Eurosystem

Risiken für Zunahme des deutschen Target-2-Saldos

Quelle: Michael Altenburg

In der am 6. März 2017 von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlichten Review über Entwicklungen in den internationalen Bank- und Finanzmärkten für das erste Quartal 2017 wurden auch die - neben weltweit grundsätzlich überwiegend positiven wirtschaftlichen Trends - zugenommenen politischen Unsicherheiten und Spannungen angesprochen. Diese rühren vor allem aus den Ankündigungen des US-Präsidenten zu einer Reihe radikaler Politikwechsel, aus der noch nicht gewissen Umsetzung des Umschuldungsprogramms für Griechenland ebenso wie aus den unabsehbaren Folgen der Wahlen in Frankreich am 23. April und in Deutschland am 24. September. Für das ganze Jahr 2017 wird allgemein mit einer starken Zunahme populistischer Strömungen gerechnet, denen EU- und Euro-feindliche Zielsetzungen gemein sind. In diesem Zusammenhang wurden von der BIZ auch die Target-2-Salden angesprochen, und zwar insbesondere die substanzielle Wiederzunahme des Kreditsaldos für Deutschland nach einer Phase insgesamt stärker balancierter Salden im Anschluss an das Abklingen der Eurokrise ab Mitte 2012.

Im Gegensatz zum Rekordsaldo von 2012, der das Ergebnis von Kapitalfluchtbewegungen gewesen sei, bezeichnet die BIZ das neuerlich auffallende Divergieren der Target-2-Salden als "benign". Und zwar "gutartig" dieses Mal deswegen, weil lediglich technisches Resultat des dezentral durch die diversen nationalen Zentralbanken der Euromitgliedsländer durchgeführten erweiterten Asset-Purchase-Programmes der EZB, das per 22. Januar 2015 mit einen monatlichen Zielbetrag von 60 Milliarden Euro einsetzte. Der europäische Interbankmarkt sei nun einmal "noch fragmentiert", weshalb Liquidität sich nicht gleichmäßig im System verteile und einfach deswegen ergäben sich temporäre Ungleichgewichte, aber keine einseitigen systematischen Risiken für Deutschland. Ähnlich war schon 2012 argumentiert worden, wogegen sich damals im Wesentlichen nur Professor Hans-Werner Sinn und seine Anhänger gewandt hatten mit dem Argument, dass es sich um indirekte und rechtlich unzulässige Staatenfinanzierung durch die EZB handle. Dieser Auffassung waren jedoch weder das deutsche Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof gefolgt auf Grundlage einer sehr weiten Auslegung des Ermessensspielraums der von der politisch unabhängigen EZB zu verfolgenden Stabilitätspolitik. Aufgrund des Erfolges der Draghi-Rede vom 26. Juli 2012 hatten sich die Gemüter zur Relevanz der Target-2-Salden denn auch allmählich wieder weitgehend beruhigt.

Wenn aber eine Fortführung der Währungsgemeinschaft am mangelnden politischen Willen zur Einhaltung der vereinbarten fiskalischen Stabilitätskriterien infolge von nationalen Wahlentscheidungen scheitert, resultiert eine ganz andere Situation. Denn bei einem ungeordneten Auseinanderbrechen der Eurosystems ist eine Begleichung des deutschen Kreditsaldos eher fraglich. Aber auch bei einer Fortführung der Europäischen Währungsunion in einem vielleicht deutlich kleineren Kreise Gleichgesinnter staut sich durch hohe deutsche Target-2-Salden eher ein Erpressungspotenzial an in Richtung Fiskalunion mit zentralisierten Entscheidungsbefugnissen statt der von Bundesbankpräsident Jens Weidmann in seiner Rede in Slowenien vom 1. März erneut angemahnten Balance von national souveräner Verpflichtung und Kontrolle.

Michael Altenburg, Luzern

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
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