Preissgestaltung im Retail

Neue Kontomodelle ins Ziel bringen

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Kontoführungs- und Transaktionserträge sind für viele Banken und Sparkassen die wichtigste Ertragsquelle. Die regelmäßige Anpassung der jeweiligen Preismodelle ist daher eine zentrale Maßnahme zur Stabilisierung der Ertragssituation. Solche Maßnahmen müssen jedoch sorgfältig geplant und im Umsetzungsprozess sauber aufgesetzt werden. Eine intensive Einbindung des Vertriebs über entsprechende Preisbefragungen und gezielte Schulungen ist hierbei erfolgskritisch. Red.

Erträge im Giro- und Wertpapierbereich machen bei vielen Banken und Sparkassen mehr als 50 Prozent der Gesamterträge aus und haben daher eine immense Bedeutung für die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle.

Die mit Abstand größte Hebelwirkung haben in diesem Zusammenhang die jeweiligen Preismodelle, die idealerweise an den Kundenpräferenzen orientiert sein sollten und damit für beide Seiten - Kunden und Finanzdienstleister - eine wirtschaftlich gesunde und faire Basis für die Geschäftsbeziehung darstellen. Daher verwundert es nicht, dass viele Banken und Sparkassen ihre Preismodelle in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen auf den Prüfstand stellen. Die daraus resultierenden Anpassungen können evolutionär oder revolutionär ausfallen - je nachdem, wie weit sich das neue Preismodell von dem bisherigen unterscheidet. Stark vereinfacht kann man aktuell in der Bankpraxis drei Stoßrichtungen beobachten:

- Direkte Erhöhung ausgewählter Preispunkte (Grundgebühren, Transaktions-/ Postengebühren oder Kartengebühren);

- stärkere Differenzierung des Leistungsangebots nach Nutzergruppen, zum Beispiel als Online-, Classic- und Premium-/ Pauschalvariante(n) in der Girowelt oder im Wertpapiergeschäft durch eine direktere Bepreisung von Dienstleistungen für beratungsaffine Kundensegmente;

- Kombinationen aus 1. und 2., um eine noch bessere Abschöpfung von Zahlungsbereitschaften zu realisieren.

Kanalspezifische Preisdifferenzierung immer stärker hinterfragt

Auffällig ist unter anderem, dass im Privatkundengeschäft eine kanalspezifische Preisdifferenzierung (zum Beispiel als Angebot eines reinen und von einer Kontoführungsgebühr befreiten "Online-Modells") immer stärker hinterfragt wird und im Firmenkundengeschäft eine Ausdifferenzierung von Kontovarianten bislang weit weniger verbreitet ist als im Privatkundengeschäft.

Unabhängig von der gewählten Stoßrichtung sind die daraus resultierenden Veränderungen sowohl für den eigenen Vertrieb/ Kundenbetreuer als auch für die Kunden in der Regel erklärungsbedürftig - besonders dann, wenn ein "Mehrwert" für eine Preiserhöhung nicht direkt erkennbar ist. Dies gilt umso mehr, als auch eine "interessierte Öffentlichkeit" und Verbraucherschützer Preisanpassungen seitens Banken oder Sparkassen sehr kritisch beäugen.

Sieben Erfolgsfaktoren im Going-live-Prozess

Die vielfältigen Anspruchsgruppen in einem Migrations- beziehungsweise Going-live-Prozess wie Vertrieb, Kunden und Öffentlichkeit erfordern einen systematischen Einführungsprozess für neue Preismodelle. Folgende sieben Erfolgsfaktoren/-instrumente helfen hierbei nachweislich, mögliche Fallstricke souverän zu umgehen:

1. Systematische Auswertung und Analyse relevanter Marktforschung (zum Beispiel Fokusgruppen, Preisbefragung im Vertrieb oder Einbezug des Kundenbeirats) zu den geplanten neuen Preismodellen, um frühzeitig Hinweise auf eine notwendige Nutzenkommunikation zu erhalten. Das heißt, welche Vorteile bieten die neuen Modelle gegenüber der Konkurrenz und warum ist dies "preiswert", also seinen Preis wert? Zudem gilt es, die Frage zu beantworten, ob und inwieweit Preisanpassungen und -erhöhungen zu einer Veränderung (regionaler) Marktanteile führen. Besonders die Einbindung von ausgewählten/erfahrenen Mitarbeitern im Vertrieb in eine entsprechende Befragung zu zentralen "Preispunkten" der neuen Kontomodelle ist essenziell für die interne (und damit auch externe) Akzeptanz.

2. Aufbau einer Beschwerdedatenbank: Der Aufbau einer Datenbank, die unkritische, neutrale und kritische Kundenreaktionen erfasst, sollte isoliert oder zumindest im Rahmen eines bestehenden Qualitätsmanagements erfolgen. Damit können Reaktionen von Verständnisfragen bis hin zur Drohung einer Kontoauflösung schnell und systematisch aufgenommen und weiterverfolgt werden. Auch technische Herausforderungen wie zum Beispiel typische Barrieren, die bei einer Bankkartenbepreisung/-umstellung für Zweitkarten, einer Rückvergütung von Kreditkartengebühren oder im Hinblick auf die Übertragung eingeräumter Kontokorrent-Zinskonditionen lauern, können auf diese Weise schnell transparent werden.

3. Aufbau Migrationsdatenbank: Das Aufsetzen einer Datenbank oder Tabelle mit allen bisherigen Konten/Kontoinhabern schafft zum einen einzelkundenbezogen Transparenz, wie die bisherige Kontolandschaft genutzt wird. Zum anderen wird erkennbar, wer sich im neuen Preismodell besser oder (deutlich) schlechter stellt und damit eine individuelle Ansprache durch den Kundenbetreuer rechtfertigt (siehe Abbildung 2). Darüber hinaus ist damit die Basis für differenzierte Kundenanschreiben geschaffen - gerade im Hinblick auf Kunden, deren (prognostizierte) Gesamtkosten bei unverändertem Nutzungsverhalten stark ansteigen.

4. Zielgruppenorientierung im Migrationsprozess: Ein konsequentes Migrationsmanagement muss auch alle relevanten "Zielgruppen" einer Kontoumstellung im Blick haben und die Ertragseffekte aus Umstellung, Kannibalisierung oder Abwanderung möglichst genau abschätzen. Differenzierte Subzielgruppen wie beispielsweise Mitarbeiterkonten, Gemeinschaftskonten, Nachlasskonten im Privatkundengeschäft sowie Hausverwaltungen, Vereine, sensible Branchen oder Großkunden im Firmenkundengeschäft kommen hierfür in Betracht.

5. Sonderkonditionsprozess: Um zu vermeiden, dass die neuen Preismodelle über Sonderkonditionen "passend" gemacht werden, sind restriktive und stringente Sonderkonditionsprozesse notwendig - besonders im Privatkundengeschäft, da hier in der Regel die festgelegten Preispunkte der Preisbereitschaft im Markt entsprechen (sollten). Gute Erfahrungen haben hier Standard-Sonderkonditionen nach festen Regeln gezeigt (zum Beispiel "keine Sonderkonditionen für das All-in-/Premiumkonto"), die den "Gestaltungsspielraum" aus Kundenbetreuersicht zwar einengen, jedoch einen zielgerichteten Einsatz von Sonderkonditionen fördern.

6. Führungskräfte- und Mitarbeiterschulungen: Da der Erfolg neuer Preismodelle in hohem Maße von der Akzeptanz der Vertriebsmitarbeiter und -führungskräfte abhängt, müssen passgenaue Informations- und Qualifizierungsmaßnahmen ein breites Verständnis sicherstellen. Besonders im Hinblick auf folgende Fragen: Wie sind die jeweiligen Wettbewerbsvorteile der Bank oder Sparkasse in die Kundenkommunikation eingebunden? Ab wann werden alte Modelle "inaktiv" gestellt? Wie sieht die Darstellung der neuen Modelle im Internet aus? Wie sind begleitende Flyer in die Kommunikation eingebunden? Wann und in welchen Konstellationen können Produktwechsel überschrieben werden? Welche Rechentools ("Welches Kontomodell passt am besten zu mir?") stehen zur Verfügung?

Die erfolgreiche Einführung neuer Kontomodelle ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer Vielzahl richtiger Entscheidungen. Sind diese systematisch in Form von Argumentationsleitfäden und FAQ-Listen "übersetzt", sichert dies zusätzlich die Akzeptanz der Mitarbeiter und Kunden. Besonders Antworthilfen auf knifflige Fragen wie "Warum wurde das Giro-Angebot überhaupt verändert?", "Warum erfolgt für eine Bank-Card nun eine Bepreisung?", "Warum kosten beleghafte Überweisungen im Online-Paket so viel?" stärken die Preisdurchsetzungskultur einer Bank oder Sparkasse nachhaltig.

Zum Autor

Dr. Peter Klenk, Senior Manager, zeb/rolfes.schierenbeck.associates gmbh, Münster

Dr. Peter Klenk , Partner, zeb, München

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