Preispolitik

Preisdifferenzierung: In allen Produktgruppen gibt es Potenzial

Aktuell dominieren im Rahmen strategischer Überlegungen in Banken und Sparkassen Fragestellungen, in welcher Weise zur Rückgewinnung oder Stabilisierung von Kundenloyalität Produkt- und Beratungsangebote zu überarbeiten sind. Häufig wird dabei die Frage aufgeworfen, ob die Angebotspalette in Produktfeldern und für Zielgruppen "differenziert genug" ist. Gängige Beispiele hierfür sind der Aufbau einer Private-Banking-Einheit, die Konzeption eines Dienstleistungsangebots für das Segment "Freie Berufe" oder die Straffung der Produktfamilie auf der Einlagenseite.

Denn in jedem Markt gibt es Kunden, die für Produkte und Dienstleistungen mehr oder weniger als "Listenpreise" zu zahlen bereit sind und daher für eine Angebotsdifferenzierung infrage kommen. Diese Kundensegmente und -typen zu kennen, ist für alle Produktgruppen eine wichtige Basis für rentables Wachstum.

Bereits weit fortgeschritten ist in vielen Banken und Sparkassen die Differenzierung im Zahlungsverkehr/(Geschäfts-) Girokonto- sowie im WP-Depotbereich mit "Paket-" oder kanalspezifischen Angeboten (wie online oder Filialvertrieb), die es Kunden ermöglichen, je nach Bedarf und Transaktionsverhalten das für sie passende Produktbündel zu wählen. Kunden segmentieren sich hierbei quasi selbst.

Aber auch die Passivseite ist gerade für eher aktivlastige Häuser ein lohnendes Differenzierungsfeld, um für Kunden oder Kundensegmente die Attraktivität und Zufriedenheit mit dem Produktportfolio zu erhöhen. Ziel ist hierbei in der Regel eine Leistungsdifferenzierung nach Zinsniveaus (je nach gewünschter Verfügbarkeit, Risiko oder Anlagehorizont), eine Straffung der Produktpalette im Einlagenbereich sowie eine möglichst geringe Vergleichbarkeit mit Wettbewerbsangeboten.

Auf der Aktivseite, so zum Beispiel bei Existenzgründungsfinanzierungen für Heilberufler oder bei Baufinanzierungen, steht ebenfalls eine Vielzahl von Differenzierungsmöglichkeiten über weitere Produktmerkmale und/oder sogenannte Added Services "rund um die Praxisgründung oder den Hauskauf" zur Verfügung. Sie ermöglichen es, kundenindividuelle Preisspielräume gezielt zu nutzen.

Komplexitätskosten senken

Gründe für eine Überarbeitung der Produkt- und Dienstleistungspalette können sich zudem daraus ergeben, dass historisch gewachsene Produktangebote zu Komplexitätskosten neigen. Darunter sind solche Kosten zu verstehen, die durch eine Vielfalt der Produkt- und Gebührenvariationen entstehen. Für Banken und Sparkassen ergeben sich dabei Komplexitätskosten in den Bereichen Produktentwicklung, Marketing/Vertriebsunterstützung, Vertrieb, Controlling und bei den zugrunde liegenden IT-Systemen.

Banken und Sparkassen haben bislang kaum auf Erfahrungen aus anderen Branchen (zum Beispiel im Automobilsektor die Optimierung der Produktpalette und der Ausstattungsvarianten) bei der Planung ihres Produktportfolios zurückgegriffen. Umfassende Untersuchungen in verschiedenen Branchen zeigen, dass 30 bis 50 Prozent der Gemeinkosten mit der Variantenvielfalt ansteigen. Eine Straffung der Produktpalette kann daher ebenfalls ein

Ziel der Angebotsdifferenzierung sein; denn oft zeigen bereits recht einfache Analysen, dass mit sieben bis zehn Produkten über 70 Prozent des Konditionenbeitrags erwirtschaftet werden.

Bei der Angebotsdifferenzierung systematisch vorgehen

Angesichts der vielen Möglichkeiten, Produktmerkmale und Preise/Preisniveaus falsch zu kombinieren, sollte eine Angebots- und Preisdifferenzierung entlang folgender fünf Schritte in Angriff genommen werden:

1. Analyse des Nutzungs- und Transaktionsverhaltens, der Erlösbeiträge, Preiselastizitäten im jeweiligen Produktfeld mit modernsten multivariaten Methoden, um die Produkt- oder Kundenmerkmale ("Differenzierungshebel") zu identifizieren, anhand derer eine Skalierung der Leistung und/oder des Preisniveaus vorgenommen werden sollte.

2. Auf dieser Basis Entwicklung von Produktideen - flankiert durch Einbeziehung aller Know-how-Träger im Haus (Mitarbeiter im Vertrieb, Produktbereiche) - sowie erste Ableitung strategischer Leitplanken. So können zum Beispiel im Rahmen einer "Wertpaper-" oder "Passivstrategie 2015" das angestrebte Wachstumsniveau und die hierfür notwendigen Maßnahmen festgeschrieben werden.

3. Akzeptanztest von Varianten des neuen Angebots mittels Marktforschung, um Fehlinvestitionen zu vermeiden sowie Simulation der Ertrags-/Volumeneffekte auf Bestands- und Neukundenpopulation (vergleiche Abbildung 1).

4. Ableitung eines Business Case und Schaffung der Möglichkeiten einer Erfolgskontrolle, zum Beispiel mit maßgeschneiderten Tools zur Preissteuerung, die neben Wettbewerbspreisen auch eine regelmäßige Einschätzung der Marktverantwortlichen im Hinblick auf (neue) Preisspielräume integriert. Methode der Wahl ist hierbei das sogenannte Van-Westendorp-Verfahren, welches anhand der Beantwortung von vier Fragen ("Welchen Preis erachten Sie als günstig/zu günstig/teuer/zu teuer?") für zentrale Produktmerkmale Preisschwellen und Preisspielräume zu identifizieren hilft (vergleiche Abbildung 2).

5. Migration in die neuen Produkt- und Dienstleistungsangebote, das heißt interne und externe Kommunikationsmaßnahmen im Zusammenspiel mit Produktbereichen, Marketing/Vertriebsunterstützung, Zielgruppenmanagement und Vertrieb.

Differenzierungsmöglichkeiten im Produkt- und Dienstleistungsangebot lassen sich systematisch identifizieren und schaffen die Basis, die Attraktivität und "Steuerbar keit" des Angebots zu verbessern sowie Komplexitätskosten bereits im Ansatz zu vermeiden.

Da aktuell in vielen Häusern die Ge-schäfts-, Betreuungs- und Produktmodelle auf dem Prüfstand stehen, sind dies lohnende Anlässe, mit Blick auf die Kundenperspektive und die Nutzung von Preisspielräumen, derartige Möglichkeiten auszuloten und das Angebot "zukunftsfest" zu machen.

Dr. Peter Klenk , Partner, zeb, München
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