Zahlungsverkehr

Sepa - Fluch oder Segen?

Europa und europäische Projekte werden in letzter Zeit in größerem Maße als sonst mit Skepsis betrachtet und hier und dort vielleicht sogar tatsächlich eher als "Fluch" empfunden. Die Frage allerdings, ob die Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums eher Vor- als Nachteile oder, um in der Terminologie zu bleiben, eher Fluch als Segen mit sich bringt, ist offen.

Eine Einschätzung, ob das Sepa-Projekt - gemessen an der Akzeptanz durch die Marktteilnehmer, der Qualität der bereits am Markt befindlichen und noch zu entwickelnden Sepa-Produkte, ihrer "Benutzerfreundlichkeit", ihrer Sicherheit und insbesondere ihrer Kostengünstigkeit - ein Flop oder eine Erfolgsgeschichte sein wird, werden wir erst dann seriös vornehmen können, wenn die letzten Hürden bei der Schaffung eines harmonisierten Zahlungsverkehrsraums beseitigt sind und Sepa im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) flächendeckend eingeführt ist.

Auswirkungsstudie der Kommission

Dass Sepa ein Erfolg wird, ist für die EU-Kommission jedenfalls schon heute eine ausgemachte Sache. Sie hat ihre bereits abgeschlossenen beziehungsweise noch im Verfahren befindlichen Regulierungsvorhaben zur Schaffung von Sepa im europäischen Binnenmarkt, also die Zahlungsdiensterichtlinie (2007/64/EG), die sogenannte E-Geld-Richtlinie (2009/110/EG), die Preis-Verordnung (924/2009/EG) und die gegenwärtig in Brüssel verhandelte Verordnung zur Festlegung eines Enddatums für die Migration auf Sepa-Produkte auf die gleiche Auswirkungsstudie gestützt.

Die von ihr in Auftrag gegebene Untersuchung der Unternehmensberatungsfirma Capgemini kommt zum Ergebnis, dass sich die Vorteile von Sepa, gerade bei einer schnellen Umstellung von nationalen Zahlungsprodukten auf Sepa-Instrumente, über einen Zeitraum von sechs Jahren auf bis zu 123 Milliarden Euro belaufen sollen. Der in der Studie ermittelte Gesamtnutzen soll auf der Nachfrageseite sogar einen noch höheren Gewinn in Höhe von 175 Milliarden Euro ergeben, dem ein Verlust auf der Angebotsseite in Höhe von 52 Milliarden Euro gegenüberstehen soll. Die Vorteile für die Nachfrageseite sollen durch zwei Faktoren bestimmt sein:

Einsparungen von Betriebskosten durch Optimierung der Zahlungsvorgänge und

niedrige Bankgebühren durch intensiveren Wettbewerb.

Sepa-Kritiker, in Deutschland häufiger vertreten als in anderen Mitgliedstaaten der EU, sehen das bekanntlich anders. Für einzelne Stimmen im Deutschen Bundestag, die in den Medien lebhaftes Gehör finden, ist Sepa wegen der mehr befürchteten als konkret bezifferbaren Umstellungskosten für alle Beteiligten "der größte Schwachsinn aller Zeiten". Repräsentativ sind diese Wertungen jedoch nicht.

Die Fraktionen der CDU/CSU, FDP, SPD und von Bündnis 90/Die Gründen im Deutschen Bundestag betrachten Sepa als einen "wichtigen Baustein für einen harmonisierten Binnenmarkt" und begrüßen grundsätzlich die Bestrebungen der Europäischen Kommission zur weiteren Standardisierung des paneuropäischen Zahlungsmarkts.

Katalysator zur Festigung der Währungsunion

Die ambitionierte Prognose von Capgemini will ich nicht bewerten. Richtig ist jedoch sicherlich, dass Sepa für ein reibungsloses Funktionieren der Märkte für Güter und Dienstleistungen in Europa wichtige Voraussetzungen schafft und das Potenzial hat, eher Segen als Fluch zu sein.

Es zeigt sich heute schon, dass der auf europäischer Ebene für Sepa geschaffene zivilrechtliche und aufsichtsrechtliche Rechtsrahmen ein sinnvolles Ordnungssystem bildet, mit dem die bisherige kostensteigernde Fragmentierung im bargeldlosen Euro-Massenzahlungsverkehr in der Europäischen Union überwunden werden kann.

Die Schaffung von Sepa und die damit verbundene Neuordnung von Bezahlfunktionen könnten damit als Katalysator für die weitere Festigung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion wirken. Ein harmonisierter Markt für Zahlungsdienste flankiert daher wirksam den bestehenden, integrierten Markt für Waren und Dienstleistungen.

Sepa hat aber nicht nur eine rein wirtschaftliche Bedeutung. Gerade deshalb hat sich die Bundesregierung, unter deren EU-Präsidentschaft im Jahr 2007 nach zähen Verhandlungen ein Kompromiss über die Zahlungsdiensterichtlinie geschlossen werden konnte, immer für einen starken Ordnungsrahmen für Sepa engagiert.

Dieser Rechtsrahmen für Sepa und dessen engagierte Umsetzung besitzen auch das Potenzial, einen wichtigen Beitrag für das politische und soziale Ziel einer integrierten zukunftsstarken und innovativen Europäischen Union zu leisten. Sepa ist deshalb für die Bundesregierung nicht nur ein rein wirtschaftliches Projekt.

Es ist auch richtig, dass von Sepa im Prinzip alle am Wirtschaftsgeschehen Beteiligten profitieren können: Nicht nur die Anbieter von Sepa-Dienstleistungen, also in erster Linie Banken und Zahlungsinstitute, sondern auch die Endnutzer. Ver braucher, Unternehmen, öffentliche Verwaltungen erhalten durch Sepa ein Instrument, unabhängig von ihrem Firmensitz oder Wohnort ihre gesamten bargeldlosen Euro-Zahlungen, ihre Kontoführung sowie das Cash Management im gesamten Sepa-Markt effizient, sicher und einheitlich zu steuern und sich für ihre Kontoführung das Kreditinstitut mit dem besten Preis-Leistung-Verhältnis in ganz Europa auszusuchen. Marktteilnehmer profitieren in unterschiedlichem Umfang

Das bedeutet jedoch noch nicht, dass alle Beteiligten mit Einführung von Sepa tatsächlich in gleichem Maße und in gleichem Umfang profitieren. Dafür ist ihre ökonomische Wirklichkeit zu unterschiedlich. Es ist kein Geheimnis, dass zunächst diejenigen Endnutzer aus Sepa "einen Nutzen ziehen", die als exportorientierte Unternehmen grenzüberschreitend im europäischen Währungsraum tätig sind.

Wenn allerdings nach wie vor nur rund ein Prozent der Zahlungen grenzüberschreitende Zahlungen sind, 99 Prozent der Zahlungen jedoch national abgewikkelt werden und diese Zahlungen - zumindest in Deutschland - hochprofessionell und kos tengünstig über nationale Zahlungsinstrumente abgewickelt werden können, dann ist klar, dass dieser abstrakt "für Alle" geltende neue Anreiz im Alltag für den Retailkunden, den Konsumenten und auch den nur national oder gar regional ausgerichteten Handel in unterschiedlicher Weise gilt und deshalb schwerer vermittelbar ist.

Herstellung von Akzeptanz für Sepa ist der Schlüssel zum Erfolg

Die Akzeptanz für Sepa wird erst dann signifikant wachsen, wenn dieser Aspekt der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und der nicht deckungsgleichen Interessen in der Diskussion nicht völlig ausgeblendet wird. Der Erfolg von Sepa und eine reibungslose Migration der nationalen Zahlungssysteme in das Sepa-System sind abhängig von dem Vertrauen, das die Marktteilnehmer den Produktanbietern und den neuen Verfahren entgegenbringen.

Die Vorteile von Sepa für "Corporates" liegen auf der Hand. Für diese grenzüberschreitend in allen Mitgliedstaaten tätigen Unternehmen ist der "Status quo" eine kostspielige Angelegenheit, tagtäglich 27 Bankkonten zu führen, 27 unterschiedliche Standards für die elektronische Kommunikation im Zahlungsverkehr zu beachten und die unterschiedlichen Anforderungen für Kartenzahlungsterminals zu erfüllen.

Das heißt nicht, dass Retailkunden nicht auch profitieren könnten, etwa dadurch, dass Sepa mit einer Modernisierung und Beschleunigung der Zahlungsdienstleistungen einhergeht und Produkte nicht nur einheitlich, sondern auch einfach, sicher und effizient eingesetzt werden können. Für alle Beteiligten können erhebliche Ersparnisse erzielt werden, wenn beleghafte und manuelle Arbeitsschritte weitgehend entfallen und der neue bargeldlose Zahlungsverkehr es ermöglicht, den immer noch zu großen, kostenintensiven Anteil von Barzahlungen zu reduzieren.

Kunden in Deutschland sind mit den nationalen Systemen zufrieden

Dass das Nutzerverhalten in Deutschland in Bezug auf Sepa-Produkte eher zurückhaltend ist, hat mehrere Ursachen: Der Retailkunde in Deutschland scheint mit "seinen" nationalen, im Vergleich zu vielen anderen Mitgliedstaaten durchaus leistungsfähigen und kostengünstigen Zahlungsprodukten zufrieden zu sein. Sie entsprechen seinen Bedürfnissen. Wenn nun neue Produkte eingeführt werden sollen, ist es umso wichtiger, mit einer klugen Informationspolitik der Anbieterseite den Kunden über die Leistungsfähigkeit und den Zusatznutzen der neuen Produkte sowie deren Bepreisung zu informieren.

Die Sepa-Überweisung hat derzeit einen Marktanteil in der Eurozone von etwa zehn Prozent, wobei dieser in Deutschland mit rund 0,8 Prozent erheblich geringer ist. Das 2009 eingeführte Sepa-Lastschriftverfahren spielt europaweit mit einem Marktanteil von unter einem Prozent bis heute noch keine Rolle. Damit Sepa zum "Segen aller Marktteilnehmer gereicht", müssen folgende Ausgangsbedingungen geschaffen und von den Akteuren in diesem Transformationsprozess akzeptiert werden:

Erstens: Durch den Sepa-Prozess müssen beide Seiten, also Zahlungsdiensteanbieter und Zahlungsdienstenutzer, tatsächlich spürbare Vorteile haben. Auch das Rahmenwerk für diesen Transformationsprozess, das aktuell durch die in Brüssel verhandelte Sepa-Verordnung zur Festlegung eines Enddatums fortgeschrieben werden soll, muss die Rechte der Endnutzer, insbesondere der Konsumenten, stärker als dies bisher im Vorschlag der Kommission zum Ausdruck kommt, berücksichtigen.

Die klare Botschaft der Anbieterseite müsste sein, dass das hohe Schutzniveau des Zahlungsverkehrsrechts in Deutschland ungeschmälert erhalten bleibt. Kunden, die bei der Harmonisierung durch Sepa auf das bewährte Lastschriftverfahren in seiner in Deutschland gebräuchlichen Form verzichten müssen, müssen sich darauf verlassen können, dass auch in Zukunft am Markt nur Lastschriften angeboten werden, bei denen - wie bisher - das voraussetzungslose Erstattungsrecht des Kunden vom Gläubiger nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Freiheit des Kunden nicht einschränken

Zweitens: Auch die Freiheit des Kunden bei der Wahl "seiner" Zahlungsprodukte sollte nicht eingeschränkt werden. Deshalb sollten die Produkte nicht ausschließlich auf die Überweisungen und Lastschriften, wie sie vom "European Payments Council" (EPC) der europäischen Banken entwickelt worden sind, zugeschnitten werden. Auch unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs sollte deshalb das vom deutschen Handel geschaffene preiswerte "Elektronische Lastschriftverfahren" bei dem sich der Kunde einfach mit seiner Bankkarte beim Zahlvorgang legitimiert, "auf Zeit" auch nach der Migration - erhalten bleiben, bis ein vergleichbares und genauso kostengünstiges paneuropäisches Produkt am Markt - vielleicht auch vom EPC - angeboten wird.

Drittens: Die Bereitschaft zur Umstellung und die Sepa-Akzeptanz würden wachsen, wenn die Institute Konvertierungsmöglichkeiten, mit denen nationale Kundenkennungen rechtssicher auf das Sepa-Format überführt werden, als Erleichterung für eine Übergangsphase bereithielten, damit Endnutzer in Deutschland die ihnen geläufigen Kundenkennungen wie Kontonummer und Bankleitzahl solange verwenden können, bis die "Einführungsphase" und die damit einhergehende Kundeninformation abgeschlossen ist.

Wenn die Sepa-Produkte und ihre Bepreisung in Deutschland bisher weitgehend unbekannt sind, warum sollte jemand ob Behörde oder Verbraucher - seinen Zahlungsverkehr umstellen? Deshalb können nur Transparenz und Information sowie eine "gute" Kommunikation zwischen der Anbieter- und Endnuterzseite auf Augenhöhe dem Projekt Sepa zum Erfolg verhelfen. Der Kreditwirtschaft muss es gelingen, die Vorteile von Sepa gegenüber dem Kunden aufzuzeigen, den Verbraucher mit Sepa vertraut zu machen sowie Umstellungshilfen anzubieten. Dies gilt auch für die Sepa-Produkte des European Payments Council, die noch weitgehend unbekannt oder auf dem Markt noch gar nicht verbreitet sind.

Auch vor diesem Hintergrund setzt sich Deutschland in den Beratungen der Kommissionsvorschläge bei der Festlegung der Enddaten für die Abschaltung der nationalen Zahlverfahren - in Deutschland also insbesondere das Überweisungs- und das Lastschriftverfahren - für längere Über gangsfristen ein. Entscheidend sollte der Erfolg des Projekts sein, nicht die Schnelligkeit der Umsetzung.

Gründung eines "Deutschen Sepa-Rates"

Um einen Beitrag zur Lösung dieses nach meiner Ansicht zentralen Problems zu leisten, haben sich die Deutsche Bundesbank und das Bundesministerium der Finanzen zur Gründung eines "Deutschen Sepa-Rates" entschlossen. Dessen konstituierende Sitzung fand am 31. Mai statt.

Ein wesentliches Ziel dieses nationalen Sepa-Rates soll es sein, eine zügige Umsetzung von Sepa in Deutschland durch eine verbesserte Kommunikation unter den Marktteilnehmern zu fördern. Zugleich soll der Dialog zwischen der Kreditwirtschaft und den Endnutzern gestärkt werden, um auf diesem Wege eine nutzerfreundliche Sepa-Umstellung in Deutschland herbeizuführen und damit die Ziele zu fördern, die mit der Schaffung von Sepa intendiert sind. Auch von den Arbeiten dieses Rates wird es also abhängen, ob es gelingt, die Akzeptanz für Sepa beim Endverbraucher zu schaffen, Sepa-Produkte auf breiter Front erfolgreich einzuführen und damit letztlich das Projekt "Sepa" zum Erfolg zu führen.

Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Autors beim Symposium "Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2011" der Deutschen Bundesbank.

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