Redaktionsgespräch mit Wolfgang Klotz

"Wir müssen die Zusammenarbeit und Vernetzung der IT im gesamten Verbund gewährleisten"

Wolfgang Klotz, Vorsitzender des Vorstands, Vereinigte Volksbank AG, Sindelfingen

Ohne IT ist das moderne Bankgeschäft gar nicht mehr denkbar. Durch kluge Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten kann das genossenschaftliche Geschäftsmodell im Kern erhalten und weiterentwickelt werden. Aber gleichzeitig wird es durch die Technik auch permanent gefährdet. Mit diesen Botschaften plädiert Wolfgang Klotz im Redaktionsgespräch grundsätzlich dafür, in der genossenschaftlichen Bankengruppe alle Vertriebskanäle offen zu halten und nach Umsetzung der beschlossenen Zusammenführung der Rechenzentralen als nächstes die technische Vernetzung im gesamten Verbund voranzutreiben. Dabei will der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Volksbank AG die Nutzung der Banktechnik nicht auf die Transaktionsprozesse beschränkt sehen, sondern bezieht ausdrücklich die Beratungsprozesse und die Dokumentation mit in seine Betrachtungen ein. Als Vorsitzender des Fachrats IT beim BVR wünscht er sich von allen Mandatsträgern einen offenen Austausch der unterschiedlichen Interessenlagen. (Red.)

Wie war die Geschäftsentwicklung der Vereinigte Volksbank AG im Berichtsjahr 2014?

Schwäbisch bescheiden reden wir für 2014 von einer zufriedenstellenden Geschäftsentwicklung. Konkret liegt das Kreditwachstum zwischen 2,8 und 3 Prozent und damit über den Planungen. Dieses Wachstum kommt zu etwa zwei Dritteln aus dem wohnwirtschaftlichen und einem Drittel aus dem gewerblichen Bereich. Bei den Kundeneinlagen sind wir mit 3 Prozent im Plus. Das Bankbuch liegt mit 1,6 Milliarden Euro gut auf Kurs.

Auf der Ertragsseite hat der Zinsüberschuss über Wachstum und Dispositionsgeschäft einen Zuwachs von 8 bis 10 Prozent gebracht hat. Das Provisionsgeschäft fällt mit 18,3 Millionen Euro und einem Plus von 0,5 Millionen Euro erfreulicherweise höher aus als erwartet. Haupttreiber waren das Immobiliengeschäft und das Wertpapiergeschäft, Fonds, Zertifikate und auch der Zahlungsverkehr. Unter den Erwartungen geblieben sind das Versicherungsgeschäft und das Bausparen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Cost Income Ratio im heutigen Marktumfeld - speziell mit Blick auf die Verbünde?

Wenn wir an dieser Stelle nichts tun, geht das nicht gut aus, das muss man so klar ansprechen. Dabei haben die Sparkassenkollegen mit Blick auf die Strukturen noch andere Größenordnungen und damit durch die Fixkostendegression ein wenig günstigere Kostenstrukturen als die Genossenschaftsbanken. Tendenziell wird dieses Problem aber im Sparkassensektor wie in der Genossenschaftsorganisation zunehmen - möglicherweise sogar mit höherer Brisanz. Allein schon das unbestrittene Regionalprinzip als konstituierendes Element unseres Geschäftsmodells lässt nur begrenzt die Lösung dieser Probleme über Wachstum zu. Der Druck zu strukturellen Anpassungen ist groß und wird auch nicht abnehmen. Wir müssen innerhalb unseres jeweiligen Marktgebietes auf Effizienz setzen, unter anderem durch klugen Einsatz von Banktechnik.

Sehen Sie mit Blick auf Ihr Haus oder die ganze Gruppe weitere Zusammenschlüsse?

Die letzte Fusionswelle ist abgeebbt, aber ich erwarte die nächste. Momentan haben wir keine oder kaum Risiken im Kreditgeschäft. Aber tendenziell wird die zyklische Dimension im privaten wie im gewerblichen Bereich wieder zu höheren Kreditrisiken führen. Hinzu kommen das extrem niedrige Zinsniveau, die Regulatorik, die Digitalisierung, ein verändertes Kundenverhalten und die Demografie. Das alles wirkt tendenziell als Kostentreiber beziehungsweise als Element einer Erlöserosion und bringt Druck auf die betriebswirtschaftliche Lage. Die Prognoserechnungen unseres Hauses für die Jahre 2016 bis 2019 zeigen je nach Szenario einen Ausfall im Zinsergebnis von bis zu 6 Millionen Euro. Das tut schon weh. Wenn man vor diesem Hintergrund auch nur ein wenig substanziell schwächelt, kommt sehr schnell die Frage auf, inwieweit man noch alles im eigenen Haus machen muss.

Das klingt nach einem Mix aus mehreren Wegen. Welche Faktoren sind relevant?

Die Strukturen müssen stimmen, vom Vertrieb bis hin zur Organisation des Geschäftsbetriebs in jedem einzelnen Haus. Pure Kosteneinsparungen greifen zu kurz, denn Kosten sind ja nicht per se schlecht, sondern können höchst sinnvolle Investitionen in künftige Erträge sein. Mit Sparprogrammen kann man zwar ein kurzfristiges Zeichen setzen, aber grundsätzlich sollte es in einer gut geführten Bank ein ausgewogenes, auf langfristigen Erfolg ausgerichtetes Investitionskonzept geben. Gleichwohl bedarf das Thema Kosten und Kostendisziplin einer großen Aufmerksamkeit bis hin zu der Vorbildfunktion des Vorstands für die Mitarbeiter als prägendes Element der Unternehmenskultur.

Konkret geht es beispielsweise um die Offenheit für Benchmark- oder Best-Practice-Konzepte sowie eine ständige Infragestellung von Erbhöfen und auch Statussymbolen. Es kann dabei im Übrigen dem Management wie auch den Mitarbeitern viel Spaß machen, sich an den Besten zu orientieren. Die höchs ten Standards zu erreichen oder besser noch sie selbst zu setzen, macht alle Beteiligten stolz. Vom Immobilienmanagement über die Prozessoptimierung und die IT-Kosten bis hin zum Controllingsystem geht es dabei für ein Haus unserer Größenordnung schnell um Einsparpotenziale in Millionenhöhe.

Und warum sollen wir nicht unkonventionell denken? Müssen beispielsweise die Schreibtische, die PCs und die Räume in einer Bank immer nur acht Stunden zur Verfügung stehen? Wir sollten uns ernsthafte Gedanken über eine Flexibilisierung der Produktionszeiten machen. Die Industrie macht uns seit Jahrzehnten den produktionsorientierten Schichtbetrieb vor.

Können sie sich das ernsthaft für Ihr Haus vorstellen, auch in den Filialen?

Warum denn nicht? In der Zentrale kann ich mir das leicht vorstellen. Mit Blick auf die Filialen kommt es darauf an, ob der Kunde das Angebot annimmt. Wir werden unseren Mitarbeitern bezüglich der Arbeitszeitmodelle eine Flexibilität in den

Köpfen vermitteln müssen. Zum Teil fordert das allein die Zusammenarbeit mit unserer Rechenzentrale, die heute bereits in anderen Zeitfenstern unterwegs ist. Die darin liegenden Produktivitätsreserven gilt es zu erschließen, denn neben der Qualität wird der Wettbewerb auch über die Konditionen geführt. Wir müssen letztlich wettbewerbsfähige Preise bieten.

Welche Rolle spielt die Technik für die Zukunftsfähigkeit Ihres Hauses und der Gruppe

Zwei Bemerkungen zu dieser Frage: Die Banktechnik führt nicht per se zu höherer Effizienz. Und wenn ein Vorstand nicht wenigstens einigermaßen bewerten kann, wie Prozessoptimierung funktioniert, dann wird er über die Banktechnik die Prozesse nicht optimieren, sondern elektrifizieren. Ohne eine gewisse Lust an der Technik und ohne ein Interesse daran, diese Dinge zu gestalten, wird man künftig als Bankvorstand nicht reüssieren können. Bankgeschäft ohne IT ist heute nicht mehr denkbar.

Wenn man über Vorteile der Banktechnik nachdenkt, fallen zunächst einmal die automatisierten Prozesse ein, also transaktionsorientierte Bereiche wie der Zahlungsverkehr. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, wie der End-to-end-Bereich organisiert werden soll, also vom Kundenkontakt in die Dokumentation, egal in welchen Geschäftsfeldern. Es geht um das typische Straight Through Processing oder den Umgang mit Begriffen wie Medienbrüchen oder Liegezeiten. Für Banker ist ein solches Denken vergleichsweise neu, für die Industrie nicht. Schwierig und spannend wird es in der Prozessgestaltung allerdings, wenn man sich von der reinen Bearbeitungsdimension wegbewegt und den Beratungsprozess betrachtet. Dann kommt es darauf an, diesen Prozess sehr sauber zu gestalten. Ist das nicht der Fall, beschäftigt sich der Mitarbeiter mit seiner Maschine und nicht mit dem Kunden.

Die zweite Anmerkung: Ja, die Technik ist da und unheimlich hilfreich. Sie ermöglicht in vielerlei Hinsicht Wachstum, ohne in gleicher Weise das Personal aufstocken zu müssen. Wenn wir in unserem Haus das heutige Volumen mit der Ausstattung und Produktivität von vor zwanzig Jahren bewältigen wollten, würden wir statt unserer heutigen 430 MAKs rund 1 500 Mitarbeiter benötigen.

Gehören Sie zu der eher spärlichen Zahl von Bankvorständen mit hoher Affinität zu technischen Entwicklungen? Wie beschreiben Sie Ihr Verhältnis und Ihren Zugang zur Banktechnik?

Grundsätzlich ja, aber bei der Technik und der dahinterliegenden Mathematik müssen wir uns immer vor Augen halten, dass dies uns nicht die Managementaufgabe und die

Entscheidung abnimmt. Wir sind unheimlich modell- und mathematikgläubig geworden. Angesichts der entstehenden Scheinsicherheiten stelle ich mir manchmal die Frage, ob Mathematik und Technikmodelle die ganze Branche nicht in ein prozyklisches Verhalten treiben. Die Möglichkeiten der Banktechnik auszuschöpfen funktioniert nur dann, wenn standardisiert wird. Wenn die Geschäftsmodelle der Bankengruppen aufeinander zutreiben ist das für das Risikomanagement höchst gefährlich. Das führt zu der Anschlussfrage, womit wir als Volksbank künftig Geld verdienen wollen.

Sie haben die besonderen Anforderungen des Einsatzes der Banktechnik im Beratungsgeschäft erwähnt. Lässt sich das an Beispielen konkretisieren?

Für die Bankmitarbeiter hat sich die Welt des Beratungsgespräches erheblich verändert, weil wir eine Gesprächsführung durch das System haben und weil wir durch die regulatorische Notwendigkeit der dahinterliegenden Dokumentationsanforderungen - Stichworte Wertpapierhandelsgesetz und Beratungsprotokoll - eine deutlich höhere Stringenz im Ablauf haben. Der Freiheitsgrad wird eindeutig kleiner, die individuelle Note auch. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Mitarbeiter sich darauf einlassen. Einige Berater tun sich sehr schwer mit diesen Dingen, andere sind flexibel und verstehen die Prozesshoheit nicht als Maß der Dinge.

Die Königsdisziplin des Bankers ist das Einbringen seiner Individualität und seiner Empathie. Aus heutiger Sicht müssen wir an dieser Stelle fragen: Haben wir vor fünfzehn Jahren die richtigen Leute eingestellt? Es gibt sicherlich einige, die in diese Dinge hineinwachsen, aber das damalige Anpassungsprofil passt möglicherweise nicht so gut auf die heutigen Anforderungen.

Man muss in Beratungsgespräch ein wenig extrovertiert sein und etwas von sich preisgeben wollen. Der vielzitierte "Bankbeamte" früherer Jahre hat höchst wahrscheinlich mit einem ganz anderen Berufsbild seine Position angetreten und bewegt sich eher auf der Ebene eines nüchternen kreditgewährenden Mitarbeiters statt offensiv auf mögliche Kundenwünsche einzugehen. Kommt dann der stark durch die Technik vorgegebene Beratungsprozess noch dazu, verstärkt sich der Effekt eines vergleichsweise starren Ablaufs möglicherweise noch. Es gibt aber auch tolle Berater, die es schaffen, das Medium Bildschirm so zu integrieren, dass ein Erlebnis aus der Beratung entsteht. Diese Menschen werden künftig gewinnen.

Welche Anforderungen stellt die Banktechnik an die Mitarbeiter? Bedarf es diesbezüglich neuer Ausbildungs- und/oder Weiterbildungsmaßnahmen im Genossenschaftsbereich?

Mitarbeiter sind das größte Kapital der Banken. Man braucht aber heute nicht nur eine gute Ausbildung, sondern auch eine permanente Weiterbildung. Und ein dritter Aspekt betrifft unsere Attraktivität als Arbeitgeber. Wir müssen für die Mitarbeiter unserer Werte wegen sehr anziehend sein. Eine Volksbank ist das Gegenmodell zum Shareholder Value. Das Gleichgewicht zwischen Mitarbeiter-, Kunden- und Teilhaberinteressen ist für uns sehr wichtig. Damit verträgt sich keine Eigenkapitalrentabilität, die deutlich im zweistelligen Bereich liegt. Der Bonusoptimierer von der Wallstreet ist nicht mein Mitarbeiter. Sondern mein Mitarbeiter bringt Menschen zusammen, will Wünsche, Träume und Ziele realisieren und leitet den Sinn seiner Arbeit daraus ab, anderen Menschen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. Diese Menschen dürfen wir nicht aussuchen müssen, sondern die müssen über die Kommunikation der Werte, für die wir stehen, den Weg zu uns finden. Über meine Mitarbeiter muss ich an meine Kunden und Teilhaber signalisieren, da ist ein Unternehmen, das eine wertorientierte nachhaltige Unternehmensführung hat. Wir müssen uns als Unternehmen so positionieren, dass man Lust darauf hat, bei uns zu arbeiten.

Wie wird sich das Beratungsgespräch weiterentwickeln? Wird es sich auch künftig noch maßgeblich in der Filiale abspielen und welche Vertriebsinstrumente werden eingesetzt? Welche Rolle spielt beispielsweise die Videoberatung?

In unserem Haus werden längst interne Videokonferenzen geübt, nicht so sehr, weil sie Reisekosten ersparen, sondern vor allen Dingen, um die dahinterliegende Disziplin der Gesprächsführung durchzuspielen und auch Spezialisten von draußen zuzuschalten. Im Kundengespräch wird das derzeit noch weniger genutzt, aber wir dürfen uns nicht blenden lassen und meinen, dass solche Angebote nicht angenommen werden. In einer Zeit, in der viele Kunden zwischen allen möglichen Teilen der Welt und Deutschland die Möglichkeiten von Skype nutzen, dürfen wir solche Techniken nicht mehr als exotisch abtun. Wir Banken sollten nicht glauben, die Videoberatung zu erfinden, unsere Kunden machen das längst.

Wir müssen froh sein, wenn der Kunde mit uns Kontakt haben will. Über welche Vertriebskanäle er beraten werden will, bleibt ihm überlassen. Wir müssen uns nach seinen Bedürfnissen richten, ob Video, E-Mail oder Brief, und müssen auf alle Varianten flexibel reagieren und den Vertrauensvorschuss der Kunden nutzen. An dieser Stelle müssen unsere vielfältigen Vertriebskanäle greifen, in welcher Kombination des Multikanalkonzeptes auch immer. Dafür müssen wir alle Kanäle offen halten und investieren, auch wenn jemand den Anspruch hat, 24 Stunden und 7 Tage zu kommunizieren. Das stellt jedes einzelne Haus und die Gruppe vor richtig große Herausforderungen.

Und natürlich dürfen wir nicht glauben, die Kunden kämen unvorbereitet in ein Beratungsgespräch. 70 bis 80 Prozent von ihnen haben alle Kauf-, Anlage und Kreditentscheidungen vorher per Internetinformation beziehungsweise in einem persönlichen Research vorbereitet. Sie fragen nicht mehr, ob sie sich beispielsweise eine Hausfinanzierung leisten können, sondern haben oft eine konkrete Frage zu einem Angebot, etwa zu einem Baufinanzierungsvorhaben mit bestimmter Laufzeit und bestimmtem Sicherungsauslauf unter Angabe der persönlichen Kapitaldienstfähigkeit.

Muss man das aus der Warte des Vorsitzenden des Fachrats Informationstechnologie und Vorstandsvorsitzenden einer Volksbank in einem Ballungsraum nicht anders sehen als der Chef einer kleinen oder mittleren Volksbank in der Region?

Man darf nicht glauben, der Vorstandkollege beispielsweise im Bayerischen Wald, auf Rügen, in der Eifel oder in Mecklenburg-Vorpommern wäre mit grundsätzlich anderen Marktverhältnissen konfrontiert. Das Problem in der Fläche besteht nur dort nicht, wo eine breitbandige Versorgung mit Internet nicht oder nur eingeschränkt verfügbar ist. Allenfalls die Geschwindigkeit, mit der solche Dinge aufschlagen, mag noch ein wenig unterschiedlich sein. Aber zu irgendeinem Zeitpunkt muss sich ausnahmslos jeder Kollege Gedanken über die Ausrichtung seines Geschäftsmodells machen.

Es gibt in Zeiten des Anlagenotstands der Privaten Kunden, die in unserem Haus Geld von ihrem Geldmarktkonto abheben, um dieses über das Crowdfunding einem Deutschen auf einer Schweizer Plattform zu überlassen, der eine Spezialmaschine beschaffen will. Für einen Genossenschaftsbanker ist das besonders schmerzvoll, denn die Volks- und Raiffeisenbanken sind einst gegründet worden, um genau das zu tun. Das sollte zu einem neuen Denken des Prinzips Volksbank im Sinne unseres Auftrags anregen.

Das führt zu der alten Frage: Was ist technisch machbar? Und was ist wirtschaftlich sinnvoll? Wie bewerten Sie dieses Thema aus Sicht des Fachrats IT mit Blick auf den Genossenschaftssektor?

Auch für technikaffine Menschen gibt es in dieser Frage Grenzen. So ist die genossenschaftliche Bankengruppe in all diesen Fragen sicher nicht der Early Bird. Und das wird sie angesichts ihrer Entscheidungsstrukturen auch nicht werden. Aber vielleicht müssen wir in der Gruppe lernen, das Risiko der Fehlinvestition zu gehen, um von zehn Projekten sechs durchs Ziel zu bringen. Die vier Fehlinvestitionen sind dann halt der Preis, um später den Wettbewerbern nicht völlig hinterherzuhinken. Diese Diskussion müssen wir führen.

Mindestens ebenso wichtig ist eine andere Überlegung: Wenn wir es nicht schaffen, unseren Finanzverbund IT-technisch abzubilden, auch im Sinne der Transparenz, also mit dem Überblick über das Gesamtengagement der Kunden in der Gruppe, sprich einem umfassenden Einblick in seine Geschäftsverbindungen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie für jede einzelne Transaktion zu den jeweiligen Billiganbietern im Internet abwandern.

Das Konzept One face to the Customer, also den Kunden über die Volksbank den Zutritt zur gesamten finanztechnischen Welt zu gewähren, wird zurzeit von unserer Gruppe noch viel zu wenig gespielt und wird den komplexen Bedingungen eines über das Internet vollkommen offenen Marktes nicht gerecht. Über die Gesamtkundenverbindung Transaktionen zu generieren und Geschäft zu produzieren kann durchaus eine USP werden, in die wir massiv investieren müssen. Das ist ein sehr wichtiges Thema im Fachrat IT.

Wie weit geht Ihr Haus beziehungsweise die Gruppe bei den Themen Customer-Relationship-Management und Data Mining als Instrument der Kundenansprache?

Dazu habe ich eine ganz klare aber auch eine ganz einfache Meinung: die Conditio sine qua non ist die Zustimmung des Kunden. Alles andere wäre mehr als fraglich, und wir würden viel Vertrauen verspielen. Auf aggregierter Ebene könnte man dann seine Kunden informieren, in welchem Panel sie unterwegs sind und diese könnten auf eigenen Wunsch die verfügbaren Informationen erhalten. Aus den verfügbaren Daten darf aber keinesfalls ein Geschäftsmodell gemacht werden.

In der Genossenschaftsorganisation laufen mehrere BVR-Projekte mit starkem Technikbezug: Wie stehen Sie dazu?

Es erfüllt mich mit Stolz, dass wir die Kraft haben, solche Dinge zu bewegen. Aber wir müssen uns gleichzeitig darüber im Klaren sein, dass wir in den Unternehmen unserer Gruppe und an den Strukturen sehr viel verändern müssen, damit erhalten werden kann, was den Kern dieser Organisation ausmacht. Dazu sind solche Projekte wie Web-Erfolg, Beratungsqualität, Kundenfokus 2015 und jetzt ante portas Kundenfokus 2020 notwendig. Inhaltlich stimme ich damit voll überein. Es gibt kein besser angelegtes Geld. Unsere größte strategische Schwierigkeit liegt darin, in der Mitte zu verharren und keine klare Wettbewerbsstrategie zu verfolgen. Eine Volksbank wird niemals die Bank der Wahl für den Internet-Verrückten sein, und wenn sie das zu werden versucht, gibt sie ihre Identität auf. Wir müssen sagen, was wir wollen und nicht was wir nicht wollen. Das verlangt von den Kunden, sich ebenfalls zu positionieren. Wenn die Mehrheit sagt, wir wollen das, dann können wir das umsetzen. Konzeptionell sind wir mittlerweile ziemlich gut, Mängel in der Umsetzung haben oft mit den sehr vielen Entscheidungsträgern zu tun. Aber generell ist der Diskurs in der Gruppe in den Fachräten, unter den Fachräten, mit den Verbundunternehmen und mit den Primärbanken gut dazu geeignet, eine Lösung zu erkämpfen. Alle Mandatsträger sollen in den Gremien unbedingt ihre eigene Meinung sagen. Unterschiedliche Interessen sind ganz normal. Wichtig ist es aber, im Austausch von Argumenten Entscheidungen zu treffen.

In den Fachräten scheint es gut zu laufen. Wie beurteilen Sie deren Arbeit?

Würde ich das Konzept und die Strukturen nicht positiv beurteilen, würde ich mich nicht so stark engagieren. Im Übrigen sehe ich keine bessere Alternative. Die Akzeptanz der Arbeit der Fachräte hat zwischen 2006 und heute immer mehr zugenommen. Wir haben ein Benchmarking der Prozesse und der Produkte gemacht. Heute meint längst nicht mehr jeder in der Organisation, er könne es besser, diese Haltung hat sich grundlegend geändert. Und das Schönste an der ganzen Geschichte ist: Es macht richtig Spaß.

Welche Rolle spielt beim Einsatz der Technik in der eigenen Bank/ Gruppe die Konkurrenzbeobachtung? Beobachtet der Fachrat Informationstechnologie auch die technischen Entwicklungen im Ausland? Ist das institutionalisiert?

Das eine ist die informelle Dimension. Mit unseren dezentralen Managementstrukturen ist in hohem Maße sichergestellt, dass wir ein sehr dichtes Screening der aktuellen Entwicklungen haben. Jeder unserer Vorstände hat auch in seinem persönlichen Erlebensbereich ein Interesse daran, aktuelle Entwicklungen im Bankgeschäft zu beobachten und seine Wahrnehmung in die Führung seines eigenen Hauses und in die Gruppe weiterzureichen. An dieser Stelle haben wir ein sehr breites Radar.

Das ist ein Asset unserer Gruppe. Der Prozess ist wenig organisiert, hilft aber sehr zuverlässig, den Mainstream zu erkennen. Das alles gilt übrigens auch für die Konkurrenzbeobachtung im Inland.

Der Fachrat IT hat darüber hinaus einen Innovationsmonitor, der versucht neue Entwicklungen im Sinne eines Impacts für die Gruppe zu untersuchen, etwa die weiteren Auswirkungen auf das Geschäftsmodell. Nicht zuletzt beschäftigen wir uns in der Gruppe zunehmend mit dem Thema Innovationsmanagement und den dahinterliegenden Fragen. Das ist vom Reifegrad her derzeit im Diskussionsstadium, aber binnen Jahresfrist dürften wir an dieser Stelle weiterkommen und eine Struktur schaffen. An dieser Ecke werden wir dann sicher auch das Thema F& E ansiedeln. Denn am Schluss muss jedes Projekt mit einem Budget und einer Verantwortung versehen werden.

Was ist konkret unter Innovationsmonitoring zu verstehen?

Der Bereich Verbund-IT beim BVR und seine Mitarbeiter haben über den Fachrat IT initiiert verschiedene Fragestellungen auf der Agenda, beispielsweise Big Data, Digitale Signatur oder Videoberatung. Dazu bekommen wir im Dreimonatsrhythmus Informationen. Wenn wir in solchen Themen eine entstehende Dynamik erkennen, planen wir das schnell in die Gremienarbeit ein. Auch die Kollegen in den Rechenzentren haben auf solche Entwicklungen ein waches Auge. Das eigentliche Problem liegt darin begründet, dass Innovationen chic sind, aber am Schluss immer die Frage der Relevanz steht.

Wie bewerten Sie das Projekt der Zusammenführung der beiden genossenschaftlichen Rechenzentren?

Für den Fachrat IT ist die Realisierung des Projektes vier aus den Garmischer Beschlüssen aus dem Jahr 1999 das Maß der Dinge. Damals wurde beschlossen, die noch acht Rechenzentren letztlich mit einem einheitlichen Bankensystem zusammenzuführen. Diesem Ziel bringen uns die Beschlüsse von November/Dezember 2014 nun näher. Natürlich brauchen wir noch vier bis sechs Jahre zur Umsetzung, um die Synergien zu heben. Aber viel weiter gehender ist die Vorstellung, die IT im Verbund gesamtheitlich zu sehen. Dabei müssen wir uns auch die Frage stellen, ob die IT wettbewerbsdifferenzierend ist.

Wir müssen fragen, wie wir eine solche Struktur managen können und wie die Finanzierung zu regeln ist. Mit all diesen Themen und vielen mehr müssen wir uns beschäftigen und dafür Sorge tragen, nicht faul auf Synergien zu warten, sondern uns weiter um Effizienz der IT in der gesamten Organisation zu bemühen, und zwar auf Augenhöhe mit den Kollegen aus den Verbundunternehmen. Das ist nämlich noch einmal eine richtig große Rechenzentrale. Die Zusammenführung von Fiducia und GAD ist in diesem Sinne nur die Pflicht, als Kür folgt dann noch die Einbindung der ganzen Verbund-IT. Wir müssen die Zusammenarbeit und Vernetzung der IT im gesamten Verbund gewährleisten, um die Effizienz in der Gruppe weiter zu steigern. Daran müssen wir noch hart arbeiten. Vieles von unserem Geschäftsmodell ist erst durch Technik möglich geworden, und vieles wird heute auch durch Technik gefährdet. Deswegen wird das Thema hoch aktuell bleiben.

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