Konsumentenkredit

Scoring: Transparenz darf nicht zum Selbstzweck werden

Die politischen Auseinandersetzungen um Scoring gehen in die letzte Runde. Im Juni hat das Bundesinnenministerium einen dritten Entwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vorgelegt. Darin soll unter anderem das Credit Scoring gesetzlich reglementiert werden. Dem vorausgegangen war eine massive Kritik der Sco-ring-Verfahren seitens der Vertreter des Verbraucherschutzes und des Datenschutzes. Zuletzt hatte die Verbraucherzentrale Bundesverband im Januar 2008 ein Gutachten veröffentlicht, das die Rechtmäßigkeit der Scoring-Verfahren anzweifelt und ihre Tauglichkeit infrage stellt.

Jeder Mensch nutzt Scoring

Jeder Mensch scort. Jeden Tag, bei jeder Entscheidung, tausendmal. Denn Scoring heißt nichts anderes, als auf Erfahrungen zurückzugreifen, um neue Situationen zu bewerten und zu einer Entscheidung zu gelangen. Menschen scoren, wenn sie Freundschaften schließen, aber auch, wenn sie ein Restaurant auswählen, und jede neue Erfahrung vergrößert ihren Erfahrungsschatz, auf den sie bei weiteren Entscheidungen zurückgreifen.

Auch Privatpersonen, die im Internet Geld an andere Privatpersonen verleihen, nutzen ganz selbstverständlich Scoring, um sich einen Eindruck von der Kreditwürdigkeit des Vertragspartners zu verschaffen. Online-Kreditbörsen wie Smava weisen dazu die von der Schufa ermittelte Bonitätsklasse des potenziellen Kreditnehmers aus. Natürlich nutzt auch jede Bank, die Kredite vergibt, Scoring-Verfahren. Dabei trifft eine größere Kreditbank etwa eintausend Kreditentscheidungen pro Tag. Sie greift dabei selbstverständlich auf ihre reichhaltigen Erfahrungen zurück, zum eigenen Schutz, aber auch zum Schutz des Kunden.

Banken wägen sorgfältig ab, welchem Kunden sie Kredit geben sollen und welchem besser nicht. Es liegt in ihrer ureigenen Verantwortung zu prüfen, ob ein Kunde einen Kredit auch zurückzahlen könnte. Dies ist letztlich das beste Mittel zur Überschuldungsprävention. Dazu bewerten Banken im Scoring unter anderem das Einkommen ihres potenziellen Kreditkunden und seine regelmäßigen monatlichen Ausgaben, seinen Beruf und die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, aber auch Informationen über andere laufende oder vertragsgemäß zurückgezahlte Kredite. Scoring ist dabei nicht nur die einzige verantwortungsvolle Methode zur Kreditentscheidung, sie ist nebenbei noch schneller, günstiger und objektiver als die Entscheidung durch einen Sachbearbeiter.

Scoring vermeidet Diskriminierung

Dank Scoring erhält auch ein Punk Kredit. Scoring setzt genau da an, wo persönliche Vorurteile eines einzelnen Entscheiders bestehen könnten. Beim Scoring kommt es gerade nicht auf die Äußerlichkeiten an, die sonst oft Grundlage für mögliche Diskriminierungen sein könnten, sondern auf sachliche Fakten zur Person. Scoring garantiert auch, dass ein und derselbe Kunde in unterschiedlichen Filialen derselben Bank gleich bewertet wird, und zwar unabhängig von seinem persönlichen Auftreten und Verhandlungsgeschick.

Genau dieses aber wollen Vertreter des Verbraucherschutzes besonders "belohnen". Sie fordern, dass Kreditkunden die Gewichtung ihrer Score-Merkmale erfahren sollen, um im Falle einer Kreditablehnung durch persönliche Argumentation und Neuinterpretation der eigenen Merkmale doch noch einen Kredit zu erhalten. Dieser Forderung liegt der Irrglaube zugrunde, Kreditnehmer erhielten aufgrund eines einzelnen Merkmals wie beispielsweise dem Wohnumfeld keinen Kredit. Scoring betrachtet allerdings niemals nur einzelne Merkmale, sondern immer die Gesamtheit aller relevanten Kundenmerkmale wie Einkommen, Arbeitgeber und Unterhaltsverpflichtungen. Allein das Gesamtbild aller Merkmale ist Grundlage für die Kreditentscheidung.

Die Diagnose dem Arzt überlassen

Die Kreditbanken erläutern ihren Kunden schon jetzt gerne, warum ein Kredit nicht zustande kommen konnte. Oft scheitert dies bereits an mangelnder Kapitaldienstfähigkeit, das heißt der Verbraucher wäre angesichts seiner Einkünfte nicht in der Lage, die monatlichen Kreditraten zu zahlen. Die Kreditbanken geben ihren Kunden auch gerne Auskunft darüber, welche ihrer Daten fürs Scoring relevant sind. Es sind die Daten, die der Kunde der Bank selbst zur Verfügung stellt.

Die Bewertung dieser Daten liegt dann aber in der uneingeschränkten Verantwortung der Bank. Auch ein Arzt darf die Diagnose nicht seinem Patienten überlassen, denn er allein hat das Know-how und die Verantwortung. Der Arzt allein weiß, welche Fragen er stellen muss, um zu einer Diagnose zu kommen. Im Übrigen verwendet auch die Medizin Scoring-Verfahren, zum Beispiel zur Hautkrebs-Früherkennung.

Objektivität bewahren

Jedes offene System läuft Gefahr, kopiert oder manipuliert zu werden. Eine Offenlegung von Systemen ist daher nicht grundsätzlich gut, auch wenn Schlagworte wie "Offenheit" und "Transparenz" gerne vom Verbraucherschutz, den Medien und der Politik aufgegriffen werden. Scoring-Verfahren sind grundsätzlich transparent, denn der Kunde weiß, welche Daten ins Scoring einfließen. Die Bewertung der Daten, und dazu gehört eben auch die Gewichtung, zählt zum besonderen Knowhow einer jeden Bank und muss daher als ihr geistiges Eigentum geschützt bleiben. Eine Offenlegung der Gewichtung hätte zweierlei zur Folge:

Zum einen würden wettbewerbsrelevante Informationen an die Konkurrenz preisgegeben. Dadurch würde jeglicher Scoring-Wettbewerb unter den Banken verhindert, und es käme zum Einheits-Scoring mit Einheitspreisen.

Zum anderen wären Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Das Wissen über die Gewichtung und somit die Bedeutung Score-relevanter Daten könnte dazu verleiten, die Daten zu verändern, um die Kreditentscheidung positiv zu beeinflussen.

Um die Objektivität der Scoring-Systeme weiter zu gewährleisten, ist es daher unabdingbar, dass weder Bankmitarbeiter noch Kunden zu möglichen Manipulationen verleitet werden. Daher muss das Know-how um die Gewichtung von Score-Daten weiterhin geschützt bleiben.

Risikogerechte Konditionen sind der eigentliche Feind

Scoring hat es im Rahmen der Kreditvergabe schon immer gegeben. Früher vergab ein Bankmitarbeiter manuell Punkte auf einer Liste, um einen Score zu errechnen. So hat beispielsweise ein Telefonanschluss eines Kunden seinen individuellen Score-Wert erhöht.

Die breite Kritik gegenüber Scoring seitens des Verbraucherschutzes ist aber erst vor wenigen Jahren entbrannt. Sie setzte ein, als die Banken angefangen haben, ihre Konditionen risikogerecht zu gestalten. Das heißt, wer eine hohe Rückzahlungswahrscheinlichkeit aufweist, erhält eine günstigere Kondition.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Verbrauchervertreter mit ihrer Kritik des Scoring in Wirklichkeit die risikogerechte Preisgestaltung bekämpfen. Diese fußt nämlich auch auf dem Score, der letztlich eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit trifft, mit der ein Kunde seinen Kredit zurückzahlt. Offenlegung der Preiskalkulation und Preisregulierung sind unserer Wirtschaftsordnung aber fremd, zumindest jenseits von Oligopolen und Monopolen, die im Konsumentenkreditmarkt nicht gegeben sind.

Daten kosten Geld

Um ihrer Verantwortung als Kreditgeber gerecht zu werden, ist jede Kreditbank dazu verpflichtet, sich ein klares Bild über ihre potenziellen Kunden zu verschaffen. Und jede Kreditbank hat aus jahrzehntelanger Erfahrung im Kreditgeschäft ein Know-how aufgebaut, welche Kundendaten für die Kreditentscheidung relevant sind. Banken holen sich dafür auch oft Informationen von Auskunfteien wie der Schufa ein.

Diese Daten kosten die Bank Geld, selbst dann, wenn sie dadurch zu einer Kreditablehnung kommt. Verbraucherschützer sprechen in diesem Zusammenhang oft von einer Datensammelwut. Keine Bank kann und will es sich aber leisten, für unnötige Informationen Geld auszugeben. Sie benötigt die Daten für eine sorgfältige Bonitätsprüfung.

Seitens des Verbraucherschutzes wird zuweilen der Eindruck erweckt, Scoring schwebe im rechtsfreien Raum. Das Gegenteil ist der Fall. Scoring-Verfahren sind über das Bankenaufsichtsrecht, das Datenschutzrecht und das Zivilrecht hinreichend geregelt.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht Scoring-Verfahren als "exakt vorherbestimmbare und nachprüfbare objektive Beurteilungskriterien" an. Sie hält die Banken dazu an, ihre Konditionen risikogerecht und kundenindividuell zu gestalten. Dies ist allein durch Scoring möglich.

Verbraucherzentrale Bundesverband: Kein sachliches Gutachten

Die Kreditbanken nehmen ihre Kunden ernst. Bei rund 2 000 Banken in Deutschland herrscht ein intensiver Wettbewerb. Und Preisunterschiede sind ein Zeichen für funktionierenden Wettbewerb. Der vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband e. V) kritisiert in seinem Gutachten vom Januar 2008, dass Verbraucher bei unterschiedlichen Banken unterschiedliche Konditionen erhalten und folgert, dass Scoring-Ergebnisse nicht logisch seien.

Hier dokumentiert sich ein großes Unverständnis gegenüber den Funktionsweisen des Kreditgeschäfts. Der Grund für die Differenz liegt nämlich allein in unterschiedlichen Preispolitiken der jeweiligen Banken begründet. Daher kann ein und derselbe Kunde durchaus verschiedene Preisangebote bei einzelnen Banken erhalten.

Erläuterung nur auf Kundenwunsch

Darüber hinaus kann die vom vzbv vorgelegte Studie nicht als repräsentativ angesehen werden. Die 82 untersuchten Kreditanfragen spiegeln nicht die Realität der Kreditvergabe wider, bei jährlich rund elf Millionen tatsächlich abgeschlossenen Kreditverträgen in Deutschland.

Der jetzige Gesetzentwurf sieht vor, dass die Banken ihrem Kunden auf sein Verlangen hin die Kreditentscheidung erläutern sollen. Dies ist aus Sicht der Kreditbanken grundsätzlich zu begrüßen. Die Frage, ob ein Verbraucher die Gründe für eine Kreditablehnung erfahren möchte oder nicht, muss aber ihm selbst überlassen bleiben. So muss ein Kunde, der im Fachhandel einen Flachbildfernseher finanzieren möchte, selbst entscheiden dürfen, ob er von seinem Händler zum Beispiel Hinweise auf sein zu geringes Einkommen erhalten möchte oder nicht.

Es wäre weder im Interesse der Bank noch des Händlers und schon gar nicht im Interesse des Kunden, wenn hier ein Zwang bestünde, den Kunden mit den Gründen für eine Kreditablehnung zu konfrontieren. In der Regel sind dem Kunden diese Gründe bekannt. Daher muss es bei der Devise bleiben: Erläuterung nur auf Wunsch des Kunden.

Im neuen Gesetzentwurf will das Innenministerium die Banken dazu verpflichten, alle Datenarten offenzulegen, die sie für die Berechnung des Score-Wertes eines Kreditkunden verwendet haben, und zwar in der Reihenfolge ihrer Bedeutung.

Transparenz muss nützen

Es fragt sich, was diese Offenlegung bewirken soll. Der Kunde weiß in der Regel, warum er den Kredit nicht erhält, und häufig möchte er nicht, dass ihm diese Gründe nochmals so deutlich vor Augen geführt werden.

Der Kunde kann die Entscheidung und die zugrunde liegenden Regeln der Bank nicht ändern. Er kann nicht bestimmen, welche Merkmale relevant sind und wie sie zu bewerten sind. Und er kann seine persönlichen Scoring-Merkmale wie Alter, Familienstand, Beschäftigungsdauer und Höhe des Einkommens nicht wirklich ändern, um einen Kredit zu erhalten. Transparenz darf daher nicht zum Selbstzweck werden. Sie ist nur dann sinnvoll, wenn sie dem Verbraucher tatsächlich nützt.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X