Im Gespräch

"Die meisten Mittelständler haben immer auf eine Hausbank vertraut"

Wie definieren Sie Mittelstand?

In der Mittelstandsbank betreuen wir etwa 100000 Kunden mit einem Jahresumsatz von 2,5 Millionen Euro bis etwa 500 Millionen Euro, also dort, wo der Abstand zum Kapitalmarkt sehr gering ist. An diesem Punkt verändern wir auch das Betreuungsmodell, das näher an die Investmentbank herangerückt wird.

In einem eigenen Geschäftsmodell im Privatkundengeschäft betreuen wir etwa 800000 kleinere Gewerbekunden. Um diese große Kundengruppe kümmern sich spezialisierte Geschäftskundenbetreuer, die in diesem Geschäft ebenfalls zuhause sind.

Wie ist die Commerzbank im Mittelstand aufgestellt?

Wir haben das umfangreichste Kreditbuch aller deutschen Banken im deutschen Mittelstand - und wir sind gemeinsam mit den Standorten der ehemaligen Dresdner Bank die regional am stärksten vernetzte Bank.

Das ist von großer Bedeutung, denn insbesondere kleinere Mittelständler legen sehr viel Wert auf Regionalität. Dieses Thema können wir im Zuge des Zusammengehens mit der Dresdner Bank noch viel stärker spielen als zuvor, denn die Zahl unserer Standorte hat sich von 110 auf über 150 erhöht. So sind wir nah an den Mittelständlern und können nachvollziehen, was die Unternehmen in ihrer Region und in ihren jeweiligen Branchen bewegt. Das sollte eine Hausbank auch leisten können.

Im Großkundenmodell geht es dagegen stärker um Preise und Zugang zu Kapitalmarktprodukten. Auch die großen Unternehmen werden über sieben Großkundencenter dezentral betreut. Und diese wiederum sind so verteilt, dass sie Wirtschaftsräume und Ballungszentren abdecken. Wichtig ist hier auch die Branchenaffinität. Denn je größer die Unternehmen werden, desto stärker haben sie die Erwartung an das Branchen-Know-how ihres Betreuers. Das hat bei kleineren Mittelständlern einen etwas geringeren Stellenwert.

Welchen Marktanteil hat die Commerzbank im Mittelstandsgeschäft?

Das schwankt zwischen sechs Prozent bei den kleineren und etwa 25 Prozent bei den großen Unternehmen.

Was gehört zu einer Hausbankbeziehung im Mittelstand?

Damit eine Bank sich als Hausbank sieht, muss ein Unternehmen einen bestimmten Anteil des Geschäfts über sie abwickeln. Das liegt über die Produktspar ten bei etwa 40 bis 70 Prozent. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs liegt möglicherweise ganz bei einem Institut - das muss sie aber nicht unbedingt.

Der Kredit ist in der Regel der Anker. Weitere zentrale Bausteine einer Bankverbindung sind der Zahlungsverkehr und das zunehmend wichtige Auslandsgeschäft. Und gerade im Auslandsgeschäft für den Mittelstand liegt eine besondere Stärke der Commerzbank, die es im Grunde seit ihren Anfängen im Jahre 1870 betreibt. Wir wickeln mittlerweile rund ein Drittel des gesamten deutschen Außenhandels ab.

Wie viele Bankbeziehungen braucht ein Mittelständler?

Er sollte nie weniger als zwei Banken haben. Für kleinere Mittelständler wäre das aus meiner Sicht der Normalzustand. Bei größeren Unternehmen können vier bis fünf Bankbeziehungen nebeneinander bestehen.

Wird die Zahl der Banken zu groß, können die Unternehmen die Beziehung gar nicht mehr bewältigen. Bei den sogenannten "Bankensitzungen" in den Unternehmen - mit einer Teilnahme von bis zu 20 Bankenvertretern - kann ein Unternehmensvertreter beispielsweise keine kritischen Fragen mehr ansprechen.

Ist die Hausbankbeziehung im Mittelstand eine besondere? Sind Mittelständler die treueren Kunden?

Im Privatkundengeschäft geht es um Produkte, die weitgehend genormt, weniger komplex und damit vergleichbar sind. Im Mittelstand dagegen - und das gilt im Wesentlichen auch für die Geschäftskunden - steht dagegen vorrangig eine dauerhafte Liquiditätsversorgung im Fokus. Die Hausbankbeziehung wird somit in erster Linie durch die Langfristigkeit, Verlässlichkeit und gegenseitiges Verständnis gekennzeichnet. Das funktioniert aber nur, wenn man die Beziehung zur Hausbank nicht nur über die bloßen Konditionen gestalten möchte.

Aus der jüngsten Studie Ihrer "Unternehmerperspektiven" geht aber hervor, dass auch der Mittelstand künftig stärker auf Konditionen schauen will. Wie verträgt sich das mit den Anforderungen an die Hausbankbeziehung?

Konditionenhopping passt definitiv nicht zu einer Hausbankbeziehung. Bei einem Kunden, der allein dieses Ziel verfolgt, würde ich mich nicht als Hausbank fühlen. Gleichsam würde ich mich in einer Krise dieses Unternehmens nicht dafür verantwortlich fühlen, dessen Liquiditätsversorgung sicherzustellen.

Was wir in der Studie sehen, ist meines Erachtens etwas anderes: In der Krise haben die Konditionen - ausgelöst durch die Marktbedingungen und schlechter werdende Ratings - angezogen. Das verstärkte Schauen auf die Konditionen seitens der Unternehmen ist insofern eine Gegenreaktion, für die ich durchaus Verständnis habe. Umgekehrt haben die Kunden Verständnis dafür, dass wir kein Billigheimer sein können. Wir müssen jedoch konstant fair sein.

Eine Hausbankbeziehung ist immer geprägt von gegenseitigem Verständnis. Dabei ist Offenheit ein ganz wichtiger Punkt. Das bezieht sich zum einen auf die Konditionen. Man muss den Unternehmen klar erklären, warum etwa ein Rating schlechter geworden ist und sich dies in den Konditionen niederschlägt. Wir möchten bei Kreditentscheidungen eine größtmögliche Transparenz bieten, damit der Kunde auf Ablehnungen eines Kreditwunschs reagieren kann.

Konditionenhopping in der Krise gibt es praktisch nicht. Die Erfahrung lehrt, dass dieses Phänomen immer erst hinterher einsetzt. Wir sehen aber, dass die Unternehmen aus der Krise gelernt haben. Natürlich habe ich Verständnis dafür, wenn die Mittelständler jetzt mehr über Konditionen diskutieren. In der Regel trifft man sich aber partnerschaftlich.

Was sagen Sie zum Thema Kreditklemme?

Ich war vor Kurzem in einer IHK im Ruhrgebiet, und dort wurde mir gespiegelt: Es gibt in der Kreditversorgung keine wesentlichen Probleme. Auch überregional sehen wir keine Engpässe. Es wird aber zu einer durchschnittlichen Verschlechterung der Bonitäten kommen, da die Ratings bedingt durch das Krisenjahr 2009 zwangsläufig leiden.

Braucht es eigentlich den Kreditmediator des Bundes? Oder war dessen Etablierung ein Flop?

Ganz sicher ist der Kreditmediator des Bundes kein Flop, auch wenn vergleichsweise wenige Fälle von ihm bei uns auflaufen. Ich habe dessen Funktion auch vielmehr als erhobenen Zeigefinger verstanden, darauf zu achten, dass keine Kreditklemme entsteht.

Wir haben mit Michael Schmid parallel die Position eines Sonderbeauftragten des Vorstandes geschaffen. Dieser dient zum einen als fester Ansprechpartner des Kreditmediators, zum anderen intern und für unsere Kunden aber auch direkt als Anlaufstelle bei Kreditablehnungen. Damit ist er in diesem Punkt auch Qualitätsmanagement.

Mit Sicherheit wird es Fälle geben, bei denen ein Unternehmen keinen Kredit erhalten hat, obwohl man anders hätte entscheiden können. Möglicherweise hat dann die Kommunikation nicht geklappt. In solchen Fällen kann eine Mediation bestimmt gute Ergebnisse bringen.

Wie verändern Krisen die Hausbankbeziehung?

Krisen sind Zeiten, in denen die Hausbankbeziehung ihre Beständigkeit zeigen muss. Hier spielen Fragen wie Transparenz oder Unternehmensstrategie eine größere Rolle als bei einem "Nur Aufschwung". Bei einer langjährigen Hausbankbeziehung würde man nicht grundsätzlich darüber nachdenken, ob man durch die Krise und den Aufschwung finanziert. Wir haben in der Krise somit viele Restrukturierungen von Kreditengagements begleitet.

In der Krise wollen wir mit dem Unternehmer nach vorne schauen. Dafür haben wir mit unserem Analysemodell Zukunftsfähigkeit ein zweites Instrument neben dem Rating geschaffen, das ausschließlich den Zweck hat, uns einen Blick nach vorn, in die Zukunft des Unternehmens und auf seine Branchenaussichten zu richten.

Denn genauso wichtig wie die Finanzierung durch die Krise ist die Finanzierung des Aufschwungs. Ohne eine Hausbank kann es für Unternehmen an dieser Stelle durchaus schwierig werden.

Hat die Krise zu einer Renaissance der Hausbankbeziehung im Mittelstand geführt? Sie hat zumindest die Diskussion über Sinn und

Zweck einer Hausbankbeziehung wieder in den Mittelpunkt gerückt. Die meisten Mittelständler haben immer auf eine Hausbank vertraut.

Je länger es Unternehmen gut ging, umso eher lag es nahe, Konditionenhopping zu betreiben oder es zumindest zu testen. Bei denjenigen Unternehmen, die dies praktiziert haben - wie groß ihr Anteil auch immer sein mag - hat es durchaus eine Renaissance des Denkens in Richtung Hausbank gegeben. Ein Großteil der Mittelständler wird es nicht als Renaissance, sondern eine Bestätigung der bewährten Strategie empfinden.

Wie lang trägt das Gedächtnis mit diesem Lerneffekt?

Ich hoffe sehr lang. Die meisten Unternehmer haben ein sehr langes Gedächtnis. Wie viele Unternehmen am Ende doch wieder Konditionenhopping betreiben, wird sicher davon abhängen, wie viele Banken plötzlich wieder mit günstigen Krediten werben. Dennoch glaube ich, das wird sich in Grenzen halten.

Wie hat sich die Hausbankbeziehung über die Jahre verändert?

Die Wechselbereitschaft des Mittelstands ist sehr gering, das zeigt die aktuelle Forsa-Studie zu diesem Thema.

Was sich aber verändert hat, sind die Anforderungen an die Offenheit und Transparenz (vergleiche dazu auch Beitrag auf Seite 36). In einer Krise lernt man, dass man offener zueinander sein muss, damit die Hausbank weiterhin die Liquidität im erforderlichen Maß - und das ist oftmals mehr als zuvor - zur Verfügung stellen kann. Transparenz heißt, die Strategie für die nächsten Jahre offen zu legen, möglichst auch im Detail.

Und wir spiegeln das auch zurück, denn es war auch in unserem Haus nicht immer üblich, zu erklären, warum ein Kredit nicht bewilligt wird. Es gab Zeiten, da dies regelrecht verpönt war. Heute sagen wir ganz klar, woran es liegt, wenn wir einmal nicht mitgehen oder prolongieren wollen - und wir beraten das Unternehmen hinsichtlich der Verbesserung seines Ratings.

Der Studie Ihrer "Unternehmerperspektiven" zufolge haben Mittelständler wenig Interesse an strategischer Beratung durch Kreditinstitute. Woran liegt das?

Ich denke, das lag an der Fragestellung der Studie beziehungsweise am Verständnis. Eine strategische Beratung im Hinblick auf das konkrete Geschäftsmodell des einzelnen Unternehmens kann ein Kreditinstitut gar nicht leisten. Banken können aber strategisch wichtiges Branchen-Know-how liefern, um zu entscheiden, was finanzierbar ist oder eben nicht. Und daran sind Unternehmen hoch interessiert.

Welche Rolle spielt das Internet im Mittelstandsgeschäft?

Wir müssen die Multikanalfähigkeit natürlich gewährleisten und den Marktgegebenheiten anpassen. Das heißt, wir müssen in der Lage sein, über das Internet Zugang zu Bankdienstleistungen zu geben, Angebote zu erstellen und wir müssen die Möglichkeit zu Preisvergleichen geben. In dem Maße, wie in den Unternehmen die Zahl der Mitarbeiter wächst, die bereits mit dem Internet aufgewachsen sind, werden hier sicher auch die Zugriffe noch häufiger werden. Dann werden mehr Informationen abgerufen werden, und es wird auch im Zahlungsverkehr manches stärker in diese Richtung gehen.

Ich selbst glaube aber nicht, dass das Einfluss auf die Hausbankbeziehung haben wird, denn dazu gehört Vertrauen, persönlicher Kontakt, Branchen-Know-how und Regionalität. Und das alles lässt sich über das Internet nicht vollständig transportieren.

Wie sehen Sie als Banker das Verhältnis zwischen dem Unternehmen und dem Unternehmer?

Der Unternehmer als Unternehmensinhaber ist natürlich immer auch Privatmann. Wenn ich beispielsweise einem Unternehmer rate, zwei Jahre lang nichts zu entnehmen, weil das Eigenkapital in der Krise gelitten hat, ist es natürlich hilfreich zu wissen, wofür er die Entnahmen braucht - etwa um sein neues Eigenheim zu finanzieren.

Mögen Unternehmer das?

Die eine Hälfte durchaus, die andere nicht. Aber es geht tendenziell immer mehr in die Richtung, dass die Unternehmer das von uns erwarten.

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