Übernahmeresistenz europäischer Bankensysteme - Teil II

Prof. Dr. Jan Körnert, Foto: J. Körnert

Bankensysteme sind Teil der kritischen Infrastrukturen. Im vorliegenden Beitrag, der in zwei Teilen in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen veröffentlicht wird, analysieren die beiden Autoren die Übernahmeresistenz der Finanzinstitute. Im ersten Teil wurden mittels der zunächst definierten Kriterien individuelle Größe und marktbeherrschende Stellung kritische Banken in den Bankensystemen des Euroraums identifiziert. Diese Banken nehmen in ihren Ländern machtvolle Schlüsselpositionen ein. Anhand der Möglichkeit, einfache oder qualifizierte Mehrheiten an den kritischen Banken zu erwerben, wurden nachfolgend Rückschlüsse auf die Übernahmeresistenz von Bankensystemen gezogen. Die Eigenheiten der Bankensysteme der jeweiligen Länder spielen dabei eine wichtige Rolle. So sind beispielsweise in Österreich und Luxemburg überhaupt keine kritischen Banken vorhanden, was automatisch eine Übernahmeresistenz für diese Länder bedeute. (Red.)

Eine geringe Übernahmeresistenz von Bankensystemen liegt vor, wenn in diesen Bankensystemen durch Investoren erweiterte Machtpotenziale aufgebaut werden können. Erweiterte Machtpotenziale entstehen durch einen möglichen Erwerb qualifizierter Mehrheiten an kritischen Banken des Bankensystems. In insgesamt neun Ländern des Euroraums können qualifizierte Mehrheiten mit entsprechenden Machtpotenzialen an den kritischen Banken erworben werden (siehe Abbildung). Wir wollen die Sachverhalte, die dieser Einschätzung zugrunde liegen, nun länderweise näher besprechen.

In sieben Ländern des Euroraums trifft man auf Bankensysteme mit jeweils einer kritischen Bank, die als börsennotierte Aktiengesellschaft firmiert und deren Anteile sich zu mehr als 75 Prozent im Streubesitz befinden. 1) Das betrifft die Bankensysteme Deutschlands, Finnlands, Frankreichs, Italiens, der Niederlande, Spaniens und Zyperns. An den sieben kritischen Banken in diesen sieben Ländern lassen sich demzufolge qualifizierte Mehrheiten mit den entsprechenden erweiterten Machtpotenzialen direkt erwerben, weshalb dort von einer geringen Übernahmeresistenz der Bankensysteme auszugehen ist.

Nur eine kritische Bank

Auch im estnischen und litauischen Bankensystem können erweiterte Machtpotenziale aufgebaut werden. Allerdings ist das dort nur über indirekte Beteiligungen an den kritischen Banken möglich. In Estland, wo es nur eine kritische Bank gibt, firmiert diese als ausländische Tochterbank. Es ist davon auszugehen, dass sich die schwedische Mutterbank Swedbank nicht von ihrer ertragreichen estnischen Tochterbank trennen würde. Da die schwedische Mutterbank ihrerseits aber als börsennotierte Aktiengesellschaft agiert, deren Anteile sich zu mehr als 75 Prozent im Streubesitz befinden, können auch im estnischen Bankensystem über qualifizierte Mehrheiten an der Mutterbank erweiterte Machtpotenziale aufgebaut werden, die eine geringe Übernahmeresistenz des estnischen Bankensystems nach sich ziehen.

Übernahmeresistenz der 19 Bankensysteme des Euroraums Quelle: J. Körnert/T. Junghanns

Analog ist für das Bankensystem Litauens zu argumentieren, wo es jedoch zwei kritische Banken gibt. Eine davon ist auch hier als Tochter einer Auslandsbank - ebenjener Swedbank - aktiv. Die andere kritische Bank ist Luminor. Großaktionär bei der nicht börsennotierten Luminor ist mit 80,2 Prozent der US-Investor Blackstone, dem eine hohe Verkaufsbereitschaft bei einem finanziell lukrativen Angebot unterstellt werden kann. Da an beiden kritischen Banken Litauens qualifizierte Mehrheiten erworben werden können, ist es möglich, auch dort erweiterte Machtpotenziale zu erwerben, die mit einer geringen Übernahmeresistenz des Bankensystems in Litauen einhergehen.

Moderate Übernahmeresistenz von Bankensystemen

Eine moderate Übernahmeresistenz von Bankensystemen liegt vor, wenn in diesen Bankensystemen durch Investoren nur eingeschränkte Machtpotenziale aufgebaut werden können. Eingeschränkte Machtpotenziale entstehen durch einen möglichen Erwerb einfacher Mehrheiten an den kritischen Banken des Bankensystems. Existieren in einem Bankensystem mehrere kritische Banken, an denen einfache oder qualifizierte Mehrheiten erworben werden können, dann bestimmt das "schwächste" Mitglied das höchstmögliche Machtpotenzial. Oder anders ausgedrückt: Sobald bei einer kritischen Bank keine qualifizierte Mehrheit, sondern nur eine einfache Mehrheit zu erreichen ist, nehmen wir eingeschränkte Machtpotenziale mit moderater Übernahmeresistenz für dieses Bankensystem an.

In fünf Bankensystemen des Euroraums verhindern Ankeraktionäre, dass bei jeweils wenigstens einer kritischen Bank qualifizierte Mehrheiten erreicht werden können. In Griechenland, Malta und Slowenien liegt das an staatlichen, in Belgien und Lettland dagegen an privaten Ankeraktionären. Das soll für jedes Land kurz untersucht werden.

Griechenland verfügt über drei kritische Banken, die als börsennotierte Aktiengesellschaften firmieren. Allerdings befinden sich nur bei der Eurobank Ergasias und der Alpha Bank mehr als 75 Prozent der Anteile im Streubesitz. An der dritten kritischen Bank, der National Bank of Greece, hält der im Zuge der Krise 2010 aufgelegte staatliche Bankenrettungsfonds (Hellenic Financial Stability Funds) 40,4 Prozent der Aktien. Die anderen Anteile (59,6 Prozent) befinden sich im Streubesitz. Da an einer kritischen Bank nur einfache und keine qualifizierten Mehrheiten erworben werden können, sind insgesamt auch nur eingeschränkte Machtpotenziale zu erwerben, weshalb das Bankensystem Griechenlands eine moderate Übernahmeresistenz besitzt.

In Malta ist nur eine kritische Bank aktiv. Sie notiert als Aktiengesellschaft an der Börse. Während der maltesische Staat 25 Prozent ihrer Anteile hält, liegen 64,8 Prozent im Streubesitz. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass der maltesische Staat 446 Aktien mehr hält, als für eine Sperrminorität notwendig sind.2) Dadurch kann nur eine einfache Mehrheit an der kritischen Bank Maltas erreicht werden, was eingeschränkte Machtpotenziale und eine moderate Übernahmeresistenz des maltesischen Bankensystems nach sich zieht.

In Slowenien arbeiten zwei kritische Banken. Obwohl die Nova Ljubljanska Banka (NLB) eine börsennotierte Aktiengesellschaft ist, publiziert sie ihre genauen Eigentümerstrukturen nicht. Es wurden jedoch vier Großaktionäre und ein Streubesitz zwischen 45 und 60 Prozent ermittelt. Einer der Großaktionäre ist der slowenische Staat, der 25 Prozent plus eine Aktie an der NLB hält. Eine qualifizierte Mehrheit kann somit an der NLB nicht erworben werden. Ob eine einfache Mehrheit erworben werden kann, hängt vom genauen Streubesitz und gegebenenfalls von der Verkaufsbereitschaft der anderen drei Großaktionäre ab. Während man bei einem Großaktionär, der European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), eine Verkaufsbereitschaft ausschließen kann, ist bei den verbleibenden beiden Großaktionären eine Verkaufsbereitschaft bei einem finanziell lukrativen Angebot anzunehmen, da es sich um zwei renditeorientierte Fondsgesellschaften handelt (Schroders sowie Brandes Investment Partners).

Eingeschränkte Machtpotenziale in Slowenien

Man kann daher davon ausgehen, dass an der NLB eine einfache Mehrheit zu erwerben ist. Die zweite kritische Bank Sloweniens ist die Nova KBM, die 2019/20 die drittgrößte Bank (Abanka) übernahm. Die Nova KBM ist eine nicht an der Börse notierte Aktiengesellschaft. Eigentümer sind die Private-Equity-Gesellschaft Apollo Global Management sowie die EBRD mit 80 und 20 Prozent. Ausgehend von einer grundsätzlichen Verkaufsbereitschaft der renditeorientierten Private-Equity-Gesellschaft kann man an der Nova KBM eine qualifizierte Mehrheit erreichen. Da im slowenischen Bankensystem bei einer kritischen Bank eine einfache und bei der anderen eine qualifizierte Mehrheit erworben werden kann, entstehen dort insgesamt eingeschränkte Machtpotenziale, die eine moderate Übernahmeresistenz nach sich ziehen.

Belgien verfügt über zwei kritische Banken. Die KBC Group ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Anteile sich zu 59,7 Prozent im Streubesitz befinden, weshalb sich eine einfache Mehrheit erreichen lässt. Eine qualifizierte Mehrheit ist indes nicht zu erwerben, da die verbleibenden Anteile von Großaktionären gehalten wurden, die sich in einer Aktionärsvereinbarung gemeinsamen für ein konzertiertes und stabilisierendes Vorgehen verpflichten. Die BNP Paribas Fortis befindet sich zu 99,94 Prozent in den Händen der französischen Mutter BNP Paribas. Wegen der großen Bedeutung des belgischen Marktes für die französische Mutterbank kann man zwar einen Verkauf der belgischen Tochterbank ausschließen. Da die französische Mutterbank aber ihrerseits eine börsennotierte Aktiengesellschaft ist, deren Anteile sich zu 87,3 Prozent im Streubesitz befinden, können über den Erwerb der Mutterbank qualifizierte Mehrheiten auch an der belgischen Tochterbank BNP Paribas Fortis erworben werden. Weil im belgischen Bankensystem bei einer kritischen Bank einfache und bei der anderen qualifizierte Mehrheiten erreichbar sind, entstehen dort insgesamt eingeschränkte Machtpotenziale und eine moderate Übernahmeresistenz.

In Lettland sind drei kritische Banken tätig. Zwei dieser Banken, nämlich die Swedbank und Luminor, agieren in Lettland in gleicher Konstellation wie in Litauen. An beiden lettischen Tochterbanken können qualifizierte Mehrheiten erworben werden.3) Als dritte kritische Bank ist die Skandinaviska Enskilda Banken (SEB) mit einer Tochterbank in Lettland vertreten. Man kann nicht davon ausgehen, dass sich die SEB von ihrer sehr ertragreichen Tochterbank in Lettland trennt. Da die schwedische Mutterbank jedoch als börsennotierte Aktiengesellschaft firmiert, können über die SEB-Mutter Mehrheiten an der SEB in Lettland erworben werden. Aufgrund dreier Großaktionäre,4) hinter denen auch die Gründerfamilie Wallenberg steht, ist jedoch der Erwerb einer qualifizierten Mehrheit an der SEB-Mutter nicht möglich. Da sich 67,3 Prozent der Anteile im Streubesitz befinden, kann man nur eine einfache Mehrheit erzielen. Weil sich im lettischen Bankensystem an zwei kritischen Banken qualifizierte und an einer kritischen Bank einfache Mehrheiten erzielen lassen, entstehen dort insgesamt eingeschränkte Machtpotenziale mit moderater Übernahmeresistenz.

Große Übernahmeresistenz von Bankensystemen

Eine große Übernahmeresistenz von Bankensystemen liegt vor, wenn in diesen Bankensystemen entweder keine kritischen Banken existieren oder durch Investoren keine Machtpotenziale aufgebaut werden können, also noch nicht einmal einfache Mehrheiten an den kritischen Banken dieser Bankensysteme erreichbar sind. In drei Ländern des Euroraums (Irland, Portugal, Slowakei) sind an den kritischen Banken keine einfachen Mehrheiten erreichbar, bei zwei weiteren Ländern (Luxemburg, Österreich) lassen sich kritische Banken erst gar nicht klassifizieren. Diese Zusammenhänge werden nun länderweise besprochen.

Irland verfügt über drei kritische Banken. Um eine moderate Übernahmeresistenz zu diagnostizieren, müssen an allen drei kritischen Banken zumindest einfache Mehrheiten erreichbar sein. Die Anteile der börsennotierten Bank of Ireland befinden sich zu 86,05 Prozent im Streubesitz. Als problematisch erweist sich im hier untersuchten Zusammenhang dagegen die zweitgrößte Bank Irlands, die Allied Irish Bank (AIB). Im Jahr 2009 reichten im Zuge der Krise Kapitalzuführungen durch den Staat nicht aus, um die AIB erfolgreich zu rekapitalisieren. Nach weiteren staatlichen Eigenkapitaleinlagen wurde die AIB im Januar 2011 von der Börse genommen und anschließend verstaatlicht.

Zwar feierte die AIB im Juni 2017 eine Rückkehr an die Börse, allerdings hält der irische Staat noch immer 71,12 Prozent der Anteile an der AIB. Eine einfache Mehrheit an der AIB ist demnach nicht zu erlangen. Da auch hier das "schwächste" Mitglied eines Pools das höchstmögliche Machtpotenzial bestimmen soll, sind in Irlands Bankensystem keine Machtpotenziale vorzufinden, weshalb dort von einer großen Übernahmeresistenz des Bankensystems auszugehen ist. Angemerkt sei noch, dass an der Barclays Bank Ireland über die börsennotierte Mutterbank, deren Anteile sich zu 76,61 Prozent im Streubesitz befinden, eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen ist.

In Portugal Anteile nur für den Staat

In Portugal arbeiten ebenfalls drei kritische Banken. Die größte portugiesische Bank, die Caixa Geral de Depósitos, musste 2013 und 2017 rekapitalisiert werden. Zwar firmiert sie als Aktiengesellschaft, jedoch dürfen ihre Anteile nur vom Staat gehalten werden. Der Erwerb einer einfachen Mehrheit an der größten und zugleich kritischen Bank Portugals ist mithin unmöglich. Demzufolge können im Bankensystem Portugals keine Machtpotenziale aufgebaut werden, was zu einer großen Übernahmeresistenz des Bankensystems führt. Es sei noch darauf verwiesen, dass die Banco Comercial Português als börsennotierte Aktiengesellschaft firmiert, deren Anteile sich zu 53,26 Prozent im Streubesitz befinden. 5) An der Banco Santander Totta ist über die börsennotierte Mutterbank, deren Anteile sich zu 71,44 Prozent im Streubesitz befinden, eine einfache Mehrheit zu erreichen.

In der Slowakei sind drei kritische Banken tätig. Die Slovenska sporitel'na befindet sich als nicht börsennotierte Aktiengesellschaft vollständig in den Händen der österreichischen Erste Group Bank. Eine Verkaufsbereitschaft der Mutterbank kann man ausschließen, da die Erste Group Bank im Auslandsgeschäft ihren Schwerpunkt in Mittel- und Südosteuropa hat und der slowakische Markt nach Tschechien ihr bedeutendster Auslandsmarkt ist. Die Erste Group Bank ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Anteile sich zu 69,61 Prozent im Streubesitz befinden. Da die restlichen 30,39 Prozent von einem Syndikat gehalten werden,6) das das Ziel verfolgt, die Unabhängigkeit der Erste Group Bank sicherzustellen, kann an der Erste Group Bank und ihrer slowakischen Tochterbank höchstens eine einfache Mehrheit erworben werden. Die zweitgrößte Bank der Slowakei, die Vseobecná úverová banka, wird zu 97,03 Prozent von der italienischen Intesa Sanpaolo gehalten. Einen Verkauf der slowakischen Tochterbank kann man mit den gleichen Argumenten wie bei der Erste Group Bank ausschließen. Die Intesa Sanpaolo ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren Anteile sich zu 88,21 Prozent im Streubesitz befinden. Damit kann eine qualifizierte Mehrheit an der Mutterbank und ihrer slowakischen Tochterbank erworben werden. Die dritte kritische Bank der Slowakei, die Tatra Banka, ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, die sich zu 78,8 Prozent in den Händen der in Österreich ansässigen Raiffeisen Bank International befindet.

Verkaufsbereitschaft ausgeschlossen

Eine Verkaufsbereitschaft der Raiffeisen Bank International kann ausgeschlossen werden, da sie sich zu den genossenschaftlichen Idealen, insbesondere zur sozialen Verantwortung, Solidarität und Nachhaltigkeit, ausdrücklich bekennt. Eine Mehrheit an der börsennotierten Raiffeisen Bank International kann nicht erworben werden, da 58,8 Prozent ihrer Aktien von acht österreichischen Raiffeisenlandesbanken gehalten werden. Zwar können an einer kritischen Bank der Slowakei einfache und an einer weiteren qualifizierte Mehrheiten erworben werden, aber an der dritten kritischen Bank ist keine einfache Mehrheit erreichbar. Da das schwächste Glied jedoch das höchstmögliche Machtpotenzial bestimmen soll, ist ein Aufbau von Machtpotenzialen im slowakischen Bankensystem nicht möglich, weshalb dort eine große Übernahmeresistenz zu diagnostizieren ist. Luxemburg ist neben Österreich eines der beiden Länder, in denen kritische Banken nicht klassifizierbar sind. Das bedeutet, dass dort keine Bank als global systemrelevant eingestuft wird, die konsolidierte Bilanzsumme keiner Bank 100 (Luxemburg) und 96 (Österreich) Prozent7) des jährlichen BIP des Landes erreicht und keine Bank einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent besitzt. Zudem verfügt kein Pool aus bis zu drei Banken über einen Marktanteil von mindestens 50 Prozent.

Mit Blick auf das Bankensystem Luxemburgs ist festzuhalten, dass in dem kleinen Land 127 Banken aktiv sind, von denen nur acht aus Luxemburg selbst stammen. Keine dieser acht Banken ist global systemrelevant. Unter den restlichen 119 Banken finden sich zwar global systemrelevante Banken, aber jeweils nur als Tochterbanken, die man aus machtpolitischen Überlegungen heraus immer dem Land der Mutterbank zuordnen kann. Kriterium 1a ist folglich nicht einschlägig. Des Weiteren ist die aggregierte konsolidierte Bilanzsumme aller Banken in Luxemburg sehr hoch. Sie übersteigt das BIP des Landes um das 14-fache, was mit Abstand der höchste Wert der EU ist. Allerdings ragen keine einzelnen Akteure heraus, sodass hier Kriterium 1b nicht greift. Analog ist auch hinsichtlich der Verteilung der Marktanteile in Luxemburg zu argumentieren, weshalb die Kriterien 2a und 2b nicht wirksam werden.

In Österreich sind 521 Banken tätig. Unter den zehn größten Banken rangiert nur eine Auslandsbank, nämlich die an dritter Stelle liegende Tochterbank der italienischen Unicredit. Keine der zahlreichen österreichischen Banken ist global systemrelevant. Zwar zählt die Unicredit-Tochter zu den global systemrelevanten Banken, wird aber aus machtpolitischen Gründen im Rahmen des Kriteriums 1a dem Land der Mutterbank zugeordnet.8) Die aggregierte konsolidierte Bilanzsumme aller Banken beträgt das 2,6-fache des österreichischen BIP. Das größte Einzelinstitut ist die im Zusammenhang mit der Slowakei bereits erwähnte Erste Group Bank, die mit ihrer konsolidierten Bilanzsumme in Höhe von knapp 62 Prozent des BIP den Schwellenwert des Kriteriums 1b, der für Österreich 96 Prozent beträgt, klar verfehlt. Auch der Schwellenwert von 40 Prozent für eine marktbeherrschende Stellung nach Kriterium 2a ist bei einem Marktanteil von knapp 24 Prozent weit entfernt.

Allerdings verfügen die drei größten Banken Österreichs, die Erste Group Bank, die Raiffeisen Bank International und die Unicredit Bank Austria, gemeinsam über einen Marktanteil von 48,39 Prozent und liegen damit nur wenig unter dem Schwellenwert von 50 Prozent des Kriteriums 2b. Sollten die drei größten Banken den Schwellenwert von 50 Prozent erreichen, so muss schon jetzt darauf hingewiesen werden, dass alle drei Banken als Aktiengesellschaften firmieren. Jedoch zählt die Erste Group Bank zur Sparkassengruppe, während die Raiffeisen Bank International zur Raiffeisengruppe gehört. Die Verankerungen im genossenschaftlichen Gedankengut und die Zugehörigkeit zu den Sparkassen sind Indizien dafür, dass sich Übernahmen - in welcher Form auch immer - sehr schwierig gestalten können und gegebenenfalls auf heftigen Widerstand stoßen.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Sollten unliebsame Investoren aus einem machtpolitischen Kalkül heraus Investitionen im Euroraum vornehmen wollen, dann stellen die Branchen der kritischen Infrastrukturen für sie lohnende Ziele dar. Mit Blick auf die Bankensysteme als Teil der kritischen Infrastrukturen des Euroraums ist dabei die Frage nach deren Übernahmeresistenz nicht von der Hand zu weisen. Es sind für den Euroraum 30 kritische Banken identifizierbar, mit denen sich womöglich Machtpotenziale in den Banken-, Wirtschafts- und Politiksystemen aufbauen lassen.

Solche Machtpotenziale können indes nur in 14 der 19 Länder des Euroraums aufgebaut werden, da in zwei Ländern (Luxemburg, Österreich) gar keine kritischen Banken vorzufinden sind und in drei weiteren Ländern (Irland, Portugal, Slowakei) keine Mehrheiten an den kritischen Banken erworben werden können. Man kann diesen fünf Bankensystemen, in denen über kritische Banken keine Machtpotenziale aufgebaut werden können, eine große Übernahmeresistenz attestieren.

Eigentümerstrukturen untersuchen

Eine moderate Übernahmeresistenz liegt nach Ansicht der Autoen in fünf Bankensystemen des Euroraums vor. Zwar kann man dort an den kritischen Banken einfache Mehrheiten mit den entsprechenden Machtpotenzialen, aber eben keine qualifizierten Mehrheiten erwerben. Das Erreichen qualifizierter Mehrheiten verhindern einerseits private (Belgien, Lettland) und andererseits staatliche Ankeraktionäre (Griechenland, Malta, Slowenien).

Eine geringe Übernahmeresistenz kann denjenigen Bankensystemen zugeschrieben werden, bei denen an den kritischen Banken qualifizierte Mehrheiten erworben und entsprechende Machtpotenziale aufgebaut werden können. In zwei Ländern (Estland, Litauen) ist der Erwerb einer qualifizierten Mehrheit nur indirekt über die Mutterbank der kritischen Bank möglich. In sieben Ländern kann dagegen eine solche Mehrheit direkt erworben werden (Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien, Zypern).

Alle 30 kritischen Banken des Euroraums firmieren als Aktiengesellschaften. Hiervon sind 25 an der Börse notiert, wobei 15 direkt und 10 über ihre börsennotierte Mutterbank erreichbar sind. Zwei weitere kritische Aktienbanken befinden sich mehrheitlich in den Händen von Staaten (AIB in Irland, Caixa Geral de Depósitos in Portugal) und drei mehrheitlich in den Händen der großen Investmentgesellschaften Blackstone (Luminor in Lettland und in Litauen) und Apollo Global Management (Nova KBM in Slowenien).

Analysen zur Übernahmeresistenz, die aus einem machtpolitischen Blickwinkel heraus allein auf die Rechtsform abstellen, treffen bei den kritischen Banken des Euroraums ausschließlich die Rechtsform der Aktiengesellschaft an und laufen damit zunächst ins Leere. Hingegen lassen sich Hinweise zur Übernahmeresistenz der Bankensysteme im Euroraum vor allem dann finden, wenn man für jede kritische Bank des Euroraums die dahinterliegenden Eigentümerstrukturen, Aktionärsvereinbarungen und Satzungen sowie die sektoralen Verankerungen (Genossenschaften, Sparkassen) im Detail untersucht.

Abschließend sei noch bemerkt, dass der aus Gründen der Marktmacht öfter herangezogene HHI für die Problemstellung keine überzeugenden Hinweise liefert. Während der HHI beispielsweise sowohl dem deutschen als auch dem luxemburgischen Bankensystem eine hohe Fragmentierung mit geringer Marktmacht bescheinigt, kann man die beiden Bankensysteme aus machtpolitischen Überlegungen heraus genau an die entgegengesetzten Enden ordnen und ihnen eine geringe beziehungsweise große Übernahmeresistenz attestieren. Ausschlaggebend dafür ist eine Bank, nämlich die global systemrelevante und damit kritische Deutsche Bank, die der HHI machtpolitisch völlig unterschätzt.

Fußnoten

1) Wegen der fehlenden strategischen Motive von Kleinaktionären nehmen wir an, dass Aktien im Streubesitz bei einem finanziell reizvollen Angebot vollständig übernommen werden können.

2) Von den 583 849 270 Aktien der Bank of Valletta entfallen 145 962 764 auf den maltesischen Staat.

3) Vgl. hierzu die Ausführungen am Ende von Teil 4.

4) Die Großaktionäre sind: Investor AB (20,8 Prozent), Alecta Pension Insurance (6,6 Prozent), Trygg-Stiftelsen (5,3 Prozent).

5) Bemerkenswert ist die Anteilseignerstruktur der Banco Comercial Português außerhalb des Streubesitzes: Dem chinesischen Konzern Fosun International gehören 27,25 Prozent und der Sociedade nacional de combustíveis de angola, einem staatseigenen Öl- und Gaskonzern aus Angola, 19,49 Prozent der Stimmrechte.

6) Das Syndikat besteht aus folgenden Partnern: Erste Stiftung (11,41 Prozent), Caixa Bank (9,92 Prozent), Sparkassen & Sparkassenstiftungen (5,98 Prozent), sonstige Partner (3,08 Prozent).

7) Für Luxemburg und Österreich lauten die S&P-Länderratings AAA und AA+. Vgl auch Fußnote 17, Teil I.

8) Vgl. zur Einordnung der Unicredit Bank Austria nach den Kriterien 1a und 2b, Fußnote 16, Teil I.

Prof. Dr. Jan Körnert , Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement / Kapitalmärkte , Universität Greifswald
Thomas Junghanns , Equity Research Associate

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X