Bankenaufsicht

Test ohne Stress

Zeugnisvergabe am Schuljahresende ohne jegliches Sitzenbleiben, dieser vergebliche Traum vieler hiesiger Schülergenerationen erklärt im übertragenen Sinne einen Teil der vergleichsweisen Gelassenheit, mit der hierzulande die Banken wie auch die Öffentlichkeit den Ende Juli veröffentlichten Ergebnissen des diesjährigen Stresstestes entgegengeblickt haben. Dass es diesmal anders als bei dem Asset Quality Review aus dem Jahre 2014 keine Hürde in Form einer Eigenkapitalanforderung zu überspringen galt, war aber nur eine der atmosphärischen Entschärfungen. Hinzu kommen die mittlerweile doch in vielen Banken vorhandene größere Vertrautheit mit dem Regelwerk und der Methodik der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, klarere organisatorische Aufgabenverteilungen in den Instituten sowie die unaufgeregte Oberregie der EZB.

In einem Stresstest kann man immer nur die Auswirkungen bestimmter Szenarien überprüfen. Sie erlauben keinerlei Aussagen darüber, ob, wann und mit welcher Wahrscheinlichkeit die simulierte Situation eintreten wird und wie gut oder wie schlecht ein Institut darauf reagieren kann. In ihrer Gesamtheit können solche Untersuchungen den Aufsehern gleichwohl einen Erkenntnisfortschritt in der Frage liefern, wie groß in den betrachteten Wenn-dann-Situationen die Gefahren für die Finanzstabilität sind. Darüber hinaus kann die Bankenaufsicht bei jedem der untersuchten Institute die Stresstestergebnisse in den sogenannten aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process - SREP) einfließen lassen, also in die Analyse der Geschäftsmodelle und der Risikosituation.

Angesichts dieser Bestandsaufnahme hat der Bundesverband deutscher Banken schon im Vorfeld der Ergebnisveröffentlichung seine Grundsympathie für den Stresstest als Ganzes bekundet und die Lernbereitschaft von EBA und EZB bei der Weiterentwicklung des Verfahrens und eine verbesserte Kommunikation mit den betroffenen Instituten betont. Als einleuchtendes Anschauungsbeispiel für die höchst unterschiedlichen Bedingungen der einzelnen Institute hat Michael Kemmer einen Fall aus einer anderen Bankengruppe angesprochen. Die Apotheker- und Ärztebank, so hat der Hauptgeschäftsführer des BdB angemerkt, ist möglicherweise durch konjunkturelle Einbrüche, wie sie der Stresstest untersucht, viel weniger betroffen als durch eine Änderung der deutschen Gesetzgebung im Gesundheitswesen. Ausdrücklich gelobt hat er am jetzigen Stresstest aber die Einbeziehung von Risiken aus Staatsforderungen sowie der Rechtsrisiken. Darüber hinaus hat er aber auch einen zumindest aus deutscher Sicht mehr als berechtigten Kritikpunkt angebracht. Neben den Risiken aus Krediten, Verbriefungen und dem Funding als makroökonomisches Szenario nur die Risiken von Zinserhöhungen zu überprüfen, die Gefahren aus anhaltenden Risiken der negativen Zinsen wie auch der daraus resultierenden Belastungen für die Kreditinstitute aber unberücksichtigt zu lassen, empfindet offenbar nicht nur er als unvollständige Erfassung der Rahmenbedingungen.

Auch in der Bundesbank hat man diese Unwucht der überprüften Szenarien offensichtlich erkannt. Ebenfalls noch vor der Veröffentlichung der Stresstestergebnisse, aber ohne den direkten Bezug zum Stresstest zu nehmen hat der zuständige Bundesbankvorstand Andreas Dombret für rund 1500 kleinere und mittlere Kreditinstitute die Neuauflage der Niedrigzinsumfrage aus dem Jahre 2015 angekündigt. Prüfen wollen die Aufseher dabei, welche Folgen das derzeitige Niedrigzinsniveau für die Geschäftsergebnisse hat. Die Ergebnisse der neuen Umfrage auf Basis der Geschäftszahlen des Jahres 2016 sollen allerdings voraussichtlich erst im zweiten Halbjahr 2017 veröffentlicht werden.

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