Redaktionsgespräch mit Ingmar Rega

"Wir sind Sparringspartner der Banken, der auch mal unangenehme Fragen stellt"

Ingmar Rega, Foto: Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.

Mit dem BVR und dem DGRV, den Verbänden der Spardabanken und der PSD-Banken und noch vier Regionalverbänden ist die Verbandsdichte innerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe immer noch recht hoch. Sie alle bemühen sich um die aktuell noch verbliebenen 814 Volksbanken und Raiffeisenbanken. Da bleiben Überschneidungen nicht aus. Der Vorstandsvorsitzende des enorm großen Verbands der Regionen hat daher eine klare Wachstumsstrategie ausgerufen. Denn angesichts sinkender Mitgliederzahlen können nur über den kontinuierlichen Ausbau des Dienstleistungs- und Beratungsangebots sowie die Gewinnung zusätzlicher Mandate im Drittgeschäft außerhalb der Finanzgruppe die erforderlichen Umsätze erzielt werden. Denn es muss auch kräftig investiert werden - in das Wachstum aber auch in die Prüfung, die immer technischer und anspruchsvoller werde, so der gelernte Wirtschaftsprüfer Rega. (Red.)

Der Genossenschaftsverband Verband der Regionen wird im kommenden Jahr 160 Jahre alt. Wie nehmen Sie die Aufstellung des Verbandes in diesen bewegten Zeiten wahr?

Als ich im September 2018 von KPMG zum Genossenschaftsverband wechselte, befand sich dieser noch mitten in der Bewältigung der Fusion, die im vorangegangenen Jahr beschlossen wurde. Da mussten verschiedene Kulturen und verschiedene Organisationsformen erst noch zusammenwachsen, es gab Redundanzen und an der einen oder anderen Stelle noch Klärungsbedarf zur grundsätzlichen Ausrichtung des neuen, großen Verbandes. Diese Fusions- und Sortierungsphase ist abgeschlossen und wir befinden uns in einer Aufbruch- und in einer Transformationsphase.

Sind der Verband, zu dem Sie gewechselt sind, und der Verband, den Sie heute führen, noch vergleichbar?

Nein, nicht so richtig. Wie gerade erwähnt haben wir 2018 eine neue Strategie ausgerufen. Das Motto lautet: Überzeugen durch Leistung 2022 - pünktlich zum Geburtstag. Was ändert sich? Wir werden natürlich weiterhin unsere hoheitliche Aufgabe der Prüfung wahrnehmen. Aber wir wollen den Verband, oder besser gesagt die Verbandsfamilie viel breiter aufstellen, zu einem Dienstleister unserer Mitglieder und auch Partner außerhalb des Verbundes entwickeln. Wir wollen Interessenvertreter sein. Wir wollen mit unserer großen Bildungseinrichtung verstärkt zur Qualifizierung von Mitarbeitern und auch Aufsichtsräten beitragen. Und wir wollen - das ist in diesen Zeiten besonders wichtig - Begleiter bei anstehenden Transformationen sein im Sinne von Beratung und Unterstützung.

Bleiben wir bei den noch 349 Mitgliedsbanken und der Transformation: Wie verändert sich die Verbandsarbeit, wenn die Mitgliedsbanken durch Fusionen immer weniger und immer größer werden? Welche Anforderungen stellen diese an einen Verband, welche Leistungen wollen diese beziehen?

Das stimmt, es gibt immer weniger Genossenschaftsbanken und damit sinkt unsere Mitgliederzahl. Und die immer größer werdenden Volksbanken und Raiffeisenbanken werden in der Tat anspruchsvoller. Sie brauchen abseits der klassischen Prüfungsaufgaben professionellere und speziellere Leistungen von einem Verband als kleinere Häuser. Da Volksbanken mit hohen einstelligen und zweistelligen Milliarden-Bilanzsummen mittlerweile auch von Wettbewerbern außerhalb des Verbundes als interessante Kundengruppe wahrgenommen werden, stehen wir zudem im wahrnehmbareren Wettbewerb. Das heißt, der Verband muss sich verändern, muss wachsen. Wir investieren in Digitalisierung, in unsere technische Ausstattung, in die Arbeitgebermarke, in die Arbeitsbedingungen und natürlich auch in neues Personal. So wollen wir unsere Leistungen besser machen und das Dienstleistungsportfolio der Verbandsfamilie Stück für Stück weiter ausbauen. Gerade mit Blick auf Transformationsprojekte wollen wir der präferierte Beratungspartner unserer Banken sein, einen "Full-Service" anbieten können - wenn gewünscht. Denn wir wollen wachsen. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Wachstum heißt, mit unseren Mitgliedern mehr Geschäft zu machen, aber auch verstärkt Kunden außerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe ansprechen.

Die Marke AWADO ist hierfür ein Beispiel ...

Richtig. Wir positionieren AWADO als Lösungsanbieter im Bereich der Beratung und bauen das Service- und Dienstleistungsportfolio ständig aus. Aber, das möchte ich betonen, wir investieren auch massiv in die Prüfung, weil diese aufgrund der zunehmenden Komplexität immer anspruchsvoller und zudem immer technischer wird.

Wie interpretieren Sie auf diesem Weg Ihre Rolle?

Ich bin Vorstandsvorsitzender und nicht Präsident. Das sagt über die Rolle schon einiges aus. Denn ich habe in keinster Weise eine repräsentative Funktion. Im Gegenteil, es ist eine unternehmerische Aufgabe, die es zum Ziel hat, den Verband und die inzwischen ziemlich breit gewordene Verbandsfamilie mit vielen Tochterunternehmen in die Zukunft zu transformieren.

Gerade in einer Phase großer Umbrüche und damit auch großer Unsicherheit ist die Nähe zu den Volksbanken und Raiffeisenbanken sehr wichtig. Wie kann die für einen so großen Verband wie den Verband der Regionen gewährleistet sein - gerade auch in Zeiten von Corona?

Insgesamt führen wir als Verband jedes Jahr zweimal 14 Regionaltage durch, also zwei in jeder Region. Dort kommen die Vorstände der ortsansässigen Banken zusammen und es gibt Fachvorträge, Diskussionen, Aussprachen. Bei physischen Treffen ist das immer auch mit einem Rahmenprogramm verbunden, beispielsweise einem Kaminabend oder einem gemeinsamen Essen, damit auch Raum für individuelle Gespräche bleibt. Das haben wir mit Corona-Beginn von heute auf morgen in den virtuellen Raum verlegt über GoTo-Meetings. Das funktioniert, was Beteiligungsquoten von bis zu 95 Prozent belegen, aber das ist natürlich nicht ganz dasselbe wie ein persönlicher Austausch. Dieser ist für diesen Herbst wieder geplant, vermutlich in einer Mischung aus hybriden und Präsenzveranstaltungen.

Daneben ist der Verband insgesamt sehr regional organisiert. Er betreibt elf Regionalbüros. Zudem sind auch die Bankprüfer zumeist vor Ort in der Region unterwegs, in der sie auch privat leben. Das macht uns besonders, gerade auch im Vergleich zu Wettbewerbern im Prüfungsgeschäft.

Welche Rolle spielt bei solchen Überlegungen das Thema Nachhaltigkeit?

Das ist heute nicht mehr wegzudenken und spielt immer eine wichtige Rolle - und das leben wir genau mit dieser Aufstellung. Natürlich müssen wir auch bei der Arbeit in Gremien darüber nachdenken, ob es beispielsweise sinnvoll ist, mit zwölf Leuten nach Berlin zu fliegen, um dort fünf Menschen zu treffen. Ich denke, auch hier wird es noch ausgeprägte Bewusstseinsänderungen geben müssen.

Der Verband der Regionen wird immer größer, er erweitert seine Aufgaben stetig, macht nun sogar Lobbyarbeit für die Interessen der Volksbanken und Raiffeisenbanken - wofür brauchen Sie einen BVR oder einen DGRV. Wie grenzt man sich untereinander ab?

Die Grenzen sind inzwischen vermutlich deutlich fließender als sie jemals waren, denn es gibt bei dem einen oder anderen Thema ganz klar die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit, bei der eine klar definierte Aufgabenabgrenzung nur hinderlich wäre. Ein Beispiel: Das große Strategieprojekt der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist zwar beim BVR angesiedelt, völlig zu Recht. Aber viele weitere sind beteiligt, der ganze Verbund. Wir machen die Aufklärungs- und Umsetzungsarbeit in unseren Regionen. Politische Themen wie EDIS dagegen sind ganz klar Aufgabe des Bundesverbandes, sei es national oder europäisch. Die Regionalverbände unterstützen das, sind aber nicht an vorderster Linie.

Vielleicht kann ich die Arbeitsteilung so verdeutlichen: Immer dann, wenn es um die gesamte Gruppe aller Ortsbanken geht, ist der BVR im Lead. Immer dann, wenn es Sachverhalte einzelner Banken betrifft, sind es die Regionalverbände. Aktuelles Beispiel ist das BGH-Urteil zu den Kontoführungsgebühren. Hier gab es eine umfassende grundsätzliche Information des BVR an alle Banken. Detailfragen werden nun von den Regionalverbänden geklärt. Diese Aufteilung funktioniert insgesamt sehr gut, es gibt kein Kompetenzgerangel.

Etwas mehr Überschneidungen gibt es zum DGRV, der auch ein Leistungsverband ist. Er hatte und hat teilweise noch Prüfungsaufgaben. Ob das so noch Sinn macht, könnte man sicherlich diskutieren. Auch weil die großen Handelsgenossenschaften häufig gar nicht mehr in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft antreten und Prüfer außerhalb des Verbundes engagieren. Dadurch werden die Aufgaben des DGRV an dieser Stelle weniger. Wir als Verband der Regionen haben deswegen beispielsweise kürzlich das ganze IT-Audit-Team des DGRV übernommen.

Wo könnte der Verband der Regionen aus Ihrer Sicht noch weitere Aufgaben übernehmen?

Wir sind mitten in der Reise von einem reinen Prüfungsverband zu einem multidisziplinären Verband. Wir kommen rein aus der regulatorischen Prüfung und damit der regulatorischen Beratung. Damit kennen wir viele der Problemstellungen der Banken. Aus dieser Position heraus wollen wir unser Beratungsangebot vor allem an zwei Stellen ausbauen. Das eine ist die strategische Beratung: Viele Banken fragen sich, wo sie noch wachsen können, wie sie schneller als der Markt wachsen können oder wie sie das Provisionsgeschäft ausbauen können. Wir wollen gemeinsam mit den Primärbanken die Antworten auf diese Fragen entwickeln.

Daneben gewinnt natürlich die Fusionsberatung mehr und mehr an Bedeutung für die Banken und damit auch für uns. Wir verstehen uns als Partner der Banken und es ist unser Anspruch, umfassenden Mehrwert durch professionelle Dienstleistungen in den Services Recht, Steuern, Prüfung und Beratung zu erbringen. Mit Blick auf Transformationsprozesse integrieren wir beispielsweise in einem ganzheitlichen Angebot der AWADO-Gruppe alle Disziplinen, die im Rahmen einer Fusion von Relevanz sind. Wir haben in jeder einzelnen Disziplin Spezialisten, bewährte Werkzeuge und können auf viel Erfahrungswissen zurückgreifen. Und ich sehe uns auch als Sparringspartner der Banken, der auch mal unangenehme Fragen stellt. Denn nicht immer ist eine Fusion die Lösung aller Probleme. Manchmal machen Geschäftsfeldergänzungen oder eine Erweiterung der Wertschöpfungskette mehr Sinn, beispielsweise im Immobiliengeschäft, wenn das reine Finanzierungsgeschäft um Projektentwicklung erweitert wird. Bei beiden Themen, bei denen es um eine vorwärts gerichtete Unterstützung der Primärbanken geht, sehe ich unseren Verband mit seiner Erfahrung in einer guten Position.

Sind mehrere genossenschaftliche Prüfungsverbände noch zeitgemäß: Sie haben die Herausforderungen hohe Investitionen, Wettbewerb durch Dritte, anspruchsvollere und komplexere Mitgliedsbanken angesprochen?

Darüber muss man sicherlich nachdenken. Denn die Investitionen, die alleine getätigt werden müssen, um die Anforderungen an ein modernes Prüfungswesen erfüllen zu können, sind enorm. Da reden wir über hohe einstellige Millionenbeträge pro Jahr. Da muss die Frage erlaubt sein, ob das mehrere Prüfungsverbände machen müssen.

Wie kann ein Verband derart hohe Investitionen bei sinkenden Mitgliederzahlen und damit auch sinkenden Einnahmen dauerhaft darstellen?

Das ist die entscheidende Frage. Und die Antwort liegt in der angesprochenen beständigen Weiterentwicklung und dem Ausbau von Leistungen. Entsprechend sind unsere Umsätze nicht gesunken, sondern gestiegen: von 135 Millionen Euro im Jahr 2018 über 137 Millionen Euro 2019 auf 143 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr. Und wir wollen - wie erwähnt - weiter wachsen. Das geht zum einen über höhere Umsätze mit den Mitgliedern. Dafür bauen wir unser Serviceportfolio permanent aus. Denn wir sind zwar Pflichtprüfer, aber bei allen anderen Serviceleistungen wie Steuerberatung, Fusionsberatung, Transformationsbegleitung oder Ausbildung sind die Mitglieder bei der Wahl ihres Dienstleisters frei. Alle Primärbanken der genossenschaftlichen Finanzgruppe in Deutschland geben im Moment pro Jahr mehr als 150 Millionen Euro für solche Themen aus. Davon haben wir Verbände nur rund ein Drittel. Das zeigt das große Potenzial.

Daneben müssen wir den Blick auf Banken außerhalb der genossenschaftlichen Finanzgruppe richten. Es gibt in Deutschland knapp 1600 Banken, davon sind fast 800 Volks- und Raiffeisenbanken. Weitere fast 70 Banken nutzen das Kernbanksystem Agree21 der Atruvia AG, früher Fiducia & GAD IT AG. Das ist unser Drittmarkt. Mit diesem Ansatz lassen sich die Einnahmen trotz sinkender Mitgliederzahlen steigern. Sonst könnten wir die notwendigen Investitionen nicht stemmen.

Wie setzt sich der Umsatz im Moment zusammen?

Der Gesamtumsatz des Verbandes wird dieses Jahr auf etwa 150 Millionen Euro steigen. Den größten Anteil hieran haben die Einnahmen aus der Prüfung mit gut 90 Millionen Euro. Hinzukommen etwa 40 Millionen Euro Umsatz über die Aus- und Weiterbildungsangebote unserer Akademie und knapp 20 Millionen Euro für Beratungsleistungen, die wir aus dem Verband erbringen. Weitere Einnahmen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe erzielen wir mit Prüfungs- und Beratungsleistungen unserer Verbundgesellschaften und durch Mitgliedsbeiträge in Höhe von rund 25 Millionen Euro.

Wie entwickelt sich der Bereich Ausbildung in Zeiten von Corona. Ist er rückläufig?

Nein. Wir profitieren davon, dass der Verband schon sehr früh begonnen hat, in modernste Technik wie E-Learning-Plattformen zu investieren. Dadurch konnte mit Ausbruch der Corona-Pandemie und den Beschränkungen der Großteil der Seminare sofort virtuell stattfinden. So gingen zwar die Tagungspauschalen verloren, aber der Ertrag hat nicht gelitten. Problematisch war und ist die Situation natürlich für die angeschlossenen Hotelbetriebe.

Wie wichtig ist der angesprochene Drittmarkt inzwischen schon geworden?

Die Verbandsfamilie ist sehr mitgliederorientiert. Das wird sie im Kern auch immer bleiben. Aber das Drittgeschäft nimmt an Bedeutung stetig zu, auch wenn es sicherlich nie die Marke von 50 Prozent erreichen wird. Von 440 Bank-Mandaten entfallen derzeit etwa 60 auf Nicht-Genossenschaftsbanken. Zum Beispiel richtet sich unser Beratungsangebot in der Steuerberatung an alle Sektoren der Kreditwirtschaft, da die Regeln gleich sind. Auch hier wollen wir weitere Mandate gewinnen.

Differenzieren Sie bei Preisen zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern?

Ja. Leistungen für Mitglieder werden etwas anders bepreist als Leistungen für Dritte. Das ist aufgrund der gezahlten Mitgliedsbeiträge nur fair.

Wie muss ich mir die angesprochene verschärfte Wettbewerbssituation vorstellen: Geht es hier um den Wettbewerb mit anderen Regionalverbänden, um die beste Leistung für die genossenschaftliche Finanzgruppe oder um den Wettbewerb mit Playern außerhalb des Verbundes?

Es sind primär Dritte, mit denen wir im Wettbewerb stehen. Das liegt schlicht an unserer eigenen Aufstellung und der Verfasstheit der anderen Verbände. Weder der Verband der Sparda-Banken noch der PSD-Banken hat ein ausgeprägtes Beratungsangebot. Auch das Beratungsund Fortbildungsangebot bei den Kollegen aus den übrigen genossen schaftlichen Regionalverbänden fällt geringer aus als bei uns. Zum Teil hat man sich dort ganz bewusst gegen den Ausbau der Beratungsangebote entschieden. Von daher sehen wir die anderen genossenschaftlichen Verbände weder in der Beratung noch in der Prüfung, bei der die Mitgliedschaft im Verband gilt, als Wettbewerber.

Wird der Genossenschaftsverband der Regionen denn bei Bedarf auch im Geschäftsgebiet der anderen Regionalverbände hinzugezogen?

Ja, die Kollegen vermitteln uns bei Bedarf.

Findet der Wettbewerb um Beratungsmandate mit Dritten vor allem über den Preis statt?

Das hängt vom Einzelfall ab. Natürlich spielt der Preis eine Rolle, für den einen mehr, für den anderen weniger. Aber bei den Banken - die in einem hochregulierten Umfeld tätig sind - ist der Preiswettbewerb noch nicht so ausgeprägt wie in der Industrie. Hier zählen neben persönlichen Beziehungen und dem Vertrauensverhältnis insbesondere auch die fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen. Das wird auch trotz aller Digitalisierung noch eine ganze Weile so bleiben, gerade in der gehobenen Beratung.

Wie sehen Sie generell die aktuellen Entwicklungen in der Prüfung. Leidet ihr Verband auch unter dem Imageschaden, der nicht zuletzt durch Wirecard entstanden ist?

Natürlich sind die Entwicklungen rund um Wirecard ein Bärendienst. Die Reputation aller Abschlussprüfer hat gelitten. Die Öffentlichkeit fragt sich, ob dieser Skandal auch ermöglicht wurde, weil Prüfungsgrundsätze vernachlässigt wurden. Es gibt in der Prüfung immer Erwartungslücken, aber die Stichhaltigkeit der Bilanz sollte natürlich schon ausreichend kontrolliert werden.

Unabhängig vom Ausgang der Aufklärung dieses Einzelverfahrens ist im politischen Umfeld eine Sippenhaft für Prüfer entstanden, wenn auch nicht ganz gerechtfertigt. Es gibt in Deutschland rund 48 000 Prüfungen jedes Jahr. Die Fehlerquote dabei liegt im Promillebereich.

Wie beurteilen Sie an dieser Stelle die Neuaufstellung der BaFin?

Es ist ein wichtiger erster Schritt. Aber die BaFin muss insgesamt intern noch stärker umstrukturiert werden. Die Zusammenarbeit im Haus muss sich deutlich verbessern. Das gilt auch für die Themen Governance und Compliance. Mit Blick auf die neuen Aufgaben bin ich noch etwas skeptisch.

Von den Neuregelungen des FISG sind wir nicht in größeren Umfang betroffen. Auswirkungen erwarte ich aber von der verschärften Haftung, künftig führt schon grobe Fahrlässigkeit - je nach Prüfungsgegenstand - direkt zur vollen Haftung. Das führt zum einen zu einem Anstieg der Prüfungskosten, denn die Versicherungen für diese Themen werden entweder teurer oder Haftung kann nicht mehr versichert werden. Zum anderen wird es den Konzentrationsprozess in der Branche weiter beschleunigen.

Spielt Ihnen das in die Hände? Hat ein Genossenschaftsverband vielleicht ein etwas besseres Image?

Das stimmt, wir werden positiv wahrgenommen. Das liegt aber auch am Grad unserer Professionalisierung und Spezialisierung.

Themenwechsel: Der Genossenschaftsverband der Regionen hat als erster genossenschaftlicher Verband einen Nachhaltigkeits-Rat gegründet. Was verbirgt sich dahinter?

Das Thema Nachhaltigkeit wird uns alle in Zukunft enorm beschäftigen. Hier kommt durch die politische Großwetterlage und die Regulatorik ein ganz anderes Momentum hinein. Durch die EU-Direktive müssen künftig auch Mittelständler einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Das ist für diese eine enorme Herausforderung. Hier reden wir über die schwierige Gewinnung der Daten ebenso wie über die noch mangelnde Qualität der Zahlwerke oder die anspruchsvolle Einbeziehung möglicher künftiger Risiken. Hierfür müssen zunächst entsprechende Berichtssysteme aufgebaut und schließlich unterhalten werden. Es stellen sich Fragen nach den richtigen KPIs. Ziel muss es sein, dass die Nachhaltigkeitsinformation das gleiche Niveau erreicht, wie die Finanzinformation. Das ist noch ein langer Weg.

Der Genossenschaftsverband der Regionen will auf diesem Weg ganz vorne dabei sein. Zunächst bei uns selbst: Wir haben im vergangenen Jahr den ersten eigenen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Wir arbeiten an unserem eigenen CO2-Fußabdruck, sei es was Reisetätigkeit angeht, sei es was die Gebäude angeht. Und dann für unsere Mitglieder und Mandanten: Wir sind dabei, Teams auf- und auszubauen, die diese auf deren Weg beraten und begleiten. Das geht um Fragen des Berichts- und Meldewesen ebenso wie um die richtige strategische Aufstellung. Entsprechend haben wir den Rat gegründet, mit dem wir viele Fragestellungen diskutieren können und der uns auch an der einen oder anderen Stelle herausfordern und anspornen soll.

Ist der Großteil der Fusionen immer noch dem hohen regulatorischen Aufwand geschuldet oder kommt nun verstärkt auch der Druck von der Ertragsseite hinzu?

Nach wie vor gibt es eine verschwindend geringe Anzahl echter Sanierungsfusionen. Genauso wenige Zusammenschlüsse werden rein aus regulatorischen Gründen betrieben, jedoch ist die Regulatorik auch ein klarer Kostentreiber bei unseren Mitgliedsbanken. Inzwischen stellen sich aufgrund der sinkenden Einnahmeseite und aufgrund des wachsenden Investitionsbedarfs bei einzelnen Mitgliedsbanken schlicht Strategie- und Zukunftsfragen. Denn mit Blick auf Kennzahlen wie die Cost Income Ratio, die derzeit im Wesentlichen von den Verwaltungsaufwendungen dominiert wird, zeigt sich unseren Hochrechnungen zufolge schon der Vorteil einer gewissen Größe. Kleine Häuser mit Bilanzsummen unter 100 Millionen Euro können die zusätzlichen Belastungen immer schlechter über die Ertragsseite ausgleichen. Bei diesen erwarten wir eine steigende Cost Income Ratio in den kommenden Jahren auf über 80 Prozent. Von daher sind Kosten- beziehungsweise Aufwandsthemen der wesentliche Treiber, einen Zusammenschluss zu erwägen.

Reichen da herkömmliche Zusammenschlüsse von Nachbarbanken aus oder werden wir auch vermehrt Sprungfusionen sehen?

Das ist ein heikles Thema. Der Verband macht keine Industriepolitik und wird daher keiner Bank eine Fusion ausreden oder eine Bank in eine Fusion zwingen. Das ist Sache der Vorstände, Aufsichtsräte und schlussendlich der Mitglieder und Vertreter der Banken, die einer Fusion mit einer 2/3-Mehrheit zustimmen müssen. Ziel einer Fusion sollte es immer sein, Kosten zu senken, ein besseres Kundenerlebnis zu schaffen und damit die eigene Zukunftsfähigkeit zu erhöhen. Wenn eine Fusion dagegen die Komplexität erhöht, weil die Institute zu verschieden sind oder das Geschäftsgebiet zu groß und unübersichtlich wird, macht es weniger Sinn. Das gilt es im Vorfeld abzuwägen und abzuklären.

Wird sich die Aufgabe der Primärbanken noch stärker auf die einer klassischen Vertriebsbank beschränken müssen?

Entscheidend ist der Share-of-Wallet, sprich wie viel des gesamten Geschäfts des Kunden im Verbund verbleibt. Da spielt die Primärbank eine entscheidende Rolle, denn sie ist am nächsten am Kunden. Wenn hier ein noch intensiveres Zusammenspiel von Ortsbanken und Verbunddienstleistern hilfreich ist, nützt das allen und stärkt den gesamten Verbund.

Ingmar Rega , Vorsitzender des Vorstands , Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V.
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