Ein Jahr der Entscheidungen

Philipp Otto, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Was bringt 2019? Was hat man sich für dieses Jahr vorgenommen? Diese Fragen stellt sich nicht nur jeder Einzelne zu Beginn eines neuen Jahres, sondern diese Fragen müssen sich natürlich auch politisch und wirtschaftlich Verantwortliche stellen. Für die deutsche Kreditwirtschaft wird es ein weiteres spannendes und herausforderndes Jahr - so viel kann man durchaus schon im Januar vorhersagen, ohne Hellseher sein zu müssen. Der Mix aus angespannter Ertragslage, verschärften Wettbewerbsbedingungen, fortschreitender Technisierung des Bankgeschäfts, veränderten Kundenwünschen und hohem administrativem Aufwand für die Erfüllung der zahlreichen regulatorischen Vorschriften wird auch 2019 maßgeblich den Alltag der Bank- und Sparkassenvorstände bestimmen. Gerade für die vielen Volksbanken und Raiffeisenbanken und Sparkassen wird entscheidend sein, wie gut es weiterhin gelingt, die Margeneinbußen durch Volumenzuwächse im Kreditgeschäft wenigstens einigermaßen zu kompensieren, ohne zu viel zu riskieren.

Doch das dürfte schwieriger werden, denn der Wirtschaftsmotor in Deutschland, Europa und der Welt beginnt immer mehr zu stottern. Der ifo-Geschäftsklimaindex als ein wesentliches Stimmungsbarometer für die deutsche Wirtschaft legte einen klassischen Fehlstart in das neue Jahr hin: Er fiel um deutliche 1,9 Punkte und notiert mit 99,1 Zählern auf einem Dreijahrestief. Fast noch erschreckender als die reine Zahl ist der fünfte Rückgang in Folge, der zeigt, dass die befragten Manager immer pessimistischer werden. Die schlechte Stimmung ist dabei kein deutsches Phänomen. Der Einkaufsmanager-Index für die Industrie und Dienstleistungsbranche in der Eurozone fiel im Januar sogar auf den schlechtesten Wert seit fünfeinhalb Jahren. Bei den Auftragseingängen gab es erstmals seit November 2014 wieder ein Minus zu verzeichnen, das noch dazu so hoch ausfiel wie seit Juni 2013 nicht mehr. Die Folge: Der Internationale Währungsfonds hat im aktuellen Weltwirtschaftsbericht die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent nach unten korrigiert. Für 2020 sagt der IWF ein weltweites Wachstum von 3,6 Prozent voraus, 0,1 Punkte weniger als noch im Oktober prognostiziert. Im Bericht heißt es: "Eine Eskalation von Handelskonflikten über die bisher bereits in der Prognose berücksichtigten hinaus bleibt eine der wesentlichen Risikoquellen für den Ausblick."

Vor allem in Europa und der Eurozone müssen in diesem Jahr grundsätzliche Entscheidungen getroffen werden. Bindet man sich weiterhin eng an ein Amerika mit einem mehr als unberechenbaren Präsidenten oder orientiert man sich in Richtung Osten. Gerade erst war eine Delegation deutscher Politiker und Wirtschaftsverantwortlicher in China und hat neue Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit mit dem immer mächtiger werdenden Reich der Mitte ausgelotet. Mit Blick auf Russland gilt es, Kosten und Nutzen der Sanktionen abzuwägen, zu überprüfen, ob damit irgendein Ziel erreicht werden kann und ob eine politische und wirtschaftliche Annäherung nicht gedeihlicher wäre.

Bleibt das Damoklesschwert Brexit. Die Queen, die sich nur äußerst selten in das aktuelle Tagesgeschehen auf der Insel einmischt, hat gerade gut daran getan, als sie ihre Landsleute zu mehr Einigkeit und mehr Verantwortung mahnte. Sie bevorzuge auf "der Suche nach neuen Antworten in der modernen Zeit bewährte Rezepte", sagte sie in einer Rede. Dies seien gut übereinander reden, unterschiedliche Standpunkte respektieren, Gemeinsamkeiten ausloten und niemals das größere Bild aus dem Auge verlieren. Der Ball liegt natürlich bei den Briten. Aber auch die EU darf im Verhandlungspoker keinen Fehler machen. Wie weit kann man den Briten entgegenkommen, ohne die Tür für weitere mögliche Kandidaten zu weit aufzumachen? Wie hart kann man bleiben, ohne erheblichen Schaden für die Union anzurichten? Der Spagat ist verdammt groß und damit verdammt schwierig. Denn klar ist auch: In diesem Prozess wird es nur Verlierer geben. Es geht nur darum, die Verluste für beide Seiten so klein wie möglich zu halten. Zusätzlicher Druck entsteht durch die anstehenden Neuwahlen des Europäischen Parlamentes, bei denen ein Rechtsruck und eine spürbare Zersplitterung der Parteienlandschaft zu befürchten sind.

All diese Unsicherheiten färben auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ab und lassen die Hoffnung auf eine baldige Zinswende immer mehr sinken. Die Entscheidung, dass es in diesem Jahr nicht mehr dazu kommen wird und Draghi damit als der EZB-Chef in die Geschichte eingehen wird, der in seiner Amtszeit die Zinsen nur gesenkt hat, scheint beschlossen. "Die andauernden Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf geopolitische Faktoren und die Bedrohung durch den Protektionismus lasten auf dem Wirtschaftsklima", so Mario Draghi auf der jüngsten Pressekonferenz. Das erschwere der EZB eine Straffung ihrer Geldpolitik. Die Börsen erwarteten eine erste Anhebung erst 2020. Dies zeige, dass sie die EZB verstanden hätten, sagte der Italiener weiter.

Damit ist ziemlich klar, dass sich Banken und Sparkassen in Deutschland auf ein weiteres Jahr ohne Zinsen einstellen können. Das ist mittlerweile zwar zwangsläufig geübte Praxis, angesichts von immer weniger gut verzinstem Altgeschäft in den Beständen, einer wirtschaftlichen Eintrübung mit einer geringen Kreditnachfrage und steigenden Ausfallrisiken wird der Druck auf die Ertragslage aber größer. Das erhöht den Kostendruck und schmälert die Investitionsmöglichkeiten vor allem in neue Techniken. Doch darüber hinaus stehen wichtige Grundsatzentscheidungen an.

Stichwort eins: Nord-LB. Ist der öffentlich-rechtliche Bankensektor tatsächlich bereit, die erste echte Landesbank teilweise zu privatisieren? Die HSH kann hier zwar als Blaupause für einen geregelten Übergang vom öffentlich-rechtlichen in das private Lager hergenommen werden, aber aufgrund ihrer besonderen Strukturen galt sie nie als klassische Landesbank. Die Nord-LB dagegen schon. Entsprechend zäh ist das Ringen um eine Lösung. Das Land will Mehrheitsgesellschafter bleiben, die im Bieterverfahren verbliebenen Finanzinvestoren werden sich damit nicht zufriedengeben wollen, beschränkt ein Hauptaktionär "Land" doch all die schönen Möglichkeiten beim Ausnutzen von Bewertungs- und Bilanzierungsspielräumen und strukturellen Optimierungen, mit denen sich so herrlich einfach und schnell Geld verdienen lässt, viel zu sehr. Eine Privatisierung der Nord-LB käme aber einem Dammbruch gleich, dessen Folgen dann wohl auch über die Sparkassen hinwegrollen würden. Wahrscheinlicher erscheint daher eine Beteiligungslösung, in der mehrere Landesbanken und die Deka einen Minderheitsanteil an der Nord-LB übernehmen. Das Land Niedersachsen als Haupteigentümer müsste in einem solchen Modell die Hauptlast der erforderlichen rund drei Milliarden Euro Kapital stemmen, weitere Teile kämen von der Beteiligungsgesellschaft sowie aus der Herauslösung der Braunschweigischen Landessparkasse und der Deutschen Hypo aus dem Nord-LB-Konzern.

Stichwort zwei: Deutsche und Commerzbank. Es vergeht mittlerweile kein Tag mehr, in dem nicht über ein wie auch immer geartetes Zusammengehen beider Häuser spekuliert wird. Und alles nur, weil sich das Finanzministerium um Minister Scholz und den ehemaligen Goldman-Banker Kukies etwas häufiger als sonst vielleicht mal mit dem einen, mal mit dem anderen Banker unterhält. Natürlich ist derzeit viel Hot Money im Markt, das nach schneller Gewinnmaximierung sucht. Und es mag ja richtig sein, dass das Finanzministerium einen Zusammenschluss der beiden verbliebenen deutschen Großbanken gegenüber einer feindlichen Übernahme aus dem Ausland bevorzugt. Aber entscheiden müssen das am Ende des Tages immer noch die Eigentümer. Und das sind in den beiden Banken derzeit doch noch die eher etwas längerfristig orientierten Investoren, die auf eine Zinserhöhung setzen. Für die privaten Banken und den BdB als Bundesverband wäre ein Zusammenschluss jedenfalls nicht unbedingt erstrebenswert, würde das die Konzentration innerhalb des Verbandes doch noch weiter erhöhen, wodurch die Gefahr steigen könnte, nur noch als Sprachrohr entweder der vielen kleinen Banken oder eben des einen Großen wahrgenommen zu werden. All das wird sich 2019 klären müssen. Es bleibt spannend!

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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