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P-Konto - Fluch oder Segen?

Seit 1. Juli 2010 kann der Bankkunde sein Girokonto in ein P-Konto (Pfändungsschutzkonto) umwandeln lassen, auf dem ein automatischer Sockelschutz in Höhe des Pfändungs-Grundfreibetrages von derzeit 985,15 Euro gewährleistet ist.

Bis Ende 2011 gilt noch der herkömmliche Kontopfändungsschutz mit seinen individuellen Freigabebeschlüssen nach § 850 l ZPO-2010 beziehungsweise dem 14-tägigen umfassenden Sozialleistungsschutz nach § 55 SGB I noch parallel zum neuen P-Konto-Schutz. Das neue P-Konto ist in § 850 k ZPO 2010 geregelt. Ab 2012 wird Schuldnerschutz nur noch mittels Pfändungsschutzkonto möglich sein.

Das Interesse der Kunden an der P-Kontoführung ist derzeit noch verhalten, ein deutlicher Anstieg zum Jahreswechsel aber sicherlich zu erwarten. Der Gesetzgeber hat die Übertragung des Pfändungsschutzes an die Banken mit der Möglichkeit einer EDV-gestützten Bearbeitung begründet. Ungeachtet der berichteten Schwierigkeiten bei der Softwareeinführung befassen wir uns mit den aufgetretenen juristischen Fragen und Neuregelungen.

Keine Sonderentgelte

Der Gesetzgeber hat an mehreren Stellen betont, dass die Führung des P-Kontos zu keinen zusätzlichen Belastungen des Kontoinhabers führen darf. Bereits nach der bekannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten, in denen für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen gegen Kunden von diesen ein besonderes Entgelt gefordert wird, unwirksam (BGHZ 141, 380). Folglich geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Sonderentgelt für die Kontenumstellung nicht gefordert werden kann. Ebenso darf ein Entgelt für die Führung des Pfändungsschutzkontos die Preisgestaltung jedenfalls das für ein allgemeines Gehaltskonto Übliche nicht übersteigen. In diesem Sinne haben die Landgerichte Bamberg (1O472/10) und Leipzig (8 O 3529/10) geurteilt.

Bisher ist noch nicht entschieden, ob auch der Ausschluss vom Onlinebanking sowie die ec-Karten Sperre gegen die gesetzgeberischen Intentionen verstößt und daher abmahnungsträchtig ist.

Die erste Gesetzesanpassung zum P-Konto vom Dezember 2010 betraf die Aufhebung des bisherigen Schufa-Monopols. Der Kunde darf nur ein einziges P-Konto führen. Kreditinstitute sind nun ermächtigt, Auskunfteien allgemein die P-Kontoführung mitzuteilen. Die Auskunfteien dürfen diese Angabe aber nur verwenden, um Kreditinstituten auf Anfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob die betreffende Person bereits ein P-Konto unterhält. Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu einem anderen Zweck ist auch mit Einwilligung der betreffenden Person unzulässig!

Pfändungsfreigrenzen steigen

Zum 1. Juli 2011 steigen die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO auf dann monatlich 1028,89 Grundfreibetrag. Damit wird es immer wichtiger, alle Möglichkeiten einer effektiven Zwangsvollstreckung anzuwenden.

Die Kreditinstitute trifft gegenüber ihren Girokonto-Kunden eine Informationspflicht, dass Pfändungsschutz für Kontoguthaben und Verrechnungsschutz für Sozialleistungen und Kindergeld ab dem 1. Januar 2012 nur für Pfändungsschutzkunden nach § 850 k ZPO gewährt wird (vergleiche § 38 EGZPO). Die Information muss in Textform gemäß § 126 b BGB erfolgen. Die Regelungen zur Verbraucherkreditrichtlinie sind zu dieser Unterrichtung anzuwenden.

Fragen bestehen, wie die Unterrichtung der Kontoinhaber bei Und- oder Oder-Konten. Müssen alle Inhaber unterrichtet werden? Bei Hinweis mittels Kontoauszugsdrucker ist nicht sichergestellt, dass alle Inhaber im Sinne des Gesetzes informiert werden Die Sozialleistungsträger weigern sich zunehmend, die Bescheinigungen zur Erhöhung der Grundfreibeträge zu erstellen. Die Bescheinungsvordrucke wurden von der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung in Absprache mit dem Zentralen Kreditausschuss erarbeitet.

Mit dieser Regelung des § 850 k Abs. 5 ZPO soll gerade die "Leichtigkeit der Erhöhung" des Sockelbetrages zugunsten des Kreditinstitutes und zur Vermeidung der gerichtlichen Tätigkeit auf die Sozialleistungsträger übertragen werden. Fehlt die Mitwirkung der Sozialleistungsträger, so kann der Kunde des P-Kontos an das Gericht zur Entscheidung verwiesen werden.

Monatsanfangsproblem gelöst?

Zu dem Dauerstreit beim Monatsanfangsproblem oder Monatsendproblem hat mittlerweile der Gesetzgeber reagiert. Bundestag und Bundesrat (18. März 2011) haben bereits die Neureglung verabschiedet, wonach die Drittschuldnerleistung erst nach Ablauf des nächsten Monates an den Gläubiger erfolgt. Die Entscheidung des Bundespräsidenten soll noch im Monat April erfolgen. Die erwartete Neuregelung lautet: "Wird künftiges Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto im Sinne von § 850 k Absatz 7 gepfändet und dem Gläubiger überwiesen, darf der Drittschuldner erst nach Ablauf des nächsten auf die jeweilige Gutschrift von eingehenden Zahlungen folgenden Kalendermonats an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag des Gläubigers eine abweichende Anordnung treffen, wenn die Regelung des Satzes 1 unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Schuldners für den Gläubiger eine unzumutbare Härte verur sacht." Dies wird als neuer Absatz vier in den § 835 ZPO eingefügt.

Der Kunde wird folglich geschützt, wenn er bereits im laufenden Monat über den Grundfreibetrag verfügt hat, zum Monatsende aber noch eine Leistung, die erst für den Folgemonat bestimmt war, gutgeschrieben erhielt. Bisher war streng nach dem alten Gesetz an den pfändenden Gläubiger auszuzahlen; dem gepfändeten Kunden wurde nach alter Gesetzeslage der Unterhalt für den Folgemonat entzogen. Diese notwendige Korrektur durch den Gesetzgeber führt nun hoffentlich zu einem geringeren Beratungsbedarf in den Kreditinstituten und zu einer geringeren Inanspruchnahme der Gerichte.

Ruhendstellung von Kontenpfändungen mit Risiken

In der Praxis kommen Ruhendstellungen sehr häufig vor. Dies sind Vereinbarungen zwischen dem Pfändungsgläubiger und dem Schuldner mit dem Inhalt, dass eine Pfändung "ruhend gestellt" wird. Dieser Abrede liegen Ratenzahlungsvereinbarungen zwischen Gläubiger und Schuldner zugrunde.

Das Kreditinstitut ist nicht verpflichtet, eine solche Ruhendstellung zu beachten, wird es jedoch häufig im Interesse des Kunden handhaben. Mit der Einführung des P-Kontos gewinnt die Rechtsproblematik der Ruhendstellung an Bedeutung.

Der Gesetzgeber hat mit der Einführung von P-Konten Ruhendstellungen nicht vorgesehen. Sie bringen für das Kreditinstitut Risiken. Es bedarf einer klaren Regelung zwischen Gläubiger, Drittschuldner und Schuldner, in welcher Weise zu verfahren ist. In der Vereinbarung sind alle Modalitäten aufzunehmen, insbesondere auch die Beendigung der Ruhendstellungsvereinbarung.

Letztlich ist die Ruhendstellungsvereinbarung eine Ausformung einer gesetzlichen Regelung in § 833 a ZPO. Dort ist vorgesehen

eine Singular-Pfändungsaufhebung

und eine Aufhebung der Pfändung generell bis zu zwölf Monaten, wenn auf dem Kundenkonto in den letzten sechs Monaten nur überwiegend unpfändbare Beträge eingegangen sind und dies durch den Schuldner auch glaubhaft gemacht wurde.

Nach der bisherigen Erfahrung sind jedoch die Kreditinstitute dazu übergegangen, überhaupt keine Ruhendstellungsvereinbarung mehr zu akzeptieren. Dafür sprechen der erhebliche Personalaufwand und die Kontrolle der Ruhendstellungsvereinbarung als gesonderte Regelung. Die Kosten überwiegen deutlich die Kundenvorteile.

P-Konto trotz Kontoüberziehung?

Grundsätzlich hat jeder Kunde Anspruch auf Umwandlung des Girokontos in ein P-Konto. Entscheidend ist jedoch, dass der Inhaber eines debitorischen Kontos faktisch solange keinen Schutz genießt (ausgenommen § 850 k Abs. 6 ZPO), wie er kein Guthaben auf seinem Konto aufgebaut hat. Dies nahm die Bank zum Anlass, die Debetsalden auf dem Girokonto durch Gewährung eines persönlichen Darlehens auszugleichen. Die Rückführung des Darlehens soll dann durch den Schuldner aus dem Freibetrag des P-Kontos in Raten erfolgen. Diese hausinterne, schuldnerfreundliche Lösung bietet dem Kunden den Vorteil, an der "Wohltat" des P-Kontos sofort zu partizipieren und der Bank die Möglichkeit, die Rückführung der Sollsalden des Kunden mitzugestalten.

Die Bank gewährt frühzeitig dem Kunden den Pfändungsschutz, wenngleich sie sich des Anfechtungsrisikos eines späteren Insolvenzverwalters ausgesetzt sehen kann. Stellt der Schuldner die freiwilligen Raten an die Bank zur Rückführung ein, hat sie keine Verrechnungsmöglichkeit aus dem Freibetrag. Jedenfalls sind die Formvorschriften für die Gewährung eines Verbraucherdarlehens auch für die sicherlich im Sinne des Schuldnerschutzes praktizierte Hilfe zu beachten.

P-Konto in der Insolvenz des Schuldners

Bei einem bereits errichteten P-Konto führt die Insolvenzeröffnung nicht zum Erlöschen der Kontokorrentabrede beziehungsweise des Girovertrages. Der Freibetrag steht dem Schuldner auch innerhalb eines Insolvenzverfahrens zur Verfügung. Dieser gilt als insolvenzfreies Vermögen (§ 36 Abs. 1 InsO).

Der Schuldner ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein befugt, sein Konto in ein P-Konto umzuwandeln. Entsprechend erlischt ein P-Konto auch nicht mit Verfahrenseröffnung gemäß §§ 115, 116 InsO.

Nach § 850 k Abs. 1 Satz 3 ZPO wirkt die Umstellung auf ein P-Konto bezüglich einer Pfändung vier Wochen zurück. Diese Rückwirkung gilt auch im Verhältnis zum vorläufigen Insolvenzverwalter, seine Befugnisse reichen nicht weiter als in einem eröffneten Verfahren (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 24 Abs. 1, 80 ff. InsO).

Der vorläufige Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder hat im Falle eines P-Kontos keine Befugnis mehr, das gesamte Guthaben beim Kreditinstitut abzufordern. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kreditinstitute nicht mehr das gesamte Guthaben an den Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder abführen dürfen.

Der Insolvenzverwalter/Treuhänder kann nur über das den Freibetrag überschreitende Guthaben verfügen und muss folglich nicht mehr entscheiden, ob er das Konto gänzlich freigibt. Er hat neben dem Schuldner einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Kreditinstitut über das gesamte P-Konto. Nur auf diesem Weg kann er Kenntnis über eine etwaige Führung als P-Konto erlangen.

Spannend bleibt die Reaktion der Kunden zum Jahreswechsel, wenn Pfändungsschutz ausschließlich über das P-Konto gewährt wird. Tritt tatsächlich die vermehrte Führung von P-Konten ein? Sicher bleibt, dass die Rechtsfragen auch zum P-Konto nicht weniger werden.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors beim Privatkundenforum 2011.

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