Vermögensverwaltung deutscher Versicherer: von Einzelanleihen hin zu diversifizierten Renten-ETFs

Hamed Mustafa, Leiter institutioneller Vertrieb von ETF & Index Investments in Deutschland, BlackRock, Frankfurt am Main

Quelle: BlackRock

Hamed Mustafa, Leiter institutioneller Vertrieb von ETF & Index Investments in Deutschland, und Rizwan Khan, Sales ETF & Index Investments, beide BlackRock, Frankfurt am Main - Insbesondere bei zwei generellen Trends im institutionellen Asset Management sehen die Autoren die Versicherer als Vorreiter: bei der Nutzung von ETFs als Alternative zur Selektion einzelner Anleihen sowie bei der Einbindung von ETFs bei der Erweiterung des Anlagespektrums um zusätzliche Anlageklassen. Und gerade in Phasen von Marktstress registrieren sie aus dieser Anlagegruppe eine besondere Nachfrage. Mit ihrer Wachstumsprognose einer Vervierfachung des europäischen Marktes für börsengehandelte Indexfonds in zehn bis 15 Jahren sind sie sehr offensiv. Bei allem Zuspruch vonseiten der Versicherer sehen sie für diese Branche allerdings auch eine Herausforderung, die Bilanzierung. Denn im Gegensatz zu einzelnen Anleihen haben Anleihen-ETFs keine Endfälligkeiten und keine festen Kuponzahlungen. Und Versicherern, die nach IFRS bilanzieren, können Anleihen-ETFs, anders als einzelne Emissionen, nicht fortlaufend zum Nominalwert verbuchen. Ihre Nachricht dazu: Anbieter börsengehandelter Indexfonds arbeiten derzeit an Lösungen, die die Vorzüge von ETFs mit Eigenschaften einzelner Anleihen - Endfälligkeit und feste Kupons - verbinden. (Red.)

Börsengehandelte Indexfonds (ETFs) erfreuen sich bei institutionellen Investoren sowohl in der Breite als auch in der Tiefe wachsender Beliebtheit. In der Breite steigt die Zahl derer, die die Produkte schätzen. In der Tiefe nimmt die Art und Weise, wie ETFs zum Einsatz kommen, weiter zu.

Versicherer sind in Europa gewissermaßen Vorreiter, wenn es darum geht, ETFs anzuwenden. Denn keine andere Kundengruppe nutzt die Fonds inzwischen so stark wie die Assekuranz: Bei neun von zehn Gesellschaften in Europa bereichern ETFs das Portfolio, zeigt eine Umfrage, die das US-Analyseund Beratungsunternehmen Greenwich Associates im März 2017 veröffentlicht hat. Daran haben 132 institutionelle Investoren aus Europa teilgenommen, darunter Versicherer, Vermögensverwalter und Pensionsfonds.

Versicherer als Vorreiter der Einbindung von ETFs

Versicherer als Vorreiter eignen sich besonders gut, um zwei generelle Trends im institutionellen Asset Management zu veranschaulichen: die Nutzung von ETFs als Alternative zur Selektion einzelner Anleihen und die Einbindung von ETFs, um das Anlagespektrum um zusätzliche Anlageklassen zu erweitern.

Traditionell kamen börsengehandelte Indexfonds vor allem im Aktienbereich zum Einsatz. Dort machen sie laut Greenwich-Umfrage bei Versicherern inzwischen 88 Prozent aus. Angesichts des Marktumfeldes und des zunehmenden Produktangebotes greifen Anleger nun auch zunehmend auf ETFs zurück, um Chancen am Anleihenmarkt für sich zu nutzen: Bei Versicherern bringen die Fonds es in diesem Segment inzwischen auf 53 Prozent - Tendenz steigend. Der Trend hin zu mehr Anleihen-ETFs in institutionellen Portfolios spiegelt sich auch in den Mittelzuflüssen wider. Laut Global ETP Landscape von Blackrock legten Anleger bis Ende Juni 2017 weitere 87,8 Milliarden US-Dollar in Anleihen-ETFs an. Damit liegen die Zuflüsse des laufenden Jahres aktuell deutlich über denen des bisherigen Rekordjahres 2016, in dem rund 115,7 Milliarden Dollar in Anleihen-ETFs flossen.

Ursprünglich haben Versicherer ETFs vor allem in zweierlei Hinsicht genutzt: um die Aktienquote im Deckungsstockvermögen abzubilden sowie im Rahmen fondsgebundener Dachsfondslösungen, um kostengünstige und effiziente Produkte anbieten zu können. In diesem Zusammenhang sind Aktien-ETFs interessant, weil sie den Versicherten langfristig höhere Renditechancen ermöglichen. Nun kommen Versicherer zudem vermehrt auf ETFs zurück, wenn es darum geht, ihr Deckungsstockvermögen effizient zu managen. Treiber dieser Entwicklung ist die abnehmende Liquidität am Anleihenmarkt - jene Anlageklasse, die traditionell den Großteil des Deckungsstockvermögens von Versicherern ausmacht.

Börsengehandelte Indexfonds als Alternative zu einzelnen Anleihen

Angesichts der Vorschriften des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zur Regulierung von Banken - auch bekannt unter dem Stichwort Basel III - geht die Liquidität am Anleihenmarkt zurück. Beispielsweise betrug der Handelsumsatz bei US-Hochzinsanleihen 2005 noch mehr als 170 Prozent des ausstehenden Volumens, belegt Barclays Research. Im Jahr 2014 waren es nur noch knapp über 100 Prozent. Im US-Investmentgrade-Bereich hat die Quote im gleichen Zeitraum von fast 100 Prozent auf knapp über 60 Prozent abgenommen.

Der Grund dafür ist, dass viele Banken sich aus dem Anleihenhandel zurückgezogen haben, um ihre Bilanzen zu bereinigen und neuen regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Die verbliebenen Market Maker beschränken sich im Handel zunehmend auf große Tickets. Wer kleinere Tickets handeln möchte, bleibt in der Regel außen vor. Das trifft vor allem kleine bis mittelgroße Versicherer, die mitunter nicht mehr zum Zuge kommen.

Vor diesem Hintergrund bieten börsengehandelte Indexfonds sich als Alternative zu einzelnen Anleihen an. Sie ermöglichen den Zugang zu einem breit diversifizierten Portfolio von Zinspapieren in einer einzigen Transaktion. So umfasst der iShares Global Corporate Bond UCITS ETF rund 4 800 einzelne Emissionen aus dem Bereich der Unternehmensanleihen weltweit. Der Greenwich-Umfrage zufolge ist ein schneller Marktzugang für 80 Prozent der institutionellen Investoren eines der wichtigsten Argumente für Anleihen-ETFs.

Knapp dahinter folgt mit 72 Prozent die hohe Liquidität der Produkte. ETFs sind vielfach liquider als einzelne Papiere. Denn anders als einzelne Anleihen, bei denen Transaktionen in erster Linie außerbörslich ablaufen, werden Anleihen-ETFs an Börsen gehandelt - und zwar sowohl am Primärals auch am Sekundärmarkt. Auf diese Weise fungieren sie als zusätzliche Liquiditätsschicht. Diese erhöhte Liquidität hat sich auch in historischen Stressphasen bewährt.

So zeigt eine Analyse von Blackrock, dass das Handelsvolumen eines ETFs auf US-Hochzinspapiere in Stressphasen deutlich angestiegen ist - darunter die Kreditkrise 2008, die europäische Staatsschuldenkrise 2010, die Bonitätsherab stufung von US-Staatsanleihen 2011, die Marktverwerfungen in Erwartung einer strafferen Geldpolitik der US-Notenbank (das sogenannte Taper Tantrum) 2013, der Ölpreisverfall 2014 und der Ausverkauf von Hochzinsanleihen 2015.

Verstärkte Nutzung in Phasen von Marktstress

Gleichzeitig waren in diesen Fällen keine massenhaften, notgedrungenen Auflösungen von Anteilen (Redemptions) festzustellen. Vielmehr hat die Zahl der neu geschaffenen ETF-Anteile (Creations) im Vergleich zu den aufgelösten Anteilen zugenommen. Investoren haben den ETF also in Phasen erhöhten Marktstresses zunehmend genutzt, um flexibel reagieren zu können.

Die hohe Liquidität des Börsenhandels und die Transaktion kompletter Wertpapierkörbe tragen dazu bei, dass Anleihen-ETFs allgemein kostengünstiger sind als der Handel in den Basisanleihen. Das führt aufseiten der Investoren zu niedrigeren Transaktionskosten, etwa in Form enger Geld-Brief-Spannen. Gemäß Bloomberg und Credit Sights liegt die durchschnittliche Geld-Brief-Spanne des iShares Euro High Yield Corporate Bond UCITS ETF bei gerade einmal 0,17 Prozent.

Erweiterung des Anlagespektrums um ETFs

Institutionelle Investoren verwenden ETFs auch, um ihr Anlagespektrum auf der Suche nach zusätzlichen Renditequellen zu erweitern. Niedrige Zinsen sorgen dafür, dass Versicherer sich neuen Anlageklassen öffnen - vor allem in der Lebensversicherung. Das betrifft im Speziellen den Anleihenbereich, sprich den traditionellen Drehund Angelpunkt in der Kapitalanlage von Versicherern. Wo das Deckungsstockvermögen früher fast ausschließlich in europäische Staatsanleihen investiert wurde, lassen die Portfoliomanager den Blick inzwischen weiter schweifen. Eine weltweite Umfrage von Blackrock unter 60 Großversicherern zeigt: Für das Jahr 2017 planen 26 Prozent der Befragten, stärker in Hochzinsanleihen zu investieren; 18 Prozent wollen die Chancen von Schwellenländeranleihen vermehrt nutzen.

Diese Marktsegmente sind vielen Versicherern noch nicht ausreichend vertraut. Daher schätzen die Portfoliomanager Lösungen, die ihnen effizienten Zugang bieten, ohne dass eine Einzeltitelselektion erforderlich ist. In diesem Kontext können ETFs ihre Vorzüge sehr gut ausspielen. Die Kapitalströme spiegeln das wider: Besonders gefragt sind bei Versicherern momentan börsengehandelte Indexfonds auf europäische und US-Unternehmensanleihen. Zudem steigt seit Anfang 2017 die Nachfrage nach Produkten auf Schwellenländeranleihen.

Deutliches Wachstum

Dass institutionelle Investoren wie Versicherer die Vorteile börsengehandelter Indexfonds im Vergleich zu einzelnen Anleihen schätzen und Anleihen-ETFs zunehmend einsetzen, dürfte ein langfristiger Trend sein. Denn die Treiber der bisherigen Entwicklung - geringere Liquidität bei einzelnen Anleihen und erweiterte Anlageuniversen angesichts niedriger Zinsen - sollten aller Erwartungen nach auf absehbare Zeit bestehen bleiben.

So gaben in der Greenwich-Umfrage 27 Prozent der Anwender von Anleihen-ETFs an, die Produkte im Laufe des Jahres 2017 noch stärker nutzen zu wollen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass das Anleihensegment eines der besonders dynamischen Wachstumssegmente des ETF-Marktes bleiben wird. Der verstärkte Einsatz von Anleihen-ETFs durch Versicherer und andere institutionelle Investoren wird maßgeblich dazu beitragen, dass der europäische Markt für börsengehandelte Indexfonds sich innerhalb der kommenden zehn bis fünfzehn Jahre in etwa vervierfachen kann - gemessen am verwalteten Vermögen von rund 680 Milliarden Dollar Ende Juni 2017. Schon bis Ende 2019 sind eine Billionen Dollar verwaltetes Vermögen denkbar.

Bilanzierung als Herausforderung

Bei den vielen genannten Vorzügen stehen Versicherer beim Einsatz von Anleihen-ETFs in der Deckungsstockverwaltung auch vor gewissen Herausforderungen. Dies betrifft vor allem die Bilanzierung. Im Gegensatz zu einzelnen Anleihen haben Anleihen-ETFs keine Endfälligkeiten und keine festen Kuponzahlungen. Das ist sowohl im Rahmen der Bilanzierung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) als auch nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) nicht ideal.

Bei den Versicherern, die nach IFRS bilanzieren, kommt hinzu, dass sie Anleihen-ETFs, anders als einzelne Emissionen, nicht fortlaufend zum Nominalwert verbuchen können. Stattdessen gilt es, entsprechend der Anteilswertänderungen der Fonds tägliche Zu- beziehungsweise Abschreibungen vorzunehmen. Das ist im Rahmen der Asset-Liability-Modellierung der Versicherer nicht der Weisheit letzter Schluss. Die gute Nachricht lautet, dass die Anbieter börsengehandelter Indexfonds dies bereits erkannt haben und reagieren. Derzeit wird an Lösungen gearbeitet, die die Vorzüge von ETFs - breiter Marktzugang und hohe Liquidität - mit Eigenschaften einzelner Anleihen - Endfälligkeit und feste Kupons - verbinden. Damit können die Anbieter den Interessen von Versicherern und weiteren institutionellen Investoren noch besser gerecht werden.

Hamed Mustafa , Leiter Institutional Sales Deutschland im Bereich ETF und Index Investing, BlackRock, Frankfurt am Main
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