Rechtsfragen II

Mehr Verständnis des BGH für die Banken - nur Anschein?

Es wäre sicher übertrieben, gleich einen Paradigmenwechsel beim Bundesgerichtshof zu vermuten, nur weil dessen Bankensenat am 21. April 2015 (Az. XI ZR 200/14) ein Urteil verkündet hat, das mehr als manche früheren Entscheidungen eine recht sorgsame Abwägung und Gewichtung der Interessen der Bank und ihres Kunden/Partners erkennen lässt. Das Urteil fällt dadurch auf, dass es offenbar der in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verfügten richterlichen Generalvermutung nur zögernd folgen möchte, dass eine Bank (oder auch ein anderes Unternehmen) von vornherein dazu neige oder darauf angelegt sei, mit formularmäßigen Vertragsund AGB-Klauseln ihre (Verbraucher-)Kunden "unangemessen zu benachteiligen".

Der Entscheidung (sie ist abgedruckt in ZIP 2015 Seite 1332) lag der an sich alltägliche und von Begleitumständen freie Sachverhalt zugrunde, dass die klagende Bank als Sicherheit für einen Kredit von 10 000 Euro an eine GmbH am 15. August 2007 die Bürgschaft des Hauptgesellschafters erhielt, die nach dem Formular der Bank zugleich mit der Hauptschuld oder mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die GmbH fällig werden sollte. Ferner war - gemäß § 202 Abs. 2 BGB grundsätzlich zulässig - bestimmt, dass die Ansprüche aus der Bürgschaft erst nach Ablauf von fünf (nicht schon gemäß § 195 BGB von drei) Jahren verjähren sollen; die Verjährungsfrist beginne mit dem Ende des Jahres, in dem diese Ansprüche fällig werden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die GmbH am 16. Dezember 2008 machte die Bank dem Bürgen gegenüber ihre Forderung aus der Bürgschaft rechtzeitig vor Ablauf der fünf Jahre gerichtlich geltend. Der Bürge stellte der Klage entgegen, die formularmäßige Fristverlängerung von drei auf fünf Jahre sei AGB-rechtlich unwirksam.

Der BGH folgte dem nicht; er bestätigte vielmehr das Urteil der Vorinstanz, die den Bürgen zur Zahlung der verbürgten Summe verurteilt hatte. Die Verlängerungsklausel sei zwar kontrollfähig, weil sie von der dispositiven gesetzlichen Dreijahresfrist (§ 195 BGB) abweiche, die zu den "wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts" gehöre, sodass bei formularmäßiger Abweichung davon "im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen (sei)" Der BGH fährt nun aber fort: "Diese Vermutung ist ... widerlegt, wenn - wie hier - die betreffende Klausel auf Grundlage einer Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Kunden nicht unangemessen benachteiligt". An einer Benachteiligung fehle es, wenn die Fristverlängerung "sachlich gerechtfertigt" und wenn sie "maßvoll" sei. Für die inhaltliche Ausgewogenheit der Klausel spreche ferner, dass die Begünstigung für die Bank durch Vorteile für den Kunden kompensiert werde. Diese Vorteile sieht der BGH darin, dass die Klausel nicht allein die Fristverlängerung enthält, sondern auch die 10-jährige Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB auf die gleichen fünf Jahre beschränkt. Die Nachteile des Bürgen infolge der Fristverlängerung auf fünf Jahre würden auch dadurch ausgeglichen, dass der Fristbeginn nur vom Entstehen des Anspruchs abhänge und die Kenntnis des Bürgschaftsgläubigers entgegen dem dispositiven Gesetzesrecht nicht voraussetze.

Ohne auf weitere juristische Details einzugehen, über die an anderer Stelle diskutiert werden mag, kommt es hier auf den subjektiven und daher vielleicht (noch) nicht zutreffenden Eindruck an, die bankenrechtliche Grundstimmung des BGH und in der Folge auch der Oberlandesgerichte, die für die Kreditwirtschaft in den letzten Jahren doch eher belastend war, tendiere zu etwas mehr Verständnis für ihre Belange und werde dadurch bei unveränderter Objektivität doch ein wenig aufgeschlossener für sie. Schließlich hätte es sich der BGH auch einfacher machen und feststellen können, dass es schlicht unangemessen sei und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn eine Bank die vom Gesetz auf drei Jahre bestimmte Verjährung formularmäßig verlängere und sich mit dem Diktat dieser Klausel einen rechtlichen und praktischen Vorteil verschaffe.

Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

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