, dass es sich um ein attraktives Geschäftsfeld handelt, es treibt den Innovationsdruck voran und eröffnet neue Möglichkeiten für Partnerschaften. Welchen Erfolg Produkte und Geschäftsmodelle haben werden, die aus dieser Zusammenarbeit entstehen, werden letztlich die Kunden der Banken entscheiden - und das mag regional unterschiedlich sein. Ich denke dabei an die Ergebnisse der jüngsten Marktumfrage der Deutschen Bundesbank zur Bedeutung von Bargeld im täglichen Zahlungsverkehr und die damit verbundene Relevanz von kulturellen Unterschieden, die man berücksichtigen muss, wenn man neue Angebote etablieren möchte.

Alternative Währungen

Im Zahlungsverkehr gibt es mit den alternativen Währungen, den sogenannten "Kryptowährungen", eine sehr interessante Entwicklung, die wir bei der Deutschen Bank seit geraumer Zeit mit Interesse verfolgen. Während einige dieser Währungen in Misskredit geraten sind, weil sie beispielsweise im Bereich der Geldwäsche und bei der Finanzierung von Drogengeschäften missbraucht wurden, sollte man sich davor hüten, die Kryptowährungen vorschnell zu verurteilen und abzuschreiben. Gelingt es einem Anbieter, dem Missbrauch vorzubeugen und die Anforderungen an Transparenz zu erfüllen, kann sich eine virtuelle Währung durchsetzen. Solche alternative Währung muss dann aber auch den gleichen Rahmenbedingungen und Regeln unterliegen wie etablierte Währungen. Die Regulierung muss sicherstellen, dass ein fairer Wettbewerb zwischen allen Beteiligten möglich ist.

Im heutigen Zahlungsverkehr spielen Kryptowährungen nach wie vor noch keine bedeutende Rolle. Sie sind auch nicht neu; einige von Ihnen werden sich noch an ähnliche Versuche vor rund 15 Jahren mit den sogenannten "Cyber Coins" oder mit "Digi Cash" erinnern, die erfolglos blieben. Es bleibt also abzuwarten, ob und wo diese neuen Entwicklungen im Zahlungsverkehr wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden können, in einem fairen und regulierten Wettbewerb nutzbar sind, und ob sie dann die etablierte Wertschöpfungskette nachhaltig verändern können.

Offener Umgang mit neuen Möglichkeiten

Doch mit der fortschreitenden Digitalisierung der globalen Wirtschaft haben sich auch die Rahmenbedingungen und Voraussetzung verändert, die heute ganz anders sind als zu Zeiten der ersten Internet- und E-Commerce-Welle Ende der Neunzigerjahre. Wir alle sehen die zunehmende Bedeutung von digitalen Produkten auch in anderen Branchen, ob bei den Medien, in der Musikindustrie oder über konkrete Beispiele wie die enorme Konkurrenz von E-Readern für das traditionelle Buch; Sie wissen um die enorme Verbreitung und Sättigung von Märkten mit Smartphones, die technisch immer mehr leisten können; und Sie kennen die neuen Kanäle im Bereich der Social Media, deren Potenzial wir besser ausschöpfen können. All diese Entwicklungen gab es vor zehn Jahren nicht; sie heute zu ignorieren wäre fahrlässig.

Beispiele anderer Industrien haben uns gelehrt, offen mit diesen neuen Alternativen umzugehen, sie ernst zu nehmen und sie, nach eigener Analyse, vielleicht sogar in die eigene Wertschöpfungskette zu integrieren. Wir schauen uns die Kryptowährungen mit einem dedizierten Projektteam derzeit sehr genau an, erkennen Stärken und Schwächen. Wir sehen auch, dass unsere angelsächsischen Kollegen in diesem Bereich etwas experimentierfreudiger sind als wir in Deutschland, was nicht nur für die Privatwirtschaft gilt. Allerdings habe ich Sympathie mit dem Ansatz, neue Technologien erst dann einzusetzen, wenn das Potenzial für ihren Missbrauch überschaubar ist. Das ist bei den Kryptowährungen heute noch nicht der Fall.

Dass wir bei der Deutschen Bank den Zahlungsverkehr der Zukunft im Auge behalten und Trends erforschen, ändert nichts daran, dass wir weiterhin in unsere bestehenden Plattformen investieren und ihre Entwicklung vorantreiben werden, wie ich eingangs ausgeführt habe.

Interessante Ansatzpunkte für die Digitalisierung gibt es auch, wenn wir den Zahlungsverkehr nicht isoliert betrachten. Denn der Zahlungsverkehr und die Handelsfinanzierung gehören zusammen - deshalb finden Sie diese Bereiche bei der Deutschen Bank unter einem Dach, integriert, in einem Geschäftsbereich. Der Zahlungsverkehr ist der Blutkreislauf unserer Wirtschaft, die Infrastruktur, die Wachstum überhaupt ermöglicht. Über den Zahlungsverkehr versorgen Banken die Wirtschaft mit Liquidität zum Beispiel für die Handelsfinanzierung und das global.

Die Übergänge zwischen Zahlungsverkehr und Handelsfinanzierung sind fließend und liegen in Produkten wie dem Akkreditiv oder der Forderungsfinanzierung. Die Veranstaltung heute ist dem Zahlungsverkehr gewidmet, daher möchte ich hier nicht weiter ins Detail gehen. Hervorheben möchte ich aber, dass die Deutsche Bank durch ihre strategische Ausrichtung und Aufstellung in meinem Bereich in der Lage ist, den Zahlungsverkehr nicht nur als Abwicklungsprozess zu verstehen, sondern in einen Kontext zu stellen, der volkswirtschaftlich nachhaltig und relevant ist.

Regulatorische Konformität: Damit komme ich zum zweiten Thema, auf das ich genauer eingehen wollte, nämlich der regulatorischen Konformität. Und ich möchte hier auf drei verschiedene Stoßrichtungen eingehen:

1. Regulierung, die international notwendige Standards setzt;

2. Regulierung, die den Markt zu Innovationen antreibt;

3. Regulierung, die über das Ziel hinausgeht.

Regulierung ist sicherlich oftmals ein Innovationstreiber in einer hochgradig vernetzten und globalen Industrie wie unserer, in der nationale Insellösungen dem Markt nicht dienen, etwa bei neuen Pflichten zur lokalen Datenhaltung, welche letztlich den globalen Wirtschaftskreislauf stören. Im globalen Umfeld sehen wir einen steigenden Bedarf an staatlicher Kontrolle, Transparenz und Kriminalitätsbekämpfung. Daher gilt im globalen Zahlungsverkehr, dass gleiches Geschäft den gleichen Regeln unterliegen muss - und das für sämtliche Anbieter von Zahlungsdiensten.

Hohe Anforderungen an Banken als Marktstandard

Das wird nirgends konkreter und dringlicher als in der Kriminalitätsbekämpfung, die in einem globalen Wirtschaftskreislauf an Ländergrenzen nicht haltmachen kann. Es geht also um eine globales "Level Playing Field" in Bereichen wie der Bekämpfung von Geldwäsche oder dem Verständnis von Kundenbeziehungen (Know Your Customer, KYC). Während Banken hier bereits sehr stark reguliert sind, muss sich nicht jeder in diesem Marktumfeld den gleichen, strikten - und richtigen - Regeln unterwerfen. Das führt zu einem verzerrten Wettbewerb; die hohen Anforderungen an Banken müssen zum Marktstandard werden. Und auch bei der Digitalisierung, von der ich vorhin sprach, profitieren viele Unternehmen gerade im Ausland von regulatorischen Freiräumen - und nutzen diese zu ihrem Vorteil.

Im Bereich der Korrespondenzbanken spielt die Regulierung ebenfalls eine wichtige Rolle und es gibt Beispiele, wie aus einer regulatorischen Herausforderung ein strategischer Vorteil werden kann. Bei der globalen Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch Drittbanken ist das Reporting an die Bankenaufsicht von untertägigen Liquiditätspositionen in Zukunft zwingend. Die Auswirkungen werden jedoch wohl über das reine Reporting hinausgehen und mögliche Änderungen der untertägigen Zahlungsflüsse zwischen Banken oder der verbindlichen Zusage von untertägigen Linien gegen entsprechende Sicherheiten sind wahrscheinlich. Das alles müssen wir unter strategischen Gesichtspunkten bewerten und in unseren Produktentwicklungszyklus einbauen. Indem wir die Analyse strikt nach Komponenten durchführen, können wir sehr nahe am Bedarf der Kunden zusätzlich Synergien etwa für das Verwahrgeschäft, die Handelsfinanzierungen und das Cash Management für Firmenkunden heben. Den Stein des Anstoßes setzt hier somit der Regulator; die sinnvolle und marktgerechte Umsetzung liegt bei den handelnden Akteuren.

Das Beispiel veranschaulicht das positive Potenzial, das in der Regulierung und der gemeinsamen Erarbeitung von Rahmenbedingungen liegt. Die Bewertung über das unmittelbar betroffene Produkt hinaus ist außerdem für den Dialog mit den Regulatoren wichtig, um aufzuzeigen, welche Nebenwirkungen einzelne geplante Regulierungen für das gesamte Transaktionsbankgeschäft und unsere Kunden - und damit für die Realwirtschaft - haben und dass das regulatorische Portfolio insgesamt zu bewältigen sein muss.

Regulierung ist notwendig, aber sie muss finanzierbar und umsetzbar bleiben und muss die Möglichkeit bieten, in das Kerngeschäft und damit in Wachstum zu investieren. Alleine in Europa müssen derzeit mehrere Vorgaben fast zeitgleich umgesetzt werden: Target-2-Securities, Intraday Liquidity Management Reporting, PSD2, ISO2022 für Target-2 und EBA, eventuell Instant Payments und die Funds Transfer Regulation sowie Secure Pay. Ich erspare Ihnen weitere Abkürzungen, aber alleine an diesen Beispielen sehen Sie, dass das Potenzial für regulatorische Arbitrage sehr groß ist.

Instant Payments werfen viele Fragen auf

Regulierung hat also in vielen dieser Bereiche den Fortschritt angestoßen und überhaupt erst möglich gemacht; aber es gibt auch Beispiele, in denen regulatorische Initiativen in unserer Industrie dem Fortschritt im Weg stehen. Deshalb ist die Wahl angemessener regulatorischer Maßnahmen durch Aufseher und Gesetzgeber so wichtig. Lassen Sie mich daher im europäischen Zahlungsverkehr auf eine Frage zu sprechen kommen, die uns wohl alle beschäftigt: Kommt nach Sepa nun die Entwicklung zu "Instant Payments"?

Die Herausforderung für den Regulator, das Eurosystem und die Marktteilnehmer liegt darin, die mühsam und über mehr als ein Jahrzehnt erreichte Sepa-Integration des Euro-Zahlungsverkehrs in Form von gesetzlichem Rahmenbedingungen, Standards und Marktinfrastrukturen zu erhalten. Die Frage stellt sich, wie es bei den Instant Payments zu einer effizienten, effektiven und ökonomisch sinnvollen Lösung für die Eurozone kommen kann.

- Wie gelingt es, den wirklichen Marktbedarf zu erfüllen? Wie kann man vermeiden, dass entweder durch zahlreiche nationale und teilweise protektionistische Initiativen oder durch ein weiteres europäisches Großprojekt Budgets und Ressourcen beansprucht werden, die anderweitig sinnvoller eingesetzt wären - sei es für Kundenprodukte, Investitionen in Plattformen oder dem bereits erwähnten digitalen Fortschritt?

- Wie kann sichergestellt werden, dass ein wirklich innovatives Ergebnis erreicht wird, ein echter Fortschritt und nicht ein Kompromiss auf europäischem Durchschnitt?

- Wie gehen wir damit um, dass von unseren niederländischen Kollegen bereits die Parole "within five seconds in 2019" ausgegeben wird, also aus Sicht der Endkunden eine Finalität binnen fünf Sekunden erreicht werden soll, während die Europäische Zentralbank - was ich richtig finde - auf einen Standard pocht, der für die gesamte Eurozone gilt und der auf Sepa basiert?

- Welches Marktproblem soll durch Instant Payments überhaupt gelöst werden - gibt es einen realen Bedarf?

All diese Fragen müssen beantwortet werden, bevor verantwortungsvoll investiert werden kann.

Erlauben Sie mir abschließend noch eine Anmerkung zu einem anderen Zukunftsthema, dem Renminbi, der durch die stetig voranschreitende Liberalisierung und Internationalisierung der Währung ein enormes Potenzial hat. Die chinesische Regierung treibt diesen Prozess in großen Schritten voran und ich glaube, dass der Renminbi noch in diesem Jahr in gewissen Bereichen frei konvertierbar werden könnte, beispielsweise mit einem Deckelbetrag für Unternehmen. Der Internationale Währungsfonds wird nun im November entscheiden, ob er den Renminbi in seinen Währungskorb aufnimmt und somit zur Weltwährung erhebt.

Renminbi: Ernüchterung zu Unrecht

Wir müssen uns am Finanzplatz Frankfurt immer wieder vor Augen führen, dass wir einer von sehr vielen Bausteinen in den Plänen der chinesischen Regierung sind, den Renminbi als Weltwährung zu etablieren. Nach einer anfänglichen Euphorie ist bei diesem Thema hier in Deutschland und Frankfurt nun ein wenig Ernüchterung eingetreten. Nachvollziehbar - aber zu Unrecht. Die Deutsche Bundesbank hat eine entscheidende Rolle darin gespielt, dass alle Beteiligten hier am Finanzplatz auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet haben, sodass es uns gemeinsam gelungen ist, in Frankfurt als erstem europäischen Standort ein Abwicklungszentrum für Renminbi zu eröffnen und die Liquidität nicht an andere europäische Finanzplätze zu verlieren. Wir haben damit ein starkes Zeichen gesetzt und konnten dem Wunsch der chinesischen Regierung entsprechen, Frankfurt als Abwicklungszentrum für Renminbi zu positionieren.

Die Deutsche Bundesbank hat bei der Renminbi-Initiative wie bei vielen anderen Beispielen eine entscheidende Rolle darin gespielt, den Finanzplatz zusammenzubringen und die Interessen des Standorts Deutschland zu wahren - gepaart mit einem echten europäischen und internationalen Weitblick. Das Forum heute ist ein weiterer wichtiger Beitrag der Deutschen Bundesbank dazu, dass Frankfurt und Deutschland bei Zukunftsthemen wie dem Zahlungsverkehr auch in Zukunft abgestimmt und auf Augenhöhe mit internationalen Entwicklungen vorgehen.

Dieser Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Zahlungsverkehrssymposium 2015 der Deutschen Bundesbank am 15. Juni 2015 in Frankfurt am Main. Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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