Zahlungsverkehr

Eine leistungsfähige Infrastruktur ist erforderlich

Für den stärksten Wirtschaftsraum der Welt, die EU 27, ist eine leistungsfähige Infrastruktur im Zahlungsverkehr unabdingbar. So betont Carl-Ludwig Thiele die wirtschaftliche Bedeutung des Zahlungsverkehrs auch als Aufgabe für die Bundesbank. Dass andere Länder die Deutschen bei der Nutzung der Sepa-Instrumente abgehängt haben, ist für ihn nur ein vorübergehender Zustand. Denn viele öffentliche Kassen seien derzeit in der Migration begriffen. Als noch zu überwindendes Hindernis steht für ihn die Mandatsmigration bei Sepa-Lastschriften an erster Stelle. Red.Von Bertolt Brecht ist das Zitat überliefert, dass der Sieger immer die Geschichte schreibt. Ich möchte es leicht abwandeln und stelle fest, dass derjenige, der zeitig in die Zukunft blickt, gute Chancen hat, der Sieger zu sein. Das gilt zumal bei europäischen Großprojekten wie im Zahlungsverkehr. Allein deshalb lohnt ein Blick in die Zukunft des Zahlungsverkehrs und Liquiditätsmanagements. Der Zahlungsverkehr findet nicht nur national, sondern auch international statt. Die Deutsche Bundesbank bemüht sich in enger Abstimmung im Eurosystem mit der EZB, den europäischen Notenbanken, aber natürlich auch den Marktteilnehmern darum, eine leistungsfähige europäische Infrastruktur im Zahlungsverkehr bereitzustellen und auszubauen. Eine solche Infrastruktur ist deshalb erforderlich, weil nicht nur Deutschland, sondern alle europäischen Staaten im internationalen Wettbewerb stehen. Die EU 27 ist der stärkste Wirtschaftsraum der Welt, noch vor den Vereinigten Staaten und China. In diesem internationalen Wettbewerb ist es aber wichtig, über eine leistungsfähige Infrastruktur zu verfügen. Dieses gilt für die Notenbanken insbesondere im Bereich des Zahlungsverkehrs. Deshalb sind viele Projekte schon in Betrieb, weitere sind auf den Weg gebracht und weitere werden folgen. Unser Ziel ist es, für den Zahlungsverkehr die leistungsfähigste Infrastruktur der Welt zu schaffen. Ein Blick auf die Größenordnungen des Zahlungsverkehrs im Eurosystem: Über Target 2 laufen im Eurosystem pro Jahr fast 600000 Milliarden Euro. Das entspricht pro Tag Zahlungen von etwa 2 300 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass pro Tag Zahlungen in der Größenordnung des jährlichen BIP in Deutschland - welches bei 2500 Milliarden Euro liegt - abgewickelt werden. Deutschland hat im Eurosystem einen Anteil von mehr als einem Drittel. Diese Zahlen sind nur Insidern bekannt. Sie verdeutlichen aber die volkswirtschaftliche Bedeutung des Zahlungsverkehrs. Anbieter und Nutzer im Dialog mit öffentlichen Vertretern 1. Sepa: Ein wahrhaft großes europäisches Projekt ist Sepa (Single Euro Payments Area), also ein einheitlicher Zahlungsraum für Europa. Dieses Projekt hat alle Attribute, die solche Projekte komplex machen können: Viele Beteiligte mit unterschiedlichen Interessen aus vielen verschiedenen Ländern sowie nicht zu ver nachlässigende Umstellungskosten. Die Gewinne für alle Beteiligten sind schwieriger zu prognostizieren - in jedem Fall stellen sie sich erst bei intensiver Nutzung von Sepa ein. Bestehende Anlaufverluste, die dank hoher Skaleneffekte schnell beglichen werden, sofern die Sepa-Nutzung schnell zunimmt. Wie immer bei solchen Netzwerktechnologien können wir nur erfolgreich sein, wenn alle Beteiligten gemeinsam mitwirken. Deshalb ist es richtig und wegweisend, Anbieter und Nutzer zusammenzubringen in einen Dialog mit den öffentlichen Vertretern. Auf europäischer Ebene traf sich deshalb Anfang Mai dieses Jahres der Sepa Council. Der Sepa Council hat alle Beteiligten zu verstärkten Informationsanstrengungen aufgerufen. Banken sollten aktiv Sepa-Produkte vermarkten. Die Unternehmen sollten sich verpflichten, IBAN und BIC auf Rechnungen zu verwenden. Und die nationalen Behörden und Zentralbanken wurden eingeladen, die Sepa-Migration mit Informationskampagnen zu unterstützen. Darüber hinaus hat der Sepa Council sich intensiv mit innovativen Bezahlverfahren in Sepa und mit der Sicherheit von Massenzahlungen beschäftigt. Migration gewinnt an Fahrt Auch auf deutscher Ebene wird ein entsprechender Sepa-Rat etabliert. Eingeladen haben das BMF und die Bundesbank. Gemeinsam mit Bankenvertretern, wichtigen Nutzern wie Versicherungen und Einzelhandel sowie mit Vertretern der öffentlichen Verwaltungen soll er Sepa in Deutschland vorantreiben. Das ist auch nötig. Denn trotz fast vollständiger Erreichbarkeit liegt die Nutzung von Sepa in Deutschland noch immer auf einem Einstiegsniveau. Hier sind andere europäische Länder viel weiter. Aber Deutschland als bevölkerungs- und wirtschaftsstärkstes Land der EU hat mit Abstand die meisten Zahlungsvorgänge. Mehr als die Hälfte aller Lastschriften im Euroraum finden in Deutschland statt, nämlich mehr als sieben Milliarden Lastschriften pro Jahr. Die Nutzung wird in naher Zukunft steigen. Denn einige öffentliche Kassen mit hohem Transaktionsvolumen migrieren derzeit auf die Sepa-Standards. Und Anfang nächsten Jahres - wenn aller Voraussicht nach die Sepa-Verordnung beschlossen ist - wird die Migration ganz sicher an Fahrt gewinnen. Übergangslösungen sind notwendig, aber Enddaten auch. Über die Übergangsfristen und die Enddaten wird derzeit noch diskutiert. Gerade in Deutschland gibt es Hindernisse, die noch überwunden werden müssen. Ich nenne das Stichwort: Mandatsmigration. Die Lösung der noch offenen Frage der Migration deutscher Einzugsermächtigungen in Sepa-Lastschriftmandate dürfte entscheidend für die Nutzung der Sepa-Lastschrift in Deutschland sein. Wir setzen dabei auf die Umsetzung der AGB-Lösung gegebenenfalls mit einer gesetzlichen Unterstützung. Entscheidend muss die Rechtssicherheit sein. Deshalb muss dieser Punkt intensiv diskutiert werden, um auch tatsächlich zu Rechtssicherheit zu kommen. Die Signale von Seiten der Bundesregierung, dass sie inzwischen über eine Übergangsregelung auch im nationalen Kontext nachdenkt, sind zu begrüßen. Auf europäischer Ebene gehen die Beratungen über die Sepa-Verordnung im Rat und im Europa-Parlament zügig voran. Aus deutscher Sicht sollte zum Beispiel ermöglicht werden, dass Konvertierungsdienste von der IBAN in die nationale Kontonummer zumindest in der Anfangszeit angeboten werden. Eine solche Übergangsregelung würde einigen populistischen Sepa-Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen und mehr Zeit für die Kommunikation der IBAN schaffen. Eine Zeit, die alle Beteiligten sinnvoll nutzen sollten. Eingriff im Sinne einer besseren Infrastruktur 2. Innovationen oder technischer Fortschritt sind letztlich die Quellen für Wirtschaftswachstum. Daher sollte jeder Beteiligte über mögliche Verbesserungen der Produkte und Prozesse nachsinnen. Es ist darüber hinaus aus drei Gründen von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung, über Innovationen im Zahlungsverkehr nachzudenken: Die allermeisten wirtschaftlichen Transaktionen lösen auch einen Zahlungsstrom aus. Der Anteil des reinen Gütertausches ist eher gering. Das heißt aber im Umkehrschluss, praktisch alle Branchen profitieren von einer guten Infrastruktur und von Innovationen im Zahlungsverkehr. Die Anteile der Kosten des Zahlungsverkehrs sind jedoch nur in seltenen Fällen so hoch, dass die betreffende Branche selbst genügend Anreiz hat, sich um innovative Zahlungsverfahren zu bemühen. Die Gegenbeispiele sind bekannt: Etwa der Einzelhandel sowie Dienstleistungen, die sich an eine große Zahl von Verbrauchern wenden (Versicherungen, Strom, Wasser, Telekommunikation). Folglich haben außer den Anbietern von Zahlungsleistungen nur wenige Branchen ein hinreichend großes Interesse, einschlägige Innovationen auch in der noch unsicheren Entwicklungsphase zu unterstützen. Zahlungssysteme erzeugen hohe Netzwerk- und Skaleneffekte. Das heißt, dass ein neues Verfahren sich erst bei relativ hohem Marktanteil durchsetzen kann und profitabel wird. Die vorhandenen externen Effekte wirken dagegen und können theoretisch zum Marktversagen führen. Unter diesen Bedingungen kann die von der Bundesbank gelobte Marktneutralität für die Bundesbank nicht im Nicht-Eingreifen bestehen. Die Bundesbank, aber auch die EZB muss im Interesse einer besseren Infrastruktur eingreifen. So begründet sie auch ihr Engagement für Sepa. Allerdings ist es nicht einfach, das tatsächlich bessere Bezahlverfahren zu identifizieren. Die Bundesbank möchte sich das auch nicht anmaßen. Die letzte Entscheidung über die Vorteilhaftigkeit eines Verfahrens muss der Markt treffen. Am Markt vollzieht sich das Ersetzen eines Zahlungsmittels durch ein anderes oft in sehr langsamen Schritten. So gibt es in Deutschland beispielsweise einen gemessen an manchen skandinavischen Ländern langsamen Trend der Substitution von Bargeld durch unbare Zahlungsinstrumente. In einem relativ stetigen Trend nimmt der Anteil der Barzahlungen seit mehr als einem Jahrzehnt pro Jahr um gut einen Prozentpunkt ab. Noch immer ist Bargeld das Zahlungsmittel, das die Bürger am häufigsten einsetzen, dominant vor allem bei kleineren Zahlbeträgen. Aus einer Studie zum Bezahlverhalten der Bürger wissen wir auch, dass die Anforderungen an ein Zahlungsinstrument von Seiten der privaten Haushalte durchaus mehrdimensional sind. Immerhin fünf Eigenschaften eines Zahlungsinstrumentes wurden von über der Hälfte der Befragten als unverzichtbar bezeichnet. Die wichtigsten Kriterien sind: Sicherheit vor Verlust, Akzeptanz, Kosten, Schnelligkeit und Anonymität. Das heißt, es wird schwer für ein neues Produkt oder Verfahren, bei allen Kriterien zu punkten. Sicherheit und Stabilität haben Priorität vor Effizienz Die Kriterien der Bundesbank für die Bewertung eines Zahlungsinstrumentes sind auch nicht eindimensional, aber es gibt eine eindeutige Priorität: Natürlich sollen Zahlungsinstrumente effizient sein, aber in erster Linie wird auf Sicherheit und Stabilität geachtet. Die Stabilität des Zahlungsverkehrs in all seinen Facetten ist nicht nur die Basis für ein stabiles Finanzsystem, sondern auch die Voraussetzung für eine funktionierende monetäre Transmission. Das Vertrauen in die Zentralbanken fängt bei den Zahlungsmitteln an. Beim Bargeld und bei den unbaren Transaktionen. Daher sind Bargeld und unbarer Zahlungsverkehr weiterhin zwei strategische Kerngeschäftsfelder der Bundesbank. 3. Target-2-Salden: Angesichts der anhaltenden öffentlichen Diskussion sieht sich die Bundesbank veranlasst, die Zusammenhänge beim Thema Target-2-Salden besser zu erklären. Nicht jeder ist mit Target 2 vertraut. Daher möchte ich kurz die buchungstechnischen Zusammenhänge aufzeigen. In Target 2 übertragen Geschäftsbanken einander Zentralbankgeld. Das tun sie für Geldmarktgeschäfte, Wertpapierkäufe, im Kundenauftrag und für vieles mehr. Bei einer Überweisung wird das Zentralbankgeldkonto der sendenden Geschäftsbank belastet und das Zentralbankgeldkonto der empfangenden Geschäftsbank kreditiert. Haben beide Geschäftsbanken bei derselben Notenbank ihr Konto, ist der Vorgang für das Eurosystem abgeschlossen. Haben beide jedoch bei verschiedenen Notenbanken ihre Konten, dann entsteht automatisch auch eine Forderung der Notenbank der empfangenden Geschäftsbank an die Notenbank der sendenden Geschäftsbank. Bis etwa Mitte 2007 glichen sich die dabei entstehenden täglichen Salden im Zeitverlauf immer wieder aus. Seither jedoch haben sich in einigen Notenbanken hohe negative Target-2-Verbindlichkeiten aufgebaut. Die Bundesbank hingegen weist per Ende 2010 eine Target-2-Forderung in dreistelliger Milliardenhöhe in ihrer Bilanz aus. Das heißt, die über die Bundesbank an Target 2 angeschlossenen Kreditinstitute haben mehr Geld von anderen erhalten als sie dorthin überwiesen haben. Wie kam es dazu? Hintergrund ist das fehlende Vertrauen in Bankensysteme einiger Länder. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers schwand die Bereitschaft, unbesicherte Geldmarktkredite zu vergeben. Davon waren primär Banken aus wenigen Ländern betroffen. Diese Banken refinanzierten sich in der Folge verstärkt bei ihren Notenbanken. De facto zahlen also einige Bankensysteme mehr über Target 2 an andere als sie zurücker halten. So baut sich zwischen den betroffenen Nationalen Zentralbanken ein Saldo auf. Rechtlich entsteht bei einer Transaktion eines portugiesischen Kreditinstituts an eine deutsche Geschäftsbank über Target 2 eine Forderung der Bundesbank an die EZB und eine Verbindlichkeit der portugiesischen Zentralbank gegenüber der EZB. Target-2-Saldo kein eigenständiges Risiko für die Bundesbank In dem Maße, wie sich das Vertrauen im Bankensystem wiederherstellt, werden Geld- und Kapitalströme sich wieder normalisieren. Wenn die Geschäftsbanken wieder mehr Gelder in den Staaten mit negativem Target-2-Saldo anlegen, dann werden die Salden auch wieder zurückgehen. Die Summen sind hoch. Aber der Target-2-Saldo stellt für die Bundesbank kein eigenständiges Risiko dar. Das Risiko einer Geschäftsbank wie einer Notenbank liegt immer im Kreditbuch, nicht in dem, was der Kunde mit den gewährten Krediten macht. Das Eurosystem hat bewusst zur Bewältigung der Finanzkrise die Liquiditätsversorgung der Kreditwirtschaft erheblich ausgeweitet, erleichtert und verbilligt. Natürlich begünstigt diese Politik in erster Linie solche Institute, welche Schwierigkeiten haben, sich am Markt zu finanzieren. Das war und ist der Sinn der außergewöhnlichen geldpolitischen Maßnahmen. Deshalb noch einmal: Das Eurosystem geht wie jede Notenbank Risiken ein. Diese liegen in den Refinanzierungsgeschäften, also im Kreditbuch. Darüber hinaus stellt der Target-2-Saldo für die Bundesbank kein eigenständiges Kreditrisiko dar. Zahlungsverkehr mag - bis auf den Target-2-Saldo in der aktuellen Diskussion - wenig öffentliches Interesse erregen. Die Kenner wissen jedoch, das ist gut so. Und für die Kenner ist der Zahlungsverkehr ein spannendes Geschäftsfeld mit hoher Relevanz. Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

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