Banken und Medien

Co-Creation - ein Instrument für mehr Transparenz

Co-Creation oder Crowdsourcing boomt, und ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Die direkte Teilhabe des Konsumenten an den Gestaltungs- und Entwicklungsprozessen der an sie adressierten Produkte und Serviceleistungen wird parallel zur fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft weiter an Relevanz gewinnen. Darauf deuten alle belastbaren Parameter hin. So hat sich schon 2010 laut einer Bitkom-Studie jeder fünfte Internet-User für Co-Creationing begeistert. Der Social-Media-Hype der vergangenen Jahre hat diese Entwicklung weiter forciert. Das machen sich immer mehr Unternehmen aus diversen Branchen beim Produktdesign zunutze.

Kreditwirtschaft läuft Trend hinterher

Der Finanzsektor jedoch hinkt diesem Trend bislang hinterher. Dafür gibt es drei wesentliche Gründe:

Zum einen scheinen die für den Bankenbereich geltenden strengen Datenschutzbestimmungen auf den ersten Blick nur schwer kompatibel mit einem offenen Ideenflow, wie er für Co-Creation-Projekte signifikant ist.

Zum anderen ist dieser digitale Kreativitätsprozess, insofern er wirklich transparent abläuft, auch für die Mitbewerber einsehbar und kann somit produkt- oder vertriebsstrategisch verwertet werden. Last but not least dämpfen die relevanten Marktforschungsstudien die Erwartung auf eine frequentierte User-Beteiligung, denn das Thema Banking versetzt die Bundesbürger nicht gerade in Begeisterung. Schon gar nicht, wenn es darum geht, proaktiv an zukunftsgerichteten Innovationen in diesem Bereich mitzuwirken. Beschwerden sind nun einmal viel leichter zu formulieren, als mit adäquaten Verbesserungsvorschlägen oder Lösungen aufzuwarten.

Dabei werden gerade diese von allen Seiten verstärkt eingefordert. Denn seit der Finanzkrise ist die Forderung nach Transparenz im Bankensektor nahezu omnipräsent und bestimmt die öffentliche Diskussion. In diesem Zusammenhang wird vielfach die Komplexität von Produkten oder Serviceleistungen der Geldinstitute bemängelt. Kunden könnten diese gar nicht oder nur schwer durchblicken - ein Vorwurf vieler Kritiker, der durchaus ernstzunehmen ist und einen Grund darstellt, sich zu fragen, ob die Konsumenten nicht gerade deshalb von Anfang an bei der Entwicklung und Gestaltung solcher Finanzdienstleistungen stärker als bisher einbezogen werden sollten.

Mit der jüngsten Einführung des Cortal-Consors-Banking-Labels "Hello bank!" wurde genau dieser Schritt gewagt - trotz der oben genannten Vorbehalte. Ausgehend von der Kernthese, dass künftig nicht primär die Gebührenkonditionen, sondern vielmehr Kriterien wie Userexperience, Transparenz und Partizipation über die Attraktivität einer Bank entscheiden, wurde eine für den Sektor bisher einmalige Co-Creation-Initiative initiiert.

Die spannende Frage dabei war, ob sich der allgemeine Wunsch nach mehr Offenheit und Einfachheit - laut Bankenmonitor wünschen sich 71 Prozent der Deutschen dieses von den Geldinstituten - auch tatsächlich in konkreten Ideen und Lösungsansätzen von Kundenseite niederschlagen würde.

Von der klassischen Marktforschung zur Co-Creation

Natürlich hat die Direktbank Cortal Consors, wenn es um die Entwicklung von neuen Features oder Produkten ging, schon immer eine Art von Co-Creation betrieben - zum Beispiel in Form von intensiven Benutzer- und Kundenbefragungen, Trendreports oder -analysen, die in das Produktdesign mit eingeflossen sind. Doch das bewegte sich zumeist auf dem Feld der klassischen Marktforschungstools.

Bei der aktuellen Initiative ging es dagegen um mehr: Analog zur neuen Art von Banking, für die das Label "Hello bank!" mit seinem Vollbankportfolio bei Cortal Consors steht, war keine limitierte, sondern eine umfassende Co-Creation intendiert. Die Kreativität der Kunden sollte während der gesamten Customer-Journey einbezogen werden. Deshalb wurde der gesamte Prozess, von der Fragephase bis zum Co-Creation-Workshop in Berlin, transparent und nachvollziehbar gestaltet.

Die Resonanz zeigt: Damit wurde ein Nerv getroffen. Hochfrequentiert war besonders die erste Phase der Kreativitätsinitiative. Interessierte konnten sich durch ihre vorab gestellten Fragen für die Workshop-Teilnahme qualifizieren. Statt der erwarteten etwa 300 Fragen liefen trotz geringem Medieneinsatz und ohne weitere Social-Media-Einbindung innerhalb kürzester Zeit rund 1 500 Fragen auf, die zur Wahl gestellt und innerhalb von drei Wochen mit 31 000 Likes bewertet wurden. Wie dieser Traffic zeigt, haben die Kunden also, entgegen allgemeiner Marktforschungseinschätzungen, sehr wohl Ideen und Visionen für eine neue Art von Banking.

"Wie kann Banking begeistern?", "Wie kann Banking persönlicher werden?", "Wie verwalte ich mein Geld einfach und schnell?" Diese drei am stärksten gevoteten Fragen wurden Gegenstand des dreitägigen Workshops und stehen als Pars pro Toto für das Stimmungsbild der ganzen Co-Creation-Initiative. Es lässt sich in einer Kernbotschaft der User zusammenfassen: Banking soll verständlicher, menschlicher und simpler werden!

Verständlicher, menschlicher, simpler

Das illustrieren die im Rahmen des Workshops entwickelten sechs Produktideen sehr eindrucksvoll. Sie wurden ausgehend von den drei Kernfragen im Team mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen erarbeitet: Dazu gehörten die Informationsdesignerin Sayaka Kasahara, der Wirtschaftsjournalist und Finanzblogger Lothar Lochmaier, der Konsumforscher Udo Eichstädt, der Produktdesigner Tim Brauns, der Interaction-Architekt Michael Fleck sowie der Start-up-Gründer Markus Hormess. Wertvoller Input kam zusätzlich direkt von den Usern online über einen Ideen-Chat.

Diversifizierte Kompetenz, zeitnah an einem Ort und kooperativ gebündelt - auf diese Weise entstanden jeden Tag zwei konkrete Produktvorschläge, die am Abschlusstag des Workshops präsentiert wurden. Sie sind unter www.hellobank. de/die-antworten abrufbar. Die Prototypen dieser sechs Anwendungen werden den Umgang mit Geld in den unterschiedlichsten Lebensbereichen maßgeblich erleichtern und vereinfachen. Die Spanne reicht von Sparen bis Sterben.

Begeisterndes Banking: Zwei auf dem Workshop entwickelte Anwendungen verdeutlichen, wie User sich begeisterndes Banking vorstellen: simpel, schnell und smart. Die Motivation zum Sparen soll beispielsweise durch "Die Sp-App" gesteigert werden. Diese Applikation verschafft dem Nutzer mittels eines leicht bedienbaren Finanzkonfigurators einen dezidierteren Überblick über das eigene Soll und Haben als bisher. Finanzielle Ziele können genau definiert, Ausgaben damit abgeglichen und ein effektiverer Vermögensaufbau ermöglicht werden. Auch die zweite Produktidee zielt auf eine werthaltige Art der Vermögensanlage: Beim "Crowdfunding-Fonds" kann der Kunde künftig gemeinsam mit Gleichgesinnten gezielt die Projekte unterstützen, die ihm am Herzen liegen. Baukastenähnlich kombiniert er zum Beispiel das Start-up eines Freundes und ein Regenwald-Projekt.

Persönlicheres Banking: Die erarbeiteten Lösungsvorschläge für diese Fragekategorie kommen ebenfalls mitten aus der Praxis. Heutzutage ist es keine Selbstverständlichkeit mehr, die Bank seines Vertrauens für sich zu akklamieren. Deshalb zielt das "Bankship-Portal" auf eine funktionierende Beziehung zwischen Kunde und Berater. Das Portal vergleicht das Profil des Users mit dem des Bankberaters, in dem auch persönliche Interessen vermerkt sind. Mittels Matching findet der Kunde genau den passenden Vermögensexperten. Wenn die Chemie zwischen ihnen stimmt, lassen sich finanzielle Entscheidungen in der Regel deutlich konstruktiver treffen.

Im Hinblick auf Finanzprodukte fallen diese nicht immer leicht, weil es dabei oft um erhebliche Beträge geht. Eine unabhängige Bewertung von Finanzprodukten durch die Kunden selbst kann daher bei der Entscheidungsfindung sehr hilfreich sein. Hier setzt der "You-Rate-Button" an. Er führt für den Finanzsektor ein, was in anderen Konsumkontexten längst üblich ist. Mit dem Button kann der Kontoinhaber ganz einfach per Mausklick ein Finanzprodukt bewerten. Das Voting erscheint anschließend sofort auf der jeweiligen Produktseite und ist für alle Kunden einsehbar.

Einfacheres Banking: Dieser Komplex war für die User von besonders hoher Relevanz und wurde ausgesprochen oft nachgefragt. Die Antworten des Ideenworkshops: Zur gezielten Ausgabenkontrolle und -lokalisierung wurde die "Life-Balance-App" entwickelt. Dabei handelt es sich um einen virtuellen Kontoauszug für Smartphone oder Tablet-Computer, mit dem der User auf einem Stadtplan genau verfolgen kann, wo und wann er wie viel Geld ausgegeben hat. Verschiedene aussagekräftige Grafiken erhöhen zusätzlich den Überblick über Einnahmen und Ausgaben. Das ermöglicht eine nachhaltige Analyse und Optimierung des eigenen Konsumverhaltens.

Eine Form von Online-Vermächtnis stellt die Anwendung "B-Me" dar, die für mich berührendste Idee des Workshops: B-Me ist eine Art von Online-Testament, in dem der Benutzer verfügen kann, was beim Todesfall mit seinen Social-Media-Accounts, Passwörtern oder E-Mail-Fächern passiert. Die Bank kümmert sich dann um die Abwicklung des virtuellen Vermächtnisses.

Technische, rechtliche und datenschutzrelevante Fragen

Selbstverständlich sind nicht alle angedachten Projekte sofort eins zu eins umsetzbar. Vorher sind zahlreiche technische, rechtliche sowie datenschutzrelevante Fragen zu klären. Klar ist jedoch: Es wird keine Idee unter den Tisch fallen. Hinsichtlich der "Life-Balance-App" stehen die Chancen gut, dass Kunden sie bereits 2014 nutzen können - etwa im Rahmen des Personal Finance Managements (PFM), das für das neue "Hello bank!"-Girokonto bei Cortal Consors entwickelt wird. Sogar eine Marktumsetzung als eigenständige App ist gut vorstellbar. Ähnlich sieht es mit dem "You-Rate-Button" aus, der ebenfalls zeitnah verwirklicht werden soll. Denn für immer mehr Digital Customer stellen solche Applikationen einen hohen Mehrwert dar.

Natürlich sieht das nicht jeder Kunde so. Gerade angesichts der jüngsten Fälle von Datenausspähung (Prism, Tempora) macht die Angst vor Big Data aktuell die Runde. Das muss respektiert werden. Beim Thema Datenschutz darf es keine Kompromisse geben. So müssen auch für alle Co-Creation-Projekte und die daraus resultierenden Produktideen die höchsten Sicherheitsstandards gelten, wie sie von jeher für den gesamten Bankensektor vorgeschrieben sind.

Um es ganz deutlich zu sagen: Diese Kreativitätsoffensive dient in keinster Weise dem Datensammeln für Google & Co. Den Co-Creation-Workshop haben bewusst keine Cortal-Consors-Mitarbeiter beeinflusst. Es ging um einen ungehinderten, interessenfreien und transparenten Kreativitätsflow.

Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft bietet dafür die optimalen Voraussetzungen. Die Finanzbranche tut gut daran, das zu nutzen und die Kreativitätspotenziale ihrer Kunden verstärkt in ihr Produktdesign einfließen zu lassen. Cortal Consors wird jedenfalls in Zukunft öfter auf Instrumente wie Co-Creation oder Crowdsourcing zurückgreifen. Verantwortungsvoll eingesetzt sorgen sie für mehr Nähe zu den Kunden und erhöhen die Transparenz. Das ist in der Diskussion um den Bankensektor gut zu gebrauchen.

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