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Firmenkundengeschäft / Wie sichern wir die Kreditversorgung - eine Replik auf Mario Ohoven

Man muss nicht alles ernst nehmen, was an Polemik und Verzerrungen in die Welt gesetzt wird. Aber man muss die eine oder andere Behauptung richtigstellen, wenn sie in einer renommierten Publikation aufgestellt wird und das Thema ein ernsthaftes und wichtiges ist. Die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft ist ohne Zweifel ein solches und bewegt zu Recht Politik, Wirtschaft und Banken gleichermaßen. Daher einige Anmerkungen zu dem Beitrag von Mario Ohoven (Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft) "Der Mittelstand steckt in einer akuten Kreditklemme" in der Ausgabe 9/2009 von bank und markt.

1. Die privaten Banken haben immer nicht "akademisch abgehoben", sondern klar und deutlich - gesagt, dass es im Zuge der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise auch in Deutschland Probleme in der Unternehmensfinanzierung gibt, sei es bei großvolumigen oder langfristigen Finanzierungen oder in bestimmten Branchen, die von dem beispiellosen Wirtschaftseinbruch besonders betroffen sind. Es ist aber keine akademische Spitzfindigkeit, sondern eine von vielen Seiten nicht zuletzt der Bundesbank - bestätigte Tatsache, dass eine generelle Kreditklemme - jedenfalls bislang - nicht festzustellen ist.

Ich möchte hier nur Patrick Adenauer zitieren, der eine aktuelle Umfrage von "Die Familienunternehmer - ASU" sowie der "Jungen Unternehmer" so kommentiert hat: "Wir Familienunternehmer können keine flächendeckende Kreditklemme feststellen. Zwar nehmen knapp 24 Prozent der Befragten veränderte Bedingungen bei der Fremdkapitalaufnahme als Investitionshemmnis wahr, jedoch hat sich dieser Wert im Vergleich zum März (36,5 Prozent) deutlich gesenkt." Mehr als die Hälfte der in dieser Studie Befragten bekamen auf dem Höhepunkt der Krise sogar günstigere Kredite als zuvor.

2. Nicht eine einzige private Bank hat ein Interesse daran, sich unter einem "Rettungsschirm aus Steuermilliarden" bequem einzurichten; ebenso wenig hat der Staat dies bezweckt oder würde er es dulden. Dass der Bund in der systemischen Krise der Finanzmärkte Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen hat, hat nicht nur großen Schaden von der Volkswirtschaft abgewendet. Sondern es hat auch dazu beigetragen, dass die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft erhalten blieb und der Bestand an Unternehmenskrediten bis weit in dieses Jahr hinein immer noch zugenommen hat.

Erst in jüngster Zeit stagniert er, und zwar deshalb, weil die weltweite Konjunkturkrise - allein die deutsche Wirtschaft hat in diesem Jahr wohl einen Einbruch von fünf Prozent zu verkraften - mittlerweile neben den Banken auch die Unternehmen voll erfasst hat. Die Kreditnachfrage sinkt, und eine steigende Risikovorsorge für Kreditausfälle sowie erhöhte Eigenkapitalanforderungen nach den Vorgaben von Basel II können die Kreditvergabe von Banken, Sparkassen und Volksbanken weiter erschweren.

3. Dass in der aktuellen Lage Kredite mit erhöhtem, aber tragbarem Risiko teurer werden, hat nichts damit zu tun, dass Banken Betriebe "am ausgestreckten Arm verhungern" ließen oder ihnen die "lebenswichtigen Finanzadern abklemmen" würden. Welchen Sinn sollte dies aus Sicht der Banken haben, die ja gerade im deutschen Mittelstand traditionell stark mit Fremdmitteln engagiert sind? Vielmehr ist die Anpassung von Konditionen (dazu zählt auch die Besicherung) an höhere Risiken betriebswirtschaftlich und in Summe auch gesamtwirtschaftlich notwendig, ja, sie ist ohne Alternative. Gerade die Finanzmarktkrise zeigt doch, wohin es führt, wenn Risiken unterschätzt werden. Soweit Banken solche Fehler gemacht haben, haben sie sich dazu bekannt und ziehen - Stichwort Risikomanagement - die Konsequenzen daraus. Alles andere wäre geradezu fatal und würde nur die nächste Krise programmieren.

4. Europäischer Zentralbank und Bundesbank gebührt Anerkennung dafür, wie sie auch mit ungewöhnlichen, entschlossenen geldpolitischen Maßnahmen dazu beigetragen haben, der Finanzmarktkrise zu begegnen. Die zusätzliche massive Liquidität hat Engpässe überwinden geholfen, und die Zinssenkungen sind nach Analysen der Bundesbank zu 70 bis 80 Prozent auch beim Kunden angekommen. Der Prozess der Weitergabe der Zinssenkungen - so kürzlich auch EZB-Präsident Trichet und nachzulesen in den Monatsberichten der Bundesbank, die dies aufmerksam verfolgt - verläuft normal. Im Übrigen: Liquidität, an der es nicht mangelt, ist das eine; Kapital und eine ordnungsgemäße Risikoeinschätzung ersetzt sie nicht.

5. Die Banken argumentieren nicht mit einem selektiven oder manipulierten Datenwerk, sondern auf der Basis der Statistik der Deutschen Bundesbank. Jene "sonstigen Finanzinstitute", die die von uns verwendeten Zahlen einschließen, leisten etwa über Leasing und Factoring - einen unmittelbaren Beitrag zur Unternehmensfinanzierung. Wie stünde der deutsche Mittelstand da, wenn es hier zu stärkeren Verwerfungen gekommen wäre?

6. Was hilft, die Probleme zu lösen? Kann die Bundesregierung "den Kreditfluss qua Gesetz wieder in Gang bringen"? Sie kann es nicht, jedenfalls nicht durch Zwangskredite. Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt, denn Banken wollen ja Kredite vergeben, es ist unser Geschäft. Sie dürfen aber keine Kredite vergeben, die betriebswirtschaftlich nicht zu verantworten sind. Wer wollte es umgekehrt Mittelständlern zumuten, unter staatlichem Zwang Geschäfte zu tätigen, die sie in ihrer Existenz bedrohen könnten?

Kurzum: Rhetorische Ausfälle mögen die eine oder andere Emotion befriedigen, schaffen aber keinen Euro zusätzlichen Kredit und lösen kein einziges der aktuellen Probleme. Und davon gibt es immer noch mehr als genug. Auch wenn sich in diesen Wochen konjunkturell eine Bodenbildung abzeichnet - ein selbsttragender Aufschwung ist das noch nicht. Vor uns liegen noch höhere Zahlen an Arbeitslosen und Insolvenzen, und auch die zwangsläufige Beeinträchtigung der Bonität vieler Unternehmen wird sich noch spürbar in den Ratings niederschlagen. Unternehmen wie Banken - und auch die Politik sollten also gemeinsam den Blick nach vorne richten und die gemeinsamen Probleme konstruktiv angehen.

Im Zentrum steht hier für mich die Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes. Über die Schaffung eines Qualitätsprodukts auf der Basis werthaltiger deutscher Mittelstandskredite sprechen wir bereits mit der Politik, aber auch mit anderen Wirtschaftsvertretern. Liegt hier nicht eher unsere Aufgabe, als darin, sich gegenseitig vordergründige "Argumente" und Vorwürfe an den Kopf zu werfen? Ist das nicht ein zielführenderer Weg, auch für den BVMW?

Prof. Dr. Manfred Weber ist Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands deutscher Banken, Berlin.

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