Regulierung

Längst ein Mittelstandsthema

Die Wirtschaft in Deutschland brummt. Das ist nicht zuletzt den 3,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu verdanken. Sie trotzen der widrigen konjunkturellen Lage in Europa, investieren, schaffen Arbeitsplätze und erweisen sich damit einmal mehr als Stabilitätsanker. Das Erfolgsrezept: ein wettbewerbsfähiges Geschäftsmodell und eine solide Finanzlage. Zu letzterer tragen insbesondere die Regionalbanken bei, indem sie zuverlässig die Kreditversorgung vor Ort sicherstellen.

Also alles in Ordnung? Schön wär's. In der aktuellen wirtschaftlichen Schönwetterperiode hat kaum jemand im Blick, welche Gefahren der Realwirtschaft durch falsche Ansätze in der europäischen Bankenregulierung drohen. Im Klartext: Das bewährte Zusammenspiel von Mittelstand und Hausbanken wird durch immer neue Ideen der Regulatoren torpediert. Und das wird sich unmittelbar auf die Finanzierung der Unternehmen auswirken. Wenn nicht umgesteuert wird, ist nicht nur eine Verknappung und Verteuerung von Krediten zu befürchten. Auch die langfristige Finanzierungskultur in Deutschland, ein Garant für Planungssicherheit und Stabilität, steht auf der Kippe.

Das Kernproblem: Bürokraten in Brüssel oder London ignorieren konsequent die mittelständischen Wirtschaftsstrukturen hierzulande. Bestes Beispiel dafür ist die Kapitalmarktunion: Mit ihr will die EU-Kommission die Unternehmensfinanzierung eigentlich erleichtern und so mehr Wachstum und Beschäftigung schaffen. Doch leider wird das Projekt den Bedürfnissen der Betriebe nicht gerecht. Denn Brüssel fokussiert sich darauf, Kapitalmarktinstrumente wie Anleihen zu fördern. Doch das bringt KMUs wenig: Der durchschnittliche Kreditbedarf eines Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Bayern liegt bei 130 000 Euro. Da ist der Kapitalmarkt keine Alternative. Was die Unternehmer einfordern, sind die für sie günstigeren und flexibleren Bankkredite.

Muss die EU-Kommission überhaupt derart dirigistisch in den Markt eingreifen? Oder sollten Unternehmen nicht selbst über Finanzierungsfragen entscheiden? Und: Sollte die Kommission nicht besser die bewährte Kreditfinanzierung stärken, anstatt sich auf die Kapitalmärkte zu konzentrieren? Das sollte sie. Doch während die Regeln für kapitalmarktbasierte Finanzierungen gelockert werden, wird die Kreditvergabe durch neue Vorschriften perspektivisch erschwert. Das betrifft etwa die Reform des Kreditrisikostandardansatzes, die Hinterlegung von Zinsänderungsrisiken mit mehr Eigenkapital oder Vorgaben für eine laufzeitenkongruente Refinanzierung. Im Kern würden diese Pläne Firmenkundenkredite erheblich verteuern und zu einer Verkürzung der Laufzeiten führen. Zudem würden Prolongations- und Zinsänderungsrisiken von den Banken auf die Unternehmen verlagert. Für das Investitionsklima ist das verheerend.

Ein weiterer Hemmschuh für die Mittelstandsfinanzierung: Bürokratie. Als gäbe es davon nicht schon genug, hat die EZB mit der Kreditdatenbank Ana-Credit gerade ein "Meldemonster" auf den Weg gebracht, das seinesgleichen sucht. Die Zentralbank verlangt, dass Banken im Euroraum spätestens 2018 bei Firmenkrediten ab 25 000 Euro rund 100 Kreditmerkmale in das neue Register einspeisen. Für diesen Datenhunger werden am Ende die Unternehmen geradestehen. Sie müssen für zig Millionen Darlehen Informationen liefern, die tiefe Einblicke in ihre Bücher zulassen. Zudem werden wiederum die Banken nicht umhinkommen, einen Teil der ihnen für die Meldepflichten entstehenden Kosten umzulegen. Ein ebenso teurer wie nutzloser Datenfriedhof entsteht.

Bürokratische Zusatzlasten dieser Art und die Pläne für steigende Eigenkapitalanforderungen werden früher oder später negativ auf die Wirtschaft durchschlagen. Politik und Regulierer müssen diese Gefahr ernst nehmen. Einige Akteure tun das bereits: Zumindest haben sich das Europäische Parlament und der Bundestag dafür ausgesprochen, Regulierungsmaßnahmen stärker auf ihre Qualität hin zu überprüfen. Das Bundesfinanzministerium setzt sich dafür ein, die Anforderungen für Regionalbanken verhältnismäßiger zu gestalten.

Dafür ist es höchste Zeit. Unternehmen und Banken brauchen prägnante Regeln, kein bürokratisches Kleinklein. Hindernisse für die Finanzierung der Realwirtschaft müssen beiseitegeräumt werden. Und für neue Regulierungsmaßnahmen müssen strengere Qualitätskontrollen durchgeführt werden. Nur dann können die Regionalbanken ihre Rolle als Finanzintermediäre ausfüllen und den Mittelstand dabei unterstützen für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.

Dr. Jürgen Gros, Vorstand, Genossenschaftsverband Bayern (GVB)

Dr. Jürgen Gros , ehemaliger Präsident , Genossenschaftsverband Bayern e. V. (GVB), München
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