Blickpunkte

Investmentfonds - Statistischer Trick

Auch 60 Jahre nach der Einführung von Investmentfonds in Deutschland hat es die Branche noch immer nicht geschafft, das Produkt beim privaten Anleger so zu etablieren, wie es in anderen Märkten eine Selbstverständlichkeit ist. Dabei hat vermutlich das tief eingewurzelte Sicherheitsbedürfnis der Deutschen aus der historisch gewachsenen Sparbuchkultur ebenso eine Rolle gespielt wie zweifelhafte Vertriebspraktiken, bei denen etwa Kunden ohne Not zur Umschichtung in andere, dann womöglich schlechter performende Fonds geraten wurde. Und während Verbraucherschützer den Vertrieb ausschließlich eigener Fonds durch Banken und Sparkassen anprangerten und die "Open Architecture" anmahnten, wuchs gleichzeitig die Zahl der zum Verkauf zugelassenen Fonds immer weiter an, sodass die Kunden die Qual der Wahl immer schwerer belastete. Wen wundert's also, dass die jüngste ZEW-Studie im Auftrag des BVI einmal mehr belegte: Fonds gelten den deutschen Verbrauchern mehrheitlich als zu schwierig. Mit diesem Vorurteil aufzuräumen, wenn gleichzeitig nichts gegen die ausufernde Komplexität des "Fondsuniversums" (das Wort sagt schon alles) getan wird und werden kann, ist zweifellos eine Herkulesaufgabe, umso mehr, solange es am Vertrauen in die Beratung mangelt, die in diesem Dschungel einen gangbaren Weg weisen könnte.

Gemeinsam mit dem ZEW versucht es der BVI deshalb mit Statistik: Insgesamt haben deutsche Privatanleger 11,4 Prozent ihres Geldvermögens in Fonds investiert. 24 Prozent der deutschen Haushalte sind Fondsbesitzer. Das ist selbstredend zu wenig, um den Fonds als alltägliches Finanzprodukt darzustellen, das so selbstverständlich ist wie das Sparbuch.

Deswegen rechnet die Studie flugs die indirekten Fondsanlagen über Lebensversicherungen dazu, womit nicht etwa die Fondspolicen gemeint sind, sondern das Engagement der Assekuranz als institutionelle Investoren. Und schon verwandeln sich "Fondsmuffel", denen die klassische Lebens- oder Rentenversicherung lieber ist als der Fondssparplan, in indirekte Fondsbesitzer. Durch diesen statistischen Trick werden aus 8,9 Millionen Fondsbesitzern im Handumdrehen 21,4 Millionen. Der Anteil der Haushalte, die direkt oder indirekt in Fonds investiert sind, steigt auf beachtliche 57 Prozent.

Diese Darstellung ist zweifellos pfiffig passen doch die so ermittelten Werte wesentlich besser zum Slogan "Investmentfonds. Nur für alle. (siehe Seite 10, mit dem die Fondsbranche ihre PR-Kampagne titelt. Manchen Versicherten, der sich keine Gedanken darüber macht, wie die Assekuranz die Prämiengelder anlegt, um Garantiezins und Überschüsse zu erwirtschaften, mag die Feststellung, dass er indirekt, ohne es zu wissen in Fonds investiert ist, auch durchaus überraschen. Damit wäre ein Ziel der Kampagne erreicht, nämlich die Verbraucher immer wieder mit überraschenden Ansätzen mit dem Thema Investmentfonds zu konfrontieren.

Zum Vertriebsargument taugt die originelle Rechnung gleichwohl wenig. Schließlich ist es eine Sache, ob ein Verbraucher der Assekuranz die Anlagekompetenz zutraut, die Versichertengelder sinnvoll anzulegen, und eine ganz andere, ob er sich selbst (oder seinem Berater) diese Kompetenz ebenfalls zuspricht und sich überhaupt mit der Thematik befassen möchte. Denn die Komplexität des Themas lässt sich nicht hinwegdeuteln. Den Absatz steigern können letztlich nur überzeugende Beratung und gute "Fondsfinder" im Internet. Am Ende bleibt es also doch wieder eine Frage des Vertriebs. sb

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