Leitartikel

Unter Beobachtung

PO - Dass sich die Banken seit geraumer Zeit immer wieder harsche Kritik der Verbraucherschützer, Politiker und mancher Journalisten an ihrer Anlageberatung anhören müssen, ist nichts wirklich Neues und vermag auch keinen Banker mehr ernsthaft zu erschrecken. Dass sich nun aber auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in diese Bankenschelte einschaltet, hat eine neue Qualität. "Die BaFin hat die Vergleichbar keit von rund 130 Produktinformationsblättern überprüft und dabei Defizite festgestellt. Häufig fehlten Angaben gänzlich, in anderen waren die Produkte und ihre Funktionsweise, die Risiken und Kosten nur ungenau oder abstrakt beschrieben. Sie hat gravierende Verstöße bei den Instituten beziehungsweise Verbänden beanstandet, woraufhin viele Unternehmen ankündigten, ihre Informationsblätter zu ändern. Die BaFin wird die Umsetzung nachhalten". So heißt es im aktuellen Geschäftsbericht von Deutschlands oberster Aufsichtsbehörde. Und gerade den letzten Satz darf man durchaus als Drohung verstehen. Erst recht vor dem Hintergrund, dass "die BaFin kollektiven, nicht individuellen Verbraucherschutz" betreibt, also eine reine Missstandsaufsicht, und nur dann einschreitet, "wenn wir anhand von Verbraucherbeschwerden feststellen, dass in dem betreffenden Unternehmen ein Missstand herrscht", so die neue BaFin-Präsidentin Elke König jüngst. Es scheint also einiges im Argen zu liegen bei den Banken.

Klar ist, die Anforderungen an die Kreditwirtschaft werden nicht weniger und sind lästig. Aufsichtsrechtliche Regelungen wie Basel III schmälern Geschäftsmöglichkeiten und Gewinne. Europäische Vorstöße drohen gewachsene deutsche Strukturen aufzubrechen und Geschäftsmodelle nachhaltig zu verändern beziehungsweise unattraktiv zu machen. Das Meldewesen hat eine Dimension erreicht, die von den vielen kleineren und mittleren Banken und Sparkassen in diesem Land kaum noch zu erfüllen ist. Und der vom Grundsatz her sicher richtige verschärfte Blick auf den Anlegerschutz mit Maßnahmen wie den Produktinformationsblättern, den Key Investor´s Documents oder den Vermögensanlagen-Informationsblättern sorgt für einen hohen administrativen Aufwand, verunsichert Berater, denen stets mit Haftung bei Falschberatung gedroht wird, und mitunter überforderte Kunden, denen die Informationsflut dann doch ein Stück zu weit geht. Einer Untersuchung der Europäischen Kommission zufolge wollen Verbraucher vor allem transparente Preise, ein jederzeitiges Widerrufsrecht, ohne eine Begründung angeben zu müssen, und klare schriftliche Informationen.

Dafür bedarf es nicht eines Wusts von Papieren in hohen zwei- bis dreistelligen Volumina. Und auch die immer wieder angeprangerte Offenlegung der Margen der Banken geht sicherlich einen Schritt zu weit. Schließlich wird auch kein Gastronom gezwungen, seine Einstandskosten neben den offiziellen Verkaufspreis des Weins in die Karte zu schreiben. Allerdings kann und darf es auch nicht sein, dass mit verklausulierten Kürzeln der Kunde nach wie vor im unklaren über den Inhalt der Produkte, den Risikogehalt und ähnliches gelassen wird und Bankmitarbeiter immer noch verkaufen statt beraten. Die Banken selbst sehen das strenge Vorgehen der BaFin als überzogen und befürchten, dass sich die Aufsichtsbehörde zu sehr vor den Karren der Verbraucherschützer spannen lässt. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass die Bonner Behörde eine Abteilung des Bundesfinanzministeriums ist und dadurch vielleicht auch dem ein oder anderen politischen Wunsch zu entsprechen hat.

Und auch wenn die Bonner Aufseher durchaus leichte Fortschritte in Sachen Anlegerschutz bei den Instituten feststellen, unterschätzen sollten die Banken die BaFin an dieser Stelle allerdings nicht: "Uns steht das volle aufsichtsrechtliche Instrumentarium zur Verfügung, von Bußgeldern bis hin zur Abberufung der Geschäftsleiter als Ultima Ratio", so BaFin-Exekutivdirektor Karl-Burkhard Caspari. Deutlicher geht es kaum.

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