Private Banking

Bankberater müssen beziehungsfähig sein

Der Kunde, das unbekannte Wesen? Diese Frage ist nicht neu - aber dennoch berechtigt, denn der Kunde ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt jedes Geschäftsmodells, sondern auch alles andere als eine stabile Größe. Seine Befindlichkeit, seine Prioritäten und seine Auswahlkriterien hängen gerade beim Private Banking auch von übergeordneten Entwicklungen und Megatrends ab.

In der Bankenbranche ist seit Ausbruch der Finanzkrise ein negativer Trend erkennbar: Die Pleite von Lehman und das Straucheln weiterer Geldinstitute haben eine massive Vertrauenskrise verursacht und die Banken damit unter Zugzwang gesetzt. Hinzu kommt, dass sich die Kunden nicht zuletzt dank des Internets besser informieren können. Somit gewinnen sie aus ihrer Perspektive immer mehr Kompetenz und damit Selbstbewusstsein. Ein Selbstbewusstsein, das Konsequenzen für den Bankberater hat, vor allem in sensiblen Fragen wie der Geldanlage und der Vermögensverwaltung.

Auf die jüngere Zielgruppe konzentrieren

Insbesondere gilt das für die jüngere Zielgruppe. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass sich nennenswertes Vermögen erst nach einer gewissen Zeit und damit in einem bestimmten Alter gebildet hat. Jedoch ist die selbstbewusste und informierte Generation von heute der vermögende Kunde von morgen.

Sich darauf adäquat einzustellen heißt nicht nur, in die Zukunft zu investieren, sondern sie für den eigenen Geschäftserfolg zu sichern. Zudem werden in den nächsten Jahren erhebliche Vermögen vererbt. Will sich eine Bank hier strategisch klug positionieren, bezieht sie bereits auch die jüngsten potenziellen Kunden mit ein - und kümmert sich verstärkt um den Nachwuchs.

Hinzu kommt eine weitere Entwicklung, die gerade im Bereich Private Banking den Druck auf die einzelnen Wettbewerber erhöht: Das Wachstum des gesamten Segments hat sich - zumindest in Europa - deutlich verlangsamt. Das hängt mit der allgemeinen Wachstumsschwäche in Europa ebenso zusammen wie mit dem erwähnten Vertrauensverlust.

Gewicht verschiebt sich von Anbieterauf Nachfrageseite

Auch die Tatsache, dass sich das Angebotsportfolio der meisten Wettbewerber im Private Banking traditionell kaum voneinander unterscheidet, spielt eine Rolle. Bislang fiel dieser Fakt nicht so sehr ins Gewicht, da auch die Kunden hinsichtlich ihrer Anforderungsprofile eher homogen waren. So konnte es kaum zu ausgesprochen scharfen Abgrenzungen der Anbieter untereinander kommen - und entsprechend moderat gestaltete sich auch der Wettbewerb insgesamt. In diesem Zusammenhang konnte durchaus von einem Verkäufermarkt gesprochen werden.

Bedingt durch die aufgeführten Faktoren und Entwicklungen hat sich das Angebot-Nachfrage-Verhältnis jedoch verändert - und zwar zugunsten der Nachfrageseite. Ein transparenterer Markt, der Vergleiche zwischen den einzelnen Wettbewerbern nicht nur zulässt, sondern kritische Kunden geradezu dazu ermutigt, trägt ebenso dazu bei wie deren zunehmende Preis- und Qualitätssensibilität der Kunden.

Gerade im Private-Banking-Bereich erwarten die Kunden überdies heute deutlich mehr als Standards wie etwa eine reibungslose Transaktionsabwicklung, einen zeitnahen Rückruf des Beraters oder ein ordentliches Reporting und fehlerfreie Steuerbescheinigungen. Anders ausgedrückt: Wer seine Kunden dauerhaft binden will, muss sich auf die veränderten Kundenwünsche einstellen.

Die Bank als Beziehungspartner

Ein ganz zentraler Begriff in diesem Segment ist die Beziehung. Genauer: Eine auf Vertrauen basierende, langfristig ange legte Beziehung zwischen Kunde und Berater. Denn Private Banking ist vor allem ein Beziehungsgeschäft, bei dem es auf den persönlichen Kontakt ankommt. Das zeigt sich ganz besonders in einem Kernbe -reich des Private Banking, dem sogenannten Wealth Management. Darunter wird in der Regel ein ganzheitlicher Beratungs- und Betreuungsansatz verstanden, der über die Beratung in Kapitalmarktgeschäften hinausgeht.

Weil es gerade bei dem besonderen Servicegedanken, der diesen Ansatz kennzeichnet, auf Diskretion, Transparenz und Verständnis ankommt, ist eine Beziehung zwischen Kunde und Berater im beschriebenen Sinn unverzichtbar.

Was aber erwartet der Kunde konkret von seinem Berater vor dem Hintergrund der aufgeführten Fakten? Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Professionalität sind selbstverständlich. Aber auch Sympathie und überdurchschnittliche Kommunikationsfähigkeit gehören dazu. Und vor allem ein tief gehendes Verständnis dafür, was der Kunde will - vor allem, wenn dieser selbst es nicht präzise zum Ausdruck bringen kann. Darunter fällt auch die Fähigkeit, Fachterminologie so zu nutzen, dass der Kunde jederzeit folgen kann - nur so kann echte Transparenz entstehen. Ebenso hat der Berater zunehmend auch Gesprächspartner, die selbst über ein spezialisiertes Know-how verfügen.

Was von einem Private-Banking-Berater folglich erwartet wird, ist umfangreiches Fachwissen und ein erheblicher Grad an Sozialkompetenz. Diese ist allein schon aus dem Grund erforderlich, dass gerade im Bereich Wealth Management der Berater nicht nur Zugang zu den finanziellen, sondern zumeist auch zu den persönlichen Lebensumständen seiner Klientel hat. Damit muss er nicht nur diskret und in jeder Hinsicht integer umgehen, sondern genau diese Tatsache seinem Kunden auch vermitteln können.

Generell möchte der Kunde seinen Berater in geografischer Nähe wissen, also im ganz wörtlichen Sinn "greifbar" und mit lokaler Verwurzelung. Im Internetzeitalter herrscht inzwischen eine Art "Echtzeit-Mentalität" vor. Wünscht der Kunde eine Leistung, will er sie überall und sofort. Das bedeutet nicht nur örtliche Präsenz und erhebliche Flexibilität, sondern auch die Möglichkeit, den schnellsten und effizientesten aller Kanäle nutzen zu können - das Internet. Auch das ist ein wichtiges Element einer intensiven und umfassenden Kundenbeziehung.

Obwohl dieser Trend grenz- und länderübergreifend zu beobachten ist, gibt ein Blick in andere Regionen der Welt dennoch Aufschlüsse über eventuelle Unterschiede, die sowohl kulturell als auch aus der jeweiligen Branchentradition heraus begründet sind. Gerade in Bezug auf die immer wichtiger werdenden Emerging Markets ist die Kenntnis dieser Unterschiede - oder auch Gemeinsamkeiten - geradezu essenziell für international aufgestellte Geldinstitute.

Andere Länder andere Sitten - Kundenerwartungen in Fernost

Beispiel Asien: In vielen fernöstlichen Ländern sind die Real- und Finanzvermögen in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark gewachsen. In der Region Asien-Pazifik leben mittlerweile nicht weniger Vermögende (High Net Worth Individuals) als in Europa oder den USA - und ihre Anzahl nimmt jährlich um mehr als zehn Prozent zu.

Dabei hat sich ebenso gezeigt, dass Kunden aus asiatischen Ländern, wie zum Beispiel China oder den Tigerstaaten, gern zweigleisig fahren: Neben einer großen Bank für ihre geschäftlichen Belange nehmen sie die Dienste einer kleineren, möglichst exklusiven Bank für ihre Vermögensverwaltung in Anspruch. Dabei bevorzugen sie vor allem solche Häuser, bei denen sie problemlos und informell auch Führungskräfte bis hin zum CEO persönlich treffen können. Für solche Kunden ist diese Option ein klarer Vertrauens beweis und geradezu zwingende Voraussetzung dafür, dass die Kunden ihr Vermögen der Bank überhaupt erst an vertrauen.

Generell ist die Bindung von Kunde und Bank-Kontaktperson in den fernöstlichen Ländern deutlich enger als in Europa oder Nordamerika. Diese Bindung aufzubauen ist auch traditionell eine der Kernaufgaben des Bankberaters. Dazu gehört ein regelmäßiger Austausch zwischen den Beteiligten - ein Austausch, der deutlich über finanzielle beziehungsweise professionelle Bereiche hinausgehen kann und persönliche Belange nicht ausspart. Hinzu kommt die insgesamt größere Risikobereitschaft asiatischer Kunden, die auch durch die Finanzkrise nur teilweise gedämpft wurde. Je höher aber das Risiko, desto größer der Bedarf an gegenseitigem Vertrauen. Alle diese Bedürfnisse gilt es im Rahmen eines integrierten Lösungspakets abzudecken und dabei vor allem die Qualität beratungsintensiver Dienstleistungen durch ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zum Kunden sicherzustellen.

Vertrauen kann nur in einer langfristigen Beziehung zwischen Bank (-Berater) und Kunde entstehen. Damit eine langfristig angelegte Beziehung zwischen Bankberater und Kunde funktionieren kann, muss der Berater heute nicht nur Lebens-, sondern auch Lebensabschnittspartner sein. Das bedeutet: Der Berater muss seinen Kunden Lösungen zu seinen Finanzzielen und -bedürfnissen präsentieren, die zu deren unterschiedlichen Lebensphasen passen.

Marke des Vertrauens

Hier wird der anstehende Paradigmenwechsel besonders deutlich: Das traditionelle Geschäftsmodell der Kundenbetreuung orientiert sich stark an Produkten und Produktgruppen - und ignoriert häufig die wahren Kundenbedürfnissen. Denn gerade die strenge Einteilung in Produktsilos steht einem ganzheitlichen Ansatz diametral entgegen. An die Stelle von Produkten tritt dabei zunehmend die Leistung der Bank beziehungsweise des Bankberaters als Marke. Im Unterschied zu Produkten kann eine Marke Vertrauen wecken, aufbauen und dauerhaft sichern. Fast jedes Geschäft beinhaltet einen Vertrauensvorschuss vom Kunden - erst Recht, wenn es um das persönliche Vermögen geht.

Eine Marke ermöglicht es, gezielt an den Schwachstellen einer auf Vertrauen basierenden Beziehung anzusetzen und die - aus Kundensicht - mit zahllosen Unsicherheiten versehene Welt mit mehr Sicherheit auszustatten. Genau das macht den Wert einer Marke aus. Und genau das ist der Grund, warum Bank und insbesondere Bankberater als "Marke des Vertrauens" mit unverwechselbarer Identität auftreten sollten. Marken sind kristallisiertes Vertrauen und setzen damit auch den Berater einer Bank unter Zugzwang, dieser Markenanforderung immer wieder gerecht zu werden.

Dabei trägt der einzelne Mitarbeiter einer Bank letztendlich nicht nur Verantwortung für seinen eigenen Erfolg: Die positiven Erfahrungen, die der Kunde mit ihm macht, wird er schnell auf die ganze Bank übertragen, im Extremfall sogar auf die ganze Branche.

Offenheit statt Hochglanzfassade

Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Negativerfahrungen. Unteilbarkeit des Vertrauens wird das entsprechende Phänomen genannt. Im Übrigen muss dabei nicht einmal alles immer und über all reibungslos verlaufen. Selbst wenn der Berater gegebenenfalls einen Fehler macht: Gesteht er diesen ein und arbeitet sichtbar konstruktiv an einer Lösung, kann auch das ein Vertrauenspotenzial aufbauen oder stärken - und der Bank als Ganzes eine sympathische Note verleihen.

Verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln einerseits, individuelle Lösungen für jeden einzelnen Kunden andererseits sowie eine intensive Beratung und Begleitung bei der Identifizierung und Realisierung der persönlichen Anlageziele: Diese Kombination ist Voraussetzung für einen gemeinsamen Erfolg. Bedingung: Die Beratung muss erkennbar auf die Interessen des Kunden zugeschnitten und damit unabhängig von speziellen Produkten und Anbietern sein.

Im Zusammenspiel mit einem effizienten und zweckorientierten Einsatz der neuen Medien als Echtzeit Kommunikationskanal können Anbieter gerade im Private-Banking-Bereich länderübergreifend die Erwartungen einer deutlich anspruchsvolleren, teilweise auch skeptischeren Kundengeneration erfüllen.

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