Kreditgenossenschaften

Steigender Druck

Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank

Quelle: EZB

Man kann das Klagen der deutschen Banken und Sparkassen über die Niedrigzinspolitik der EZB eigentlich schon nicht mehr hören. Zu oft hat man es schon gehört. Zu gut waren die Zahlen der vergangenen Jahre trotz der Klagen. Zu wenig Verständnis hat EZB-Chef Mario Draghi, der seine Geldpolitik natürlich lieber als Konjunkturmotor für die ganze Eurozone denn als Mühlstein am Hals der dezentralen Bankenstrukturen in Deutschland verstanden wissen will. Auch 2016 war für die deutschen Kreditgenossenschaften gemessen an der aggregierten Verbundbilanz wieder ein sehr ordentliches Jahr. Ein konsolidiertes Ergebnis vor Steuern von 8,3 Milliarden Euro, ein Gewinn vor Steuern von 5,9 Milliarden Euro, ein Anstieg der Forderungen an Kunden um 32 Milliarden Euro auf 733 Milliarden Euro und der Verbindlichkeiten gegenüber Kunden um 35 Milliarden Euro auf 774 Milliarden Euro, eine harte Kernkapitalquote von 13 Prozent und eine Leverage Ratio von 7,3 Prozent. All das kann sich sehen lassen, im deutschen wie im internationalen Vergleich, all das ist noch kein Grund zur Unruhe.

Aber die niedrigen Zinsen und auch die Regulierung sind längst nicht mehr nur spürbar bei den Verantwortlichen, sondern werden mehr und mehr auch sichtbar in den Zahlen. Zinsüberschuss minus 6 Prozent, Verwaltungsaufwand plus 4,1 Prozent, Cost Income Ratio plus 3,4 Prozentpunkte auf 67 Prozent, Gewinnrückgang gegenüber dem Vorjahr um mehr als 15 Prozent. Diese Tendenz wird sich 2017 ff. fortschreiben. Da ist eine gewisse Anspannung bei den Verantwortlichen des BVR wie der Ortsbanken verständlich und auch richtig. Denn der genossenschaftliche Finanzverbund ist heute schon sicherlich die am effizientesten, effektivsten und vertriebsstärksten aufgestellte deutsche Bankengruppe. Immer noch sind die Sparkassen zwar Marktführer in den meisten Geschäftsfeldern, die größeren Wachstumsraten verzeichneten in den vergangenen Jahren aber stets die Kreditgenossen.

Das ist natürlich auch ein Verdienst des BVR-Präsidenten Uwe Fröhlich, der zum letzten Mal die Zahlen für die genossenschaftliche Finanzgruppe präsentierte. Er wechselt zum November dieses Jahres als Generalbevollmächtigter zur DZ Bank, um dann am 1. Januar 2019 gemeinsam mit Cornelius Riese DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch zu beerben. Das ist für die Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken schon ein Einschnitt, wenn gleich zwei der so erfolgreich treibenden Köpfe der vergangenen Jahre ihre Positionen aufgeben. Es mag trösten, dass nur einer, Wolfgang Kirsch nämlich, den Verbund ganz verlässt, Fröhlich ihn als DZ-Bank-Chef weiter steuern und begleiten kann und mit Marija Kolak eine gute Primärbankerin an die Spitze des BVR nachrückt. Zudem ist ein Großteil der Arbeit getan, wesentliche Konsolidierungsschritte sind vollzogen, die Stimmung untereinander ist so gut wie selten zuvor, Fröhlich spricht nicht ohne Stolz von einer "Atmosphäre des Vertrauens". Da fallen solche Weichenstellungen sicherlich leichter.

Aber es wartet dennoch angesichts der Rahmenbedingungen auch viel Arbeit auf alle Beteiligten. Das diskutierte Holdingmodell für die DZ-Bank-Gruppe ist da nur eine der Baustellen. Bis 2020 etwa sollen hier Vorschläge erarbeitet werden, die dann der Primärstufe und dem gesamten Verbund quasi zur Abstimmung vorgelegt werden sollen. Fröhlich stellte klar, dass eine Holding in Sachen Transparenz zwar große Vorteile habe, aber auch hohe Kosten verursache. Er sieht den Prozess völlig ergebnisoffen: "Wir werden ganz sicher keinen Unsinn machen, sondern die betriebswirtschaftlich richtige Lösung treffen." Daneben sind aber auch die Erlösströme im Verbund zu überdenken, Kosten zu senken, Personal abzubauen, Filialen zu schließen, Gebühren zu erhöhen, der Vertrieb weiter zu optimieren und Antworten vor allem im Zahlungsverkehr auf die neuen Kunden- und Händleranforderungen zu finden. Nach Langeweile oder einem gemachten Nest klingt dies bei allen Erfolgen der Vergangenheit nicht. Aber es muss dem genossenschaftlichen Finanzverbund auch nicht bange sein. Er ist gut genug aufgestellt, jetzt und in der Zukunft, um das alles zu meistern. Wenn ihn die europäische Regulatorik denn lässt ...

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