VTB Bank (Europe) SE: Cross Border Downstream Merger und Restrukturierung des Europageschäfts

Arthur Iliyav, Vorsitzender des Vorstands, VTB Bank (Deutschland) AG, Frankfurt am Main - Dass international tätige Kreditinstitute, die bisher von London aus mit dem EU-Passporting im gesamten Euroraum operiert haben, sich strategisch neu positionieren müssen, um nach Vollzug des Brexits lückenlos weiterarbeiten zu können, ist das bekannte Muster vieler Standortüberlegungen der vergangenen Monate. Wie der Autor am Beispiel seines Hauses verdeutlicht, treiben auch unabhängig von der Brexit-Diskussion beziehungsweise darüber hinaus einige Institute ihre strategische Ausrichtung auf Europa voran, um auf den lokalen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Von einem Cross Border Merger von bisher drei Einheiten seines Hauses unter der Rechtsform der SE mit einer Vereinheitlichung der technischen Infrastruktur und der internen Prozesse verspricht er sich nicht nur bessere Voraussetzungen zur Erreichung der Wachstumsziele, sondern auch Spielraum für die Ausweitung der Aktivitäten auf neue Produkt- und Dienstleistungsbereiche. Als strategische Zielstruktur nennt er die paneuropäische Bank. (Red.)

Sinkende Margen, steigende Kosten, erhöhte Komplexität - diese Treiber im Finanzsektor bewirken mehr und mehr weitreichende Ansätze zur Transformation der bestehenden Strukturen vieler Kreditinstitute. Einen möglichen Lösungsansatz bildet die Vereinfachung der rechtlichen Strukturen im europäischen grenzüberschreitenden Netzwerk einer internationalen Bank, um hierüber die Basis für eine effiziente Infrastruktur, eine konzernweite Digitalisierungsstrategie und ein stark vereinfachtes Governance-Model zu schaffen.

Diesen Weg schlägt die VTB Group mit ihren in Kontinentaleuropa tätigen Banktöchtern ein. Welche Chancen und Herausforderungen sich dabei ergeben und wie die Bank die operative Umsetzung realisiert, soll im Folgenden beschrieben und erläutert werden.

Rahmenbedingung und Standortwahl

Die unter der ESH (European Subholding) der VTB Gruppe geführte VTB Bank (Deutschland) AG richtet ihren geschäftlichen Schwerpunkt vor allem auf das Corporate Business und auf die Abwicklung von Zahlungsverkehrsdienstleistungen im internationalen, vorrangig im osteuropäischen und asiatischen Umfeld aus. Die VTB Bank (Deutschland) AG ist seit über 40 Jahren in Europa tätig und bezeichnet sich selbst als die deutsche Spezialbank für deutschrussische Handelsbeziehungen. Das in Frankfurt am Main ansässige Institut firmiert derzeit noch als einhundertprozentiges Tochterunternehmen der österreichischen VTB Bank (Austria) AG, welche heute die Europazentrale der VTB Group darstellt.

Neben Deutschland existiert eine weitere Tochter, die VTB Bank (France) SA mit Sitz in Paris. Auf dem deutschen Markt ist die VTB vor allem durch ihre hier ansässige Direktbank bekannt geworden, die seit 2011 einen erheblichen Anteil zur Refinanzierung der Bank beiträgt und sich durch einfache und innovative Anlageprodukte als feste Größe am Direktbankmarkt etablieren konnte. Das wirtschaftspolitische Umfeld der Bank ist seit den vergangenen drei Jahren bedingt durch die Sanktionen herausfordernder geworden. Zudem bindet der Geschäftsbetrieb an drei unterschiedlichen Standorten interne Ressourcen, um die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Unter Berücksichtigung der aufgeführten Rahmenbedingungen und dem Ziel der Neuausrichtung musste sich die VTB klar zu einem Standort für den zukünftigen Hauptsitz bekennen.

Beim Vergleich der Standorte konnte Frankfurt vor Paris und Wien durch die große Bankendichte, die damit gewachsenen Strukturen und die Nähe zum Geschäft beziehungsweise zum Kunden punkten. Frankfurt bietet ein internationales Umfeld, ist im Herzen Europas durch die Nähe zum Flughafen sehr gut angebunden und verfügt darüber hinaus über einen sehr entwickelten Arbeitsmarkt mit einem hohen Potenzial an Talenten. Bereits in den vergangenen Jahren konnte ein erfahrenes Team vor Ort aufgebaut werden. Die VTB Bank (Deutschland) AG erneuerte Ende 2016 vollständig ihr Kernbanksystem, eine wichtige Voraussetzung für Wachstum. Zudem verfügt die VTB mit der in Frankfurt ansässigen Direktbank über einen Zugang zum Retailmarkt und hat dadurch Zugriff auf eine skalierbare Refinanzierungsquelle.

Mehr Effizienz durch neue rechtliche Strukturen

Die Standortfrage im europäischen Kontext wird maßgeblich durch die Komplexität der Märkte beeinflusst, was durch das grenzübergreifende Passporting ausgeglichen werden kann. Für die erfolgreiche Steuerung und den internationalen Ausbau des Geschäfts bietet Frankfurt damit die idealen Voraussetzungen.

Zunächst führte die VTB eine genaue Analyse des Geschäftsmodells der European Subholding (ESH) durch. Darüber hinaus galt es, die zukünftigen Geschäftsziele unter Berücksichtigung der regulatorischen und technischen Rahmenbedingungen zu evaluieren und die Zukunftsfähigkeit der Bank zu stärken. Die Analyse zeigte, dass eine Transformation des Geschäftsmodells notwendig ist.

Vor allem die Infrastruktur, die internen Prozesse und das Produktportfolio bedürfen einer starken Optimierung, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Um das Unternehmen neu auszurichten, galt es deshalb, den rechtlich dafür notwendigen Rahmen zu ermitteln, die technischen Anforderungen zu definieren und ein Konzept für die einzelnen Standorte und deren zukünftige Entwicklung zu erarbeiten.

Als Ergebnis führt die Bank deshalb einen Cross Border Downstream Merger durch. Am Ende des Prozesses wird die VTB Bank (Europe) SE stehen, die ihren neuen Europasitz in Frankfurt am Main haben wird - aus der deutschen Tochter wird nun die Mutter. Das Geschäft in Wien wird konsolidiert. Hier entsteht ein Dienstleistungshub für Kunden, wobei die Backoffice-Prozesse und die Steuerung der Bank weitestgehend von Deutschland aus erfolgen werden. Der französische Standort wird gänzlich aufgelöst. Das Kerngeschäft der Bank sowie die Kundenausrichtung bleiben vom Transformationsprojekt aus Kundensicht unberührt. Die Bank bedient ihre Kunden weiterhin störungsfrei und hält am verabschiedeten Businessplan fest.

Reduktion auf eine Lizenz

Was genau geschieht nun bei der Transformation? Im Kern werden die Banklizenzen der europäischen Niederlassungen eines Institutes auf eine einzige Lizenz reduziert und die bestehenden Legal Entities auf eine Zielstruktur rechtlich und bilanziell verschmolzen. Durch das sogenannte EU Passporting können Bankinstitute, die im europäischen Wirtschaftsraum eine Vollbanklizenz in einem Land unterhalten, die lizensierten Dienstleistungen in ihrem gesamten Branch-Netzwerk in anderen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums ausüben.

Parallel dazu erfolgen prozessuale und organisatorische Änderungen um die "neue" Bank in der rechtlichen Form der Societas Europea (SE) auf die europäischen und lokalen regulatorischen Vorschiften anzupassen - die sogenannte "Operational Readiness". Abhängig von der Ausgangslage werden dabei zusätzlich alle drei IT-Infrastrukturen auf ein einziges Zielsystem in der zukünftigen Europa SE migriert. Durch die geschaffene Optimierung der IT-Infrastruktur lässt sich das Produktportfolio beziehungsweise einzelne Produktfeatures aller jetzigen Standorte auf alle Kunden adaptieren. Durch die gestrafften Arbeitsprozesse und schnellere Bearbeitungszeiten wird damit das Portfolio der Bank für weitere europäische Kunden noch attraktiver und qualitativ hochwertiger. Produktanpassungen können in der neuen Infrastruktur schneller durchgeführt werden, da interne Ressourcen - insbesondere im IT-Bereich - nun verstärkt auf die Umsetzung von kundennahen Projekten allokiert werden können.

Einflussfaktoren auf den Cross Border Merger

Rechtliche Faktoren: Die Durchführung eines grenzüberschreitenden Mergers dreier Banken mit der Besonderheit, dass die Muttergesellschaft VTB Bank (Austria) AG auf die Tochtergesellschaft VTB Bank (Deutschland) AG verschmolzen wird und gleichzeitig die VTB Bank (France) SA im Moment der Verschmelzung auf die neu geschaffene VTB Bank (Europe) SE geschlossen wird, führt zu einem klaren rechtlichen Zeitplan und vorgegebenen Fristen. Neben den üblichen rechtlichen Schritten im Rahmen einer Verschmelzung muss insbesondere die Kommunikation mit den verschiedenen Aufsichtsbehörden gewährleistet werden.

Technische und operationelle Faktoren: Die VTB nutzt aktuell in Deutschland, Österreich und Frankreich drei verschiedene Kernbanksysteme, die zum Zeitpunkt des Legal Mergers auf die Zielstruktur und das aktuelle Kernbanksystem in Deutschland migriert werden müssen. Während dieses Prozesses müssen die Systeme harmonisiert werden, das heißt, es muss ein zentrales Datawarehouse aufgebaut werden sowie alle aktuellen Kunden und Produkte auf das neue Kernbanksystem migriert werden.

Personelle Faktoren: Änderungen in der Unternehmensstruktur beeinflussen bestehende Prozesse, Arbeitsstrukturen sowie gewohnte Abläufe. Verantwortlichkeiten und Tätigkeiten können sich für den einzelnen Mitarbeiter ändern. Aus Unternehmenssicht ist vor allem darauf zu achten, dass für den Change-Prozess und für das Tagesgeschäft notwendige Knowhow und Skills im Unternehmen vorhanden sind. Im Zuge der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft muss darüber hinaus ein besonderes Verhandlungsgremium (BVG) gebildet werden, um die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiter in der künftigen Europe SE zu verhandeln. Hierzu existieren bereits funktionierende Prozesse innerhalb der Bank. In diesem rechtlich klar definierten Verfahren verhandeln Arbeitnehmervertreter aller beteiligten Gesellschaften mit der Unternehmensleitung über die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer in der künftigen Gesellschaft.

Kommunikative Faktoren: Viele der personellen Herausforderungen spiegeln sich in der dafür notwendigen internen Kommunikation wider. Mitarbeiter müssen darüber informiert werden, was sich in ihrem Umfeld ändert. Hierzu empfiehlt es sich, einen mehrstufigen Kommunikationsplan aufzusetzen und verschiedenen Maßnahmen zu implementieren, um einen kontinuierlichen Informationsfluss mit aktuellen und relevanten Informationen sicherzustellen (zum Beispiel Newsletter, Informationsveranstaltungen, Workshops). Parallel muss eine Strategie für die externe Kommunikation erarbeitet werden. Vor und während des Mergers wird es Presseanfragen geben, die es zu steuern gilt. Kunden, Verbände, Partner und alle mit der Bank verbundene Personen müssen frühzeitig informiert und von möglichen Änderungen in Kenntnis gesetzt werden. Zum Zeitpunkt des Mergers müssen alle nach außen sichtbaren Kontaktpunkte angepasst werden, dabei zählt jedes Detail.

Ansatz und Umsetzung

Workstream-Lösung: Zur erfolgreichen Umsetzung wurde ein Projekt initiiert, welches sich in verschiedene Themenschwerpunkte, den sogenannten Workstreams, untergliedert. Damit wird sichergestellt, dass alle fachlichen Schwerpunkte ausreichend berücksichtig werden. Zur Steuerung der einzelnen Workstreams wurde eine Programmleitung etabliert. Insgesamt kann auf viele verschiedene Ressourcen innerhalb der Konzernstruktur zurückgegriffen werden. Das Projekt wird maßgeblich von den Expertenteams und vom Senior-Management aus London und Moskau unterstützt.

Target Operating Model: Das Target Operating Model beschreibt das künftige Setup der VTB Bank (Europe) SE in einem umfassenden Dokument und fokussiert dabei auf die Bereiche, die sich in der Bank mit der Verschmelzung verändern. Das Dokument beinhaltet eine Gesamtsicht, wie die VTB Bank (Europe) SE die strategische Zielstruktur einer paneuropäischen Bank zu erreichen plant. Es stellt ein konsistentes Verständnis des Projektes bei allen internen und externen Stakeholdern sicher. Es dient zudem als theoretische Basis für die Implementierung der notwendigen Strukturen und Prozesse sowie zur Veranschaulichung der von der Bank ergriffenen Maßnahmen im Hinblick auf die regulatorischen Anforderungen.

Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Projekt: Ein internationales Projekt mit dem Ziel, die Bank neu zu kalibrieren, bedarf einer besonderen Planung, die Berücksichtigung verschiedenster Interessenlagen und einer klaren, stringenten Führung. Es ist wichtig, über das benötigte Expertenwissen im Haus oder auch über externe Dienstleister zu verfügen und Ressourcen entsprechend zu berücksichtigen und einzuplanen.

Ausweitung des Produkt- und Dienstleistungsspektrums

Die VTB Bank (Europe) SE wird durch den Merger zu einer sehr modernen europäischen Bank und nimmt eine herausragende Stellung innerhalb der Auslandsbanken ein. Das Ergebnis der Neuausrichtung zeigt deutlich die Stärken und die Flexibilität einer kleinen Bank, was einen klaren Wettbewerbsvorteil darstellt und nachhaltig die Leistungs- und Servicebereitschaft für die Kunden prägen wird.

Darüber hinaus wird das Leistungsspektrum durch viele weitere Produkte und neue Schwerpunkte im Investment Banking abgerundet. Galt die bisherige Ausrichtung der VTB Bank (Deutschland) AG vor allem Handelsfinanzierungen, Krediten und internationalem Zahlungsverkehr, wird die VTB Bank Europe SE darüber hinaus Lösungen für Anleihen, Rohstoffe, Derivate, Aktien und sonstige Wertpapiere bieten. Für Kunden eröffnet sich damit ein breites Spektrum von Möglichkeiten. Die geschaffenen Strukturen werden der Bank helfen, zukünftige Wachstumsziele schneller zu erreichen, da Ressourcen stärker in die Entwicklung der Kundenbeziehungen investiert werden können.

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