Redaktionsgespräch mit Friedrich-Wilhelm Graf von Pfeil

"Junge Talente suchen verstärkt nach beruflicher Erfüllung"

Friedrich-Wilhelm Graf von Pfeil, Senior Client Partner, Financial Services Experte, Korn Ferry, Frankfurt am Main

Der Markt für Investmentbanking hat sich, nicht nur in Deutschland, massiv verändert. Banken haben sich aus Geschäftsfeldern wie dem Eigenhandel zurückgezogen oder andere Segmente stark reduziert. Welche Auswirkungen sich hierfür für die Branche und die Mitarbeiter im Investmentbanking ergeben, erläutert Friedrich-Wilhelm Graf von Pfeil von Korn Ferry im Redaktionsgespräch. Bezogen auf die Personalsituation sieht er die Branche derzeit eher in Wartehaltung. Abgesehen von Corporate-Finance-Spezialisten registriert er auch in den großen Häusern derzeit kaum Nachfrage nach neuen Mitarbeitern. Insbesondere junge Bewerber sind seinen Beobachtungen nach längst nicht mehr so stark auf eine üppige Bezahlung fixiert, sondern suchen verstärkt nach beruflicher Erfüllung. (Red.)

Gibt es in Deutschland noch Jobs für Investmentbanker?

Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren strukturell verändert. Die Anzahl der Jobs im Investmentbanking ist in vielen Bereichen zurückgegangen. Davon betroffen sind sowohl das Kapitalmarktgeschäft und das komplexe und auf Spezialisten angewiesene Corporate- Finance-Beratungsgeschäft. Die Banken haben beispielsweise für viele Produkte den Eigenhandel eingestellt und führen oftmals keine Bücher mehr; daher brauchen sie die entsprechenden Händler auch nicht mehr. Deutlich reduziert haben sie häufig ihr Kapitalmarktgeschäft, von der Strukturierung in der Primärphase über den Handel bis zum Vertrieb. Hier ist praktisch die gesamte Wertschöpfungskette betroffen, so auch im Backoffice. Deutlich verkleinert wurden auch die Equity-Derivate-Abteilungen. In erheblichem Ausmaß verringert ist das Geschäft mit komplexen "strukturierten Finanzprodukten", damit hatten die Banken vor der Krise enorme Einnahmen erzielt.

Ist die gesamte Branche in solch einer schwierigen Verfassung?

Insgesamt haben wir den Eindruck, dass der deutsche Bankenmarkt und das Investmentbanking immer noch über zu viele Kapazitäten verfügen, die langfristig eine weitere Konsolidierung unausweichlich machen. Das schwierige Umfeld, die niedrigen Zinsen, der intensive Wettbewerb, die häufig ungenügende Profitabilität und die damit verbundenen Zwänge zur Kosteneinsparungen werden zu weiteren Anpassungen führen. Dazu kommen noch strukturelle Umbrüche durch die zunehmende Digitalisierung, die auch bei den im Retailgeschäft tätigen Universalbanken weitere Zweigstellenschließungen mit sich bringen werden. Die Liste der Belastungsfaktoren ist lang.

Gibt es Ausnahmen - wo werden noch Jobs angeboten?

Ja, die gibt es. Es gibt sie teilweise noch im weiteren Ausbau des Risikomanagements und bei Compliance - speziell für das Investmentbanking -, hier werden weiterhin qualifizierte Mitarbeiter gesucht. Gesucht werden aber auch etablierte und über nachweislich überdurchschnittlichen Akquiseerfolg verfügende Corporate-Finance-Spezialisten. Von diesen gibt es am deutschen Markt nur eine begrenzte Zahl herausragender Talente. Für solche Berater besteht eigentlich immer eine Nachfrage; denn führende Banken sind immer auf der Suche nach diesen sogenannten "Rainmakern".

Warum sind diese Spezialisten so wichtig?

Die Corporate-Finance-Spezialisten fungieren - wenn sie ihren Job gut machen - quasi als strategische Berater des Unternehmens. Sie müssen gute Ideen haben, hervorragend kommunizieren können und über die nötigen Kontakte verfügen. Dazu müssen sie über umfassende Kenntnisse über die Unternehmen, die Branche und den Markt, auch auf internationaler Ebene, verfügen. Aus der Beratung wird - wenn es für den Kunden passt - in einigen Fällen auch eine Kapitalmarkttransaktion. Dennoch ist zu konstatieren: Diesen Weg gehen weniger Unternehmen als vor Jahren noch prognostiziert, jedoch werden bei einer Kapitalmarkttransaktion Investmentbanken benötigt und oftmals auch unabhängige externe Berater hinzugezogen.

Weshalb brauchen Firmen heute weniger Rat?

Firmen benötigen im Grunde nicht weniger Rat. Sie haben in den vergangenen Jahren häufig internes Wissen aufgebaut: auch mit Exbankern und -beratern. Bei großen, globalen oder besonders komplexen Mergers & Akquisitions-Transaktionen brauchen sie selbstverständlich weiterhin die Hilfe von entsprechend auf gestellten Investmentbanken. Aber bei kleineren Deals werden Banken oftmals gar nicht mehr benötigt. Auch der Mittelstand verfügt inzwischen zunehmend über gute Corporate-Finance- und ebenso Kapitalmarktexpertise.

Arbeiten bei den Unternehmen jetzt Investmentbanker?

Dass traditionelle Investmentbanker von deutschen Unternehmen eingestellt werden, findet statt, ist aber eher selten. Die meisten Banker sind zu spezialisiert und kennen nicht die gesamte Komplexität der Finanzseite eines operativ tätigen Unternehmens. Es fehlt ihnen die nötige Tiefe und Breite. Anders sieht es bei den Corporate-Finance-Spezialisten aus: Von denen hat es der ein oder andere sogar in eine Topmanagementfunktion außerhalb der Finanzindustrie geschafft. Was einen Wechsel für Investmentbanker erschwert, ist neben der teilweise fehlenden fachlichen Qualifikation, die bei Unternehmen immer noch niedrigeren Gehälter. Durch die spürbaren Rückgänge der bonusgetriebenen Gehälter in den Banken, die teilweise regulatorischen Maßnahmen geschuldet sind, nähern sie sich aber an.

Wie sieht die Wettbewerbssituation innerhalb der Branche aus?

Im Geschäft mit großen Unternehmen gibt es die etablierten globalen Platzhirsche, die mit dem richtigen Geschäftsmodell und den entsprechenden globalen Strukturen nach wie vor hochprofitabel sind.

Für kleinere oder nicht auf M&A spezialisierte Häuser ist es dagegen mühsamer geworden, nachhaltig erfolgreich zu sein. Viele haben beschlossen, den Bereich Investmentbanking deutlich zurückzufahren.

Bezogen auf die Personalsituation befindet sich die Branche derzeit eher in Wartehaltung. Abgesehen von den Corporate-Finance-Spezialisten werden auch von den großen Häusern derzeit nur selektiv neue Mitarbeiter gesucht.

Wie mühsam das Geschäft geworden ist, zeigt sich darin, dass aus Requests for Proposal (RFP) an 10 bis 15 Bankadressen oftmals nur ein oder wenige Institute den Zuschlag erhalten.

Was sind die Erfolgsfaktoren der großen Häuser?

Die gut aufgestellten, weiterhin erfolgreichen Adressen verfügen in den meisten Fällen über eine klare Strategie, haben über die vergangenen Jahrzehnte einen starken Markennamen erschaffen, exzellente Mitarbeiter rekrutiert und globale Strukturen für schnellste Reaktionen auf neue Situationen etabliert. So haben einige der Topadressen auch die Finanzkrise bemerkenswert gut gemeistert. Von besonderer Bedeutung für ihren Erfolg ist, dass dort als "Gesamtbank" und nicht in "Silos" gedacht und agiert wird und zu einseitig ausgeprägte Machtstrukturen im Management vermieden wurden.

Gibt es Jobs auf der Ebene unterhalb der großen Player?

Hier haben sich die Strukturen merklich verändert. Wer vor der Krise keine Karriereperspektive mehr bei den Großbanken sah, wechselte beispielsweise zu einer Landesbank. Und von dort dann im nächsten Schritt eventuell zu einer kleineren internationalen Adresse. Diese Wege gibt es eigentlich nicht mehr. Die meisten Landesbanken haben ihr Kapitalmarktgeschäft massiv reduziert oder bauen sogar weiter ab. Kleinere ausländische Häuser tun sich im deutschen Markt mit wenigen Ausnahmen extrem schwer, erfolgreich und nachhaltig im Investmentbanking Fuß zu fassen.

Aufnahmebereit für Mitarbeiter waren und sind teilweise sogenannte M&A-Boutiquen oder Investmentbanking-Spezialisten. Von diesen sind aber die ersten schon wieder vom Markt verschwunden, da der Wettbewerb sehr hart ist und die Beratungshonorare deutlich unter Druck geraten sind. Insgesamt sind die Aussichten für Stellen suchende ältere Mitarbeiter aus dem Kapitalmarktbereich aktuell nicht besonders rosig.

Wer hat es besonders schwer?

Sehr häufig die über 45 Jahre alten Mitarbeiter aus dem Kapitalmarktgeschäft, die keine Corporate-Finance-Expertise mitbringen und denen auch Management-Erfahrung fehlt. Sie haben oftmals über 20 Jahre die gleiche Aufgabe wahrgenommen. Sie sind damit häufig zu stark spezialisiert oder einfach zu einseitig ausgerichtet, um in der Industrie Verwendung zu finden. Sie tun sich schwer mit dem veränderten Marktumfeld und den kulturellen Veränderungen. Sie sind oftmals auch nicht bereit oder nicht mehr fähig, die für andere Aufgaben nötige Eignung zu erwerben.

Oder es geht einfach ums Geld: Denn andere Bereiche zahlen eben schlechter. Erstaunlicherweise wollen viele Investmentbanker darum auch in der eigenen Bank keine neue Herausforderung in einem anderen Geschäftsfeld annehmen. Hier ist sowohl bei den Betroffenen wie beim Management ein Umdenken gefragt.

Warum keine internen Wechsel?

Es ist eigentlich kaum nachvollziehbar, warum so viele Kapitalmarktspezialisten die durchaus gegebenen Chancen zum internen Wechsel und auch einer Umschulung nicht aktiv wahrgenommen haben. Bereiche wie beispielsweise Compliance suchten Verstärkung. Jetzt sind diese Jobs oftmals vergeben.

Für Arbeitgeber ist es künftig wichtig, Mitarbeitern mehr Erlebniskarrieren aufzuzeigen, in denen diese durch Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen der Bank ein viel breiteres Kompetenz- und Erfahrungsspektrum erwerben können als bisher. Die Arbeit wird dadurch nicht nur interessanter, diese Mitarbeiter sind dann auch viel breiter einsetzbar. Das ist wesentlich sinnvoller, als demotivierte Kapitalmarktmitarbeiter "mitzuschleppen". Hier besteht aber selbst bei führenden Adressen erheblicher Nachholbedarf für breiter angelegte Karrieremuster.

Blick nach vorn - ist die Branche für junge Talente noch attraktiv?

Banken sehen sich heute einem viel stärkeren Wettbewerb um die besten Talente ausgesetzt. Über die einst so erhebliche Anziehungskraft verfügen eigentlich nur noch "Big Player" im Investmentbanking oder Häuser, die über ausgeprägte Stärken in bestimmten Bereichen verfügen. Für viele attraktiver sind beispielsweise derzeit Fintech-Unternehmen, Internet-Innovatoren oder interessante Start-ups. Junge Talente suchen auch verstärkt nach beruflicher Erfüllung, während sie vor vielleicht zehn oder zwanzig Jahren vor allem wegen der üppigen Bezahlung und der Chance auf eine baldige finanzielle Saturierung zu einer Investmentbank gegangen sind. Die heutigen Talente sind auch nicht mehr bereit, über einige Jahre nur als "stupide" Spread-Sheet-Spezialisten eingesetzt zu werden oder als gefügige Arbeitsmaschinen mit wenig Gestaltungsmöglichkeit und ohne Personal- oder direkte Kundenverantwortung zu funktionieren.

Anderes Thema - "Googeln" Sie Kandidaten, bevor Sie sie vermitteln?

Im gewissen Umfang gehört ein Blick auf das "virtuelle" Leben eines Kandidaten dazu. Viel wichtiger ist aber, den Denk- und Führungsstil zu bewerten. Wir führen dazu im Kundenauftrag immer häufiger vor der Anstellung ausführliche Assessments zu Arbeits- und Führungsverhalten wie auch der persönlichen Lernfähigkeit und Lernwilligkeit mit den Kandidaten durch. Banken fordern, anders als Unternehmen aus der Industrie, diese ausführliche Form der Assessments allerdings weniger häufig an.

Welche Rolle spielen Frauen in Führungspositionen?

Im Investmentbanking, insbesondere bei den internationalen Adressen, hat es schon immer erstklassig ausgebildete und sehr erfolgreiche Frauen gegeben. Sie hatten dort auch keine Probleme sich entsprechend ihrer Qualifikation zu behaupten. Auch in Deutschland haben sie es in den Vorstand oder Bereichsvorstand geschafft. Was wir immer wieder feststellen ist, dass Frauen eine eher realistische Einschätzung ihrer Fähigkeiten haben und sich dadurch oftmals weniger offensiv präsentieren. Hier ist die Frage erlaubt, was ist besser: Sich zu über- oder zu unterschätzen? Bei Neueinstellungen stellen wir keine Unterschiede in der Bezahlung von Männern und Frauen fest. Da einige Häuser bevorzugt Frauen für Führungskräfte suchen, verfügen männliche Wettbewerber um den Job derzeit durchaus über einen "Gender-Malus".

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