Verbraucherschutz

Ausbildung von Finanzberatern: gesetzliche Anforderungen mit Lücken

Wer hierzulande Verbraucher in finanziellen Fragen beraten möchte, muss keine besonders anspruchsvolle Ausbildung vorweisen. Weil dies so ist, werden Verbraucher in finanziellen Entscheidungen überwiegend mangelhaft beraten.

Fragliche Ausnahmen vom Sachkundenachweis

Die EU hat zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Finanzdienstleistungssektor eine Richtlinie erlassen, die MiFID. Darin wird unter anderem ein Sachkundenachweis verlangt. Allerdings muss diese Richtlinie in Deutschland nicht von allen beachtet werden, die Verbraucher in finanziellen Fragen beraten. So gibt es zahlreiche äußerst fragliche Ausnahmen, zum Beispiel den reinen Fondsvertrieb oder die Vermittlung geschlossener Fonds.

Außerdem werden als Sachkundenachweis Berufsausbildungen akzeptiert, welche nur einen geringen Teil der tatsächlich erforderlichen Kenntnisse und stattdessen überwiegend für eine gute Beratung völlig überflüssige Kenntnisse vermitteln. Viele Prüfungen der Industrie- und Handelskammern wie Bankkaufmann, Fachwirt oder Fachberater legen nicht den Grundstein für eine angemessene Ausbildung zum Finanzberater.

Das Ergebnis: Millionen von Anlegern verschenken Milliarden von Euro jährlich, weil sie auf den mangelhaften Rat ihres Beraters vertrauen. Das zeigt sich zum Beispiel am Stornoaufkommen von Lebensversicherungen. Bei Policen mit 30-jähriger Laufzeit werden Angaben der Deutschen Aktuarvereinigung zufolge 76 Prozent vor Vertragsablauf storniert. Und das obwohl allgemein bekannt ist, dass ein Storno mit Renditeeinbussen verbunden ist. Ganz offensichtlich wird das Produkt viel häufiger empfohlen als es sinnvoll wäre. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat im Auftrag der Cashlife AG die Gründe für eine Stornierung ermittelt (siehe Abbildung).

Verbraucher sind abhängig von der Vertrauensperson

Ein hinreichend qualifizierter Berater kennt die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit eine Lebensversicherung ein passendes Produkt zur Geldanlage oder Altersvorsorge sein kann. Er wird in der Lage sein, drei Viertel der hier aufgeführten Gründe für einen Storno von vorneherein auszuschließen. Denn er weiß, dass vorrangig Schulden abgezahlt sein sollten, dass eine Rücklage für unvorhersehbare Ausgaben vorhanden sein muss und dass sich das Produkt nicht eignet als mittelfristige Ansparrücklage, sei es zum Autokauf oder zum Immobilienerwerb.

Finanzberater tragen eine große Verantwortung für das finanzielle Wohlergehen ihrer Kundschaft. Die Erfahrung der Verbraucherzentralen aus ihrer Beratungspraxis zeigt, dass die Gründe für gescheiterte Existenzen oftmals nicht beim Verbraucher sondern bei seinem Finanzberater zu suchen sind.

Die Tatsache, dass besonders häufig die finanziell gering gebildeten Verbraucher beim Thema Ratenkredite und Immobilienfinanzierung betroffen sind, zeigt, wie abhängig viele Verbraucher vom Rat ihrer Vertrauensperson sind. Aber auch Anleger mit guter finanzieller Allgemeinbildung brauchen eine Beratung, zumindest beim Thema Altersvorsorge. Der Unterschied zwischen einem angemessenem Ausbildungsniveau und dem Status quo macht nach Schätzungen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Durchschnitt eine Verdoppelung der realen Rendite aus.

Der volkswirtschaftliche Schaden, der durch den derzeitigen Verzicht auf ein angemessenes Qualifikationsniveau bei Finanzberatern entsteht, dürfte vergleichbar sein mit dem Schaden, der aus einem Verzicht auf die Qualifikationsanforderungen für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer entstehen würde.

Selbstverständlich bewirkt eine Erhöhung der gesetzlichen Anforderungen an die Ausbildung von Finanzberatern steigende Kosten für die Branche. Wenn allerdings alle Anbieter davon gleichermaßen betroffen sind, ergeben sich keine Wettbewerbsverzerrungen. Es stellt sich auch nicht die Frage, ob Verbraucher für diese Beratung einen angemessenen Preis bezahlen werden. Denn qualitativ hochwertige Produkte hatten hierzulande selten mit Absatzproblemen zu kämpfen.

Erwartungen wurden häufig enttäuscht

Vielmehr muss die besondere Qualität beim Verbraucher auch wahrgenommen werden. Das allerdings dürfte in der Tat kein leichtes Kommunikationsziel sein, denn die Branche hat schon allzu oft die in der Werbung geschürten Erwartungen der Kundschaft enttäuscht.

Die Etablierung eines neuen gesetzlich verankerten Berufsstandes ähnlich dem eines Steuerberaters - und zwar parallel zu den bestehenden Berufsständen - könnte daher den Stein ins Rollen bringen und ein höheres Qualifikationsniveau für den gesamten Finanzdienstleistungsbereich fördern.

Auf diese Chance hinzuweisen ist eine wichtige Aufgabe der Verbraucherpolitik. Vor dem Hintergrund der Kosten einer gesetzlichen Regulierung bleibt die Hoffnung, dass Anbieter diese Gelegenheit bereits erkennen bevor die Politik sie erkennt.

Niels Nauhauser , Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite , Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.
Noch keine Bewertungen vorhanden


X