Notenbanken

Wieso negatives Eigenkapital unbedenklich ist

In Anbetracht des möglichen Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone und den damit unweigerlich einhergehenden Verwerfungen auf den europäischen Geld- und Kapitalmärkten stellt sich die Frage nach der hinreichenden Eigenkapitalausstattung der Europäischen Zentralbank. Das eingezahlte Kapital der EZB, welches von den 19 nationalen Zentralbanken der Mitgliedsstaaten der Eurozone stammt, belief sich Anfang 2015 auf 7,6 Milliarden Euro. Davon entfielen knapp 2,0 Milliarden Euro auf die Bundesbank; lediglich 220 Millionen Euro hingegen auf die Bank of Greece. Nach dem jetzigen Stand der Dinge ist kaum davon auszugehen, dass das Eigenkapital der EZB durch die aktuellen Geschehnisse über Gebühr strapaziert werden wird. Dennoch mehren sich Stimmen, die zu bedenken geben, dass die EZB im Falle eines negativen Eigenkapitals ihre Handlungsfähigkeit, das heißt die Fähigkeit ihre geldpolitischen Beschlüsse umzusetzen und ihren geldpolitischen Auftrag zu erfüllen, verlöre. Und müsste eine Zentralbank, so sie negatives Eigenkapital ausweist, nicht schnellstmöglich rekapitalisiert werden?

Nun ist die EZB nicht mit einer Geschäftsbank vergleichbar. Sie ist an keine Eigenkapitalquote gebunden. Auch kann sie ex definitione nicht illiquide werden, da sie die benötigte Liquidität aufgrund ihres Monopols einer autonomen Geldschöpfungsmöglichkeit stets selbst herzustellen vermag. Ein Liquiditätsengpass in eigener Währung ist somit ausgeschlossen. Eine Zentralbank kann Forderungen in eigener Währung immer nachkommen. Negatives Eigenkapital spielt auch aufgrund der Finanzierungsstruktur einer Zentralbank eine untergeordnete Rolle. So besteht das Fremdkapital einer Zentralbank in der Regel aus den emittierten Banknoten sowie den Sichtguthaben der Geschäftsbanken. Auf diese Verbindlichkeiten, deren Volumen und Laufzeit die Zentralbank selbst bestimmt, erfolgen keine Zinszahlungen. Da es sich bei Banknoten und Sichtguthaben um gesetzliche Zahlungsmittel handelt, kann der entsprechende Gegenwert nicht in Form anderer Vermögenswerte eingefordert werden. Zur Abgeltung der Ansprüche tauschte die Zentralbank eine Banknote gegen eine andere; dies jedoch unabhängig davon, ob sie positives oder negatives Eigenkapital aufweist.

Zentralbanken erwirtschaften zudem langfristig einen aus der Geldschöpfung resultierenden Gewinn, die sogenannte Seigniorage. Diese entsteht dadurch, dass die Finanzierung der Aktiva einer Zentralbank aufgrund ihres Geldschöpfungsmonopols (im Gegensatz zu Geschäftsbanken) de facto kostenlos geschieht. So erzielt die EZB allein anhand der Einlagefazilität von gegenwärtig minus 0,20 Prozent sowie der Tatsache, dass die Produktion der Banknoten und die Gewährleistung des Zahlungsverkehrs nur einen zu vernachlässigenden Teil des Nennwerts ausmachen, einen strukturellen Gewinn. Anhand dieses vermögen Zentralbanken ihr Eigenkapital nach Verlusten sukzessive wieder aufzubauen.

Auf die Steuerzahler kämen im Falle einer Rekapitalisierung immense Kosten zu. Eine Kapitalerhöhung der EZB erfolgte durch eine Thesaurierung der erwirtschafteten Gewinne der jeweiligen nationalen Zentralbanken. Dies jedoch schmälerte deren Gewinnausschüttung. Im Jahre 2014 waren es immerhin noch 3 Milliarden Euro, die aus den Bundesbankgewinnen in den Bundeshaushalt flossen. Obige technische Details sollten dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein anhaltender Zustand negativen Eigenkapitals für eine Zentralbank durchaus problematisch ist. Es gefährdet ihre Glaubwürdigkeit - und damit letztlich auch ihre Unabhängigkeit. Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Internationale Kapitalmärkte, FH Lübeck

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