Redaktionsgespräch mit Gustav Holtkemper

"Im Wealth Management sehe ich einen Trend zur Größe"

Gustav Holtkemper, Bereichsvorstand Private Kunden, Marktregion West, Commerzbank AG, Frankfurt am Main

Das Wealth Management ist zwar grundsätzlich durch das direkte Kundengespräch und das Knowhow der Berater geprägt, von den neuen Entwicklungen der Digitalisierung und den Fortschritten der Banktechnik abkoppeln lässt sich diese Disziplin jedoch nicht. Inwieweit diese Dinge eingesetzt werden, will Gustav Holtkemper eng an den jeweiligen Wünschen der Kunden ausrichten. Jedem Einzelnen für alle identifizierten Bedürfnisse die beste verfügbare Lösung anbieten zu wollen, formuliert der Bereichsvorstand für Private Kunden, der in dieser Funktion auch für das Wealth Management in der Commerzbank zuständig ist, als Anspruch seines Hauses. Für eine solche ganzheitliche, alle Vermögensaspekte beleuchtende Beratung hält er keine weltweite Präsenz für nötig, wohl aber internationale Verbindungen zu relevanten Produkten und Dienstleistungen sowie funktionierende interne Verknüpfungen zu den Geschäftsfeldern Firmenkunden und Institutionelle Anleger. (Red.)

Wie hat sich das Geschäft Ihres Hauses im Wealth Management in den ersten zehn Monaten dieses Jahres entwickelt? Haben Sie die Volatilität der Märkte in den Sommermonaten gespürt?

Das Wealth Management der Commerzbank ist bei Kunden und Assets gewachsen. Unsere Assets under Control sind in diesem Zeitraum in Deutschland um rund 5 Prozent gestiegen.

Aufgrund der hohen Volatilität an den Märkten haben sich in diesem Jahr viele Kunden für das mandatierte Anlagegeschäft entschieden. So konnten wir in der Vermögensverwaltung hohe Zuflüsse verzeichnen. Viele Kunden, die bevorzugt selbst handeln und ihre Wertpapieranlage aktiv gestalten, haben sich für ein Premium-Depot entschieden. Damit sind sie flexibel, denn sie zahlen lediglich ein Pauschalentgelt.

Wo genau ist das Wealth Management organisatorisch im Commerzbank-Konzern angesiedelt? Wie erfolgt die Abgrenzung zu den großen Geschäftsbereichen Privatkunden und Mittelstandsbank? Und wie verlaufen die Schnittstellen zu den vier Geschäftsbereichen des Konzerns?

Das Wealth Management ist ein Teil des Privatkundensegments. In diesem werden alle privaten Kunden, also neben den Wealth-Management-Kunden auch noch Private-Banking- und Privatkunden, sowie Geschäftskunden betreut. Letztere sind Freiberufler, Gewerbetreibende und kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis zu 2,5 Millionen Euro. Der Jahresumsatz im Geschäftskundenbereich stellt die Abgrenzung zu den Kunden der Mittelstandsbank dar, die entsprechend größere Unternehmen betreut.

Rund 80 Prozent unserer Wealth-Management-Kunden haben einen unternehmerischen Hintergrund. Daher arbeiten wir eng mit der Mittelstandsbank zusammen. Die Betreuung der Unternehmer erfolgt so in privater und unternehmerischer Sicht aus einer Hand.

Gibt es eine klare Zuordnung der Kunden? Hat der Bereich Wealth Management eigene Kunden oder betreut er sie zusammen mit den Geschäftsbereichen? Wer entscheidet gegebenenfalls, wohin der Kunde gehört?

Der Bereich Wealth Management hat eigene Kunden. Sie werden aufgrund ihres Vermögens und den damit häufig verbundenen komplexeren Strukturen in der Vermögensanlage von besonders erfahrenen Relationship-Managern als feste Ansprech partner und Generalisten betreut. Ist ein spezifisches Know-how erforderlich, binden diese wiederum die entsprechenden Spezialisten ein. Die Zuordnung ergibt sich aus der Vermögenssituation und dem Betreuungsbedarf des Kunden.

Sind unsere Kunden unternehmerisch tätig, werden sie in diesen Belangen zudem von einem Firmenkunden- oder Geschäftskundenbetreuer beraten. Die Kooperation des Wealth Managements mit der Mittelstandsbank gewährleistet die ganzheitliche Betreuung unserer Kunden

Vertragen sich Wealth Management und Kreditgeschäft? Müssen Sie an dieser Stelle nicht zwangsläufig Interessenkonflikte befürchten?

Das Ziel unserer Beratung ist grundsätzlich, dass unsere Kunden entsprechend ihrer Anlageziele sowie ihrer Risikopräferenzen und -tragfähigkeit investieren. Hieraus kann sich auch die Empfehlung eines Immobilieninvestments ergeben, das wir mit den entsprechenden Finanzierungsangeboten begleiten.

Bedeutet Wealth Management nur wirklich persönliche Beratung? Oder können Ihre Berater im Bedarfsfall auch zugeschaltet werden? Passt eine reine Onlineberatung überhaupt zum Verständnis von Wealth Management? Wenn ja, wo wird sie eingesetzt?

Derzeit bedeutet Wealth Management persönliche Beratung. Ob wir in Zukunft auch Onlinezuschaltungen anbieten, hängt nicht von den technischen Möglichkeiten ab, sondern von den Kundenwünschen und -anforderungen. Natürlich nutzen unsere Wealth-Management-Kunden auch alle Möglichkeiten, die ihnen das moderne Onlinebanking der Commerzbank bietet. Dabei sind sie sogar um mehr als 30 Prozent aktiver als weniger vermögende Kunden.

Verändert Digitalisierung das Geschäft?

Ja, denn unsere vermögenden Kunden sind digitalaffin. Je weiter die Digitalisierung in das Leben unserer Kunden einzieht, um so mehr erwarten sie auch, dass wir ihnen Leistungen rund um ihre Vermögensanlagen digital und tagesaktuell zur Verfügung stellen können.

Welche Rolle spielt allgemein die Qualität der Banktechnik für das Wealth Management? Ist diese mittlerweile zu einem Wettbewerbsfaktor geworden?

Die Qualität der Banktechnik ist für das Wealth Management sehr wichtig. Dabei geht es nicht nur um den Zahlungsverkehr oder die digitalen Angebote. Die Technik liefert auch die aktuellen Informationen und Daten, die wir zum Beispiel im Beratungsgespräch als Basis für die strukturierte Beratung und die komplexen Anlagevorschläge nutzen. Ich bin aber überzeugt, dass in Zukunft auch die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben ein weiterer wichtiger Wettbewerbsfaktor sein wird. Dazu benötigen wir ebenfalls eine leistungsfähige IT, die die Veränderungen umsetzen kann. Das bedeutet einen entsprechend hohen Kostenblock. Kleinere Anbieter haben hier ein Problem.

Wie erreichen Sie Ihre Kunden? Roadshows, Einladungen zu Events? An wie vielen Standorten beraten Sie Wealth-Management-Kunden? Ist dieses Netz für den deutschen Markt flächendeckend?

Derzeit bieten wir an 42 Commerzbankstandorten Wealth-Management-Betreuung an. Ab Juni 2016 wird dies an über 100 Standorten der Fall sein. So sind wir noch näher bei unseren Kunden.

Neue Kunden gewinnen wir unter anderem über die Weiterempfehlung unserer Kunden. Sie ist sehr ausgeprägt. Wir wissen das, weil wir die Bereitschaft, uns weiterzuempfehlen, monatlich messen (Net Promotor Score). Sie ist deutlich höher als der durchschnittliche Branchenwert. Des Weiteren gewinnen wir potenzielle Kunden über die Kooperation mit der Mittelstandsbank. Viele unserer Firmenkunden werden bei uns noch nicht privat betreut. Wir wissen aber aufgrund einer Befragung dieser Kunden, dass rund ein Drittel von ihnen auch privat eine Kundenbeziehung zu uns aufnehmen würde. Daher sprechen wir diese Kunden konsequent an.

Wir bieten exklusive Veranstaltungen für unsere Kunden an. Damit erreichen wir eine sehr gute Kundenbindung und gewinnen zusätzlich neue Kunden. Denn wir setzen auf ein gut funktionierendes Empfehlungsmanagement.

Stichwort Wettbewerb: Wen spürt die Commerzbank am deutschen Markt? Wie ernst nehmen Sie die Anstrengungen des Sparkassen- und des Genossenschaftssektors im Private Banking und im Wealth Management?

Traditionell haben unsere Wealth-Management-Kunden mehrere Bankverbindungen. Zumeist besteht eine bei einer Großbank und eine bei einer Privatbank. Darüber hinaus gibt es häufig noch eine am Wohnort bei einem regionalen Finanzinstitut.

Im Wettbewerbsumfeld punkten wir mit unserer strukturierten Beratungsqualität und unserem umfangreichen Angebot. Es umfasst neben der offenen Architektur in der Vermögensanlage und Anlagemodellen mit Honorarvereinbarung oder Pauschalentgelt auch weiterhin das komplette Wertpapiergeschäft und darüber hinaus Finanzierungen.

Welche der traditionellen Privatbankiers registrieren Sie noch als Wettbewerber?

Die traditionellen Privatbankiers sind regional sehr unterschiedlich am Markt vertreten und verfügen über deutlich weniger Standorte als wir. Entsprechend ist die Wahrnehmung. Mit unserer flächendeckenden Präsenz sind wir für Wealth-Management-Kunden insbesondere auch eine Alternative zu den regionalen Instituten.

Welche Rolle spielen derzeit die ausländischen Wettbewerber, beispielsweise aus den USA und der Schweiz?

Die größten Anbieter im deutschen Markt sind die Wealth-Management-Einheiten der deutschen Universalbanken. Daneben gibt es ausländische Großbanken, die sich im Markt bewegen oder sich durch Erwerb deutscher Institute in den Wealth-Management-Markt eingekauft haben. Aber es gibt auch diejenigen, die sich aus dem hiesigen Wealth-Management-Markt zurückgezogen haben.

Ein wesentlicher Aspekt für die Veränderungen sind die in den letzten Jahren immer strenger gewordenen regulatorischen Anforderungen an hiesige Marktteilnehmer. Damit sind hohe Kosten verbunden. So scheuen die meisten ausländischen Institute - anders als zu Beginn des Jahrtausends - mittlerweile die enormen Aufwendungen für Gründung und Betrieb eines Wealth-Management-Anbieters in Deutschland.

Wie viel Internationalisierung braucht (verträgt) das Wealth Management? Haben globale Player im Wealth Management Vorteile, weil sie im eigenen Haus die weltweiten Anlagemöglichkeiten besser nutzen können?

In Zeiten globaler Märkte bedeutet Internationalisierung nicht, auf dem ganzen Globus präsent zu sein. Für ein Haus ist es wichtig, seinen Kunden alles anbieten zu können, was global an relevanten Produkten und Lösungen verfügbar ist. Insofern ist der Global Player heute eigentlich ein sehr kostenintensives Modell - es sei denn, jeder einzelne der Märkte, auf dem er vertreten ist, rechnet sich für ihn.

Für den deutschen Wealth-Management-Kunden ist es somit wichtiger, dass seine Bank für alle identifizierten Bedürfnisse die beste verfügbare Lösung anbieten kann. Für diese ganzheitliche, alle Vermögensaspekte beleuchtende Beratung benötigt die Bank neben internationalen Verbindungen aber auch funktionierende interne Verknüpfungen zu den Geschäftsfeldern Firmenkunden und Institutionelle Anleger.

Spüren Sie eine Konsolidierung des Wettbewerbs? Werden die Großen im Wealth Management immer größer?

Im Gegensatz zum Breitengeschäft wächst der Wealth-Management-Markt aufgrund der stabilen Wirtschaftslage um bis zu 4 Prozent jährlich. Außerdem verändert er sich durch hohen Wettbewerbsdruck und steigende Kosten infolge der zunehmenden Regulatorik. In diesem Umfeld sehe ich einen Trend zur Größe, denn das Privatkundengeschäft ist ein Plattformgeschäft. Ökonomisch erfolgreich ist nur der, der seine Systeme auslastet. Also muss er wachsen. Das gilt auch für uns im Wealth Management.

Machen Übernahmen im Wealth Management Sinn oder ist das organische Wachstum der bessere Weg?

Wir sehen im organischen Wachstum einen Erfolg versprechenden Weg. Übernahmen bergen immer ein gewisses Risiko: Die Bereiche müssen kompatibel sein. Unterschiedliche Unternehmenskulturen müssen zu einer zusammengeführt und viele Strukturen sowie die IT angepasst werden. Zudem sollte es keine großen Überschneidungen bei den Kunden geben.

Was können Sie angesichts der niedrigen Zinsen den Kunden überhaupt noch bieten - es geht doch nur noch um Vermögenserhalt, oder?

In erster Linie geht es unseren Kunden um den Erhalt ihres Vermögens, aber natürlich auch um den Ausbau. Das gelingt mit einem gut strukturierten Depot oder einer passenden Vermögensverwaltung. Diese können zum Beispiel um alternative Investments ergänzt werden. Die Beratung ist dabei das A und O. Viele Kunden haben inzwischen erkannt, dass sie mit einer sehr konservativen Strategie ihr Vermögen nicht erhalten können, dass sie ein wenig mehr Risiko ins Depot nehmen müssen. Hier können wir ihre Entscheidungsfindung mit qualitativ hochwertiger Beratung unterstützen.

Sehen Sie derzeit Blasen, etwa bei Immobilien oder Aktien?

Von einer Immobilienpreisblase in Deutschland sind wir noch weit entfernt. Die Immobilienpreise ziehen hierzulande erst seit vier Jahren wieder an. Zudem sind keine Übertreibungen bei der Kreditfinanzierung erkennbar. Im Gegenteil: Die Eigenkapitalunterlegung bei deutschen Immobilienobjekten ist immer noch extrem hoch.

Die günstige Bewertung von Aktien - insbesondere in Deutschland und anderen europäischen Ländern - spricht unseres Erachtens gegen eine Blase. Für 2016 erwarten wir ein etwas schnelleres Wachstum der Weltwirtschaft, sodass auch die Gewinnbasis der Unternehmen weiter wachsen dürfte. Entsprechend haben wir keine "Blasenangst". Allerdings wird die Kombination aus US-Leitzinswende, geopolitischen Spannungen, Wachstumsängsten in den Schwellenländern und den latent vorhandenen Terrorrisiken auch weiterhin für eine hohe Volatilität sorgen.

Gibt es Regulierungsthemen, die speziell das Wealth Management und das Private Banking herausfordern?

Geldanlagen im Private Banking und Wealth Management sind geprägt vom Wertpapiergeschäft und dem Vertrauen, das uns unsere Kunden uns bei ihren Anlagegesprächen entgegenbringen. Die Umsetzung von MiFID II wird diese Gespräche im Ablauf verändern. Hier müssen wir unsere Kunden zu den Veränderungen ausführlich informieren und ihr Verständnis dafür wecken. Da wir heute schon strukturiert und am Bedarf des Kunden orientiert sowie transparent beraten, sehen wir uns gut gerüstet, diese Herausforderungen zu meistern.

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