Wertpapiergeschäft

"Wandelanleihen gehören in jedes Depot"

Sie verstehen sich als Lobbyist der Wandelanleihe. Weshalb spielt diese Assetklasse in der Anlageberatung deutscher Banken eine so untergeordnete Rolle?

Das hat im Wesentlichen drei Gründe. In Deutschland gibt es noch immer keine wirkliche Kultur der Wandelanleihe. Warum das so ist, ist der zweite Grund: Die Emission von Wandelanleihen war durch Rechtsauffassungen mancher Landesgerichte sehr erschwert. Sie vertraten die Auffassung, dass die Hauptversammlung die speziellen Bedingungen der Wandelanleihe definieren, also den Ausgabepreis der Aktien für das Wandelrecht festlegen muss. Das war unpraktikabel. Deshalb gab es in Deutschland im Vergleich zu anderen Märkten nur wenige Wandelanleihen. Der BGH hat nun im Mai 2009 entschieden, dass das Sache des Vorstands und nicht der Hauptversammlung ist. Deshalb erwarten wir einen wachsenden Einsatz dieses Instruments in den nächsten Jahren.

Der dritte Grund: Weltweit gesehen sind nur zehn Prozent aller Unternehmensanleihen Wandelanleihen, wobei der Anteil der Unternehmensanleihen an den Welt-Rentenmärkten ebenfalls gering ist. Das heißt, für viele Banken, die ja eine breite Palette von Produkten anbieten, ist es eine kleine Nische, die nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Und es fehlt an Kapazitäten, um sich das nötige Know-how zu erarbeiten.

Zudem wirft für manchen Anleger die Wandelanleihe schon von ihrer Sortierung in die Assetklasse her die Frage auf, ob man sie auf die Aktienquote oder die Anlagenquote anrechnet. Wir kennen Pensionskassen, die diese Frage bis heute nicht entschieden haben und deswegen nicht investieren. Hier neige ich dazu, die Wandelanleihe als eigene Assetklasse zu bewerten, die in jedes Depot gehört.

Das ist aber noch nicht weit verbreitet ...

Nein, denn es gibt noch ein weiteres Problem: Die Stückelung vieler Wandelanleihen ist relativ hoch. Die Mindeststückelung liegt oft bei 100 000 Euro oder US-Dollar. Das bedeutet, dass es für den Kleinanleger nur eine beschränkte Auswahl gibt und man sich entsprechender Fonds bedienen muss, um eine gute Diversifikation der Wandelanleihen zu leisten. Derzeit sind etwa 150 Wandelanleihe-Fonds im deutschen Markt.

Unserer Beobachtung nach ist die Assetklasse noch nicht genug genutzt und unterbewertet. Gerade im Moment erhält man Wandelanleihen mit fast dem gleichen Zinssatz wie Unternehmensanleihen des gleichen Unternehmens. Vor allem aber fehlt es an einem breiten Know-how über diese Assetklasse.

Ist das Instrument Wandelanleihe dem durchschnittlichen Privatanleger überhaupt verständlich?

Ich glaube, dass die Wandelanleihe viel verständlicher ist als das Thema Zertifikate, weil sie in ihrer Konstruktion ganz schnell einleuchtet: Der Anleger leiht einem Unternehmen Geld und kann darauf bestehen, dieses Geld eins zu eins wiederzuerhalten, er bekommt laufend Zinsen und hat noch dazu die Möglichkeit, von einem steigenden Aktienkurs zu partizipieren, weil er ein Wandelrecht zu einem feststehenden Preis hat. Es braucht eine Viertelstunde, das zu erklären, aber dann leuchtet es gerade Privatanlegern unmittelbar ein: Sie haben die Sicherheit der Anleihe, verbunden mit der Wachstumschance der Aktie.

Trotz aller Vorteile bleibt immer noch das Emittentenrisiko. Ist das nach den Erfahrungen mit den Lehman-Zertifikaten nicht für viele Privatanleger ein rotes Tuch?

De facto waren Emissionen von Wandelanleihen der letzten zehn Monate sehr stark überzeichnet. Das heißt es gibt eine deutliche Nachfrage, die Aufnahmebereitschaft des Marktes ist da.

Der gut beratene Anleger kann schnell die Vorteile eines Wandelanleiheninvestments gegenüber Zertifikaten erkennen. Letztere sind jedoch für die platzierenden Adressen viel profitabler. Zudem war es bei den Privatinvestoren so, dass sie oft nur von einer Adresse Zertifikate hatten, bei einem gut gestreuten Wandelanleihen-Portfolio verteilt sich das Geld auf viele verschiedene Adressen. In der Summe habe ich meine Eier nicht alle in einem Korb.

Dennoch ist dies eine wichtige Frage. Für uns ist ganz klar: Die Unternehmensanleihe ist ein Kredit, das heißt das Kreditrisiko muss sehr sorgfältig untersucht werden. Wir glauben jedoch, dass langfristig das Risiko, Unternehmen Geld zu leihen, gar nicht so viel kritischer ist, als den Staaten Geld zu leihen. Denn es können nicht nur Unternehmen, sondern auch Staaten ausfallen. Im letzten Jahrhundert wurde in Deutschland nirgends so viel Geld verloren wie mit Staatsanleihen. Und es gibt durchaus Unternehmen, die im Verhältnis zum Eigenkapital weniger Schulden haben als manche Staaten. Von daher fühlen wir uns bei vielen Unternehmensschuldnern sehr gut aufgehoben.

Berechtigt ist, dass wir alle sehr viel vorsichtiger geworden sind. Aus meiner Sicht spricht dies nur nochmals dafür, im Vergleich zu Aktien lieber auf die Wandelanleihe zu setzen. Denn dort bleibt der Investor in der Gläubigerposition und wird selbst im Falle einer Unternehmenspleite mehr bekommen als der Aktionär. Das heißt: Im Verhältnis zur Aktie behält die Wandelanleihe ganz klar ihren Vorteil.

Das Maß an Differenzierung ist bei Wandelanleihen auch höher als bei jedem anderen Instrument, weil sie in sich hybrid ist und sowohl die Aktien- als auch die Rentenseite beinhaltet.

Was ich damit sagen will: Ich kann nicht begreifen, warum diese Assetklasse in Deutschland so unterbelichtet ist.

Für welche Anlegertypen eignen sich Wandelanleihen?

Jeder, der Aktien hat, sollte sich überlegen, ob er nicht zusätzlich oder stattdessen (auch) Wandelanleihen beziehungsweise Wandelanleihen-Fonds kauft. Denn in der Vergangenheit hätte er damit eine höhrere Performance bei geringerer Schwankungsbreite erzielt. Ich glaube aber, dass auch jeder Bond-Anleger sich die Frage stellen sollte und jeder, der Unternehmensanleihen kauft, sowieso.

In jedem Fall eignet sich die Assetklasse fürs Depot A der Banken, für Versicherungsportfolios oder für Stiftungen, die nicht nur das Geschäft mit Staatsanleihen abdecken, aber nicht in das riskantere Geschäft mit Aktien einsteigen wollen.

Im Beratungsgeschäft ist die Wandelanleihe für eine Kernfrage der Zukunft, ob wir nämlich in eine Inflation oder eine Deflation hineinlaufen, eine gute Antwort. Laufen wir auf eine Deflation zu, ist der Besitzer von Nominalwerten, also der Gläubiger König. Laufen wir auf Inflation zu, ist der Besitzer von Sachwerten im Vorteil, also auch der Aktionär. Mit der Wandelanleihe hat der Anleger also die Möglichkeit, beide Szenarien abzudecken, ohne sich heute schon zu entscheiden, welches Szenario eintrifft.

Insgesamt lässt sich sagen: Die Wandelanleihe bietet für viele Anlegernöte eine gute Zusatzantwort.

Welche Chancen bieten Wandelanleihen im Firmenkundengeschäft?

Hier haben die Banken eine große Aufgabe, ihren Kunden dieses Instrument schmackhaft zu machen. Denn es hat ja für die

Unternehmen nur Vorteile: Sie müssen weniger Zinsen zahlen, als wenn sie kein Wandelrecht einräumen würden. Und zu einer Wandlung kommt es ja nur bei steigenden Kursen der jeweiligen Aktien. Das heißt das Unternehmen würde mehr für seine Aktien bekommen als heute. Wenn es zur Wandlung

kommt, wird für das Unternehmen aus Fremdkapital Eigenkapital. Insofern ist es für börsennotierte Unternehmen eine sehr gängige Möglichkeit. Für Familienunternehmen, die nicht darauf vorbereitet sind, fremde Aktionäre an Bord zu nehmen, ist die Wandelanleihe dagegen kein Finanzierungsinstrument.

Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, damit Wandelanleihen sich in Deutschland mehr durchsetzen? Es müssten mehr Menschen den

Anstoß bekommen, sich mit dem Instrument zu befassen. Denn weil es zwei Standbeine hat, ist es nun einmal etwas komplexer als Aktien oder Anleihen. Ich würde mir wünschen, dass die Banken die Wandelanleihe sowohl als Refinanzierungsinstrument für die Unternehmen als auch als Investitionsmittel für die Anleger stärker forcieren. Das setzt freilich voraus, dass auch in der Ausbildung, wo die Wandelanleihe im Vergleich zu Mezzanine-Kapital oder Derivaten ziemlich vernachlässigt wird, mehr Wert darauf gelegt wird.

Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichend? Oder welchen Verbesserungsbedarf sehen Sie dort?

Im Moment sehen wir keinen Verbesserungsbedarf, zumal das, was der BGH im Mai beschlossen hat, jetzt auch durch die neueste Rechtsetzung des Bundestages bestätigt wurde. Von daher hat die Wandelanleihe vom Rechtsrahmen her eine gute Zukunft.

Und welche Konsequenzen haben die neuen Vorschriften für den Anlegerschutz für die Zukunft der Assetklasse?

Ich bin ein großer Freund von Verbraucherschutz. Er darf aber nicht dazu führen, dass die ganze Welt anlageseitig wie bankenseitig nur noch Geldmarktanleihen oder Staatsanleihen empfiehlt. Denn ich bin mir nicht sicher, ob es zum Beispiel für die Altersvorsorge oder einen langfris tigen Vermögensaufbau sicher ist, auf vermeintlich risikolose Anlageformen zu setzen.

Eine gut abgepufferte und diversifizierte Anlage in Sachwerten und Unternehmensanleihen schafft einen Mehrwert für Anleger und ist gleichzeitig für die Finanzierung der Wirtschaft unabdingbar. Ich sehe aktuell die Gefahr, dass durch die neuen Vorschriften die Beratung nur noch zu den vermeintlich sicheren Anlagen geführt wird und letztlich langfristig sowohl der Inves tor damit keinen Mehrwert erzielt und die Wirtschaft insgesamt nicht gefördert wird.

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